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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.06.2020, RV/7103302/2015

Einbehaltene Lohnsteuer ist unabhängig von der Abfuhr anzurechnen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes X vom , Steuernummer , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2012 zu Recht erkannt:

  • Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
    Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf) - Herr ***Bf1*** - erklärte in der Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2012 vom drei inländische gehaltsauszahlende Stellen.

Unter der Position "Meldungen aktiv" wurden im Abgabeninformationssystem des Bundes folgende Daten von bezugauszahlenden Stellen für den Bf das Jahr 2012 betreffend gemeldet:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Art
Zeitraum
Arbeitgeber/Auftraggeber
Betrag
3(2)
0101-1101
Arbeitsmarktservice Österreich
33,06
3(2)
1201-2503
Arbeitsmarktservice Österreich
1.350,50
84(1)
2603-1906
C GmbH
5.160,92
69(4)
2703-2703
BUAK
73,24
3(2)
2006-2406
Arbeitsmarktservice Österreich
152,30
3(2)
3011-3112
Arbeitsmarktservice Österreich
974,72

Mit Vorhalt vom wurde der Bf bezüglich seiner Dienstverhältnisse zur A GmbH und zur B GmbH ersucht, zwanzig Fragen zu beantworten und Unterlagen vorzulegen.

Mit Datum langten beim Finanzamt folgende Unterlagen ein:

  • eine Arbeitsbescheinigung der Firma A GmbH, Adr-A, aus der hervorgeht, dass der Bf vom bis beim erwähnten Dienstgeber beschäftigt gewesen sei und für die Monate Juni, Juli, August und September 2012, Bruttobezüge in Höhe von 446,80 € (Juni), 2.234,01 € (Juli), 1.889,55 € (August) und 2.019,43 € (September) (in Summe: 6.589,79 €) ausbezahlt worden seien,

  • ein Lohnzettel der Firma A GmbH vom , der unter anderem Bruttobezüge (Kz 210) in Höhe von 6.589,79 €, steuerpflichtige Bezüge (Kz 245) in Höhe von 4.683,11 € und anrechenbare Lohnsteuer in Höhe von 638,73 € ausweist,

  • vier Monatslohnabrechnungen (06-09/2012) der Firma A GmbH, aus denen unter anderem "Lohnsteuer lfd. Bezug" in Summe von 638,73 € und "Zahlbeträge" in Höhe von 312,44 € (Juni), 1.519,65 € (Juli), 1.148,53 € (August) und 1.451,49 € (September) hervorgehen,

  • eine Anmeldung beim elektronischen Datensammelsystem der Sozialversicherungsträger für die WGKK, wonach der Bf ab bei der Firma A GmbH beschäftigt gewesen sei,

  • eine Abmeldung beim elektronischen Datensammelsystem der Sozialversicherungsträger für die WGKK, in der der jeweils als Ende der Beschäftigung bei der Firma A GmbH und als Ende des Entgeltanspruches aufscheint,

  • eine Arbeitsbescheinigung der Firma B Bauunternehmung GmbH, Adr-B, aus der hervorgeht, dass der Bf vom bis beim erwähnten Dienstgeber beschäftigt gewesen sei und für die Monate September, Oktober und November 2012, Bruttobezüge in Höhe von 535,54 € (September), 2.295,15 € (Oktober) und 2.299,73 € (November) (in Summe: 5.130,42 €) ausbezahlt worden seien,

  • ein Lohnzettel der Firma B Bauunternehmung GmbH vom , der unter anderem Bruttobezüge (Kz 210) in Höhe von 5.130,42 €, steuerpflichtige Bezüge (Kz 245) in Höhe von 3.469,06 € und anrechenbare Lohnsteuer in Höhe von 454,03 € ausweist,

  • drei Monatslohnabrechnungen (09-11/2012) der Firma B Bauunternehmung GmbH, aus denen unter anderem "Lohnsteuer lfd. Bezug" in Summe von 454,03 € und "Zahlbeträge" in Höhe von 372,14 € (September), 1.551,14 € (Oktober) und 1.448,26 € (November) hervorgehen,

  • eine Anmeldung beim elektronischen Datensammelsystem der Sozialversicherungsträger für die WGKK, wonach der Bf ab bei der Firma B GmbH beschäftigt gewesen sei und

  • eine Abmeldung beim elektronischen Datensammelsystem der Sozialversicherungsträger für die WGKK, in der der jeweils als Ende der Beschäftigung bei der Firma B GmbH und als Ende des Entgeltanspruches aufscheint.

Im Einkommensteuerbescheid 2012 vom wurden als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unter anderem "Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug" in Höhe von 8.152,17 € (= Kz 245: 4.683,11 € A GmbH + 3.469,06 € B GmbH) in Ansatz gebracht. Anrechenbare Lohnsteuer wurde in Höhe von 1.227,25 € (= 837,75 € C GmbH 26.03.- + 373,39 € BUAK 01.01.- + 16,11 € BUAK ) in Abzug gebracht, wobei die in den Lohnzetteln der Firmen A GmbH und B Bauunternehmung GmbH ausgewiesene anrechenbare Lohnsteuer in Höhe von 638,73 € (A GmbH) und 454,03 € (B Bauunternehmung GmbH) außer Ansatz blieb.

