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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.08.2020, RV/2100422/2018

Haftung der (Mit-)Geschäftsführerin

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/13/0084.Mit Erk. v. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1******Bf1-Adr***RA über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Haftung uRecht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Haftung wird für folgende Abgabenarten und Zeiträume festgesetzt:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
U
04-12/11
13.555,32
U
2012
533,88
U
04-06/12
17.803,25
U
07-09/12
18.659,72
U
10/12
1.743,29
L
2012
608,04
L
01-06/13
197,72
K
04-06/13
437,00
DB
2012
1.066,98
DB
01-06/13
366,47
DZ
2012
92,46
DZ
01-06/13
31,76
Z
10/12
139,46
ST
2012
285,07
SZA
2012
1.554,94
SZB
2012
292,84
SZC
2012
168,36

Summe 59.286,56

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) war von bis gemeinsam mit ihrem Ehemann und dem Sohn Geschäftsführerin der primärschuldnerischen GmbH. Sie vertrat diese gemeinsam mit ihrem Gattin und ihrem Sohn. Das Stammkapital ist zur Hälfte einbezahlt. Die Gesellschaft wurde am mit Nachtrag vom gegründet und seit im Firmenbuch eingetragen. Der Gesellschaftszweck wurde im Firmenbuch mit Warenhandelsgeschäften umschrieben.

Mit Beschluss des Landesgerichtes wurde über das Vermögen der GmbH am das Konkursverfahren eröffnet und ein Masseverwalter bestellt. In der weiteren Folge zeigte dieser am dem Konkursgericht an, die Insolvenzmasse reiche nicht aus, um die Masseforderungen erfüllen zu können (Masseunzulänglichkeit). Das Konkursverfahren wurde mit Beschluss des Gerichtes vom mangels Kostendeckung aufgehoben. Nach dem Verteilungsentwurf des Masseverwalters konnten nur noch die Massegläubiger nach § 47 Abs. 2 Z 3 IO mit ca. 16% ihrer Forderungen bedient werden, während die übrigen Gläubiger leer ausgingen. Am erfolgte die Löschung gem. § 40 FBG.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom wurde der Bf. mitgeteilt, sie werde für den erlittenen Abgabenausfall von € 60.219,97 für die folgenden aufgelisteten Abgaben als Haftungspflichtiger in Anspruch genommen:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
U
04-12/11
16.238,73
U
2012
533,88
U
04-06/12
17.803,25
U
07-09/12
18.659,72
U
10/12
1.743,29
L
2012
608,04
L
01-06/13
197,72
K
04-06/13
437,00
DB
2012
1.066,98
DB
01-06/13
366,47
DZ
2012
92,46
DZ
01-06/13
31,76
Z
10/12
139,46
ST
2012
285,07
SZA
2012
1.554,94
SZB
2012
292,84
SZC
2012
168,36

Summe 60.219,97

Sie werde ersucht, zu den einzelnen Fragen detailliert Stellung zu nehmen und die entsprechenden Unterlagen, die zu ihrer Entlastung dienen könnten, beizubringen. Die Ermittlung der (bescheidmäßig) vorgeschriebenen Abgaben sei den in Kopie beigeschlossenen Bescheiden zu entnehmen. Diese seien als uneinbringlich anzusehen, was sich auf Grund der Konkurseröffnung ergebe. Eventuell zu erhaltende Quoten seien bei der Auflistung noch nicht abgezogen worden. Weiters wurde die Bf. zur Beibringung von Liquiditätsaufstellungen zu den jeweiligen Fälligkeitstagen aufgefordert, falls die GmbH bereits zu diesen Tagen nicht mehr über ausreichende Mittel zur Zahlung der Abgaben verfügte. Im Falle der Nichterbringung der Nachweise müsse das Finanzamt von einer schuldhaften Verletzung der den Vertreter einer juristischen Person treffenden Pflichten zur Entrichtung von fälligen Abgaben aus den verwalteten Mitteln ausgehen. Der Bf. wurde eine Äußerungsfrist bis eingeräumt.

Mit Schreiben vom beantragte die Bf. durch ihren bevollmächtigten rechtsfreundlichen Vertreter eine Fristverlängerung zur Äußerung bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens, weil vom Masseverwalter noch ein Umsatzsteuerverfahren geführt werde und die aushaftenden Rückstände nicht abschließend erhoben werden konnten.

