Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.06.2020, RV/7400153/2018

Verhängung eines Verspätungszuschlages in Zusammenhang mit der Nicht-Abgabe von Kommunalsteuererklärungen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Mirha Karahodzic MA in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Baldinger & Partner Unternehmens- und Steuerberatung GmbH, Ferrogasse 35, 1180 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratssabteilung 6, Rechnungs- und Abgabenwesen, Dezernat Abgaben und Recht, Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom , MA 6/DII/R1-839291/2013E (Vorlagezahl: MA 6/ARL-376887/2018i), betreffend Vorschreibung eines Verspätungszuschlages auf die Kommunalsteuer für die Jahre 2008 bis 2012, zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Verspätungszuschläge wie folgt abgeändert:

Der Verspätungszuschlag für das Jahr 2008 wird mit 5% iHv 10.769,31 Euro festgesetzt.

Der Verspätungszuschlag für das Jahr 2009 wird mit 4% iHv 9.255,44 Euro festgesetzt.

Der Verspätungszuschlag für das Jahr 2010 wird mit 3% iHv 7.426,74 Euro festgesetzt.

Der Verspätungszuschlag für das Jahr 2011 wird mit 2% iHv 5.262,75 Euro festgesetzt.

Der Verspätungszuschlag für das Jahr 2012 wird mit 1% iHv 2.812,78 Euro festgesetzt.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Im Beschwerdefall ist strittig, ob der beschwerdeführenden Gesellschaft - einer privaten Krankenanstalt - zu Recht ein Verspätungszuschlag gemäß § 135 BAO dem Grunde und der Höhe nach vorgeschrieben wurde. Der Verfahrensgang stellt sich wie folgt dar:

Am erging in Bezug auf die beschwerdeführende Gesellschaft ein Prüfungs- und Nachschauauftrag betreffend Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe für den Zeitraum Jänner 2008 bis Dezember 2012. Die Nachschau wurde am durchgeführt. Hinsichtlich Kommunalsteuer wurden Abgabenbeträge festgestellt, die von der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht anerkannt wurden. Die ziffernmäßige Richtigkeit der Abgabenbeträge wurde aber bestätigt. Hinsichtlich der Dienstgeberabgabe gab es keine Beanstandung, das (Revisions)Ergebnis wurde anerkannt.

Für den Zeitraum 2008 bis 2012 wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft mit Bescheid vom sodann die Kommunalsteuer iHv 1.232.334,18 Euro wie folgt vorgeschrieben:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zeitraum
Bemessungsgrundlage in Euro
Abgabenbetrag in Euro
2008
7.179.541,
215.386,23
2009
7.712.867,00
231.386,01
2010
8.201.542,00
246.046,23
2011
8.705.305,00
261.159,15
2012
9.278.551,00
278.356,53
Summe
41.077.806,00
1.232.334,18

Da die Kommunalsteuer zu diesem Zeitpunkt schon fällig gewesen war, wurde wegen nicht fristgerechter Entrichtung gleichzeitig ein Säumniszuschlag iHv 24.646,68 Euro auferlegt und wegen unterlassener Einbringung der Kommunalsteuererklärungen für die Kalenderjahre 2008 bis 2012 gemäß §§ 135 und 135a BAO ein Verspätungszuschlag von 10% des Gesamtabgabenbetrages iHv 123.233,40 Euro festgesetzt. Die Festsetzung des Verspätungszuschlages wurde damit begründet, dass der Abgabenbehörde durch das Unterlassen der Abgabenerklärung "ein nicht unbeträchtlicher zusätzlicher Verwaltungsaufwand" entstanden sei. Die Höhe erscheine somit gerechtfertigt.

In der dagegen erhobenen Beschwerde vom wurde vorgebracht, es sei zwar richtig, dass für die Jahre 2008 bis 2012 keine Kommunalsteuererklärungen abgegeben worden seien, unrichtig sei jedoch, dass die verspätete Abgabe nicht entschuldbar sei. Dazu wird in der Beschwerde wie folgt vorgebracht:

Bereits im am eingebrachten Nachsichtsansuchen gemäß § 236 BAO sei ausführlich dargelegt worden, warum die beschwerdeführende Gesellschaft darauf vertrauen habe können, dass sie eine gemeinnützige Krankenanstalt betreibe. Der Verwaltungsgerichtshof habe u.a. in seinem Erkenntnis vom , 2019/51, bestätigt, dass es sich bei der vom ***A*** betriebenen Krankenanstalt um eine gemeinnützig geführte Krankenanstalt iSd § 16 Krankenanstaltengesetz handle. Die Organe des ***A*** hätten über Jahrzehnte iS des Grundsatzes von Treu und Glauben auf diese Rechtsprechung vertraut und darauf aufbauend in diese Richtung wirtschaftlich disponiert. Jedenfalls handle es sich hier um eine vertretbare Rechtsansicht. Der Verwaltungsgerichtshof habe in vielen Erkenntnissen dargelegt, dass kein Verschulden vorliege, wenn die Abgabenpflichtige der vertretbaren Rechtsansicht sei, keine Abgabenerklärung einreichen zu müssen und daher die Einreichung unterlasse. Die beschwerdeführende Gesellschaft habe sich bemüht, eine Klärung der unklaren Rechtsverhältnisse herbeizuführen. Erst nach Abweisung der Bescheidbeschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof, zugestellt am , sei festgestanden, dass sie zur Abfuhr der Kommunalsteuer verpflichtet sei. Zu Beginn der Kommunalsteuerprüfung sei die Verpflichtung zur Abfuhr der Kommunalsteuer festgestanden.

