BVE und "entschiedene Sache"
Rechtssätze
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RV/5200249/2013-RS1 | Eine Berufungs(vor)entscheidung bzw. Beschwerde(vor)entscheidung, die eine in Betracht kommende ersatzlose Aufhebung des bekämpften Bescheides zu Unrecht ausspricht, anstatt diesen abzuändern, stellt das Hindernis der entschiedenen Sache für eine neuerliche Bescheiderlassung dar und zwar selbst dann, wenn die Behörde die Aufhebung (laut Begründung) nur deswegen ausspricht, um einen formalen Mangel zu beheben (). |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Linz Wels vom betreffend Vorschreibung eines Altlastenbeitrag für die Quartale 2-4 des Jahres 2003 zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Altlastenbeitrags - ersatzlos - aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Bescheid des Zollamtes Linz Wels vom , Zahl: 520000/0000/2007 wurden der nunmehrigen Bf. ein Altlastenbeitrag von € 5.198.137,80 für die entsprechenden Kalendervierteljahre 200 bis 2004 für einen langfristig abgelagerten Klärschlamm in der Regionalkläranlage mit angeschlossener Klärschlammdeponie, Adresse vorgeschrieben. Vereinfacht dargestellt stützte sich der Bescheid in der Begründung darauf, dass nicht nachgewiesen werden konnte, dass die Deponie im Überprüfungszeitraum an den Stand der Technik angepasst gewesen ist. Es sei, so das Zollamt, der Tatbestand des § 3 Abs 1 Z 1 AlSAG als objektiv erfüllt anzusehen. Die Höhe des Beitragssatzes richte sich nach § 6 Abs 1 Z 3 AlSAG. Im Berechnungsblatt verweist die bescheiderlassende Behörde´auf die Kalenderjahre 2000 - 2004.
Für das Kalenderjahr 2003 verwies die Behörde auf den neu errechneten Beitrag von € 43,60/to und Beträgen von € 484.221,60 (Quartal 1); 472.929,20 (Quartal 2); 462.901,20 (Quartal 3) und 439.618,80 (Quartal 4). In der Differenzberechnung zu den bereits entrichteten Abgaben ergebe sich eine Differenz von € 345.630,60, € 342.327,70, 329.095,20 und € 179.967,30 (Quartale 1-4).
In der dagegen eingebrachten Berufung vom wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid betreffend Festsetzung des Altlastenbeitrags zur Gänze ersatzlos zu beheben. Dem Antrag wurde mit BVE vom , Zahl: 520000/xxxx/2007 teilweise, hinsichtlich des Kalenderjahres 2003 zur Gänze stattgegeben und die Quartale 1-2/2000, 2003 und 2004 aus dem Rechtsbestand entfernt. In der Begründung wird ua ausgeführt, dass - im Hinblick auf die Rechtslage durch BGBl I 2002/97 für das Jahr 2003 und 2004 ein eigener Bescheid hätte erlassen werden müssen. Dem Spruch (unterstützt durch die Begründung) ist sohin zu entnehmen, dass der angefochtene Bescheid für das Jahr 2003 aufgehoben wurde.
Mit Bescheid des Zollamtes Linz Wels vom wurden der Bf. ein Altlastenbeitrag in Höhe von € 851.390,20 für die Quartale 2-4 des Jahres 2003 vorgeschrieben und zwar für einen langfristig abgelagerten Klärschlamm in der Regionalkläranlage mit angeschlossener Klärschlammdeponie, Adresse. Begründet wurde dies damit, dass mangels "Anpassung an den Stand der Technik" der zu entrichtende Betrag gem § 6 Abs 1 Z 3 AlSAG entrichtet hätte werden müssen. Es sei deswegen bei der Bemessung der Beitragssatz nach § 6 Abs 1 Z 3 AlSAG anzuwenden, dh nicht der niedrigere Satz nach § 6 Abs 4 AlSAG.
Für das Kalenderjahr 2003 verwies die Behörde auf den errechneten Beitrag von € 43,60/to und Beträgen von € 472.929,20 (Quartal 2); 462.901,20 (Quartal 3) und 439.618,80 (Quartal 4). In der Differenzberechnung zu den bereits entrichteten Abgaben ergebe sich eine Differenz von € 342.327,70, 329.095,20 und € 179.967,30 (Quartale 2-4).
Bei dem abgelagerten Klärschlamm handle es sich ohne Zweifel um Abfall. Dazu habe das Zollamt am bei der BH Linz-Land einen Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides nach § 10 AlSAG gestellt.
