Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.04.2020, RV/5100943/2015

"Nächstgelegener technisch geeigneter Verladebahnhof" für die Befreiung nach § 2 Abs. 1 Z 14 KfzStG 1992

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/5100943/2015-RS1
Hinsichtlich der Voraussetzung „nächstgelegener technisch geeigneter Verladebahnhof“ für die Befreiung nach § 2 Abs. 1 Z 14 KfzStG 1992 ist aufgrund der beabsichtigten Begrenzung des Gütertransportes auf der Straße iRd kombinierten Verkehrs nur auf den entfernungsmäßig nächstgelegenen verladetechnisch geeigneten Bahnhof abzustellen; andere wirtschaftliche bzw. transportlogistische Überlegungen sind nicht maßgeblich.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Ansgar Unterberger in der Beschwerdesache Bf, Anschrift, vertreten durch STEINBERGER Steuerberater + Wirtschaftsprüfer GmbH, Winkelstraße 10, 4060 Leonding , über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr vom , betreffend Kraftfahrzeugsteuer für die Zeiträume Jänner bis Dezember der Jahre 2010 bis 2013 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Bisheriges Verwaltungsgeschehen, Unstrittiger Sachverhalt, zu beurteilende Rechtsfrage

Das Finanzamt erließ nach Durchführung einer Außenprüfung am Bescheide an Bf (in der Folge: Bf), mit denen jeweils für die Zeiträume 1-12 der Jahre 2010, 2011, 2012 und 2013 Kfz-Steuer festgesetzt wurde.

Strittig ist in diesem Verfahren die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung nach § 2 Abs. 1 Z 14 KfzStG 1992, welche lautet:

Von der Steuer sind befreit: in einem inländischen Zulassungsverfahren zugelassene Kraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen in dem Kalendermonat, in welchem diese ausschließlich im Vor- und Nachlaufverkehr zum kombinierten Verkehr Straße/Schiene für die Zustellung und Abholung von Containern von mindestens 20 Fuß Länge, von auswechselbaren Aufbauten oder von bahnbeförderten Anhängern verwendet werden. Ein Vor- oder Nachlaufverkehr liegt nur dann vor, wenn von der Be- oder Entladestelle der nächstgelegene technisch geeignete inländische Ver- oder Entladebahnhof benützt wird.

Nach der Aktenlage ist der zu beurteilende Sachverhalt zwischen den Parteien unstrittig und es wird dazu auf die Darstellung im BP-Bericht und der Beschwerdevorentscheidung (BVE) verwiesen. Strittig ist allein, ob die Voraussetzung, dass von der Be- oder Entladestelle der nächstgelegene technisch geeignete inländische Ver- oder Entladebahnhof benützt wird, erfüllt ist, wenn aufgrund der Vorgaben durch den beauftragenden Spediteur und nach wirtschaftlichen oder transportlogistischen Aspekten die Anfahrt eines anderen Terminals geboten erscheint. Unstrittig wurde rein nach dem Kriterium der Entfernung nicht ausschließlich der nächstgelegene verladetechnisch geeignete Bahnhof angefahren.