Im Mai 2014 erfolgte eine "Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA)" durch das zuständige Finanzamt, bei welcher Kommunalsteuerdifferenzen für den Zeitraum Jänner 2010 bis Februar 2014 festgestellt und nachverrechnet wurden.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen den Verspätungszuschlag als unbegründet abgewiesen und die Höhe des Verspätungszuschlages wie folgt (verbösernd) abgeändert:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr
Euro
2008
21.538,62
2009
23.138,60
2010
24.755,80
2011
26.313,74
2012
28.127,85
Summe
123.874,61

Zur Begründung der Abweisung wurde ausgeführt, die beschwerdeführende Gesellschaft habe mit Schreiben vom eine Bestätigung darüber beantragt, dass die von ihr betriebene Krankenanstalt auf Grund der Voraussetzungen des § 26 Wr. KAG eine gemeinnützige Krankenanstalt sei. Dieser Antrag sei mit Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom abgewiesen worden; die dagegen eingebrachte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , 2011/11/0049, ebenso. Die Abgabenschuldnerin habe sich aber schon viel früher als anlässlich ihres (neuerlichen) Antrages auf Feststellung der Gemeinnützigkeit vom nicht auf das Vorliegen der Gemeinnützigkeit verlassen können. So ergebe sich aus dem Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung, dass bereits seit 1982 die Gemeinnützigkeit der Krankenanstalt durch die damals zuständige Magistratsabteilung 14 (nunmehr MA 40) in Zweifel gezogen worden sei und von dieser detaillierte Nachweise über die Gemeinnützigkeit der Krankenanstalt von deren Rechtsträgerin verlangt worden seien. Solche Nachweise seien aber nicht vorgelegt worden, sodass eine Erklärung über die Gemeinnützigkeit daraufhin nicht mehr ausgestellt worden sei. Trotz dieser Sachlage habe weder die Beschwerdeführerin noch ihre Rechtsträgerin bis zum Zeitpunkt der Antragstellung im November 2009 etwas unternommen, um die aus ihrer Sicht bestehende Gemeinnützigkeit der Krankenanstalt darzulegen. Da die genannten Institutionen jahrzehntelang den für sie günstigeren Rechtsstandpunk eingenommen hätten, indem sie ihre bescheidmäßige Feststellung oder sogar ohne erkennbaren Behördenwillen von einer Gemeinnützigkeit der Krankenanstalt ausgegangen seien, sei zu Recht davon auszugehen, dass ein Verschulden an der verspäteten Abgabe der Erklärungen für 2008 bis 2012 vorliege und daher die Festsetzung des Verspätungszuschlages, auch in der Höhe von 10% zu Recht erfolgt sei. Die Ansicht, dass die Organe der beschwerdeführenden Gesellschaft auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Jahre 1953 vertraut hätten, es sich somit um eine vertretbare Rechtsansicht gehandelt habe, werde von der Abgabenbehörde - auch auf Grund der zumindest seit 1982 fehlenden Erklärung über die Gemeinnützigkeit der Krankenanstalt - nicht geteilt.

Zur Begründung der Abänderung hinsichtlich der Höhe wurde ausgeführt, im Mai 2014 habe eine Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben durch das zuständige Finanzamt stattgefunden, bei welcher Kommunalsteuerdifferenzen für den Zeitraum Jänner 2010 bis Februar 2014 festgestellt und nachverrechnet worden seien. Die Festsetzung der nachverrechneten Kommunalsteuerbeträge sei auf Grund des rechtskräftigen Wiederaufnahmebescheides vom erfolgt, weshalb die Verspätungszuschläge für 2010 um 151,18 Euro, für 2011 um 197,83 Euro und für 2012 um 292,20 Euro zu erhöhen gewesen seien.

Mit Schreiben vom ersuchte die beschwerdeführende Gesellschaft um Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Zum Beschwerdevorbringen und unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beschwerdevorentscheidung zu einer Entschuldbarkeit der Verspätung wegen Vorliegen einer vertretbaren Rechtsansicht wurde ergänzend aufgeführt, die Erklärung der Wiener Landesregierung vom zur Erfüllung der Kriterien einer gemeinnützigen Krankenanstalt habe trotz fehlenden Bescheidcharakters (Verweis auf ) für die beschwerdeführende Gesellschaft dennoch den Behördenwillen ausgedrückt, an den sich die Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft in ihren Handlungen anlehnen konnten, ohne dabei die gebotene objektive Sorgfalt außer Acht zu lassen. Auf die Gültigkeit dieser Erklärung habe man sich daher zumindest bis zur Zustellung des Bescheides vom stützen können, in dem die Gemeinnützigkeit nicht weiter zuerkannt wurde. Erst nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom sei ein weiteres Vertrauen auf die Rechtsansicht betreffend die Erfüllung der Kriterien einer gemeinnützigen Krankenanstalt nicht mehr gegeben gewesen. Daraufhin seien sofort Bemühungen um eine außergerichtliche Sanierung angestrengt und in weiterer Folge ein Sanierungsverfahren eingeleitet worden. Durch das Unterlassen der Einreichung von Kommunalsteuererklärungen sei der Abgabenbehörde kein beträchtlicher zusätzlicher Verwaltungsaufwand entstanden, der einen Verspätungszuschlag in dieser Höhe rechtfertigen würde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Im Jahr 2004 errichtete der Verein "Österreichische Gesellschaft vom ***A***" (im Folgenden: Verein) eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (die beschwerdeführende Gesellschaft), mit dem ausschließlichen Zweck der Fortführung der vom Alleingesellschafter, dem Verein, früher betriebenen privaten Krankenanstalt.