Mit Schreiben vom erhob der Bf Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2012 vom , übermittelte erneut die bereits vorgelegten Unterlagen und wies daraufhin, dass ihm die Bezüge monatlich in dieser Höhe auch auf sein Bankkonto überwiesen worden seien.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2012 mit der Begründung als unbegründet abgewiesen, dass beim Arbeitgeber kein Lohnsteuerabzug feststellbar gewesen sei und dass auch der Geldfluss trotz diesbezüglichem Ersuchen nicht nachgewiesen worden sei, weshalb sich weder eine Änderung der anrechenbaren Lohnsteuer noch in der Höhe der Bemessungsgrundlagen ergebe.

Mit Schriftsatz vom stellte der Bf den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht und übermittelte erneut die bereits vorgelegten vier monatlichen Lohnabrechnungen der Firma A GmbH (06-09/2012) und die drei monatlichen Lohnabrechnungen der Firma B GmbH (09-11/2012) sowie zwei Belege der BAWAG PSK vom bzw die jeweils Gutschriften der Firma A GmbH in Höhe von 1.519,65 € und 1.148,53 € und als Zahlungsgrund "Lohn 07/2012" bzw "Lohn 08/2012" ausweisen. Weiters übermittelte der Bf einen Kontoauszug der BAWAG PSK vom , der eine Gutschrift der Firma B Bauunternehmung GmbH in Höhe von 372,1 € und als Buchungstext "Lohn 09/12" ausweist sowie einen Kassa-Beleg ("Kassa-Ausgang") aus dem hervorgeht, dass von der Firma B Bauunternehmung GmbH am ein Betrag in Höhe von 1.448,26 € an den Bf für "Nov. 2012 Abrechnung" ausbezahlt worden sei.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vorgelegt und unter anderem darauf hingewiesen, dass sich die Firma A GmbH ab in Liquidation befunden habe und sich auf dem Steuerkonto im Jahr 2012 insgesamt Rückstände bei der Lohnsteuer in Höhe von 180.350 € ergeben hätten, wobei für die Monate Juni bis September (Zeitraum der Anstellung des Bf) jedenfalls keine Lohnsteuerzahlungen mehr getätigt worden seien. Bezüglich B Bauunternehmung GmbH führte das Finanzamt aus, dass diese laut Steuerkonto nur in den Monaten Jänner bis Juni 2012 Eintragungen zur Lohnsteuer gehabt habe, wobei es nur im Juni zu einer Auszahlung gekommen sei. Insgesamt hätten sich auch bei der B Bauunternehmung GmbH hohe Rückstände ergeben. Lohnsteuer sei in den Monaten September bis November (Zeitraum der Anstellung des Bf) jedenfalls keine bezahlt worden.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Der Bf war

  • vom 25.06. bis bei der Firma A GmbH und

  • vom 24.09. bis bei der Firma B Bauunternehmung GmbH

beschäftigt.

Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom wurde die Firma A GmbH infolge rechtskräftiger Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens und Zahlungsunfähigkeit aufgelöst.

Auf dem Steuerkonto der Firma A GmbH ergaben sich im Jahr 2012 insgesamt Rückstände bei der Lohnsteuer in Höhe von 180.350 €. Für die Monate Juni bis September 2012 (Zeitraum der Anstellung des Bf) wurden keine Lohnsteuerzahlungen mehr getätigt.

Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom x.2013 wurde über das Vermögen der Firma B Bauunternehmung GmbH der Konkurs eröffnet.

Von der Firma B Bauunternehmung GmbH wurde in den Monaten September bis November 2012 (Zeitraum der Anstellung des Bf) keine Lohnsteuer bezahlt.

Die auf den monatlichen Lohnabrechnungen ausgewiesenen Nettobeträge wurden an den Bf überwiesen bzw ausbezahlt.

Die Abgabenbehörde erfasste die in den beiden Lohnzettel als steuerpflichtige Bezüge [Kz 245] ausgewiesenen Beträge (A GmbH: 4.683,11 € + B Bauunternehmung GmbH: 3.469,06 €) im angefochtenen Bescheid als (nichtselbständige) "Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug" in Höhe von 8.152,17 €.