Nach Ansicht des Finanzamtes ergebe sich aus den Feststellungen anlässlich der Außenprüfung und der dazu erstellten Aufstellung "Beilage Terminals", dass die angefahrenen Bahnterminals von der jeweiligen Be- oder Entladestellen aus betrachtet nicht die nächstgelegenen technisch geeigneten inländischen Ver- oder Entladebahnhöfe gewesen seien. Nicht bestritten wird vom Finanzamt, dass für die tatsächlich angefahrenen Bahnhöfe durchaus wirtschaftliche bzw. logistische Gründe sprechen. Aus dem Wortlaut des Art. 1 der Richtlinie 92/106/EWG und einer dazu ergangenen Entscheidung des BFH vom , VII R 73/3 ergebe sich, dass der nächstgelegene Bahnhof anzufahren sei, der objektiv über die erforderlichen technischen Verladeeinrichtungen verfüge und subjektiv bedeutsame transportwirtschaftliche Aspekte dabei unberücksichtigt bleiben müssten. Art. 1 der RL umschreibe lediglich den Begriff "kombinierter Verkehr" iSd RL. Art. 6 der RL ermögliche dann den Mitgliedstaaten, hinsichtlich des auf der Straße durchgeführten Teils der Beförderung eine Befreiung von der Kfz-Steuer zu gewähren. Die Berücksichtigung transportwirtschaftlicher Aspekte komme in der RL nicht zum Ausdruck. Ziel sei es, die Strecke der Güterbeförderung auf der Straße so kurz wie möglich zu halten, auch wenn es zeitlich oder transportlogistisch nicht optimal sei. Die Befreiung sei schon dann für einen Monat nicht anzuwenden, wenn die geforderte Voraussetzung auch nur einmal nicht erfüllt worden sei (arg. "ausschließlich"). Überdies verpflichte das KfzStG 1992 den Abgabepflichtigen fortlaufend Aufzeichnungen zum Vorliegen der Voraussetzungen für die Steuerbefreiungen zu führen. Die Kfz-Steuer sei festzusetzen gewesen, da seitens des Bf die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht nachgewiesen werden hätten können.

Der Bf widerspricht dieser Feststellung grundsätzlich nicht, vertritt aber die Ansicht, dass es ihm nicht freistehe, welche Terminals anzufahren seien. Dies entscheide die ihn beauftragende Spedition nach verschiedenen Kriterien, wie z.B. der Möglichkeit des Weitertransportes, verfügbarer Stellplätze, Verlade- und Lagermöglichkeit, Verfügbarkeit der Züge oder einer zu erwartenden Zeitersparnis. Insgesamt ergebe sich nach diesen Kriterien in einer gebotenen Gesamtbetrachtung, dass auch ein entfernungsmäßig nicht nächstgelegener Terminal aufgrund dieser beachtenswerten Umstände als nächstgelegener technisch geeigneter inländischer Ver- oder Entladebahnhof angesehen werden könne. Im Ergebnis sei als "nächstgelegener technisch geeigneter inländischer Ver- oder Entladebahnhof" der in einer Gesamtbetrachtung aller transportwirtschaftlich relevanter Aspekte nächstgelegene Bahnhof zu verstehen. Die vom Finanzamt vorgenommene Einschränkung auf rein verladetechnische Aspekte sei gesetzlich nicht gedeckt. Die gegenständliche Befreiung müsse im Interesse der Allgemeinheit an einer Verlagerung des Gütertransportes von der Straße auf die Schiene auch auf jene Fälle ausgedehnt werden, in denen nach wirtschaftlichen und logistischen Aspekten nicht der entfernungsmäßig nächstgelegene Bahnhof angefahren werde.
Im Kombinierten Verkehr sei es ein allgemein anerkanntes Ziel, dass der Vor- und Nachlauf auf der Straße so kurz wie möglich gehalten werde. Dem Begriff "technisch" komme daher als Oberbegriff für verschiedene Aspekte der Technik auch die breitere Bedeutung "verkehrstechnisch" oder "abwicklungstechnisch" zu. Es sei daher auch zumindest zu berücksichtigen, ab welchem Bahnhof überhaupt Züge auf der gewünschten Route verkehren bzw. logistisch sinnvoll zu führen seien.
Zu beachten sei auch, dass nach § 9 Abs. 2 KfzStG 1992 sich die im KfzStG verwendeten Begriffe des Kraftfahrrechts nach den geltenden kraftfahrrechtlichen Bestimmungen richten. Somit sei der in der hier strittigen Befreiungsbestimmung verwendete Begriff des "kombinierten Verkehrs" nach § 2 Abs. 1 Z 40 KFG 1967 zu beurteilen. In dieser Bestimmung wird für den Vor- oder Nachlaufverkehr iRe kombinierten Verkehrs verlangt, dass die Güterbeförderung auf der Straße auf der "kürzesten verkehrsüblichen, transportwirtschaftlich zumutbaren und …. zulässigen Route" durchgeführt werde. Diese Verkehrsüblichkeit und transportwirtschaftliche Zumutbarkeit sei auch nach der Entscheidung des -K/03, zu berücksichtigen.
Auch nach der Zielsetzung der Richtlinie 92/106/EWG, nämlich den Gütertransport im allgemeinen Interesse von der Straße auf die Schiene zu verlegen, werde von den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser Rl gefordert, die spezifischen Möglichkeiten und Bedürfnisse der Verkehrsunternehmen zu berücksichtigen. Der Richtliniensetzer hätte somit nicht eine maximal verringerte Strecke auf der Straße sondern eine vernünftig und praktisch tatsächlich erzielbare Reduktion der Transportwege auf der Straße im Auge gehabt. Diese Ausführungen seien bei der Interpretation der nationalen Normen zu berücksichtigen. So führe Art 1 der genannten RL als Kriterium für die Entlastung von der Kfz-Steuer auch nur einen "nächstgelegenen geeigneten Umschlagbahnhof" ohne Einschränkung auf eine technische Eignung an. Unzulässig sei es, innerstaatlich engere Voraussetzungen als in der RL vorgesehen für die Anwendbarkeit der Befreiung zu schaffen. Dem nationalrechtlichen Begriff "technisch geeignet" sei somit richtlinienkonform eine weite Bedeutung beizumessen oder eine unmittelbare Berufung auf die Befreiungsbestimmung der RL ohne die Einschränkung auf technisch geeignete Bahnhöfe müsse möglich sein.
Auch der lenkungspolitische Zweck der österreichischen Befreiungsbestimmung (Verweis auf ErlRV 1713 BlgNR 19 GP) weise in diese Richtung. Eine Auslegung der Befreiung, wie sie von der Abgabenbehörde vorgenommen worden sei, würde das Erreichen der verfolgten Ziele vereiteln.