Die beschwerdeführende Gesellschaft ging über Jahrzehnte davon aus, dass ihr dabei der Status der Gemeinnützigkeit zukommt. Für die beschwerdeführende Gesellschaft ergab sich dies insbesondere aus einer Erklärung der Wiener Landesregierung vom mit dem Inhalt, dass "[d]ie private Krankenanstalt ***A*** [...] als eine gemeinnützig geführte Krankenanstalt im Sinne des § 16 des Krankenanstaltengesetzes zu betrachten [ist]." Von der beschwerdeführenden Gesellschaft wurde die Erklärung aus dem Jahr 1979 als Bescheid angesehen. Die genannte Erklärung wurde dem Verein mit Schreiben vom übermittelt, in den Folgejahren - am und am - ergingen gleichlautende Erklärungen. Die damals zuständige Magistratsabteilung 14 zog 1982 die Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit der Krankenanstalt in Zweifel und verlangte erstmals detaillierte Nachweise über die Gemeinnützigkeit der Krankenanstalt von deren Rechtsträgerin, die aber nicht vorgelegt werden konnten. Die Ausstellung einer neuerlichen Erklärung über die Gemeinnützigkeit unterblieb in weiterer Folge, ohne dass weitere Erhebungsschritte durch den Magistrat gesetzt wurden. Auf die Erklärungen der MA 14 und ihr weiteres Nicht-Tätigwerden vertrauend, hat die beschwerdeführende Gesellschaft keine Veranlassung gesehen, Kommunalsteuererklärungen abzugeben. Auch für die gegenständlichen Jahre 2008 bis 2012 hat die beschwerdeführende Gesellschaft keine Kommunalsteuererklärungen abgegeben.

Als Teil des Ergebnisses der Verhandlungen zum Finanzausgleich für die Jahre 2008 bis 2013 wurde die Selbsträgerschaft, die u.a. gemeinnützige Krankenanstalten von der Entrichtung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen ausnahm, mit der Novelle zum Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG), BGBl. I 103/2007 , aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung mit Wirkung vom Juni 2008 abgeschafft. In der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Auswirkungen der Selbsträgerschaft, BGBl. II 421/2008 , welche am ausgegeben wurde und am in Kraft trat, schien die beschwerdeführende Gesellschaft in § 4 der Verordnung, die die Höhe der Ausgleichszahlungen an die darin genannten gemeinnützigen Krankenanstalten regelte, nicht auf.

Erst im Zuge der Auswirkungen der Abschaffung der Selbsträgerschaft auf gemeinnützige Krankenanstalten kamen der Geschäftsführerin der beschwerdeführenden Gesellschaft Zweifel am Vorliegen der Gemeinnützigkeit, da sich die beschwerdeführende Gesellschaft nicht in der als "Liste" bezeichneten Auflistung (§ 4 der Verordnung) befunden hat. Daraufhin wurden "Erkundungen" eingeholt. Unterlagen dazu wurden keine vorgelegt.

Die beschwerdeführende Gesellschaft stellte erst mit Schreiben vom einen Antrag auf Feststellung des Vorliegens der Gemeinnützigkeit nach dem Wiener Krankenanstaltengesetz an die zuständige Magistratsabteilung. Dieser Antrag wurde mit Feststellungsbescheid vom abgewiesen. Die dagegen beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Bescheidbeschwerde wurde mit Erkenntnis vom , 2011/11/0049, als unbegründet abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof erkannte darin auszugsweise wie folgt:

"(…) Ausgehend vom Inhalt der in Rede stehenden Erledigung kann nicht gesagt werden, dass damit ohne jeden Zweifel ein normativer Abspruch in Form eines Feststellungsbescheides erfolgte.

So ist in der nicht als Bescheid bezeichneten Erledigung ausdrücklich davon die Rede, dass die Wiener Landesregierung eine 'Erklärung' beschlossen habe, was jedenfalls nicht für das Vorliegen eines normativen Abspruchs spricht, sondern für die bloße Bekanntgabe eines Rechtsstandspunktes, den die Wiener Landesregierung einzunehmen beabsichtige.

Im Lichte der angegebenen hg. Judikatur ist folglich im Zweifel nicht davon auszugehen, dass die in Rede stehende Erledigung einen Bescheid darstellt. Gleiches gilt für die oben erwähnten Erklärungen der Wiener Landesregierung aus den Jahren 1980 und 1981.

2.2.1. Da die von der Beschwerdeführerin betriebene private Krankenanstalt unstrittig die Voraussetzung nach § 26 lit. g Wr. KAG nicht erfüllt, könnte sie nur dann als gemeinnützig gelten, wenn sie, wie es die Übergangsbestimmung des § 68 Abs. 2 Wr. KAG erfordert, 'bisher auf Grund ihrer Satzung gemeinnützig betrieben worden' wäre, wobei sich das Wort 'bisher', wie die belangte Behörde und die Beschwerdeführerin zutreffend erkennen, auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Wiener Krankenanstaltengesetzes am bezieht.