Die bescheiderlassende Behörde bezog sich auf den Bescheid vom ,Gz bob in dem die BH Linz-Land ua festgestellt habe, dass
durch die Ablagerung von Abfällen (vorwiegend Klärschlamm) seitens der nunmehrigen Beschwerdeführerin auf der Klärschlammdeponie eine beitragspflichtige Tätigkeit vorliege,
dass die Betriebsweise der Klärschlammdeponie im Sinne der Deponieverordnung als angepasst gelte, auch wenn die Inanspruchnahme einer Wiegeeinrichtung zur Ermittlung der abgelagerten Abfallmenge verzichtet worden ist,
dass die bei der Gewinnung von Klärschlamm gesetzten Arbeitsschritte mechanische Aufbereitung des Primärschlammes, simultane aerobe Behandlung des Sekundärschlammes in den Belebungsbecken, Eindickung des Sekundärschlammes, Aufheizung und anaerobe Behandlung des Primär- und Sekundärschlammes der im § 2 Z. 26 der Deponieverordnung beschriebenen mechanisch-biologischen Vorbehandlung von Abfällen in den Jahren 2000-2003 nicht entspricht,
dass die bei der Gewinnung von Klärschlamm gesetzten Arbeitsschritte mechanische Aufbereitung, simultane aerobe Behandlung, Eindickung, Aufheizung und anaerobe Behandlung des Primär- und Sekundärschlammes der im § 2 Z 26 der Deponieverordnung beschriebenen mechanisch-biologischen Vorbehandlung von Abfällen ab dem Jahr 2004 entspricht,
dass die Klärschlammdeponie in den Jahren 2000-2003 zumindest nicht hinsichtlich der Qualität der abgelagerten Abfälle soweit an den Stand der Technik angepasst war, dass der Altlastenbeitrag gemäß § 6 Abs. 4 AlSAG hätte entrichtet werden dürfen und
dass die Klärsschlammdeponie ab dem auch hinsichtlich der Qualität der abgelagerten Abfälle soweit an den Stand der Technik angepasst ist, dass der Altlastenbeitrag gemäß § 6 Abs. 4 AlSAG entrichtet werden darf.
Zusammenfassend wird vom Zollamt festgestellt, dass die verfahrensgegenständliche Deponie im Kalenderjahr 2003 nicht an den Stand der Technik angepasst war. Damit habe die Bezirkshauptmannschaft, so das Zollamt, die Rechtsansicht der Abgabenbehörde bestätigt.
Die Behörde verweist des Weiteren auf die Begründung des Feststellungsbescheides (Gutachten) und betont die Bindungswirkung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft. Unter Hinweis auf die Literatur (List, Kommentar zum ALSAG, 334 Rz 7) sei auch ein nicht rechtskräftiger Feststellungsbescheid einem Abgabenverfahren zugrunde zu legen.
Die bescheiderlassende Behörde führt weiters aus, dass der Schlamm langfristig abgelagert wurde, sohin der Tatbestand des § 3 Abs. 1 Z. 1 AlSAG als erfüllt anzusehen ist. Diese langfristige Ablagerung sei dem Deponiebetreiber zuzurechnen.
Die bescheiderlassende Behörde stützt sich ua auch auf eine Rechtsauskunft des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, in der ausgeführt wurde:
Die bescheiderlassende Behörde betonte, dass aus den oa Gründen die Vorschreibung von Altlastenbeitrag sohin zwingend war, da die BH ausgesprochen habe, dass eine Entrichtung nach § 6 Abs 4 AlSAG nicht zulässig war; hinsichtlich des ersten Kalendervierteljahres sei überdies Verjährung eingetreten.
Dagegen wurde form-und fristgerecht ein Rechtsmittel eingebracht. Der Einschreiter betont, dass er gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rechtsmittel eingebracht habe. Er führt aus, dass die Abgabenvorschreibung schon deswegen rechtswidrig sei, weil die Verjährungsfrist abgelaufen sei (§ 207 Abs. 2 BAO). Die zehnjährige Verjährungsfrist greife mangels Abgabenhinterziehung jedenfalls nicht. Es sei spätestens Verjährung eingetreten weil auch nach außen erkennbare Amtshandlungen, die geeignet wären, eine Verlängerung der fünfjährigen Verjährungsfrist auszulösen, nicht getätigt wurden.
Überdies müsse ein Feststellungsbescheid jedenfalls erlassen werden und es müsse die Rechtskräftigkeit abgewartet werden. Überdies führte der Bf. - unter Hinweis auf das entsprechende Gutachten fest, dass die Klärschlammbehandlung aus fachlicher Sicht einwandfrei war und den Zielsetzungen der Deponieverordnung entsprach. Es müsste ergänzend eine Reduzierung des Altlastenbeitrags vorgenommen werden. Mit BVE vom , wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom , Zahl: 520000/0000/1/2007 als unbegründet abgewiesen. Mit Vorlageantrag wurde eine Entscheidung durch das BFG verlangt.
Neben dem Abgabenverfahren wurde ein - umfangreiches - Verwaltungsverfahren abgewickelt (); jüngst wurde das Verwaltungsverfahren nunmehr abgeschlossen, sodass die abgabenrechtliche Würdigung in den Vordergrund treten kann ().