In einem weiteren Schreiben vom forderte die belangte Behörde die Bf. nochmals auf, die ausstehende Stellungnahme abzugeben, zumal die angeführten Umstände nach Rücksprache mit dem Masseverwalter in keinem Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren stünden. Es wurde eine Beantwortungsfrist bis eingeräumt.

Mit dem angefochtenen Bescheid nahm die belangte Behörde die Bf. für die oa. Abgaben als Haftungspflichtige nach § 9 iVm. § 80 BAO in Anspruch. In ihrer Begründung führte das FA aus, das Konkursverfahren sei per mangels Kostendeckung aufgehoben worden und die angeführten Abgabenbeträge seien somit als uneinbringlich anzusehen. Im Übrigen verwies es auf die bereits im Schreiben vom gemachten Ausführungen sowie darauf, trotz (gewährter) Fristverlängerungen seien keine Unterlagen, aus denen eine Gläubigergleichbehandlung abgeleitet werden könne, vorgelegt worden. Es wäre daher davon auszugehen, die Bf. sei ihrer aufgetragenen Verpflichtung die Abgaben vorschriftsmäßig zu entrichten nicht nachgekommen und diese Pflichtverletzung sei die Ursache der Uneinbringlichkeit gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Bf. durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter Beschwerde, warf der belangten Behörde mangelnde Sachverhaltsermittlung, Beweiswürdigung, Aktenwidrigkeit und Begründung vor und stellte den Antrag, die Beschwerde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht vorzulegen. Weiters wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat beantragt.

In ihrer Begründung führte sie aus, es sei die Gesellschaft von ihrem Ehemann errichtet worden. Weiters seien ab als weitere Geschäftsführerin die Bf. sowie deren Sohn hinzugetreten, der selbst mit seinen bisherigen wirtschaftlichen Unternehmungen gescheitert sei. Über dessen BM GmbH und über sein eigenes Vermögen seien 2008 und 2010 Konkursverfahren eröffnet worden.

In der weiteren Folge führte der Sohn der Bf. seine Geschäfte im Wege der gegenständlichen GmbH weiter, wobei er im Ergebnis mit Einverständnis der Bf. tatsächlich die Geschäftsführung und auch die Wahrnehmung der steuerlichen Interessen übernommen habe.

Im Jahr 2011 habe der Sohn unter massiver Arbeitsüberlastung gelitten und sei auch wegen eines Burn-Out-Syndrom im Jahr 2011 in ärztlicher Behandlung gestanden. Diese sei jedoch abgebrochen und erst im Jahr 2013 wieder fortgesetzt worden. Unter der Wahrnehmung der steuerlichen Interessen der GmbH habe er einen Nervenzusammenbruch erlitten.

Die Bf. sei in keinster Weise in die GmbH einbezogen gewesen, vielmehr habe der Sohn die Geschäfte geführt, der Ehemann sei überwiegend im Ausland gewesen, sie habe keinen Einblick in die steuerlichen Agenden gehabt.

Zur mangelhaften Sachverhaltsdarstellung führte er aus, dass auf das Finanzstrafverfahren zu GZ. RV/2300028/2013 verwiesen werde, wo nur der Sohn schuldig gesprochen worden sei. Das Verfahren gegen den Ehemann sei eingestellt worden. Gegen die Bf. sei zu keinem Zeitpunkt ein Strafverfahren eröffnet worden. Da die belangte Behörde dies nicht in ihrer Entscheidung zu Grund gelegt habe, liege ein Begründungsmangel vor. Weiters machte sie geltend, für Abgabenbeträge, die nach Konkurseröffnung fällig geworden seien, nicht mehr zu haften. Eine abgabenrechtliche Pflichtverletzung als Vertreterin der GmbH wird mangels Verschuldens bestritten, da der Sohn der Bf. die tatsächliche Geschäftsführung und auch die Wahrnehmung der steuerlichen Interessen der Primärschuldnerin übernommen habe. Im Übrigen werde die bereits eingetretene Verjährung fälliger Abgaben eingewandt, zumal die belangte Behörde keine erkennbare Amtshandlung im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO gesetzt habe und keine Hemmung der Verjährung vorliege.

In einem Telefonat erklärte der Parteienvertreter, dass er den Antrag auf mündliche Senatsverhandlung zurückziehe. Ein Aktenvermerk dazu wurde angelegt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden (§ 80 Abs. 1 BAO).

Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können (§ 9 Abs. 1 BAO).

Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten (§ 224 Abs. 1 BAO).

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus. Eine weitere Voraussetzung zur Erfüllung des Tatbestandes des § 9 BAO ist eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Vertreter. Zu dessen Pflichten gehört es, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er den auferlegten Pflichten nicht entsprochen habe, insbesondere nicht habe Sorge tragen können, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf ().

