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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.07.2020, RV/7100693/2018

Liegt ein Wiederaufnahmsgrund vor, wenn nach Feststellung des gemeinen Wertes einer Liegenschaft ein niedrigerer Verkaufspreis erzielt wird?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Festsetzung der Grunderwerbsteuer nach Selbstberechnung iZm § 303 BAO zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer (Bf.) einen Antrag auf Festsetzung der Grunderwerbsteuer nach § 201 iZm § 303 BAO. Er habe durch Einantwortungsbeschluss vom ein Grundstück mit einem darauf befindlichen Wochenendhaus erworben. Um einen Verkehrswert der Liegenschaft zu erhalten, habe er von einem konzessionierten Immobilientreuhänder und Sachverständigen ein Kurzgutachten durchführen lassen, das einen errechneten Verkehrswert von 125.000 Euro ergeben habe. Im Zuge der vom beauftragten Rechtsanwalt durchgeführten Selbstberechnung sei eine Grunderwerbsteuer von 3,5% dh in Höhe von 4.375 Euro ermittelt und an das Finanzamt abgeführt worden.

Die Liegenschaft habe trotz aller Bemühungen und Inserate schließlich am zu einem Kaufpreis von 60.000 Euro verkauft werden können, wobei die große Differenz zum errechneten Kaufpreis der Liegenschaft im Gutachten und dem tatsächlichen erzielten Kaufpreis im Überschwemmungsgebiet der ***1*** zu suchen sein dürfte, das gleich an den Garten der Liegenschaft angrenze.

Er beantrage daher die Neuberechnung der Grunderwerbsteuer auf Basis des tatsächlich erzielten Kaufpreises von 60.000 Euro und die Rückerstattung der Überzahlung.

Mit Bescheid vom wurde der Antrag mit der Begründung abgewiesen, dass der Umstand, dass die Liegenschaft später zu einem geringeren Wert verkauft werden konnte, keine neu hervorgekommene, sondern eine neu entstandene Tatsache (bzw. Beweismittel) darstelle und die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme daher nicht vorliegen.

Dagegen wurde mit Schreiben vom Beschwerde erhoben. Das ererbte Wohnhaus hätte niemals von ihm benützt werden können und sollte verkauft werden. Dies gelang nicht sofort innerhalb von drei Monaten ab der Einantwortung, weshalb die Selbstberechnung auf Grundlage des Bewertungsgutachtens vorgenommen worden sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abgewiesen und ausgeführt, dass es sich um zwei unabhängige Erwerbsvorgänge handle. Dass die Liegenschaft später zu einem niedrigeren Preis verkauft worden sei, habe weder eine Auswirkung auf die Richtigkeit der Selbstberechnung noch stelle dies eine neu hervorgekommene Tatsache dar.

Im Vorlageantrag führte der Bf. noch aus, dass zwischen der Erstattung der selbstberechneten Grunderwerbsteuer und dem tatsächlichen Verkaufserlös lediglich 7 Monate liegen und es bei laienhafter Betrachtung augenscheinlich sei, dass das Bewertungsgutachten einen viel zu hohen Wert der Liegenschaft aufgewiesen habe.

Im Vorlagebericht des Finanzamtes vom wurde im Sachverhalt angegeben, dass bei der Selbstberechnung der Stufentarif von 0,5% zur Anwendung gelangte. In der Stellungnahme wurde ausgeführt, dass der Bf. das Gutachten in Auftrag gegeben habe und es der Selbstberechnung zugrunde legen ließ ohne den ermittelten Wert in Frage zu stellen. Als Bemessungsgrundlage sei der gemeine Wert in Ansatz zu bringen und sei das Gutachten des Sachverständigen schlüssig und die Selbstberechnung richtig.

In weiterer Folge verständigte das Finanzamt das Bundesfinanzgericht über ein am mit dem Bf. geführtes Telefongespräch, worin dieser betonte, dass bei der Selbstberechnung nicht ein Steuersatz von 0,5%, sondern ein Steuersatz von 3,5% in Ansatz gebracht wurde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Mit Einantwortungsbeschluss vom erwarb der Bf. aufgrund eines Testamentes aus dem Nachlass einer Bekannten die Liegenschaft EZ ***123***.

