Berufsausbildung, die mit einer in Österreich gesetzlich anerkannten Lehrausbildung vergleichbar ist
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinIBV in der Beschwerdesache [...], [...], über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes vom betreffend Familienbeihilfe 07.2016-08.2016 für das Kind K zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (kurz: Bf) beantragte am die Gewährung einer Ausgleichszahlung für den Sohn S Stasik für die Monate 07/2016 bis 08/2016 wegen Berufsvorbereitung.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt diesen Antrag ab und führte dazu unter Hinweis auf die § 2 Abs. 1 lit. b bis e FLAG 1967 aus, dass kein Anspruch auf Familienbeihilfe ab Juli 2016 bestehe, da der Sohn seine Ausbildung am abgeschlossen habe.
Mit Schriftsatz vom brachte der Bf dagegen Beschwerde ein, wies auf § 2 Abs. 2 Schulzeitgesetz hin und führte begründend aus, dass sein Sohn die Berufsschule abgeschlossen habe, in der die Lehre ab bis gedauert habe. Die Lehre in der Berufsschule sei mit dem Berufspraktikum verbunden gewesen. Das Praktikum habe laut dem Arbeitsvertrag zwecks Berufsvorbereitung bis gedauert.
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit nachstehender Begründung ab:
Ein anerkanntes Lehrverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 1 FLAG 1967 liege nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (, G09/04) bei einem nach den einschlägigen Rechtsvorschriften anerkannten Ausbildungsverhältnis vor. Es würden darunter fallen: die im BAG geregelten Lehrverhältnisse (gemäß der Lehrberufsliste-VO), Lehrverhältnisse, die im Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz geregelt seien, Lehrverhältnisse in der Land- und Forstwirtschaft, die in den Landesgesetzen geregelt seien, Ausbildungsverhältnisse, die nach kollektivvertraglichen oder individualvertraglichen Bestimmungen geregelt seien und folgende Merkmale aufwiesen: genau umrissenes Berufsbild, Ausbildungsdauer von zwei Jahren, berufsbegleitender, fachlich einschlägiger Unterricht, der - vergleichbar mit einer Berufsschule - die grundlegenden theoretischen Kenntnisse des zu erlernden Berufes vermitteln würden, Abschlussprüfung.
Bei der Absolvierung einer Lehre bestehe grundsätzlich für die aufrechte Dauer des Lehrverhältnisses, dh während der Lehrzeit, Anspruch auf Familienbeihilfe.
Für die Zeit zwischen Beendigung des Lehrverhältnisses bis zur Absolvierung der Lehrabschlussprüfung bestehe (im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, des unabhängigen Finanzsenates und des Bundesfinanzgerichtes) Anspruch auf Familienbeihilfe nur unter der Voraussetzung, dass der Lehrling (Prüfungswerber) im Sinne des § 23 Abs. 2 BAG zeitgerecht die Zulassung zur LAP beantragt habe.
Werde die Lehrabschlussprüfung vor dem Ablauf der Lehrzeit abgelegt, ende das Lehrverhältnis mit Ablauf der Woche, in der die Prüfung abgelegt werde. Bis zu diesem Zeitpunkt bestehe Anspruch auf Familienbeihilfe.
Da die Lehrabschlussprüfung am stattgefunden habe, bestehe ab Juli 2016 kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Mit Schriftsatz vom beantragte der Bf daraufhin die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
Das Finanzamt legte die Beschwerde mit Bericht vom dem Bundesfinanzgericht vor.
Mit Vorhalt vom ersuchte das Bundesfinanzgericht um Vorlage des Gesellenbriefs des Sohnes bzw. des Nachweises über die erfolgreiche Ablegung der (im Arbeitsvertrag zwecks Berufsvorbereitung angesprochenen) Kontrollprüfung durch den Sohn. Zusätzlich wurde ein Nachweis darüber gefordert, dass der Sohn sich zeitgerecht zu dieser für den Abschluss seiner Lehrausbildung offensichtlich erforderlichen Kontrollprüfung angemeldet habe und kein früherer Prüfungstermin in Frage gekommen sei.
