Verbindliche Zolltarifauskunft für eine "Rundschlinge"
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Karl Heinz Klumpner BA in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***,über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Wien vom betreffend Entscheidung über eine verbindliche Zolltarifauskunft zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG ) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Antrag vom hat die ***Bf1*** in Deutschland bei der in Österreich zuständigen Zentralstelle beim Zollamt Wien einen Antrag auf Entscheidung über eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) für eine Ware mit der Handelsbezeichnung "Rundschlinge" gestellt.
Laut Warenbezeichnung besteht die Rundschlinge nach Norm DIN EN 1492-2 aus einem lasttragenden Kern, der komplett mit einer gewebten Umhüllung umschlossen sein muss. Der gewebte Umhüllungswerkstoff muss so behandelt werden, dass eine geschlossene Oberfläche entsteht. Der Mantel muss so konstruiert sein, dass er einer Belastung mit zweifacher Nennlast standhält. Bei einer Beschädigung des Mantels (z.B. Risse oder Einschnitte) ist die Schlinge ablegereif und darf nicht weiter verwendet werden.
Der Kern besteht aus einem gewickelten Garnstrang. Der Einzelstrang besteht aus mehreren gezwirnten endlosen Einzelfäden. Der Kern muss mindestens aus 11 Windungen bestehen um einen entsprechenden Reibschluss zu gewährleisten.
Erst die fertig konfektionierte Rundschlinge (mit Mantel) erlaubt den bestimmungsgemäßen Gebrauch.
Das Fadengelege kann und darf nicht als Rundschlinge verwendet werden. Erst durch die gewebte Schlauchhülle und ggfls. weiteren Schutzschläuchen wird das Fadengelege zur gebrauchsfertigen Rundschlinge. In der Anwendung besteht der besondere Anwendungsvorteil einer Rundschlinge darin, dass sich die Fadengelege flächig an der Last verteilen im Gegensatz zu einem Seil, dass eine lineare Punktauflage hat.
Das von der Norm vorgeschriebene Etikett (Label) muss unverlierbar an dem Mantel befestigt werden. Geht das Etikett mit entsprechenden Herstelldaten und Tragfähigkeiten verloren oder wird unleserlich, muss die Schlinge abgelegt werden.
Der Schlauch schützt den Kern aus Garn vor Eindringen von Gegenständen. Durch kleine scharfkantige Gegenstände z.B. Späne im Inneren des Geleges kann die Tragfähigkeit der Schlinge drastisch heruntergesetzt werden. Aber auch Eindringen von Chemikalien oder Öl kann die Tragfähigkeiten reduzieren, da der nötige Reibschluss des losen Garnwickels nicht mehr gegeben ist.
Bei Verwendung von Hochleistungsfasern wie z.B. LCP-Fasern muss der Kern vor UV-Strahlung geschützt werden, da sonst die Tragfähigkeit nicht gewährleistet werden kann.
Neben den o.g. Vorgaben der Norm dient der Schlauch zur Sicherheit des Anschlägers. Die Antragstellerin hat viel Entwicklungsarbeit in die Konstruktion von Spezialschläuchen investiert. Hier sind vor allem die ***X*** Schläuche zu nennen. Der Mantel besteht aus zwei Schläuchen. Einem signalfarbenen Unterschlauch und einem geflochtenen Oberschlauch, der eine extreme Kompaktheit der Schlinge gewährleistet. Ist der farbige Unterschlauch sichtbar, wird so dem Anwender eine Beschädigung signalisiert. Aufgrund des Unterschlauchs muss die Schlinge nicht direkt bei einer Beschädigung abgelegt werden, da der Kern weiterhin vor dem Eindringen von Verschmutzung geschützt ist.
Bei einer aktuellen Neuentwicklung wurden Indikatoren (Patentanmeldung) in den Schlauch integriert, um den Anschläger auf eine mögliche Schädigung des Kerns der Schlinge durch Hitzeeinwirkung hinzuweisen.
Ab Tragfähigkeiten von 10 Tonnen ist keine Farbcodierung nach Norm vorgeschrieben. Aus Sicherheitsgründen sind deshalb die Tragfähigkeiten (zusätzlich zum Label) auf den Rundschlingen der Antragstellerin aufgedruckt bzw. eingewebt, um Verwechslungen auszuschließen.