Über Auftrag des Bf. erstellte ein konzessionierter Immobilientreuhänder und Sachverständiger am ein Kurzgutachten zum Stichtag für das 620 m² große Grundstück. Basis der Bewertung waren die Aufnahme der Daten in Absprache mit dem Bf., Einsichtnahme ins Grundbuch, Besichtigung und Anfrage bei der Gemeinde bzgl. Grundstückspreise und Rechtslage. Ausgeführt wurde, dass es sich bei dem Wohnhaus um ein ebenerdiges, voll unterkellertes Wohnhaus aus den 70-Jahren mit einer Wohnfläche von ca. 54 m² handelt, bestehend aus Vorraum, Bad, WC, Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer und Stiege zum Keller. Die Kellerräume bestehen aus Garage, einen Kellerraum, Heizraum und Tankraum. Als Heizung ist eine Zentralheizung mit Öl ausgewiesen. Beim Dach handelt es sich um ein Satteldach mit Eternitplatten. Über den Eingang zum Haus gelangt man in den Garten. Beim Grundstück handelt es sich um Bauland. Weiter wurde im Gutachten ausgeführt: "Anschlüsse: Strom, Wasser, Kanal sind vorhanden. Erdgas liegt vor der Liegenschaft und ein Anschluss ist möglich. Alle Wohn- und Nebenräume zeigen sich in einem dem Alter entsprechenden Zustand. Eine Sanierung der Liegenschaft wird, um einen der Zeit angepassten Zustand zu erreichen, notwendig sein." Der Verkehrswert der Liegenschaft wurde zum Stichtag mit 125.000 Euro ermittelt.

Von der Rechtsanwaltskanzlei ***2*** wurde unter der ErfNr. ***3*** am die Selbstberechnung vorgenommen, wobei als Bemessungsgrundlage der Verkehrswert von 125.000 Euro und als Steuersatz 3,5% herangezogen wurden. Somit wurden 4.375 Euro an Grunderwerbsteuer an das Finanzamt abgeführt. Die Anmeldung der Selbstberechnung erfolgte am .

Am veräußerte der Bf. die Liegenschaft an Frau ***4*** um einen Kaufpreis von 60.000 Euro.

Am stellte der Bf. den Antrag auf Festsetzung der Grunderwerbsteuer iZm § 303 BAO.

Beweiswürdigung

Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Vorbringen des Bf. und den vorgelegten, unbedenklichen Unterlagen (Einantwortungsbeschluss, Gutachten, Kaufverträge, Abfragen im Abgabeninformationssystem).

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 201 Bundesabgabenordnung (BAO ) regelt die erstmalige Festsetzung von Selbstberechnungsabgaben mit einem Abgabenbescheid.

§ 201 BAO lautet auszugsweise:

"(1) Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.

(2) Die Festsetzung kann erfolgen,
1. von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,
2. wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist,
3. wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden,
(Anm.: Z 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 20/2009 )
5. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b oder des § 295a die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden.

(3) Die Festsetzung hat zu erfolgen,
1. wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist,
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 70/2013 )
3. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 295 die Voraussetzungen für eine Änderung vorliegen würden.

(4) …"

Gegenständlich liegt ein Antrag auf Festsetzung der Grunderwerbsteuer nach § 201 Abs. 1 iZm Abs. 2 Z 3 BAO vor, weshalb zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme sinngemäß vorliegen.

§ 303 BAO regelt die Wiederaufnahme des Verfahrens und lautet in der geltenden Fassung:

"(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
(2) Der Wiederaufnahmsantrag hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird;
b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird.
(3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, durch Verordnung die für die Ermessensübung bedeutsamem Umstände zu bestimmen."

Als Wiederaufnahmsgrund kommt im gegenständlichen Fall lediglich § 303 Abs. 1 lit. b BAO in Frage. Dabei kommen nur neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel - das sind solche, die schon vor Erlassung des das wiederaufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides bestanden haben (nova reperta), aber nicht bekannt waren - als tauglicher Wiederaufnahmsgrund iS des Neuerungstatbestandes (§ 303 Abs. 1 lit. b) in Betracht. Erst nach Erlassung des das wieder aufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides entstandene Tatsachen oder Beweismittel (nova producta) sind keine Wiederaufnahmsgründe. Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (zB ; , Ro 2014/15/0035).