Strittig ist, ob die Lohnsteuer bei der Veranlagung des Bf anzurechnen ist.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den dem Bundesfinanzgericht von der Abgabenbehörde vorgelegten Unterlagen und der folgenden Beweiswürdigung:

2. Beweiswürdigung

Der Bf war im Zeitraum Juni bis September 2012 bei der Firma A GmbH und im Zeitraum September bis November 2012 bei der Firma B Bauunternehmung GmbH beschäftigt. Die Einbehaltung von Lohnsteuer ist in den monatlichen Lohnabrechnungen und den Jahreslohnzetteln ausgewiesen. Der Bf gab in seinen Anbringen wiederholt an, dass "ihm die Bezüge monatlich in dieser Höhe auch auf sein Bankkonto überwiesen worden seien". Dass der Bf mit dem Ausdruck "in dieser Höhe" die Nettobeträge gemeint hat, erschließt sich daraus, dass die in den monatlichen Lohnabrechnungen ausgewiesenen Nettobeträge mit jenen Beträgen ident sind, deren Zufluss der Bf mittels Gutschriften und Kontoauszug der BAWAG PSK und eines Kassa-Beleges nachgewiesen hat. In Anbetracht, dass aktenkundig ist, dass An- und Abmeldungen für die beiden Beschäftigungsverhältnisse bei der Sozialversicherung vorgenommen wurden, die Abgabenbehörde hinsichtlich des tatsächlichen Zahlungsflusses nichts vorgebracht hat und der Bf die Höhe der zugeflossenen Beträge anhand von - soweit diese noch vorhanden waren - vier (von sieben) Belegen (07, 08, 09, 11/2012) nachgewiesen hat, ist es glaubhaft, dass der Bf lediglich Nettolöhne ausbezahlt bekommen hat.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Der festgestellte Sachverhalt ist in folgender Weise rechtlich zu würdigen:

§ 46 EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010 lautet auszugsweise:

"(1) Auf die Einkommensteuerschuld werden angerechnet:

1. Die für den Veranlagungszeitraum festgesetzten Vorauszahlungen,

2. die durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge, soweit sie auf veranlagte Einkünfte entfallen.

[. . .]"

Gemäß § 46 Abs 1 Z 3 EStG 1988 werden auf die Einkommensteuerschuld die durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge, soweit sie auf veranlagte Einkünfte entfallen, angerechnet.

Die durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge sind bereits dann anzurechnen, wenn sie vom Abzugspflichtigen (zB Arbeitgeber) einbehalten worden sind. Es ist nicht erforderlich, dass der Abzugspflichtige diese Beträge an das Finanzamt auch tatsächlich oder verspätet abgeführt hat ().

Der Umstand, ob die einbehaltenen Beträge an das Finanzamt abgeführt wurden, ist für die Anrechnung auf die Einkommensteuerschuld gemäß § 46 Abs 1 Z 3 EStG 1988 ohne Bedeutung.

Dafür, dass dem Bf die Bruttogehälter ausbezahlt worden seien, fehlt jeder Hinweis.

Das Bundesfinanzgericht geht daher in Würdigung der vorliegenden Beweise davon aus, dass dem Bf nur die in den monatlichen Lohnzetteln ausgewiesenen Nettobeträge ausbezahlt wurden.

Aufgrund der Aktenlage, insbesondere der Vorlage von Meldungen bei der Sozialversicherung, der monatlichen Lohnabrechnungen und der Jahreslohnzettel, kann auch davon ausgegangen werden, dass der Bf nicht mit seinen Arbeitgebern vorsätzlich zusammengewirkt hat, um Lohnsteuer zu verkürzen. Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 83 Abs 3 EStG 1988 liegen somit im gegenständlichen Fall nicht vor.

Eine Steueranrechnung ist nur insoweit zulässig, als sie auf (mit)veranlagte Einkünfte entfällt und die Bezugszahlungen auch tatsächlich erfolgt sind (Perl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), Kommentar zum EStG15 Allgemeines Rz 5).

Da die Lohnsteuer eine Erhebungsform der Einkommensteuer und quasi eine Vorausentrichtung der zu veranlagenden Einkommensteuer darstellt und die Löhne entsprechend der Feststellungen auch tatsächlich gezahlt wurden, war der Beschwerde Folge zu geben und der angefochtene Bescheid wie folgt abzuändern:

Die von der A GmbH einbehaltene und damit anrechenbare Lohnsteuer wird in Höhe von 638,73 € angesetzt.

Die von der B Bauunternehmung GmbH einbehaltene und damit anrechenbare Lohnsteuer wird in Höhe von 454,03 € angesetzt.

Die anrechenbare Lohnsteuer beträgt daher 2.320,01 €.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
anrechenbare Lohnsteuer
Kennzahl 260
laut angefochtenem Bescheid
1.227,25
A GmbH
638,73
B Bauunternehmung GmbH
454,03
laut Bundesfinanzgericht
2.320,01

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor, da im Wesentlichen eine Sachverhaltsfrage zu klären war und sonst der einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt wurde ().

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
einbehaltene Beträge
Anrechnung
Steueranrechnung
Steuerabzug
Abfuhr von LSt
Verweise
Zitiert/besprochen in
Steiger in taxlex 2021/26
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103302.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at