Die Entscheidung in diesem Erkenntnis ist somit rein von der Lösung der Rechtsfrage abhängig, ob das für die Anwendbarkeit der Befreiung zu erfüllende Tatbestandsmerkmal der "Benützung des nächstgelegenen technisch geeigneten inländischen Ver- oder Entladebahnhofes" auch erfüllt ist, wenn nicht der entfernungsmäßig nächstgelegene verladetechnisch geeignete Bahnhof sondern ein anderer verladetechnisch geeigneter Bahnhof angefahren wird, der in einer Gesamtbetrachtung aller Aspekte als besser geeignet erscheint.

Rechtsgrundlagen

Unionsrecht

Richtlinie 92/106/EWG des Rates vom 7. Dezember 1992über die Festlegung gemeinsamer Regeln für bestimmte Beförderungen im kombinierten Güterverkehr zwischen Mitgliedstaaten (in der zuletzt angepassten Fassung der RL 2006/103/EG des Rates vom ):

Den Erwägungsgründen zu dieser RL ist zu entnehmen, dass es aufgrund des erhöhten Verkehrsaufkommens im Binnenmarkt und der Probleme im Zusammenhang mit der Überlastung der Straßen, dem Umweltschutz und der Sicherheit im Straßenverkehr es im allgemeinen Interesse notwendig sei, den kombinierten Verkehr als Alternative zum Straßenverkehr weiter auszubauen.

Durch entsprechende Maßnahmen ist die Möglichkeit zu bieten, die Verkehrstechniken entsprechend dem technischen Fortschritt verkehrsträgerübergreifend unter Berücksichtigung der spezifischen Möglichkeiten und Bedürfnisse der Verkehrsunternehmer und Verkehrsteilnehmer zu entwickeln;

……..

Damit der kombinierte Verkehr zu einer wirklichen Entlastung der Straßen führt, sollte diese Liberalisierung auf Straßentransporte unterhalb einer bestimmten Streckenlänge beschränkt werden.

…….

