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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.05.2020, RV/2101710/2016

Doppelte Haushaltsführung bei einem Alleinstehenden

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf., Adr.1, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Bruck Leoben Mürzzuschlag vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2010, StNr. xxx, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Einkommensteuer wird in Höhe einer Gutschrift von 473 Euro festgesetzt.

Die Bemessungsgrundlagen sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer, im Folgenden kurz Bf. genannt, beantragte am elektronisch die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2010 und machte ua. Werbungskosten, wie das "große" Pendlerpauschale in Höhe von 342 Euro, Aufwendungen für Familienheimfahrten in Höhe von 1.200 Euro und Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in Höhe von 2.328 Euro geltend. Als Bezeichnung der beruflichen Tätigkeit gab der Bf. "Universitätsassistent" an, als Wohnadresse führte er Adr.2 an.

Ein beim Finanzamt X bestehender Akt wurde an das Finanzamt Bruck Leoben Mürzzuschlag mit der Begründung abgetreten, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen in L (Aufenthalt während der Arbeitswoche) sei.

Mit Ergänzungsersuchen des Finanzamtes Bruck Leoben Mürzzuschlag vom wurde der Bf. vom Finanzamt Leoben aufgefordert, die Familienheimfahrten und Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung zu begründen und mittels Belege (zB Dienstverträge) nachzuweisen sowie das beantragte Pendlerpauschale zu begründen.

Dieses Schreiben wurde vom Bf. am fristgerecht mit folgender Begründung beantwortet: "Familienheimfahrten: 12 x 2 x 50,00 = 1.200 €; Heimfahrten, ums Haus kümmern, bei der Mutter nachschauen, mein Hauptwohnsitz ist in Adr.1. Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung: 12 x 194,- = 2.328 € Miete in Adr.2 Pendlerpauschale: Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsstätte ist laut Google-Maps 2,6 km; ein öffentliches Verkehrsmittel ist nicht verfügbar". Als diesbzgl. Nachweise wurden vorgelegt:

  • Kontoauszug vom , nach dem am ein Betrag von 186 Euro als Miete für Zi. Nr. 16/9/4 mittels Dauerauftrag vom Konto des Bf. an die Bau-Wohnungsgen. der Hochschüler abgebucht wurde.

  • Studienblätter für das Sommer- und Wintersemester 2010/2011, wonach der Bf. seit dem für das Dr.-Studium der Wissenschaften an der MontanuniversitätLeoben eingeschrieben war.

Mit Bescheid vom berücksichtigte das Finanzamt das große Pendlerpauschale, nicht aber die Aufwendungen für Familienheimfahrten sowie für doppelte Haushaltsführung. Die Abweisung erfolgte mit der Begründung, dass die Aufwendungen als privat veranlasst gelten und eine Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes nicht vorliege.

Gegen diese Entscheidung wurde fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. In dieser beantragte der Bf. die Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten. Zur Begründung führte der Bf. aus, dass sein Hauptwohnsitz in Adr.1 sei, welcher zugleich auch als Mittelpunkt seiner Lebensinteressen bezeichnet werden müsse. Sein Vater sei am verstorben und habe er das Haus übernommen. Seither sei er Eigentümer und habe seine Mutter ein eingetragenes Wohnrecht. Eine Verlegung des Familienwohnsitzes sei nicht möglich, aufgrund des Wohnrechtes und des Veräußerungsverbotes zugunsten der Mutter. Er müsse sich um das Haus kümmern und sei in L "nur" als Projektmitarbeiter angestellt, habe keinen 40-Stunden-Job und verbringe mehr Zeit in Adr.1. Als Projektmitarbeiter sei er jederzeit kündbar und überdies lebe er in L in einem Studentenheim.

Das Finanzamt erließ am ein weiteres Ergänzungsersuchen und verlangte zum einen die Vorlage des Dienst- und Mietvertrages des Bf., zum anderen die Beantwortung der Fragen, ob der Bf. in einem gemeinsamen Haushalt mit einer (Ehe)partnerin wohnen würde und ob er pflegebedürftige Angehörige versorgen müsse. Im Falle des Vorliegens dieser Umstände, wurde um Vorlage entsprechender Nachweise gebeten.

Mit Schreiben vom legte der Bf. seinen Arbeitsvertrag vom vor. Hinsichtlich des Mietvertrages führte er aus, dass das Original "verschlampt" wurde und er an dessen Stelle, ein Datenblatt des Wohnheimes beigelegt habe. Überdies verneinte er beide im Ergänzungsersuchen vom gestellte Fragen. Er habe zum gegenständlichen Zeitpunkt weder eine Ehepartnerin, noch pflegebedürftigen Angehörige zu versorgen.