2.2.2. Der Beschwerde ist einzuräumen, dass es vor dem Inkraftreten des KAG und des Wiener Krankenanstaltengesetzes für private Krankenanstalten keine Verpflichtung eine Erlassung einer Satzung gegeben hat. Daraus ist aber für den Rechtsstandpunkt der Beschwerde nichts zu gewinnen. Es folgt daraus nämlich nicht, dass in Fällen, in denen Rechtsträger einer vor dem Stichtag betriebenen privaten Krankenanstalt ein Verein war, die Satzungen des Vereins für die Beurteilung der Gemeinnützigkeit der Krankenanstalt ausschlaggebend ist.

2.2.3. Es gibt keinen Anlass dafür, den Wortlaut des § 68 Abs. 2 Wr. KAG, der in Übereinstimmung sowohl mit dem des seinerzeitigen § 55 Abs. 2 KAG als auch mit § 63 Abs. 2 KAKuG steht, zu vernachlässigen, der - wie auch die oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien zum KAG - unmissverständlich auf 'Satzungen' der privaten Krankenanstalt und nicht etwa ihres Trägers abstellt. Auch wenn sich § 17 des Krankenanstaltengesetzes 1920 nicht auf private Krankenanstalten bezog, kann aus dieser Bestimmung iZm. der I. Durchführungsverordnung zum Krankenanstaltengesetz 1920 hinreichend klar entnommen werden, was unter einer Satzung einer Krankenanstalt iSd. Übergangsbestimmung zu verstehen war. Entscheidend für das Vorliegen einer Satzung iSd § 63 Abs. 2 KAKuG und § 68 Abs. 2 Wr. KAG ist nicht die Bezeichnung als Satzung, sondern das Vorliegen einer Urkunde mit im Wesentlichen dem Inhalt, der schon nach der Rechtslage des Krankenanstaltengesetzes 1920, wenn auch nur für öffentliche Krankenanstalten, vorgegeben war: Regelung der Organisation und Aufgaben der Krankennanstalt, Grundzüge der Verwaltung und des Betriebes. Nur wenn sich daraus die Gemeinnützigkeit des Betriebes ergab, sollte gemäß den dargestellten Übergangsbestimmungen auch bei Nichterfüllen der Voraussetzung über den Höchstanteil der Sonderklassebetten auch künftig Gemeinnützigkeit gegeben sein, dies freilich unter der weiteren Voraussetzung, dass wenigstens die übrigen Gemeinnützigkeitskriterien erfüllt sind.

(…)

2.2.5. Dass der Verwaltungsgerichtshof im bereits erwähnten Erkenntnis vom zur Befreiung des Vereins von der Körperschaftssteuer aus dem Titel der Gemeinnützigkeit die Auffassung vertreten hat, dass der Verein gemeinnützig sei, entfaltet für die Beurteilung der im Beschwerdefall allein maßgeblichen krankenanstaltenrechtlichen Rechtsfrage keine Bindungswirkung, weil es wie dargestellt auf den gemeinnützigen Betrieb der Krankenanstalt aufgrund ihrer Satzung zum Stichtag ankommt."

Die belangte Behörde führte in Folge der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes am eine Nachschau gemäß § 144 BAO bei der beschwerdeführenden Gesellschaft zur Überprüfung der Kommunalsteuer durch. Bei der Nachschau wurden die Kommunalsteuerbeträge, die bescheidmäßig vorgeschrieben wurden, wie folgt festgestellt (Verwaltungsakt AS 5):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr
Euro
2008
215.386,23
2009
231.386,03
2010
246.046,27
2011
261.159,15
2012
278.356,55

Der in Zusammenhang mit der Nachschau und der darauffolgenden Bescheiderlassung erhöhte entstandene Verwaltungsaufwand ist als durchschnittlich einzustufen.

Im Mai 2014 erfolgte eine "Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA)" durch das zuständige Finanzamt, bei welcher Kommunalsteuerdifferenzen für den Zeitraum Jänner 2010 bis Februar 2014 festgestellt und nachverrechnet wurden. Für die Jahre 2010 bis 2012 ergaben sich damit folgende Kommunalsteuerbeträge (vgl. rechtskräftiger Wiederaufnahmebescheid der belangten Behörde vom ):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
2010
247.558,00
2011
263.137,40
2012
281.278,50

Aufgrund der fehlenden Gemeinnützigkeit war die beschwerdeführende Gesellschaft zu diversen Steuernachzahlungen gezwungen, die ein Sanierungsverfahren im Jahr 2014 notwendig machten. Die beschwerdeführende Gesellschaft verkaufte sodann eine 75%ige Beteiligung, sanierte sich (Begleichung einer 25%igen Quote) und verfügt seitdem über durchschnittliche wirtschaftliche Verhältnisse.

2. Beweiswürdigung

Die gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen angenommen obigen Sachverhaltsfeststellungen (insbesondere jene zur [fehlenden] Gemeinnützigkeit der beschwerdeführenden Gesellschaft und zum Verfahren dazu) beruhen zum einen auf der das Gemeinnützigkeitsfeststellungsverfahren der beschwerdeführenden Gesellschaft betreffenden Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2011/11/0049, auf die sowohl die Beschwerdeführerin als auch die belangte Behörde verwiesen haben, sowie andererseits auf dem mit diesem Erkenntnis bestätigten Feststellungsbescheid vom .