Ferner würden Maßnahmen mit Anreizen die Entwicklung des kombinierten Verkehrs fördern; daher sollte die Kraftfahrzeugsteuer für Nutzfahrzeuge nach Maßgabe ihrer Beförderung durch die Bahn gesenkt und die Zu- und Ablauftransporte auf der Straße von jedwedem Tarifzwang befreit werden.

Art. 1 der RL definiert den Begriff "Kombinierter Verkehr": Im Sinne dieser Richtlinie gelten als "kombinierter Verkehr" Güterbeförderungen zwischen Mitgliedstaaten, bei denen der Lastkraftwagen, der Anhänger, der Sattelanhänger mit oder ohne Zugmaschine, der Wechselaufbau oder der Container von mindestens 20 Fuß Länge die Zu- und Ablaufstrecke auf der Straße und den übrigen Teil der Strecke auf der Schiene oder auf einer Binnenwasserstraße oder auf See, sofern diese mehr als 100 km Luftlinie beträgt, zurücklegt, wobei der Straßenzu- oder -ablauf erfolgt:

- entweder - für die Zulaufstrecke - zwischen dem Ort, an dem die Güter geladen werden, und dem nächstgelegenen geeigneten Umschlagbahnhof bzw. - für die Ablaufstrecke - zwischen dem nächstgelegenen geeigneten Umschlagbahnhof und dem Ort, an dem die Güter entladen werden.

- oder in einem Umkreis von höchstens 150 km Luftlinie um den Binnen- oder Seehafen des Umschlags.

Artikel 6

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit die in Absatz 3 aufgeführten Steuern für Straßenfahrzeuge (Lastkraftwagen, Zugmaschinen, Anhänger, Sattelanhänger), wenn diese im kombinierten Verkehr eingesetzt werden, entweder pauschal oder anteilig unter Berücksichtigung der Strecken, die diese Fahrzeuge mit der Eisenbahn zurücklegen, innerhalb der Grenzen, nach Maßgabe und nach den Modalitäten ermäßigt oder erstattet werden, die sie nach Anhörung der Kommission festlegen.

Die in Unterabsatz 1 genannten Ermäßigungen oder Erstattungen werden von dem Mitgliedstaat, in welchem die Fahrzeuge zugelassen sind, nach Maßgabe der innerhalb dieses Staates zurückgelegten Eisenbahnstrecken gewährt.

Die Mitgliedstaaten können jedoch diese Ermäßigungen oder Erstattungen unter Berücksichtigung der Eisenbahnstrecken gewähren, die entweder teilweise oder in ihrer Gesamtheit außerhalb des Mitgliedstaats liegen, in dem die Fahrzeuge zugelassen sind.

(2) Unbeschadet der Bestimmungen, die sich aus einer etwaigen Anpassung der einzelstaatlichen Steuersysteme für Nutzfahrzeuge auf Gemeinschaftsebene ergeben, können die ausschließlich im Trucking auf der Strasse im Zu- oder Ablauftransport einer kombinierten Beförderung eingesetzten Fahrzeuge, wenn sie einzeln besteuert werden, von den in Absatz 3 aufgeführten Steuern befreit werden.

(3) …..für Österreich die KfzSteuer

Artikel 8

Beförderungen im Zu- und Ablauf auf der Straße sind im kombinierten Verkehr von der Tarifpflicht ausgenommen.

Österreichisches KfzStG 1992

Von der Steuer sind gemäß § 2 Abs. 1 Z 14 KfzStG 1992 befreit: in einem inländischen Zulassungsverfahren zugelassene Kraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen in dem Kalendermonat, in welchem diese ausschließlich im Vor- und Nachlaufverkehr zum kombinierten Verkehr Straße/Schiene für die Zustellung und Abholung von Containern von mindestens 20 Fuß Länge, von auswechselbaren Aufbauten oder von bahnbeförderten Anhängern verwendet werden. Ein Vor- oder Nachlaufverkehr liegt nur dann vor, wenn von der Be- oder Entladestelle der nächstgelegene technisch geeignete inländische Ver- oder Entladebahnhof benützt wird.