Am erging eine abweisende Beschwerdevorentscheidung. Die Beibehaltung des Familienwohnsitzes sei privat veranlasst und sei eine Verlegung des Familienwohnsitzes zumutbar. Die Übernahme des Eigenheimes, das Wohnrecht der Mutter und ein Veräußerungsverbot würden keine berufliche Veranlassung zur Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes begründen.

Gegen diese Erledigung wurde rechtzeitig ein Vorlageantrag eingebracht. Der Bf. erklärte darin, dass in seinem Fall sehr wohl von einer Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort auszugehen sei. Er führte aus, dass für seine 68-jährige Mutter eine Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort nicht zumutbar sei, da sie in Adr.1 verwurzelt sei und all ihre Freunde und Verwandten dort leben würden. Wenn einem Familienmitglied die Verlegung des Familienwohnsitzes nicht zumutbar sei, dann sei der ganzen Familie die Verlegung nicht zumutbar. Sein Lebensmittelpunkt befinde sich in Adr.1 und die Arbeitsstelle in L, weshalb ein tägliches Pendeln nicht möglich sei und er eine kleine Genossenschaftswohnung in L hätte. Adr.1 sei sein Hauptwohnsitz und sei er hier mehr als in L. In Salzburg gebe es kein Elektrotechnik-Institut an Universitäten, die nächsten seien in Leoben, Graz, Wien und München.

Im Vorlagebericht des Finanzamtes wurde nach Aufzählung von in der Literatur genannten Gründen, die eine Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort unzumutbar machen würden, ua. ausgeführt, dass keine derartigen Gründe vorliegen, die eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung begründen würden bzw. die eine Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort nicht zumutbar erscheinen lassen.

Das Bundesfinanzgericht richtete am an den Bf. folgenden Ergänzungsvorhalt:

"Nach dem Akteninhalt ist festzustellen, dass die Liegenschaft EZ 123 im Ausmaß von 884 m² mit dem darauf befindlichen Haus Adr.1 seit dem Tod Ihres Vaters im Jahre 2008 zwar in Ihrem Eigentum steht, Ihrer Mutter allerdings das Wohnungsrecht zusteht.

Zur weiteren Feststellung des Sachverhaltes werden Sie daher gebeten, die Wohnverhältnisse in Ihrem Haus darzustellen und geeignete Unterlagen vorzulegen (Urkunde über die Einräumung des Wohnungsrechtes, Pläne und Ausmaß der von Ihnen benutzten Räumlichkeiten). Bestehen getrennte Wohneinheiten oder erfolgt eine Mitbenutzung? Wer trägt die Betriebskosten?

Weiters werden Sie ersucht, eine Kopie des Arbeitsvertrages vorzulegen, der für das Jahr 2010 Gültigkeit hatte.

Sie waren (oder sind noch) in L in einem Studentenheim untergebracht. Im Vorlageantrag vom sprechen Sie von einer Genossenschaftswohnung. Beschreiben Sie bitte diese Unterbringung (zB ungefähre Größe, Bad, Klo, Küche).

Sie haben auch das große Pendlerpauschale geltend gemacht. Nach einer Abfrage bei google.maps beträgt die Entfernung zwischen dem Studentenheim und der Uni allerdings nur 1 km und ist die Universität zu Fuß in 13 Minuten zu erreichen, weshalb das Bundesfinanzgericht davon ausgeht, dass kein Pendlerpauschale zusteht und dies zu korrigieren wäre."

Der Bf. antwortete mit E-Mail vom folgendermaßen:

"Mein Vater ist 2008 überraschend an einem akuten Herzinfarkt gestorben. Ich habe das Haus übernehmen müssen, zu diesem Zeitpunkt war ich aber schon in L beschäftigt, und die folgenden Jahre waren wirtschaftlich schwere Zeiten.

Im Anhang ist eine Kopie der Verlassenschaftssache, Seite 7.

Im Jahr 2010 war ich in einem befristeten Arbeitsverhältnis als Assistent an der Uni L. Der Arbeitsvertrag ist - soweit ich weiß - in einem Ordner am Institut, da komme ich momentan wegen Corona nicht ran. Die Dienstzeiten waren Mo-Do: 07:30-12:00, 13:00-17:30, Fr: 07:30-11:30.

In L wohne ich in Studentenheim, Adr.2. Das Zimmer hat eine Größe von ca. 14 m², Bad und Klo teile ich mit 2 weiteren Personen, Küche mit 5 weiteren Personen. Die Studentenwohnheime sind wegen einem großen Überangebot nicht mehr voll ausgelastet, deshalb kann man auch als Dissertant und Postdoc dort wohnen.

Pendlerpauschale

Der Wohnort Adr.2 ist 2.5 km von der Uni entfernt, ein öffentliches Verkehrsmittel ist zu diesen Dienstzeiten nicht verfügbar, darum habe ich die große Pendlerpauschale geltend gemacht.