Der Bf legte daraufhin eine "Information über Ergebnisse der Prüfung zwecks Bestätigung der beruflichen Qualifikation" vor.
Zur Wahrung des Parteiengehörs wurde der Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom sowie die Vorhaltsbeantwortung des Bf dem Finanzamt zur Kenntnis- und Stellungnahme übermittelt und die vom Bundesfinanzgericht vertretene Ansicht dargelegt.
In einer Stellungnahme vom hält das Finanzamt fest, dass aufgrund der vorgelegten Unterlagen davon auszugehen sei, dass die Familienbeihilfe (Ausgleichzahlung) bis August 2016 zu gewähren sei.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1 Sachverhalt
Der Bf war im Streitzeitraum mit G verheiratet. Sie sind die Eltern des am 97 geborenen Sohnes S. Alle drei Familienmitglieder verfügen über die polnische Staatsbürgerschaft.
Der Familienwohnsitz, an dem auch der Sohn S lebt, befindet sich in O, Polen. Daneben verfügte der Bf im Streitzeitraum über einen Wohnsitz in der O1, Österreich.
Die Ehegattin und Kindesmutter arbeitet in Polen als Landwirtin.
Der Bf bezog im Kalenderjahr 2016 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Österreich. In der Zeit von bis war er bei der A GmbH beschäftigt.
Der seit 15 volljährige Sohn des Bf besuchte im Schuljahr 2015/16 die Berufsschule (poln. Zasadnicza szkola zawodowa) in O2, Polen, und erhielt am das Abschlusszeugnis (poln. Swiadectwo ukończenia zasadniczej szkoly zawodowej) dieser Berufsschule.
Am schloss der Sohn mit der U (Inh) E einen Arbeitsvertrag zwecks Berufsvorbereitung ab. Laut Pkt. I handelt es sich um eine Berufslehre Kraftfahrzeugmechaniker Code 723 103 von der Zeitdauer: 36 Monate vom bis zum Tage der Ablegung der Kontrollprüfung, jedoch nicht länger als bis zum .
Einer von der Bezirksprüfungskommission in O3, Polen, am erstellten "Information über Ergebnisse der Prüfung zwecks Bestätigung der beruflichen Qualifikation" ist zu entnehmen, dass der Sohn im praktischen Teil 83% der erzielbaren Punkte und im schriftlichen Teil der Prüfung 40% der erzielbaren Punkte erreichte und damit die Prüfung nicht bestanden.
Bei der vom Sohn gewählten Ausbildung handelt es sich um eine duale Berufsausbildung im Handwerk mit den Abschlüssen Swiadectwo czeladnisze (Gesellenbrief) und Swiadectwo ukończenia zasadniczej szkoly zawodowej (Abschlusszeugnis Berufsschule). (vgl. www.bq-portal.de Berufsbildungssystem Polen)
Polen ist seit Mitglied der Europäischen Union.
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Aktenteilen und aus der Familienbeihilfendatenbank des BMF und ist insoweit unbedenklich.
2 gesetzliche Grundlagen
2.1 VO 883/2004
Diese Verordnung gilt nach Art. 2 Abs. 1 VO 883/2004 für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.
Nach Art. 3 Abs. 1 lit. j VO 883/2004 umfasst der sachliche Geltungsbereich dieser Verordnung auch Familienleistungen.
Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen nach Art. 11 Abs. 1 VO 883/2004 den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt nach Art. 11 Abs. 3 VO 883/2004 Folgendes:
a) Eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;
b) ein Beamter unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, dem die ihn beschäftigende Verwaltungseinheit angehört;
c) eine Person, die nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaates Leistungen bei Arbeitslosigkeit gemäß Artikel 65 erhält, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;
d) eine zum Wehr- oder Zivildienst eines Mitgliedstaats einberufene oder wiedereinberufene Person unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;
e) jede andere Person, die nicht unter die Buchstaben a bis d fällt, unterliegt unbeschadet anders lautender Bestimmungen dieser Verordnung, nach denen ihr Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zustehen, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaates.
Eine Person hat nach Art. 67 S 1 VO (EG) 883/2004 auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden.