Diese Bestimmung wurde durch das BGBl Nr. 629/1994 in das KfzStG 1992 eingefügt. Der Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1821 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XVIII. GP) führt zunächst allgemein zu den vorgesehenen Änderungen bei der Kraftfahrzeugsteuer aus, dass mit diesen Änderungen der Bereich der Nutzfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t im Sinne einer stärkeren Anlastung der Wegekosten neu geregelt werden solle. Im Interesse der Entlastung der Straßen vom Straßengüterverkehr solle auch ein steuerlicher Anreiz für die Inanspruchnahme des Huckepackverkehrs geschaffen werden. Zu der im zweiten Teil Art. I Zl. 4 der vom Finanzausschuss verhandelten Regierungsvorlage enthaltenen neu angefügten Zahl 14 des § 2 Abs. 1 KfzStG 1992 führt der Bericht des Finanzausschusses aus, dass im Interesse der Förderung des kombinierten Verkehrs von der in Artikel 6 Abs. 2 der Richtlinie 92/106/EWG vorgesehenen Möglichkeit der Steuerentlastung der Zu- und Ablauftransporte auf der Straße Gebrauch gemacht werde.

§ 6 Abs. 2 Aus im Inland vom Steuerschuldner fortlaufend zu führenden Aufzeichnungen muss sich für nach diesem Bundesgesetz steuerpflichtige Kraftfahrzeuge deren Art und Kennzeichen, die Dauer der Steuerpflicht und die Steuerbemessungsgrundlage ergeben.

Unter der Überschrift Verweisungen wird normiert:

§ 9. (1) Soweit in diesem Bundesgesetz auf Bestimmungen anderer Bundesgesetze hingewiesen wird, sind diese Bestimmungen, wenn nichts anderes bestimmt ist, in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

(2) Die in diesem Bundesgesetz verwendeten Begriffe des Kraftfahrrechtes richten sich nach den jeweils geltenden kraftfahrrechtlichen Vorschriften

§ 2 Abs. 1 Z.40 KFG 1967 definierte in der im Streitzeitraum maßgeblichen Fassung den "Kombinierten Verkehr" als Güterbeförderung

a) vom Absender zum nächstgelegenen technisch geeigneten Verladebahnhof mit Kraftfahrzeugen auf der Straße (Vorlaufverkehr),

b) vom Verladebahnhof zum Entladebahnhof mit der Eisenbahn in einem Kraftfahrzeug, einem Anhänger oder deren Wechselaufbauten (Huckepackverkehr) oder in einem Container von mindestens 6 m Länge (Containerverkehr) und

c) vom nächstgelegenen technisch geeigneten Entladebahnhof zum Empfänger mit Kraftfahrzeugen auf der Straße (Nachlaufverkehr).

Die Güterbeförderung auf der Straße erfolgt nur dann im Vorlauf- oder Nachlaufverkehr, wenn sie auf der kürzesten verkehrsüblichen, transportwirtschaftlich zumutbaren und nach den kraftfahrrechtlichen und straßenpolizeilichen Vorschriften zulässigen Route durchgeführt wird und wenn entweder der Ver- oder der Entladebahnhof in Österreich liegt. Dies gilt für die Güterbeförderung durch Kraftfahrzeuge zu einem Hafen sinngemäß;

Rechtliche Erwägungen

Unionsrechtlich ist den Mitgliedstaaten somit fakultativ die Möglichkeit eingeräumt, den Vor- und Nachlauf iRe "Kombinierten Verkehrs" von der KfzSteuer zu befreien. (Im Gegensatz dazu wäre es den Mitgliedstaaten Nach Art. 8 der Rl verbindlich untersagt, für derartige Transporte eine Verpflichtung zur Festlegung verbindlicher Tarife zu normieren.) Ein derartiger fakultativ zu befreiender Transport liegt nach der Definition des Art. 1 der RL vor, wenn eine Zulaufstrecke zum oder eine Ablaufstrecke vom nächstgelegenen geeigneten Umschlagbahnhof vorliegt. Derartige Befreiungen sollen im Interesse einer tatsächlichen Verlagerung des Gütertransportes von der Straße auf die Schiene unter Berücksichtigung der spezifischen Möglichkeiten und Bedürfnisse der Verkehrsunternehmen und Verkehrsteilnehmer auf Strecken unterhalb einer bestimmten Länge beschränkt werden.