Laut Antrag ist die Rundschlinge nach Erwartung der Antragstellerin in den Zollnomenklaturcode 63079098 einzureihen.
Die Antragstellerin gibt an, bei einer anderen Zollstelle in einem anderen Mitgliedstaat keine vZTA für eine gleiche oder gleichartige Ware beantragt oder erhalten zu haben.
Ihr sei auch nicht bekannt, ob andere Inhaber für eine gleiche oder gleichartige Ware bereits eine vZTA-Entscheidung ausgestellt worden ist.
Die Frage "Ist Ihres Wissens für die in den Feldern 9 und 10 beschriebenen Waren in der EU ein Rechts- oder Verwaltungsverfahren bezüglich der zolltariflichen Einreihung anhängig oder ist in der EU durch ein gerichtliches Urteil bereits über die zolltarifliche Einreihung entschieden worden?" beantwortet die Antragstellerin mit Nein.
Ein Muster einer Rundschlinge wurde nach Aufforderung durch das Zollamt nachgereicht.
Am ist der Antragstellerin unter Referenznummer ***AT*** die Entscheidung über eine vZTA erteilt worden. Die Rundschlinge mit der Warenbezeichnung
"Ware aus Bindfäden, in Form einer Rundschlinge
- bestehend aus einem schlauchartigen, mehrlagigen Erzeugnis mit einer Länge von ca. 4m, zusammengenäht zu einem Ring (konfektioniert),
- die äußere Lage ist aus einem Gewebe aus Multifilamentgarnen auf Polyesterbasis und die mittlere Lage aus einem Gewebe aus Polyesterfilamenten gearbeitet, die Seele setzt sich aus ca. 80 Garnen aus leicht gedrehten Multifilamenten auf Polyesterbasis mit einem Titer von ca. 8855 tex zusammen,
- die Ware dient zum Heben schwerer und sperriger Lasten,
- im Hinblick auf die Verwendung (Hebekraft) bestimmen die Garne den Charakter der Ware."
wird in die Warennummer 56090000 eingereiht.
Begründet wird die Einreihung der Ware mit
Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur (AV) 1, 3b und 6;
Anmerkung 3A) zu Abschnitt XI;
Anmerkung 7f zu Abschnitt XI;
Anmerkung 8 zu Abschnitt XI;
Anmerkung 1a zu Kapitel 54;
Anmerkung 2a) zu Kapitel 63;
Untersuchungsbefund der TUA, GZ. 1203/2018 vom .
Mit Schreiben vom hat die Antragstellerin (nachstehend mit "Bf" bezeichnet) durch Ihren Vertreter Beschwerde gegen die vZTA erhoben.
In der nachgereichten Begründung führt die Bf im Wesentlichen aus, die verfahrensgegenständliche Ware sei unter die Warennummer 63079098 einzureihen. Wie beschrieben werde die Ummantelung der Rundschlinge dadurch erzeugt, dass ein Gewebe aus Kunststofffasern zu einem Ring zusammengenäht - also konfektioniert - wird. Es handle sich bei der Rundschlinge mithin um eine konfektionierte Ware aus Spinnstofferzeugnissen, die anderweitig nicht genauer erfasst werde. Zu Kapitel 63 würden gerade die aus den Spinnstofferzeugnissen hergestellten Waren gehören, die gewebt oder gestrickt werden. Die höhere Produktionsstufe der Waren, die Kapitel 63 erfasst, finde sich in der Warenbeschreibung der vZTA vom wieder, in der dargelegt werde, dass es sich bei der Ummantelung um ein Gewebe handelt, das aus Multifilamentgarnen bzw. Polyesterfilamenten erzeugt und durch das Zusammennähen konfektioniert wird.
Aus der Anmerkung 8 a) zu Abschnitt XI ergebe sich, dass konfektionierte Waren im Sinne der Anmerkung 7 (hier: 7 f) nicht zu dem Kapitel 56 gehören können. Die Warenbezeichnung der Position 6307 sei insoweit genauer als die Position 5609 (Allgemeine Vorschrift 3a). Die betroffene Ware sei daher nicht in die Warennummer 56090000 einzureihen.