Der Bf. hat die Liegenschaft durch einen Erwerb von Todes erhalten. Nach § 8 Abs. 4 GrEStG 1987 entstand die Steuerschuld bei Erwerben durch Erbanfall mit der Rechtskraft des Beschlusses über die Einantwortung, somit am und war das Grunderwerbsteuergesetz 1987 in der Fassung BGBl. I Nr. 36/2014 anzuwenden. Da der Bf. nicht dem begünstigten Personenkreis angehörte, war die Steuer nach § 4 Abs. 2 Z 3 lit. b GrEStG 1987 vom gemeinen Wert zu berechnen und gelangte nach § 7 Abs. 1 Z 3 leg. cit. richtigerweise ein Steuersatz von 3,5% zur Anwendung. Der Stufentarif von 0,5% nach § 7 Abs. 1 Z 2 lit. a GrEStG wurde erst durch das StRefG 2015/2016, BGBl. I Nr. 118/2015 , eingeführt und gilt ab .

Gemäß § 10 Abs. 2 BewG wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Verkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen.

Der gemeine Wert ist gleich dem Preis, der zu erzielen wäre, dh es kommt nicht darauf an, ob das Wirtschaftsgut tatsächlich veräußert wurde, oder welcher Preis im Falle einer Veräußerung tatsächlich erzielt worden ist, sondern es ist objektiv festzustellen, welcher Wert dem zu bewertenden Wirtschaftsgut ganz allgemein vom Standpunkte der an einem Erwerb Interessierten beizumessen wäre (Twaroch/Wittmann/Frühwald, BewG, § 10 Rz 22). Die brauchbarste Methode der Preisbestimmung ist der Vergleich mit tatsächlich in zeitlicher Nähe zum Feststellungszeitpunkt erfolgten Kaufgeschäften.

In einem vom Bf. beauftragten Gutachten eines konzessionierten Immobilientreuhänders und Sachverständigen wurde der gemeine Wert bzw. Verkehrswert der Liegenschaft zum mit 125.000 Euro festgestellt und bildete dieser die Grundlage der Steuerbemessung im Zuge einer Selbstberechnung.

Der Bf. führt nun den Umstand, dass er die Liegenschaft 9 Monaten nach der Befundaufnahme zu einem ca. um die Hälfte niedrigeren Kaufpreis veräußert hat, als Wiederaufnahmsgrund an, wobei nicht bekannt ist, welche Überlegungen konkret zu dem dort vereinbarten Kaufpreis geführt haben. Damit macht er geltend, dass die Liegenschaft zum Bewertungszeitpunkt nicht den im Privatgutachten festgestellten Verkehrswert aufweisen würde, und widerspricht nunmehr dem Bewertungsergebnis des Gutachtens. Das Gutachten wurde in enger zeitlicher Nähe zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld, zum Stichtag , erstellt und beinhaltet daher zu Recht nur Befundergebnisse, die zu diesem Zeitpunkt relevant waren.

Im gegenständlichen Verfahren wurde weder ein neues Gutachten vorgelegt, noch wurde etwas vorgebracht, was eine Änderung der Befundergebnisse zum genannten Stichtag bedeutet hätte, sondern wurde lediglich der Ansatz des gemeinen Wertes nunmehr als überhöht angesehen. Geänderte Schlussfolgerungen bilden - bei nach wie vor gleich bestehenden Befundergebnissen - aber selbst bei Vorlage eines neuen Sachverständigengutachens keinen Wiederaufnahmsgrund.

So hat auch der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach im Zusammenhang mit neuen Sachverständigengutachten judiziert, dass bloß andere als im Hauptverfahren gezogene sachverständige Schlüsse kein Wiederaufnahmsgrund sind (vgl. ) und neue Erkenntnisse aus bisherigen Sachverständigengutachten auf Ebene der Schlussfolgerungen für eine Wiederaufnahme nicht ausreichen (vgl. ; , 2009/13/0062; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO , § 177 E 61).

Der Umstand, dass bei dem nachfolgenden Verkauf der Liegenschaft nur ein Verkaufspreis von 60.000 Euro erzielt wurde, ist eine neu entstandene Tatsache (nova producta), die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Selbstberechnung noch nicht bestanden hat. Die Voraussetzung für eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist damit nicht erfüllt, weshalb keine Veranlassung besteht, ein Steuerbemessungsverfahren nach § 201 BAO einzuleiten.

Der angefochtene Bescheid wurde rechtsrichtig erlassen und war die Beschwerde daher abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage, welche Tatsachen und Beweismittel als taugliche Wiederaufnahmsgründe anzusehen sind, ist durch die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinlänglich geklärt, weshalb eine Revision nicht zuzulassen war.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise




ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100693.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at