Auch der VwGH verwies in seinem Erkenntnis , (es ging hier grundsätzlich darum, ob auch ausl. Bahnhöfe angefahren werden können, was der VwGH aufgrund des Gesetzeswortlautes verneinte) auf die bloß fakultative Möglichkeit einer Befreiung:

"…... Die Gesetzesbestimmung stellt nicht auf den Umfang der in Österreich zurück gelegten Strecke ab, sondern darauf, ob ein inländischer technisch geeigneter Bahnhof, der auch der nächstgelegene sein muss, benützt wird.

Auf einen Widerspruch der gegenständlichen Befreiungsbestimmung zu Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 92/106/EWG des Rates vom beruft sich die Beschwerdeführerin nunmehr nicht mehr. Ein solcher Widerspruch ist auch für den Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, zumal Art. 6 Abs. 2 dieser Richtlinie nur vorsieht, dass die im Zu- und Ablauftransport einer kombinierten Beförderung eingesetzten Fahrzeuge von der Kraftfahrzeugsteuer befreit werden können."

Unionsrechtlich ist eine unmittelbare Berufung auf die Möglichkeit der Befreiung nach der Richtlinie mangels hinreichender verbindlicher Anordnung und Bestimmtheit ausgeschlossen. Eine nationale Norm bleibt aber einer richtlinienkonformen Interpretation zugänglich. An dieser Stelle ist festzuhalten, dass bei einer derartigen Interpretation einer nationalen Norm nach den Erwägungsgründen neben den berechtigten Interessen der Verkehrsunternehmen auch die allgemeinen Interessen (Umweltschutz, Sicherheit, Überlastung,..) und die Interessen der übrigen Verkehrsteilnehmer an einer Verkürzung der Transportwege im Gütertransport auf der Straße zu berücksichtigen sind. Nicht zu erkennen ist, dass dadurch eine nationale einschränkende und auf den nächstgelegenen technisch geeigneten inländischen Ver- oder Entladebahnhof abstellende Umsetzung den unionsrechtlichen Vorgaben widersprechen würde. Wenn das nationale Gesetz zur Anwendbarkeit der Befreiung auf eine mögliche Reduktion der Strecke auf der Straße und der möglichst langen Strecke auf der Schiene abzielt und dazu darauf abstellt, dass das möglichst nächstgelegene technisch geeignete Terminal angefahren wird, müssen für die nähere Bestimmung dieses Terminals objektive Kriterien maßgeblich sein. Nicht die schwer oder gar nicht objektiv feststellbaren subjektiven wirtschaftlichen oder logistischen Überlegungen sondern objektiv feststellbare technische Voraussetzungen müssen entscheidend sein.

Der deutsche BFH hatte sich in seinem Urteil vom , VII R 73/3 in einer ähnlich gelagerten Konstellation entschieden, dass es entgegen der Auffassung der Klägerin für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes "nächstgelegener geeigneter Bahnhof" nicht auf die individuellen Verhältnisse des Transportunternehmens ankommt, sondern vielmehr der nächstgelegene geeignete Bahnhof nach objektiven Kriterien zu bestimmen ist. Dazu muss auch darauf verwiesen werden, dass es nach der Umsetzung der Befreiung im deutschen KraftStG auf den "nächstgelegenen geeigneten Bahnhof" ankommt und das deutsche Gesetz dem Wortlaut nach gar nicht auf eine technische Eignung abstellt. Aus der Entstehungsgeschichte der Steuerbefreiung ergibt sich, dass die Bestimmung die steuerlichen Förderung des Kombinierten Verkehrs mit dem primären Ziel der umweltdienlichen und der Verkehrssicherheit förderlichen Entlastung der Straße dienen soll.