Sind für denselben Zeitraum und für denselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten nach Art. 68 Abs. 1 VO 883/2004 folgende Prioritätsregeln:
a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.
b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach folgenden subsidiären Kriterien:
i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;
ii) bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, und subsidiär gegebenenfalls die längste Dauer der nach widerstreitenden Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten;
iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.
2.2 innerstaatliches Recht
Nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. ….
….
Nach § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
3 rechtliche Erwägungen samt Beweiswürdigung
Aufgrund der Tatsache, dass der Bf, die Kindesmutter und das Kind polnische Staatsangehörige sind, der Bf im Streitzeitraum in Österreich nichtselbständig beschäftigt war, die Kindesmutter in Polen selbständig erwerbstätig war und sich der Familienwohnsitz, dem auch das Kind angehörte, in Polen befand, liegt ein Sachverhalt vor, der sowohl Österreich als auch Polen berührt. Es ist somit neben dem jeweiligen innerstaatlichen Recht auch die VO 883/2004 zu beachten. Dazu wird konkret Folgendes ausgeführt:
Durch entsprechende Regelungen in der VO 883/2004 soll verhindert werden, dass ua Familienleistungen - wie die Familienbeihilfe - in Anwendung der jeweiligen nationalen Vorschriften sowohl in einem oder mehreren Beschäftigungsländern als auch im davon verschiedenen Wohnortmitgliedstaat gewährt werden. Nach den Koordinierungsvorschriften der Artikel des Titels II (Art.11 bis 16) iVm Art. 67, 68 Abs. 1 VO (EU) 883/2004 ist der maßgebliche Anknüpfungspunkt für die Frage, welcher Mitgliedstaat für die Gewährung der Familienleistungen zuständig ist, der Beschäftigungsstaat. (Vgl. Gebhart in Lenneis/Wanke, FLAG, § 53 Rz 95 f)
Sind für ein Kind Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften verschiedener Mitgliedstaaten zu gewähren, weil die beiden Elternteile den Rechtsvorschriften verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen, legt die Verordnung in Art. 68 mittels Prioritätsregeln fest, welche Rechtsvorschriften primär zur Anwendung kommen (vgl. ).
Bei Zusammentreffen gleichrangiger Ansprüche ist nach Art. 68 Abs. 1 lit. b sublit i VO 883/2004 bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden, grundsätzlich der Wohnort der Kinder ausschlaggebend, wenn an dem Wohnort der Kinder eine solche Tätigkeit ausgeübt wird.
Nach Art. 68 Abs. 2 S 2 HS 1VO 883/2004 ist dann, wenn die nachrangigen Ansprüche höher als die vorrangigen sind, vom nachrangigen Mitgliedstaat ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinaus gehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. In Österreich hat sich dafür der Begriff "Differenzzahlung" etabliert. (Vgl. Gebhart in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 53 Rz 319).
Im gegenständlichen Fall unterlag der Bf im Streitzeitraum aufgrund seiner nichtselbständigen Tätigkeit in Österreich den österreichischen Rechtsvorschriften und die Kindesmutter als in Polen tätige Landwirtin den polnischen Rechtsvorschriften. Der gemeinsame Sohn S lebte in Polen am Familienwohnsitz. Nach den Prioritätsregeln des Art. 68 Abs. 1 lit. b sublit i VO 883/2004 ist somit Polen zur Erbringung von Familienleistungen primär zuständig. Österreich ist - was auch von beiden Parteien nicht bestritten wird - der nachrangige Mitgliedstaat, der bei Vorliegen der im FLAG 1967 normierten Voraussetzungen an den Bf für den Sohn S für die Monate Juli 2016 und August 2016 Familienbeihilfe im Ausmaß Differenzzahlungen zu leisten hat.
Es ist daher nach den Vorschriften des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 zu beurteilen, ob dem Bf für den Sohn beantragte Familienbeihilfe (Differenzzahlung) zusteht oder nicht:
Für volljährige Kinder wird Familienbeihilfe grundsätzlich nur für die Monate gewährt, in denen sich das Kind in Berufsausbildung befindet, wobei die Familienbeihilfe nicht auf eine einzige Berufsausbildung beschränkt ist. Eine nähere Umschreibung des Begriffes "Berufsausbildung" enthält das Gesetz nicht. (Vgl. , , ).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätige Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. (Vgl. , ).