Der Vertreter haftet nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern - was sich aus dem Wort "insoweit" in § 9 BAO eindeutig ergibt - nur in dem Umfang, in dem eine Kausalität zwischen der (schuldhaften) Pflichtverletzung des Vertreters und dem Entgang von Abgaben besteht ().

Bei der Umsatzsteuer ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten ().

Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und somit die Abgabengläubiger benachteiligt hat, so erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat ().

Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Vermag der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden.

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären ().

Das "Erfordernis der Gleichbehandlung aller Gläubiger der Gesellschaft" durch deren Vertreter ergibt sich erst als Folge des vom Vertreter im Haftungsverfahren dar zu tuenden Fehlens ausreichender Mittel zur Befriedigung der Abgabenverbindlichkeiten ().

Nur der Vertreter wird in der Regel jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung des Vertretenen haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht (). Die Abgabenbehörde ist nicht gehalten, im Wege einer Schätzung auf das Ausmaß der Ungleichbehandlung zu schließen, wenn dazu kein konkretes Vorbringen erstattet wird (). Der bloße Einwand alle Gläubiger gleich behandelt zu haben, ist noch kein entsprechend substantiiertes Vorbringen.

Es obliegt der Beschwerdeführerin nachzuweisen, welcher Betrag unter Einbeziehung der auf den Bankkonten eingegangenen Beträge bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre ().

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lastet auf dem Vertreter auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre ().

Die Bf. wurde zur Erbringung des Nachweises der Gleichbehandlung mit den Schreiben vom , und dem angefochtenen Bescheid aufgefordert. Eine konkrete Darlegung des Nichtvorliegens abgabenrechtlichen Verschuldens in oa. Hinsicht ist nicht erfolgt. Sie beschränkt sich lediglich mit dem Hinweis auf ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts, worin nicht sie, sondern ihr Ehemann bzw. ihr Sohn wegen des Verdachtes der Hinterziehung von Umsatzsteuervorauszahlungen und Nichtabfuhr von Lohnabgaben verantwortlich gemacht wurde bzw. keine finanzstrafrechtliche Bestrafung erfolgte, hinzuweisen.

Für aushaftende Abfuhrabgaben wie die Lohnsteuer gelten Ausnahmen vom Gleichheitsgrundsatz (), da nach § 78 Abs. 3 EStG der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten hat. Wird Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen. Nach der durch das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 91/13/0037,0038, ausdrücklich aufrechterhaltenen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fällt es nämlich einem Vertreter im Sinne des § 80 BAO als Verschulden zur Last, wenn er Löhne auszahlt, aber die darauf entfallende Lohnsteuer nicht an das Finanzamt entrichtet ().

Die Beurteilung der Verletzung abgabenrechtlicher Verpflichtungen im oben angeführten Sinn ist von der finanzstrafrechtlichen Würdigung gänzlich zu unterscheiden, zumal im Haftungsverfahren eine bestimmte Schuldform nicht gefordert ist. Demnach genügt bereits leichte Fahrlässigkeit (; 91/13/0038; , 95/15/0137). Abgesehen davon wurde im - von der Bf. angeführten - Erkenntnis des BFG RV/2300028/2013 zu den eingewandten psychischen Schwierigkeiten des Bf. angemerkt, dass der Unwert seiner Unterlassungen zwar objektiv abgemildert sei, er aber in seiner grundsätzlichen Entscheidungsfähigkeit als Geschäftsführer insoweit nicht wesentlich beeinträchtigt war, weil er immerhin drei Jahre hindurch als Entscheidungsträger gearbeitet und unternehmerische Dispositionen getroffen habe. Auf Grund der Tatsache, dass die GmbH auf Grund ihrer Tätigkeit Umsatzgeschäfte abschloss und die streitgegenständlichen Abgaben anfielen, kann auch nicht von einer völligen Geschäftsunfähigkeit (Diskretions- und Postulationsunfähigkeit) des Bf. ausgegangen werden.