Der BFH dazu: "In Bezug auf den zu benutzenden Bahnhof hat der Gesetzgeber die Steuerbefreiung lediglich von zwei Kriterien abhängig gemacht. Gefordert wird die Einbindung eines für den Kombinierten Verkehr technisch eingerichteten und daher geeigneten Bahnhofs, der zu den Be- und Entladestellen eine besondere räumliche Nähe aufweisen muss. Darauf deutet der Begriff "nächstgelegenen" hin, der nur dahin verstanden werden kann, dass es sich um die kürzeste Straßenverbindung zwischen dem Ort der Be- bzw. Entladung und dem Ort des Beginns der Gleisbenutzung handeln muss. Der Wortlaut der Vorschrift lässt dagegen keinen Raum für die steuerliche Anerkennung individueller Besonderheiten, die das jeweilige, die Begünstigung in Anspruch nehmende Transportunternehmen prägen. Unberücksichtigt bleiben danach die aus transportlogistischen Gründen gewählten Standorte der Zugmaschinen und Anhänger sowie der Container und Wechselbrücken. Auch die Beförderung von Transportgut im sog. Rundlauf findet in der streitbefangenen Vorschrift keine ausdrückliche Berücksichtigung.
Nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben gelten als kombinierter Verkehr bestimmte Güterbeförderungen zwischen Mitgliedstaaten, bei denen der Straßenzu- oder -ablauf für die Zulaufstrecke zwischen dem Ort, an dem die Güter geladen werden und dem nächstgelegenen geeigneten Umschlagbahnhof bzw. für die Ablaufstrecke zwischen dem nächstgelegenen geeigneten Umschlagbahnhof und dem Ort, an dem die Güter entladen werden, erfolgt. Eine abweichende Bestimmung des nächstgelegenen geeigneten Bahnhofs durch die zuständige Behörde des jeweiligen Mitgliedstaates lässt die Richtlinie nicht zu. Der Sinn der streckenmäßigen Begrenzung des straßengebundenen Teils der Beförderung erschließt sich aus den Erwägungsgründen, die ausdrücklich die zunehmenden Probleme ansprechen, die sich im Zusammenhang mit der Überlastung der Straßen, dem Umweltschutz und der Sicherheit im Straßenverkehr ergeben. Daraus erhellt, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber darauf bedacht war, die auf der Straße zurückzulegende Strecke zwischen den Be- und Entladestellen und dem Ort der Schienenbenutzung so gering wie möglich zu halten. Diese Absicht, nämlich eine effiziente Entlastung der Straßen herbeizuführen, hat in dem Begriff des nächstgelegenen Bahnhofs ihren Ausdruck gefunden."

Wenn schon hinsichtlich des Begriffes "nächstgelegener geeigneter Bahnhof" ausschließlich objektive Kriterien und keine transportlogistischen oder sonstige wirtschaftliche Gründe maßgeblich sind, muss dies umso mehr gelten, wenn der österreichische Gesetzgeber zusätzlich und zulässigerweise zur Eingrenzung der Beförderungsstrecken auf der Straße auf den "nächstgelegenen technisch geeigneten Ver- oder Entladebahnhof" abstellt. Aus der Wortfolge "technisch geeignet" in Kombination mit "Ver- oder Entladebahnhof" und der gebotenen Abstellung auf objektive Kriterien kann der Wortsinn der Bestimmung nur zu dem Ergebnis führen, dass auf die ent- bzw. verladetechnischen Möglichkeiten an einem Terminal abzustellen ist. Wenn man übereinstimmend mit den Vorgaben der RL 92/106/EWG auf eine möglichst kurze Beförderungsstrecke auf der Straße abstellt kann auch eine richtlinienkonforme Interpretation, die ihre Grenze immer im Wortlaut der Bestimmung hat, dieser Begriffe nur zu diesem Ergebnis führen.