Die Feststellung zum Aufkommen der Zweifel an der Gemeinnützigkeit bei der Geschäftsführerin der nunmehrigen Beschwerdeführerin ergibt sich für das Bundesfinanzgericht aus der mündlichen Verhandlung und den grundsätzlich glaubhaften Ausführungen der Geschäftsführerin, die allerdings behauptete, die Zweifel seien Mitte des Jahres 2009, sohin kurz vor Einbringung des Antrages auf Feststellung der Gemeinnützigkeit, aufgekommen. Die Geschäftsführerin leitete den Zeitpunkt des Entstehens der Zweifel mit der Auflösung der Selbsträgerschaft für die Familienbeihilfe ab, konnte dafür aber keine geeigneten Unterlagen vorlegen und verwies auf eine Auflistung ("Liste"), in welcher die beschwerdeführende Gesellschaft nicht enthalten gewesen sei. Mit dieser Auflistung kann für das Bundesfinanzgericht nur die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Auswirkungen der Selbsträgerschaft, BGBl. II 421/2008 , gemeint sein, welche am ausgegeben wurde. Nach der damaligen Rechtslage (vgl. Erläuterungen zur Verordnung BGBl. II 421/2008 des Bundesministers für Finanzen über die Auswirkungen der Abschaffung der Selbsträgerschaft - vorläufige Werte, Allgemeiner Teil) zeichnete sich in diesem Zusammenhang folgendes Bild:

Im Rahmen der so genannten Selbstträgerschaft hatten Bund, Länder und Gemeinden, wenn ihre Einwohnerzahl 2000 überstieg, mit Ausnahme der von ihnen verwalteten Unternehmungen, Betriebe, Anstalten, Stiftungen und Fonds, sowie gemeinnützige Krankenanstalten keinen Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu entrichten; korrespondierend dazu war von den genannten Gebietskörperschaften und gemeinnützigen Krankenanstalten der Aufwand an Familienbeihilfe und Mehrkindzuschlag für deren Bedienstete aus eigenen Mitteln zu tragen. Durch die Konstruktion der Selbsträgerschaft war ein verwaltungsaufwändiges Verfahren bei der Auszahlung der Familienbeihilfe und beim Mehrkindzuschlag erforderlich. Als Teil des Ergebnisses der Verhandlungen zum Finanzausgleich für die Jahre 2008 bis 2013 wurde die Selbsträgerschaft mit der Novelle zum Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG), BGBl. I 103/2007 , aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung mit Wirkung vom Juni 2008 abgeschafft. Um einen kostenneutralen Ausgleich auf Basis des Erfolges des Jahres 2007 zu ermöglichen, hatte der Bundesminister für Finanzen die Auswirkungen auf die Gebietskörperschaften sowie die gemeinnützigen Krankenanstalten zu ermitteln und mittels Verordnung kundzumachen. Diese Verordnung BGBl. II 421/2008 des Bundesministers für Finanzen über die Auswirkungen der Abschaffung der Selbsträgerschaft wurde am ausgegeben und regelte in ihrem § 4 die Höhe der Ausgleichszahlungen an die darin genannten gemeinnützigen Krankenanstalten. Die beschwerdeführende Gesellschaft war in der Aufzählung des § 4 nicht enthalten.

Die Feststellung, dass die beschwerdeführende Gesellschaft weder für die Vorjahre noch für die Jahre 2008 bis 2012 Kommunalsteuererklärungen abgegeben hat, ist unzweifelhaft und ergibt sich aus dem Verwaltungsakt. Gegenteiliges wurde von der beschwerdeführenden Gesellschaft auch nicht behauptet. Die Feststellungen zur durchgeführten Nachschau und zur GPLA ergeben sich ebenso zweifelsfrei aus dem Verwaltungsakt. Die belangte Behörde begründete den ihr entstandenen erhöhten Aufwand damit, dass sie nach der Erlassung eines Prüfauftrages selbstständig eine Nachschau durchgeführt hat, was zur Erlassung des gegenständlichen Bescheides geführt hat. Dass ihr damit ein überdurchschnittlich hoher Verwaltungsaufwand entstanden wäre, konnte für das Bundesfinanzgericht daraus nicht abgeleitet werden.

Die Feststellungen zum Sanierungsverfahren und zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der beschwerdeführenden Gesellschaft ergeben sich aus dem Verwaltungsakt (AS 22-27) sowie aus den Aussagen in der mündlichen Verhandlung und stehen im Einklang mit dem Firmenbuch und den im Firmenbuch befindlichen Jahresabschlüssen, in die Einsicht genommen wurde.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

3.1.1. Rechtslage

Gemäß § 11 Abs. 1 Kommunalsteuergesetz entsteht die Steuerschuld mit Ablauf des Kalendermonats, in dem Lohnzahlungen gewährt, Gestellungsentgelte gezahlt oder Aktivbezüge ersetzt worden sind. Gemäß § 11 Abs. 2 leg.cit. ist die Kommunalsteuer vom Unternehmer für jeden Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 15. des darauffolgenden Monates (Fälligkeitstag) an die Gemeinde zu entrichten. Werden laufende Bezüge für das Vorjahr nach dem 15. Jänner bis zum 15. Februar ausgezahlt, ist die Kommunalsteuer bis zum 15. Februar abzuführen. Ein im Rahmen der Selbstberechnung vom Steuerschuldner selbst berechneter und der Abgabenbehörde bekannt gegebener Kommunalsteuerbetrag ist gemäß § 11 Abs. 3 leg.cit. vollstreckbar. Wird kein selbstberechneter Betrag der Abgabenbehörde bekannt gegeben oder erweist sich die Selbstberechnung als nicht richtig, hat die Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid zu erfolgen. Von der Erlassung eines solchen Abgabenbescheides kann abgesehen werden, wenn der Steuerschuldner nachträglich die Selbstberechnung binnen drei Monaten ab Einreichung der Abgabenerklärung berichtigt; erweist sich die Berichtigung als nicht richtig, hat die Gemeinde einen Kommunalsteuerbescheid zu erlassen.