Die Einreihung in die Warennummer 63079098 sei der Bf bereits gerichtlich bestätigt worden. In einem mit der niederländischen Zollverwaltung geführten Verfahren habe das Gericht Noord-Holland mit Sitz in Haarlem entschieden, dass Rundschlingen unter der HS-Position 6307 einzureihen sind (Entscheidung vom - Akz.: HAA 14/725). Es habe sich in diesem Verfahren um die gleiche Art Rundschlingen gehandelt, die auch Gegenstand der vorliegenden vZTA sei.
Vorsorglich weise man jedoch darauf hin, dass auch die Funktionsweise der Materialien zeige, dass im Hinblick auf die Verwendung nicht die Garne den Charakter der Ware bestimmen, sondern das Zusammenspiel von Garnen und Ummantelung:
Bei den Rundschlingen handle es sich um Filamente, die in einen gewebten Schlauch eingefahren werden. Bei den innenliegenden Garnen handle es sich um synthetische Fasern. Auch der Schlauch, der die Fasern umgibt, werde aus Kunststofffasern gewebt. Nur dadurch, dass bei den Rundschlingen die innenliegenden Fasern durch einen Schlauch ummantelt werden, seien die Schlingen in der Lage, die geforderte Tragkraft zu leisten.
Der von der Bf hergestellte gewebte Schlauch werde eng um die Fasern verschlossen. Er habe keine eigene Hebekraft, sondern sei zum Schutz des Geleges aus Fasern erforderlich. Die Ummantelung sorge dafür, dass die Fasern nicht beschädigt werden und somit in ihrer Gesamtheit die Tragkraft erbringen können. Sollte das endlose Fasergelege ohne die Schlauchhülle zum Einsatz kommen, würden sich sehr schnell einzelne Faserstränge des Geleges unkontrolliert verteilen. Der für die Traglast ausschlaggebende Reibschluss des endlosen Fasergeleges und die klammernde Wirkung der Schlauchhülle wären nicht mehr gegeben. Zusätzlich schütze die Schlauchhülle das empfindliche Fasergelege im Einsatz vor Beschädigungen.
Infolge sei die Schlauchhülle charakterbestimmend für die technische Funktionalität und Einsatztauglichkeit einer Rundschlinge. Der Schlauch sei daher nicht lediglich ein Bestandteil, der die Fasern vor äußerer Beschädigung und Abrieb schützt, sondern ein funktional erforderliches Teil, was dazu führe, dass die Tragkraft der Fasern in Summe gebündelt wird. Es sei daher nicht so, dass im Hinblick auf die Verwendung die innenliegenden Garne für die Hebekraft maßgeblich seien und damit den Charakter der Ware bestimmen. Es sei hier das Zusammenspiel aus Garnen und gewebter Ummantelung, die die Verwendung der Schlingen zum Heben von Lasten unterschiedlicher Tragkraft erst ermöglicht. Ohne die Ummantelung wären die Garne zum Heben von Lasten ungeeignet. Der Reibschluss des endlosen Fasergeleges wäre nicht mehr gewährleistet. Die sich ergebende ungleichmäßige Kraftaufnahme des endlosen Fasergeleges hätte zuerst Teilbrüche des endlosen Fasergeleges zu Folge, bevor es schlussendlich zum Lastabsturz käme. Die klammernde Wirkung der Schlauchhülle sei für das Erreichen der Nenntragfähigkeit elementar. Erst durch die Konfektionierung, d.h. durch das Weben der Schlingen und die Ummantelung der Garne mit einem gewebten Schlauch werde das Produkt vollständig und könne für den bestimmungsgemäßen Gebrauch eingesetzt werden. Der gewebte Schlauch, der das äußere Erscheinungsbild der Ware präge, sei wesentlich für die Funktionalität und damit charakterbestimmend für ein gebrauchsfertiges und sicheres Produkt.
Da die innenliegenden Garne nicht den Charakter der Ware bestimmen, könne diese nicht der Warennummer 56090000 zugeordnet werden, sondern sei unter der Warennummer 63079098 einzureihen.