Hinsichtlich des Vorbringens des Bf, dass bei der Beurteilung des Vorliegens eines befreiten Vor- oder Nachlaufes iSd KfzStG 1992 infolge des § 9 Abs. 2 leg.cit. die Definition des § 2 Abs. 1 Z 40 KFG 1967 heranzuziehen sei, ist festzuhalten, dass das KfzStG 1992 in § 2 Abs. 1 Z 14 iRd unionsrechtlichen Vorgaben diese Begriffe als lex specialis für Zwecke der Befreiung selber definiert. Darüber hinaus stellt auch das KFG 1967 auf den "nächstgelegenen technisch geeigneten Verladebahnhof" ab und hält dann zusätzlich einschränkend fest, dass die Güterbeförderung auf der Straße zu diesem "nächstgelegenen technisch geeigneten Verladebahnhof" nur dann im Vorlauf- oder Nachlaufverkehr erfolgt, wenn diese auf der kürzesten verkehrsüblichen, transportwirtschaftlich zumutbaren und nach den kraftfahrrechtlichen und straßenpolizeilichen Vorschriften zulässigen Route erfolgt. Grundsätzlich ist aber auch nach dem KFG 1967 der nächstgelegene technisch geeignete Bahnhof anzufahren, wobei hinsichtlich der zu wählenden Route dorthin auch die transportwirtschaftliche Zumutbarkeit zu berücksichtigen ist. Grundsätzlich wird aber auch nach dieser Bestimmung auf die kürzeste Route abgestellt.

Nach der gebotenen objektiven Auslegung des unionsrechtlich zulässigen Kriteriums "Benützung des nächstgelegenen technisch geeigneten inländischen Ver- oder Entladebahnhofes" ist diese Voraussetzung der Befreiung nicht erfüllt, wenn nicht der entfernungsmäßig nächstgelegene verladetechnisch geeignete Bahnhof sondern ein anderer verladetechnisch geeigneter Bahnhof angefahren wird, der in einer Gesamtbetrachtung wirtschaftlicher und transportlogistischer Aspekte dem Abgabepflichtigen als besser geeignet erscheint. Da nur in einem inländischen Zulassungsverfahren zugelassene Kraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen in dem Kalendermonat, in welchem diese ausschließlich im ( in oben dargestellten Sinn) Vor- und Nachlaufverkehr zum kombinierten Verkehr Straße/Schiene für die Zustellung und Abholung von Containern von mindestens 20 Fuß Länge, von auswechselbaren Aufbauten oder von bahnbeförderten Anhängern verwendet werden, befreit sein können und eine derart ausschließliche Verwendung aufgrund der tatsächlich durchgeführten Fahrten auch gemäß § 6 Abs. 2 KfzStG 1992 nicht nachgewiesen werden konnte, war die Befreiung nicht anzuwenden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision war als zulässig zu erklären, da eine Rechtsprechung des VwGH zur Frage, ob hinsichtlich der Voraussetzung "nächstgelegener technisch geeigneter Verladebahnhof" für die Befreiung nach § 2 Abs. 1 Z 14 KfzStG 1992 nur auf den entfernungsmäßig nächstgelegenen verladetechnisch geeigneten Bahnhof abzustellen ist oder ob dabei auch wirtschaftliche bzw. transportlogistische Überlegungen maßgeblich sind, nicht existiert.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 2 KfzStG 1992, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, BGBl. Nr. 449/1992
§ 2 Abs. 1 Z 40 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967
§ 2 Abs. 1 Z 14 KfzStG 1992, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, BGBl. Nr. 449/1992
§ 6 Abs. 2 KfzStG 1992, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, BGBl. Nr. 449/1992
Verweise
Art. 1 RL 92/106/EWG, ABl. Nr. L 368 vom S. 38
Art. 6 Abs. 2 RL 92/106/EWG, ABl. Nr. L 368 vom S. 38

-K/03
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100943.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at