Gemäß § 11 Abs. 4 Kommunalsteuergesetz hat der Unternehmer für jedes abgelaufene Kalenderjahr bis Ende März des folgenden Kalenderjahres der Gemeinde eine Steuererklärung abzugeben. Die Übermittlung der Steuererklärung hat elektronisch im Wege von FinanzOnline zu erfolgen. Ist dem Unternehmer die elektronische Übermittlung mangels technischer Voraussetzungen unzumutbar, ist der Gemeinde die Steuererklärung unter Verwendung eines amtlichen Vordruckes zu übermitteln. Die Gemeinden haben die Daten der Steuererklärung hinsichtlich der jeweils auf sie entfallenden Bemessungsgrundlagen der Finanzverwaltung des Bundes im Wege des FinanzOnline zu übermitteln.

Gemäß § 14 Abs. 1 Kommunalsteuergesetz obliegt die Prüfung der für Zwecke der Kommunalsteuerprüfung zu führenden Aufzeichnungen (Kommunalsteuerprüfung) dem für die Lohnsteuerprüfung zuständigen Finanzamt oder dem für die Sozialversicherungsprüfung zuständigen Krankenversicherungsträger. Das Recht der Gemeinden auf Durchführung einer Nachschau bleibt unberührt, wobei § 148 Abs. 3 BAO anzuwenden ist.

Gemäß § 135 BAO kann die Abgabenbehörde Abgabepflichtigen, die die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, einen Zuschlag bis zu 10 Prozent der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist; solange die Voraussetzungen für die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung gegeben sind, tritt an die Stelle des festgesetzten Betrages der selbst berechnete Betrag. Dies gilt sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt. Verspätungszuschläge, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Für Landes- und Gemeindeabgaben gilt dieser letzte Satz des § 135 jedoch nicht (§ 135a BAO).

3.1.2. Allgemeines zum Verspätungszuschlag

Zweck des Verspätungszuschlages ist, den rechtzeitigen Eingang der Abgabenerklärungen und damit die zeitgerechte Festsetzung und Entrichtung der Abgabe sicherzustellen. Er ist ein Druckmittel "eigener Art", das auf die besonderen Verhältnisse des Abgabenrechts zugeschnitten ist, aber keine Strafe darstellt (Stoll, BAO -Kommentar, 1524 f. sowie ; , 98/17/0292; , 2002/17/0267). Ihm kommt die Funktion der Abgeltung von erhöhtem, durch die nicht rechtzeitige Einreichung der Abgabenerklärung verursachten Verwaltungsaufwand (wie zum Beispiel Erklärungseingangsevidenz, Erinnerungsverfahren, Zwangsstrafenandrohungen etc.) zu (vgl. Stoll, BAO -Kommentar, 1525).

3.1.3. Tatbestandsvoraussetzungen

Die Festsetzung von Verspätungszuschlägen, die sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach im Ermessen der Abgabenbehörde liegt (; ), setzt voraus, dass ein Abgabepflichtiger die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht einhält und dass dies nicht entschuldbar ist.

Das Faktum des Fehlens der Kommunalsteuererklärungen der beschwerdeführenden Gesellschaft für die Jahre 2008 bis 2012 ist unbestritten. Aus dem in Rechtskraft erwachsenen Teil des verfahrensgegenständlichen Bescheides betreffend Festsetzung der Kommunalsteuer für die Jahre 2008 bis 2012 ergibt sich, dass die beschwerdeführende Gesellschaft für diese Jahre kommunalsteuerpflichtig war und daher Abgabenerklärungen einzureichen hatte. Ursächlich für das Unterlassen der Abgabe der Kommunalsteuererklärungen für diese Jahre war die Annahme der beschwerdeführenden Gesellschaft, eine gemeinnützige Krankenanstalt iSd § 16 Krankenanstaltengesetz zu sein. Diese Annahme hat sich die beschwerdeführende Gesellschaft aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2019/51, abgeleitet. Die Organe des ***A*** hätten über Jahrzehnte iS des Grundsatzes von Treu und Glauben auf diese Rechtsprechung vertraut und darauf aufbauend in diese Richtung wirtschaftlich disponiert. Die beschwerdeführende Gesellschaft gibt zu ihrer Rechtfertigung an, bei dieser Annahme habe es sich um eine vertretbare Rechtsansicht gehandelt, was die Verspätung entschuldbar mache. In Ergänzung dazu wurde im Vorlageantrag ausgeführt, die Erklärung der Wiener Landesregierung vom zur Erfüllung der Kriterien einer gemeinnützigen Krankenanstalt habe trotz fehlenden Bescheidcharakters für die beschwerdeführende Gesellschaft dennoch den Behördenwillen ausgedrückt (Erkenntnis ), an den sich die Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft in ihren Handlungen anlehnen konnten, ohne dabei die gebotene objektive Sorgfalt außer Acht zu lassen. Auf die Gültigkeit dieser Erklärung habe man sich daher zumindest bis zur Zustellung des Bescheides vom stützen können, in dem die Gemeinnützigkeit nicht weiter zuerkannt wurde. Erst nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom sei ein weiteres Vertrauen auf die Rechtsansicht betreffend die Erfüllung der Kriterien einer gemeinnützigen Krankenanstalt nicht mehr gegeben gewesen. Der aktuellen Geschäftsführerin der beschwerdeführenden Gesellschaft kamen im Zuge der Auswirkungen der Abschaffung der Selbsträgerschaft auf gemeinnützige Krankenanstalten Zweifel am Vorliegen der Gemeinnützigkeit.