Da in dem von der Bf vorgelegten Urteil aus den Niederlanden auf eine vZTA des HZA Hannover verwiesen wird, die der Bf für eine ähnliche Rundschlinge erteilt worden ist (Einreihung in die Zollnomenklatur 560900), hat die belangte Behörde in Deutschland angefragt, ob die am erteilte vZTA ***DE*** noch gültig ist.
Die Gültigkeit der genannten vZTA ist von der do Generalzolldirektion bestätigt worden.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom , 100000/60049/2018. Ist die Beschwerde gegen die vZTA ***AT*** als unbegründet abgewiesen worden.
Mit Schreiben vom hat die Bf durch Ihren Vertreter die Entscheidung über Ihre Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Gemäß Artikel 33 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union (in der Folge "UZK ") treffen die Zollbehörden auf Antrag Entscheidungen über verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTA-Entscheidungen).
Für die Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs gilt als zolltarifliche Einreihung von Waren gemäß Artikel 57 Abs 1 UZK die Bestimmung der Unterposition oder der weiteren Unterteilung der Kombinierten Nomenklatur, der diese Waren zugewiesen werden.
Nach den Bestimmungen des Artikels 1 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den gemeinsamen Zolltarif wird von der Kommission eine Warennomenklatur - Kombinierte Noemnklatur oder abgekürzt "KN" genannt - eingeführt, die den Erfordernissen sowohl des Gemeinsamen Zolltarifs, der Statistik des Außenhandels der Gemeinschaft sowie anderer Gemeinschaftspolitiken auf dem Gebiet der Wareneinfuhr oder -ausfuhr genügt.
Jede Unterposition KN hat gemäß Artikel 3 Absatz 1 dieser Verordnung eine achtstellige Codenummer:
a) die ersten sechs Stellen sind die Codenummern der Positionen und Unterpositionen des Harmonisierten Systems ("Internationales Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren");
b) die siebte und die achte Stelle kennzeichnen die Unterpositionen KN. Ist eine Position oder Unterposition des Harmonisierten Systems nicht für Gemeinschaftszwecke weiter unterteilt, so sind die siebte und achte Stelle 00.
Die Unterpositionen des TARIC werden gemäß Artikel 3 Absatz 2 leg cit durch eine neunte und zehnte Stelle gekennzeichnet, die zusammen mit den in Absatz 1 genannten Codenummern die TARIC-Codenummern bilden. Sind keine gemeinschaftlichen Unterteilungen vorhanden, so sind die neunte und zehnte Stelle 00.
Die Abgabenbehörden haben gemäß § 167 Abs 2 BAO, abgesehen von offenkundigen Tatsachen und von solchen, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Gemäß § 269 Abs 1 BAO haben im Beschwerdeverfahren die Verwaltungsgerichte die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden auferlegt und eingeräumt sind. Im Abgabenverfahren genügt die größere Wahrscheinlichkeit. Es genügt im Rahmen der der Behörde nach § 167 Abs 2 BAO zukommenden freien Überzeugung von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (ständige Rechtsprechung, zB ). Dass dabei Zweifel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen wären, ist nicht erforderlich ().
Der Behörde ist es nicht aufgegeben, im naturwissenschaftlich mathematisch exakten Sinn den Bestand der in Abrede gestellten Tatsache nachzuweisen. Es genügt vielmehr, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen möglichen Ereignissen eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (ständige Rechtsprechung, zB ).
Nach der ständigen Rechtsprechung ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (vgl ).
Die von der Kommission zur KN ausgearbeiteten und die von der WTO zum HS erlassenen Erläuterungen tragen erheblich zur Auslegung der einzelnen Tarifpositionen bei, ohne jedoch rechtsverbindlich zu sein (vgl ua , Rn 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Für die Einreihung von Waren in die KN gelten Allgemeine Vorschriften (AV) für die Auslegung der KN.
Nach der AV 1 sind die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel nur Hinweise. Maßgebend für die Einreihung sind der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und soweit in den Positionen oder in den Anmeldungen zu den Abschnitten oder Kapitel nichts anderes bestimmt ist - die weitern AV.