Unter eine Berufsausbildung fällt in Österreich auch das sogenannte duale System der Ausbildung zu einem gesetzlich anerkannten Lehrberuf. Das duale System der Lehrausbildung besteht zum einen in der praktischen Ausbildung im Betrieb und zum anderen in der Ausbildung in der Berufsschule. (Vgl. , , , Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 45 Lehrausbildung).
Die Berufsausbildung erstreckt sich jedenfalls auf die Dauer eines Lehrverhältnisses und des Berufsschulbesuches. Die anschließende Zeit bis zur Lehrabschlussprüfung ist dann zur Berufsausbildung zu zählen, wenn der Prüfungswerber das in der Rechtsprechung geforderte ernstliche und zielstrebige Bemühen erkennen lässt. (Vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 45 Lehrausbildung, ).
Nach § 14 Abs. 1 BAG endet das Lehrverhältnis mit Ablauf der im Lehrvertrag vereinbarten Dauer der Lehrzeit. Hat allerdings der Lehrling die Lehrabschlussprüfung erfolgreich abgelegt, tritt die Endigung des Lehrverhältnisses bereits mit Ablauf der Woche, in der die Prüfung abgelegt wird, ein. (Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 45 Lehrausbildung).
Nach § 21 Abs. 1 BAG ist Zweck der Lehrabschlussprüfung, festzustellen, ob sich der Lehrling die im betreffenden Lehrberuf erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse angeeignet hat und in der Lage ist, die dem erlernten Lehrberuf eigentümlichen Tätigkeiten selbst fachgerecht auszuführen. Die Lehrabschlussprüfung gliedert sich in eine praktische und eine theoretische Prüfung und besteht aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil.
Die vom Sohn in Polen gewählte Lehre als Kraftfahrzeugmechaniker erfolgt in Form einer dualen Berufsausbildung, die durch eine praktische Ausbildung im Betrieb und eine theoretische Ausbildung in der Berufsschule geprägt ist. Diese Ausbildung ist somit mit einer in Österreich gesetzlich anerkannten Lehrausbildung zu einem Lehrberuf in der Fahrzeugtechnik vergleichbar.
Der Sohn schloss zur Erlernung dieses Lehrberufes einen "Arbeitsvertrag zwecks Berufsvorbereitung" ab, welcher einem Lehrvertrag gleichzuhalten ist. Die vereinbarte Lehrzeit erstreckte sich - vergleichbar mit einer österreichischen Lehre - über einen Zeitraum von drei Jahren und endete laut dem "Arbeitsvertrag zwecks Berufsvorbereitung" mit der Ablegung der "Kontrollprüfung", spätestens aber am .
Das Bundesfinanzgericht geht im Einklang mit dem Finanzamt aufgrund der Information der Bezirksprüfungskommission vom davon aus, dass der Sohn des Bf am eine der österreichischen Lehrabschlussprüfung vergleichbare Prüfung (mit einem praktischen und schriftlichen bzw. theoretischen Teil) ablegte und es sich dabei um die im "Arbeitsvertrag zwecks Berufsvorbereitung" angesprochene Kontrollprüfung handelt. Die Ausbildungszeit bzw. Lehrzeit dauerte somit entsprechend dem "Arbeitsvertrag zwecks Berufsvorbereitung" bzw. Lehrvertrag tatsächlich bis einschließlich 08/2016. Der Berufsschulbesuch des Sohnes endete zwar im Monat 06/2016, doch bestand das einem Lehrverhältnis vergleichbare Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf des Monats 08/2016 fort. Der Bf befand sich damit auch noch in den Monaten 07/2016 und 08/2016 in Berufsausbildung.
Der Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom wird somit stattgegeben.
4 Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. (Art. 133 Abs. 4 B-VG)
Im gegenständlichen Fall wird die Revision nicht zugelassen, da das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht und Tatfragen einer Revision nicht zugänglich sind.
Salzburg, am
[...][...]
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7106410.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at