Demgegenüber steht die Ansicht der belangten Behörde, die beschwerdeführende Gesellschaft habe sich schon viel früher als anlässlich ihres (neuerlichen) Antrages auf Feststellung der Gemeinnützigkeit am nicht auf das Vorliegen der Gemeinnützigkeit verlassen können. So ergebe sich aus dem Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung, dass bereits seit 1982 die Gemeinnützigkeit der Krankenanstalt durch die damals zuständige Magistratsabteilung 14 (nunmehr MA 40) in Zweifel gezogen worden sei und detaillierte Nachweise über die Gemeinnützigkeit der Krankenanstalt verlangt worden seien. Da solche Nachweise aber nicht vorgelegt worden seien, sei eine Erklärung über die Gemeinnützigkeit nicht mehr ausgestellt worden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verspätung dann entschuldbar, wenn der Abgabepflichtige die Versäumung der Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung weder vorsätzlich noch fahrlässig herbeigeführt hat. Unter Fahrlässigkeit ist auch leichte Fahrlässigkeit zu verstehen. Ein Rechtsirrtum bzw. das Handeln auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht kann die Annahme eines Verschuldens ausschließen (). Allerdings sind Gesetzesunkenntnis oder irrtümliche, objektiv fehlerhafte Rechtsauffassungen nur dann entschuldbar und nicht als Fahrlässigkeit zuzurechnen, wenn die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße, nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen wurde (vgl. ). In der Unterlassung einer entsprechenden, den Umständen und persönlichen Verhältnissen nach gebotenen oder zumindest zumutbaren Erkundigung liegt ein Verschulden; dies gilt insbesondere bei selbstständiger Erwerbstätigkeit und bei Tätigkeiten, die typischerweise mit Abgabenpflichten und damit mit Erklärungspflichten verbunden sind (vgl. ).

Vorweg geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass die beschwerdeführende Gesellschaft - auch ohne abschließende Klarheit darüber zu haben, dass die Erklärung der Wiener Landesregierung keinen Bescheidcharakter entfaltete - zunächst guten Glaubens vom Vorliegen einer Gemeinnützigkeit ausgehen konnte, insbesondere, weil es keine bescheidmäßige Versagung dieses Umstandes gab und auch vom Magistrat damals keine weiteren Schritte gesetzt wurden. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ist der beschwerdeführenden Gesellschaft somit zuzugestehen, dass sie seit den 1950er Jahren und in weitere Folge auf das Vorliegen der Gemeinnützigkeit vertrauen konnte.

Da der beschwerdeführenden Gesellschaft bzw. ihrer Geschäftsführerin aber im Zuge der Änderungen bei der Selbstträgerschaft der Familienbeihilfe und der in diesem Zusammenhang als "Liste" bezeichneten Verordnung BGBl. II 421/2008, in der die beschwerdeführende Gesellschaft nicht aufgelistet war, Zweifel am Vorliegen der Gemeinnützigkeit entstanden sind, konnte sie sich ab diesem Zeitpunkt nicht mehr auf eine vertretbare Rechtsansicht berufen. Ab Erkennen des Nichtaufscheinens in der Verordnung war vielmehr offensichtlich, dass sie nicht mehr begünstigt war.

Da die Abschaffung der Selbstträgerschaft bereits im Juni 2008 und die Auswirkungen darüber Ende November 2008 kundgemacht wurden und es sich bei der Kommunalsteuer um eine Selbstbemessungsabgabe handelt, hätte die beschwerdeführende Gesellschaft entsprechend zeitnah reagieren und Erkundungen hinsichtlich einer möglichen Kommunalsteuerpflicht einholen sowie für das Jahr 2008 bereits bis Ende März 2009 (§ 11 Abs. 4 KommStG) entweder selbst berechnete Beträge erklären oder durch Unterlassung der Steuerabfuhr bei gleichzeitiger Offenlegung gegenüber der Abgabenbehörde die Erlassung eines Bescheides erwirken müssen. Ihr wäre auch die Möglichkeit offen gestanden, die Rückzahlung von ihr im Wege der Selbstbemessung in Entsprechung der genannten Vorschriften entrichteten Abgaben gemäß § 239 BAO zu fordern. Im Unterlassen einer solchen Vorgangsweise für das Jahr 2008 wie auch für die Folgejahre ist zumindest ein minderer Grad des Versehens zu erkennen. Die Voraussetzungen für die Ausübung des in § 135 BAO eingeräumten Ermessens lagen daher vor.

3.1.4. Ermessen

Die zu treffende Ermessensentscheidung hat unter Bedachtnahme auf den Zweck der Vorschrift des § 135 BAO und unter Berücksichtigung von Billigkeit und Zweckmäßigkeit (§ 20 BAO ) zu ergehen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der Gesetzeszweck des Verspätungszuschlages darin zu erblicken, dass der Abgabepflichtige zur Erfüllung der ihm gesetzlich obliegenden Pflicht zur rechtzeitigen Einreichung von Abgabenerklärungen angehalten werden soll. Bei der Ermessensübung ist demnach die grundsätzliche Zielrichtung des Verspätungszuschlages sowie Art und Ausmaß der unbestreitbaren objektiven Pflichtwidrigkeit des säumigen Abgabepflichtigen nicht außer Betracht zu lassen ( mwH). Die Ermessensentscheidung des Verwaltungsgerichtes tritt dabei an die Stelle der Ermessensentscheidung der Abgabenbehörde.