Kommen für die Einreihung von Waren zwei oder mehr Positionen in Betracht, so wird nach AV 3 wie folgt verfahren:
a) Die Position mit der genaueren Warenbezeichnung geht den Positionen mit allgemeiner Warenbezeichnung vor. Zwei oder mehr Positionen, von denen sich jede nur auf einen Teil oder in einer gemischten oder zusammengesetzten Ware enthaltenen Stoffe oder nur auf einen oder mehrere Bestandteile einer für den Einzelverkauf aufgemachten Warenzusammenstellung bezieht, werden im Hinblick auf diese Waren als gleich genau betrachtet, selbst wenn eine von ihnen eine genauere oder vollständigere Warenbezeichnung enthält.
b) Mischungen, Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen, und für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellungen, die nach der AV 3 a) nicht eingereiht werden können, werden nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann.
c) Ist die Einreihung nach den AV 3 a) und 3 b) nicht möglich, wird die Ware der von den gleichermaßen in Betracht kommenden Positionen in dieser Nomenklatur zuletzt genannten Position zugewiesen.
Nach der AV 6 sind für die Einreihung von Waren in die Unterpositionen einer Position der Wortlaut dieser Unterpositionen, die Anmerkungen zu den Unterpositionen und - sinngemäß - die vorstehenden AV maßgebend. Einander vergleichbar sind dabei nur Unterpositionen der gleichen Gliederungsstufe. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten bei Anwendung dieser AV auch die Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln.
In die von der Bf begehrte Position 6307 HS tarifieren andere konfektionierte Waren, einschließlich Schnittmuster zum Herstellen von Kleidung.
Nach den Erläuterungen HS gehören zu dieser Position konfektionierte Waren aus Spinnstofferzeugnissen aller Art, die nicht in anderen Positionen des Abschnitts XI oder in anderen Kapiteln der Nomenklatur genauer erfasst sind.
Waren der Kapitel 56 bis 62 gehören nach Anmerkung 2 a) zu Kapitel 63 nicht zu Teilkapitel I (andere konfektionierte Spinnstoffwaren).
Waren, durch Nähen, Kleben oder in anderer Weise zusammengefügt, ausgenommen Meterwaren, die aus zwei oder mehr Stücken des gleichen Spinnstofferzeugnisses bestehen, die an ihren Enden zu einem Stück von größerer Länge vereinigt sind, und Meterwaren, die aus zwei oder mehr mit ihrer ganzen Fläche aufeinander liegenden und so miteinander verbundenen Spinnstofferzeugnissen bestehen, auch mit Zwischenlagen aus einem Polsterfüllstoff, gelten als "konfektioniert" im Sinne des Abschnitts XI (Anmerkung 7 f zu Abschnitt XI).
Nach Abschnittsanmerkung 8 gilt für die Anwendung der Kapitel 50 bis 60:
a) konfektionierte Waren im Sinne der vorstehenden Anmerkung 7 gehören weder zu den Kapiteln 50 bis 55 und 60 und, soweit nichts anderes bestimmt ist, nicht zu den Kapiteln 56 bis 59.
b) zu den Kapiteln 50 bis 55 und 60 gehören nicht Waren der Kapitel 56 bis 59.
Waren aus Garnen, aus Streifen oder dergleichen der Position 5404 oder 5405, aus Bindfäden, Seilen und Tauen, anderweitig weder genannt noch inbegriffen tarifieren in die Position 5609 HS.
Laut den Erläuterungen zum HS gehören zu dieser Position insbesondere Garne, Bindfäden, Seile und Taue, auf Länge geschnitten, die an einem Ende oder an beiden Enden mit Schlaufen oder mit Einfassungen aus Metall, Haken, Ringen oder anderen Zutaten versehen sind (z.B. Schnürsenkel, Wäscheleinen, Zugseile), Verladeschlingen, Schiffsfender, Fassfender, Strickleitern, Scheuerwischer (zum Scheuern von Spülsteinen, Fliesen usw.), aus einem Bündel von Garnen oder Bindfäden, die in der Mitte umgelegt und an der Umkehrstelle eingebunden sind, usw.