Das bf. Vorbringen erschöpft sich lediglich in der Behauptung einer massiven Arbeitsüberlastung und Vorliegen eines Burn-Out-Syndroms beim Sohn der Bf. im Jahr 2011. Dieser sei 2011 in ärztlicher Behandlung gestanden, die jedoch abgebrochen wurde und erst nach einem Nervenzusammenbruch im Jahr 2013 wieder fortgesetzt worden. Aus diesen allgemeingehaltenen Schilderung können für den Streitzeitraum bis (knapp: 1,5 Jahre) keine ausreichenden Entschuldigungsgründe abgeleitet werden, zumal die Bf. selbst in ihrem Beschwerdevorbringen erwähnt ab zur (Mit-)Geschäftsführerin bestellt worden zu sein, ab diesem Zeitpunkt übte sie diese Funktion gemeinsam mit ihrem Ehemann und dem gemeinsamen Sohn aus. Eingedenk des angegriffenen Gesundheitszustandes des Sohnes hätte er dieses Amt als Geschäftsführer wohl gar nicht annehmen dürfen. Abgesehen davon wäre es an der Bf. als Geschäftsführerin gelegen zu überprüfen, ob der Sohn seine Position als Geschäftsführer aus gesundheitlichen Gründen überhaupt hinreichend ausfüllen konnte. Eine Zurücklegung der Befugnisse als Geschäftsführer ist nicht bekannt.

Die Umsatzsteuerbeträge 4-12/2011 waren zu vermindern, weil sie nur mehr mit 13.555,32 € unberichtigt aushaften. Was die im Bescheid angeführten Lohnabgaben L, DB, DZ 1-6/2013, fällig per , anlangt, ist auszuführen, dass diese entsprechend dem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom , Seite 2 lediglich für den Lohnzahlungszeitraum 1/2013 angefallen sind und daher richtigerweise vom Finanzamt, wenn auch unter unrichtiger Bezeichnung des Abgabenzeitraumes, geltend gemacht wurden.

Verjährungseinrede

Das Recht eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, verjährt binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe (§ 238 Abs. 1 BAO).

Die Verjährung fälliger Abgaben wird durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen.

Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen (§ 238 Abs. 2 BAO). Amtshandlungen nach § 238 Abs. 2 BAO unterbrechen die Verjährung des in § 238 Abs. 1 BAO genannten Rechtes gegenüber jedem, der als Zahlungspflichtiger in Betracht kommt, ohne dass es rechtlich von Bedeutung wäre, gegen wen sich die Amtshandlungen gerichtet hatten (). Unterbrechungshandlungen im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO wirken anspruchsbezogen und somit nicht nur gegenüber dem Primärschuldner, sondern auch gegenüber einem allfällig Haftungspflichtigen (). Eine Lex specialis gegenüber § 238 BAO stellt der § 9 Abs. 1 IO dar (zu § 9 Abs. 1 KO sowie § 9 Abs. 1 AO, ): Nach der gegenüber § 238 BAO spezielleren Bestimmung des § 9 Abs. 1 lO wird durch die Anmeldung im lnsolvenzverfahren die Verjährung der angemeldeten Forderung unterbrochen. Die Verjährung der Forderung gegen den Schuldner beginnt von neuem mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Konkursverfahrens rechtskräftig geworden ist (zu § 9 Abs. 1 AO vgl. ), zu laufen.

Im gegenständlichen Fall war die Konkurseröffnung im Juni 2013, wo die Gläubiger aufgerufen wurden, ihre Forderungen bei Gericht anzumelden. Die Aufhebung des Konkurses war im August 2017. So wäre der theoretisch längste Zeitraum vorgeschriebene Abgaben einzubringen bis . Tatsächlich wurde von der belangten Behörde mit Schreiben vom - also noch während des laufenden Insolvenzverfahrens - der Abgabenzahlungsanspruch bei der haftungspflichtigen Bf. ventiliert und mit der Erlassung des angefochtenen Bescheides am geltend gemacht. Das Vorliegen einer Einhebungsverjährung konnte daher nicht festgestellt werden.

Ermessen

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Von einer ermessenswidrigen Inanspruchnahme wird vor allem dann gesprochen, wenn die Abgabenschuld vom Hauptschuldner ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeiten rasch eingebracht werden kann. Die Geltendmachung der Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel dann ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, überwiegt bei der der Bf. vorzuwerfenden Pflichtverletzung allfällige Billigkeitsgründe, die für eine Abstandnahme von der Heranziehung zur Haftung sprechen würden. Im Übrigen ist eine Einbringlichmachung bei der Primärschuldnerin unzweifelhaft nicht gegeben, weshalb nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden von der Abgabenbehörde bei ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigt werden kann ().

Zur Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da keiner der vom Gesetz geforderten Gründe gegeben ist, es liegt vielmehr gesicherte Rechtsprechung vor, war die Revision nicht zuzulassen.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.2100422.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at