Der Verspätungszuschlag ist eine administrative Ungehorsamsfolge und Druckmittel eigener Art. Bei Ausübung des Ermessens sind vor allem das Ausmaß der Fristüberschreitung (), die Höhe des durch die verspätete Einreichung der Abgabenerklärung erzielten finanziellen Vorteils (), das bisherige steuerliche Verhalten des Abgabepflichtigen wie zB seine Neigung zur Missachtung abgabenrechtlicher Pflichten () oder ob der Abgabepflichtige in der Vergangenheit seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen stets pünktlich nachgekommen ist, der Grad des Verschuldens (), sowie die persönlichen, insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse des Abgabepflichtigen zu berücksichtigen (Ritz, BAO6, § 135 Tz 13).

  • Zur Festsetzung dem Grunde nach

Da für die besagten Jahre erst im Zuge der Nachschau durch die belangte Behörde Kommunalsteuervorschreibungen erfolgt sind, kann die gegenständliche Fristüberschreitung nicht als geringfügig eingestuft werden: Die Verspätung war nicht kurzfristig und es handelte sich nicht um einen nicht ins Gewicht fallenden Bagatellbesteuerungsfall, der unter Bedachtnahme auf die Ermessensrichtlinie der Zweckmäßigkeit zuschlagsmäßig ungeahndet bleiben könnte. Die Festsetzung des Verspätungszuschlages durch die belangte Behörde erfolgte daher dem Grunde nach zu Recht.

  • Zur Festsetzung der Höhe nach

Das zum Teil hohe Ausmaß der Fristüberschreitung kann nicht als geringfügig eingestuft werden, es ist jedoch zu beachten, dass die Firstüberschreitung zum Jahr 2013, in dem die Nachschau durchgeführt wurde, immer geringer wird (dh. die Fristüberschreitung sich für das Jahr 2008 am längsten, und für das Jahr 2012 am kürzesten darstellt). Unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung entwickelten und oben dargestellten Parametern ist nicht zu verkennen, dass der beschwerdeführenden Gesellschaft durch die Nichteinreichung der Kommunalsteuererklärungen angesichts der Höhe der festgestellten Kommunalsteuerschuld ein nicht unwesentlicher finanzieller (Zins)Vorteil zugekommen ist und der beschwerdeführenden Gesellschaft bzw. ihren Organen wie bereits dargelegt zumindest ein fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen ist. Eine Neigung zur Missachtung abgabenrechtlicher Vorschriften lässt sich aber aus dem bisherigen steuerlichen Verhalten der beschwerdeführenden Gesellschaft gegenüber der belangten Behörde nicht erkennen. Die Verhängung des Verspätungszuschlages im Höchstausmaß von zehn Prozent durch die belangte Behörde erscheint vor diesem Hintergrund als überhöht, zumal der Verspätungszuschlag keine Strafe, sondern ein Druckmittel eigener Art darstellt und seine Funktion vor allem in der Abgeltung von erhöhtem, durch die nicht rechtzeitige Einreichung der Abgabenerklärung verursachten Verwaltungsaufwand liegt. Das Bundesfinanzgericht verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die durchgeführte Nachschau für die belangte Behörde, die die Festsetzung des Verspätungszuschlages im Höchstausmaß von 10% allein mit dem ihr entstandenen Verwaltungsaufwand begründet hat, einen gewissen Verwaltungsaufwand nach sich gezogen hat. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ist es aber in Anbetracht der wirtschaftlichen Verhältnisse und des Verhaltens der beschwerdeführenden Gesellschaft angemessen, im vorliegenden Fall einen degressiven Prozentsatz zur Anwendung zu bringen und für das Jahr 2008 einen Verspätungszuschlag iHv 5%, für das Jahr 2009 einen iHv 4%, für das Jahr 2010 einen iHv 3%, für das Jahr 2011 einen iHv 2% und für das Jahr 2012 einen iHv 1% festzusetzen.

3.1.5. Ergebnis

Das Bundesfinanzgericht trifft aus den dargelegten Gründen eine Ermessensentscheidung zu Gunsten der beschwerdeführenden Gesellschaft und ändert den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass der Verspätungszuschlag für das Jahr 2008 iHv 5% mit 10.769,31 Euro, für das Jahr 2009 iHv 4% mit 9.255,44 Euro, für das Jahr 2010 iHv 3% mit 7.426,74 Euro, für das Jahr 2011 iHv 2% mit 5.262,75 Euro und für das Jahr 2012 iHv 1% mit 2.812,78 Euro (gesamt sohin 35.527,02 Euro) festgesetzt wird.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil der Beschluss von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer solchen. Die rechtlichen Voraussetzungen zur Festsetzung von Verspätungszuschlägen sind vielmehr durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung hinreichend geklärt. Die Ausübung des Ermessens geht über die Bedeutung des Einzelfalls nicht hinaus und stellt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG dar, weshalb die Revision nicht zulässig ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 148 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 135 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 135a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7400153.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at