Anmerkung 3 A zu Kapitel XI (Spinnstoffe und Waren daraus) lautet:
"Als "Bindfäden, Seile und Taue" gelten im Abschnitt XI, vorbehaltlich der im nachstehenden Absatz B enthaltenen Ausnahmen, Garne (ungezwirnt oder gezwirnt):
…
b) aus Chemiefasern (einschließlich solcher Garne, die aus zwei oder mehr Monofilen des Kapitels 54 hergestellt sind), mit einem Titer von mehr als 10.000 dtex;
…"
Gemäß Anmerkung 1 a) zu Kapitel 54 gelten als "Chemiefasern" in allen Teilen der Nomenklatur Spinnfasern und Filamente aus organischen Polymeren, die durch Polymerisation von organischen Monomeren, um Polymere wie Polyamide, Polyester, Polyolefine oder Polyurethane zu erhalten, oder durch chemische Modifikation von Polymeren von aus diesem Prozess hervorgegangenen Polymeren (z.B. Poly(vinylalkohol) hergestellt aus der Hydrolyse von Poly(vinylacetat), hergestellt sind.
Einigkeit zwischen der Bf und der belangten Behörde besteht darüber, dass es sich bei der Rundschlinge um eine konfektionierte Ware handelt.
Wenn die Bf vorbringt, aus Anmerkung 8 a) zu Abschnitt XI würde sich ergeben, dass konfektionierte Waren nicht zu Kapitel 56 gehören können, lässt sie unerwähnt, dass der Wortlaut der betreffenden Abschnittsanmerkung die Einschränkung "soweit nichts anderes bestimmt ist" enthält.
Dass im vorliegenden Fall anderes bestimmt ist, ergibt sich aus den bereits zitierten Vorschriften und Anmerkungen (etwa Anmerkung 2 a) zu Kapitel 63).
Bei der verfahrensgegenständlichen Rundschlinge handelt es sich um eine Ware, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen besteht.
Nach der AV 3 a) kann die Rundschlinge nicht eingereiht werden, es ist jedoch eine Einreihung nach der AV 3 b) möglich.
Nach Ansicht der Bf ist der gewebte Schlauch, der das äußere Erscheinungsbild der Ware prägt, wesentlich für die Funktionalität und damit charakterbestimmend; das Zollamt begründet seine Einreihung in die Position 5609 ua damit, dass das Wesen der Ware durch die Garne bestimmt wird.
Im Hinblick auf die Verwendung - Heben schwerer und sperriger Lasten - bestimmen die für die Hebekraft maßgeblichen Garne den Charakter der Ware. Die Bf selbst führt in Feld 9 (Warenbezeichnung) des Antrages auf Entscheidung über eine vZTA aus, dass die Rundschlinge aus einem lasttragenden Kern - hier aus etwa 80 Garnen aus leicht gedrehten Multifilamenten auf Polyesterbasis mit einem Titer von ca 8855 tex - besteht, der mit einer gewebten Umhüllung umschlossen ist.
Das Bundesfinanzgericht kommt daher zu dem Schluss, dass die Rundschlinge mit der angefochtenen vZTA ***AT*** zutreffend in die Warennummer 56090000 eingereiht worden ist.
Zu dem von der Bf vorgelegten Urteil aus den Niederlanden wird angemerkt, dass dieses Urteil das Bundesfinanzgericht in keiner Weise bindet und die Bf im gegenständlichen Verfahren keinerlei Rechte daraus ableiten kann.
Es darf auch darauf hingewiesen werden, dass die Bf das an sie ergangene Urteil der Rechtbank Noord-Holland vom bei Beantragung der vZTA am nicht erwähnt hat und in Feld 14 des Antragsformulars ausdrücklich erklärt, dass Ihres Wissens für die in den Feldern 9 und 10 beschriebenen Waren in der EU noch nicht durch ein gerichtliches Urteil über die zolltarifliche Einreihung entschieden worden ist.
Auch die der Bf erteilte vZTA des HZA Hannover, die zum Zeitpunkt der Antragstellung am gültig war, hat die Bf verschwiegen. Gleichlautend zur angefochtenen Entscheidung wird die Ware in dieser vZTA in die Warennummer 5609 eingereiht, was laut Abfrage der Datenbank EVZTA der gängigen Einreihung solcher Waren durch die Mitgliedstaaten (auch die Niederlande) entspricht.
Zur Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt, weshalb die Revision nicht zugelassen wird.
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | Art. 33 UZK, VO 952/2013, ABl. Nr. L 269 vom S. 1 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7200080.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at