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Mit dem Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz - AbgRmRefG, BGBl I 2002/97 wurde § 201 Abs 4 BAO neu gefasst, der lautet: "Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben desselben Kalenderjahres (Wirtschaftsjahres) in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen". Es wurde sohin die "zusammengefasste Festsetzung mehrerer Abgaben derselben Abgabenart in einem Abgabenbescheid auf Abgaben eingeschränkt, für die der Abgabenanspruch im selben Kalenderjahr entstanden ist" (IA 666/A XXI.GP). Nach § 323 Z 11 BAO war diese Bestimmung erstmals auf Abgaben anzuwenden, für die der Abgabenanspruch nach dem entstanden ist. Dies traf auf den Altlastenbeitrag für das Kalenderjahr 2003 unzweifelhaft zu, sodass § 201 Abs 4 BAO idF BGBl I 2002/97 jedenfalls anwendbar war.
Das Zollamt hat zunächst mit Bescheid vom den Altlastenbeitrag für mehrere Kalenderjahre (ua auch für 2003) vorgeschrieben, diesen Bescheid aber in der Folge hinsichtlich des strittigen Kalenderjahres - aus den oa Gründen - wieder aufgehoben; dies mit der Absicht, den Formvorschriften der BAO nach § 201 Abs 4 BAO zu entsprechen. Sie hat anschließend, sowohl der Menge als auch der Höhe der Abgaben nach, einen gleichlautenden Bescheid für die Quartale 2-4 des Kalenderjahres 2003 erlassen. Dieser Bescheid wurde in der Folge angefochten und ist Gegenstand dieses Erkenntnisses. Aus diesem Grund ist zunächst zu prüfen, ob im gegenständlichen Fall Sachidentität vorliegt.
Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der ersten Instanz gebildet hat (zB ). Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgebenden tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im Wesentlichen (von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt (vgl , mwN).
Im vorliegenden Fall unterscheidet sich der Spruch des Bescheides vom 15.5. von jenem des hinsichtlich der Quartale 2-4 nicht. Die maßgebenden tatsächlichen Umstände und die Rechtslage sind unverändert geblieben und zwar hinsichtlich der Art und Menge des Abfalls und der vorgeschriebenen Beiträge. Die "Sache" ist die langfristige Ablagerung von Klärschlamm und die Nichteinhaltung des "Stands der Technik" für die Quartale 2-4 des Jahres 2003. Der "Stand der Technik" war nicht garantiert, dies ist zuletzt auch vom VwGH betont worden ().
Der Spruch der BVE vom ist bei verständiger Würdigung so zu verstehen, dass dem Antrag des Berufungswerbers vom auf ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom hinsichtlich des Kalenderjahres 2003 vollinhaltlich stattgegeben wurde. Diese stattgebende BVE vom blieb unangefochten und erwuchs in Rechtskraft. Fraglich ist nun ob die Abgabenbehörde berechtigt war, neuerlich eine Abgabenvorschreibung für 2003 vorzunehmen oder sie vielmehr wegen des Grundsatzes der "entschiedenen Sache" daran gehindert war.
Dem Grunde nach - und das bedarf keiner weiteren Begründung - ist es der Spruch des Bescheides, der Rechtswirkungen erzeugt. Zwar sind Spruch und Begründung zusammen zu berücksichtigen, die Begründung vermag aber jedenfalls den Spruch des Bescheides nicht zu ändern, sofern dieser frei von Zweifeln ist. Sohin ist es aus Sicht des BFG jedenfalls der Ausspruch, dass ein Bescheid aufgehoben wird, jedenfalls eine Sachentscheidung; daran kann auch die Begründung nichts ändern, selbst wenn dieser Bescheidteil formale Gründe benennt, die die Behörde (neben der Verjährung) erwogen haben, eine Aufhebung auszusprechen. Sohin hätte die Abgabenbehörde den Spruch des angefochtenen Bescheides abändern müssen (; , Ro 2016/16/0004). Das hat sie aber unterlassen, weswegen die Aufhebung des Bescheides vom mit BVE vom , Zahl: 520000/xxxx/2007 rechtskräftig wurde. Sohin war es der Behörde verwehrt, eine neuerliche Vorschreibung zu erlassen. Aus den oa. Sach- und Rechtsgründen war dem Rechtsmittel ein Erfolg beschieden. Der angefochtene Bescheid wird wegen "entschiedener Sache" ersatzlos aufgehoben
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Der VwGH hat zur strittigen Rechtsfrage mit E , Ro 2016/16/0004 ausgesprochen: "Eine Berufungsvorentscheidung oder Berufungsentscheidung, die eine in Betracht kommende ersatzlose Aufhebung des bekämpften Bescheides zu Unrecht ausspricht, anstatt diesen abzuändern, stellt das Hindernis der entschiedenen Sache für eine neuerliche Bescheiderlassung dar (Hinweis E vom , 2013/16/0156, und vom , 2011/16/0105, sowie E vom , 2010/15/0108, VwSlg 8583 F/2010), auch wenn die Aufhebung lediglich zur Ermöglichung "formal richtiger" Bescheide beabsichtigt war (Hinweis E vom , 2011/13/0005)."
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | § 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 201 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 323 Z 11 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | Summersberger in AVR 2020, 141 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.5200249.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at