Damit ich Adr.1 und L unter einen Hut bekomme, arbeite ich statt 40 h mittlerweile nur noch 35 h pro Woche."

Dem Finanzamt wurden die Ermittlungsergebnisse zur Kenntnis gebracht. Eine weitere Stellungnahme erfolgte nicht.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1.) Sachverhalt

Der Bf. hat Elektrotechnik studiert und erhält seit von der Uni L nichtselbständige Einkünfte. Mit hat er in Adr.2, in einem Studentenheim einen weiteren Wohnsitz (Nebenwohnsitz) begründet. Sein Hauptwohnsitz befand und befindet sich in Adr.1, das ca. 236 km von seinem Arbeitsort entfernt liegt. Im Jahr 2008 ist der Vater des Bf. verstorben und seither ist der Bf. Eigentümer des Hauses in Adr.1, in dem seine Mutter wohnt, für die ein Wohnungsgebrauchsrecht für die im Erdgeschoss liegenden Räume eingeräumt ist. Zur Sicherung ihres Anspruches besteht zu ihren Gunsten ein grundbücherlich eingetragenes Belastungs- und Veräußerungsverbot. Zu den Betriebskosten hat sie anteilig beizutragen.

2008 wurden erstmalig Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung beim Finanzamt X beantragt und gewährt. Ebenso für das Jahr 2009. Am wurde der Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2010 elektronisch beim Finanzamt X eingebracht. Der Akt wurde am an das Finanzamt Leoben abgetreten, weil der Mittelpunkt der Lebensinteressen aufgrund des Aufenthaltes während der Arbeitswoche in L sei.

Im strittigen Veranlagungsjahr 2010 machte der Bf. die Mietkosten für ein Zimmer in einem Studentenheim in Höhe von insgesamt 2.328 Euro (12x194) und Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von 1.200 Euro (12x2x50) als Werbungskosten geltend. Im Studentenheim bewohnte er ein Zimmer von ca. 14 m², teilte sich Bad und WC mit 2 weiteren Personen und Küche mit 5 weiteren Personen. Das Universitätsgelände ist ca. 1 km vom Studentenheim entfernt und zu Fuß via Brücke über die Fluss in ca. 13 Minuten zu erreichen. Mit einem Auto ist die Uni über die Straße in ca. 6 Minuten zu erreichen, wobei ein Fahrtweg von 2,5 km zurückgelegt werden muss.

Der Bf. begann an der Uni L mit ein Doktoratsstudium und war dort im Veranlagungsjahr 2010 als Universitätsassistent in einem befristeten Arbeitsverhältnis von Montag bis Freitag mit 40 Wochenstunden beschäftigt. Lt. einem vorgelegten Arbeitsvertrag ist er seit dem unbefristet als Projektmitarbeiter mit einem Zeitausmaß von 35 Wochenstunden an dieser Universität angestellt. Er ist noch heute dort beschäftigt.

Der ledige und kinderlose Bf. gab an, dass er den Familienwohnsitz nicht verlegen könne, weil seine Mutter ein Wohnrecht in seinem Haus habe und ein Veräußerungsverbot bestehe. Er müsse sich um sein Haus kümmern und sei nur als Projektmitarbeiter angestellt, der keinen 40-Stunden-Job habe, und jederzeit kündbar sei, weshalb er mehr Zeit in Salzburg als in L verbringe. Auf Nachfrage gab er an, keine pflegebedürftigen Angehörigen versorgen zu müssen. Im Vorlageantrag führte er aus, dass seiner Mutter eine Verlegung des Familienwohnsitzes nicht zumutbar sei, weil sie am Wohnort verwurzelt sei und es in Salzburg kein Elektrotechnik-Institut an der Universität gebe. Die nächsten seien in Leoben, Graz, Wien und München. Im Veranlagungsjahr ist die Mutter 62 Jahre alt.

2.) Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich einerseits aus den Angaben des Bf., die durch die vorgelegten Unterlagen (wie dem Arbeitsvertrag, dem Studienblatt, dem Grundbuchsauszug, dem Mieter/Datenerhebungsblatt des Studentenwohnheimes, Auszug aus der Verlassenschaftsabhandlung) bestätigt wurden, und andererseits aus Abfragen der Lohnzettel- und der Meldedaten und Abfragen bei google.maps durch die Richterin.

3.) Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

§ 20 Abs. 1 EStG 1988 lautet auszugsweise: "Bei den einzelnen Einkünften dürfen nicht abgezogen werden:
1. Die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge.
2. a) Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie
zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
…"

Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen durch die beruflich veranlasste Begründung eines eigenen Haushalts an einem außerhalb des Familienwohnsitzes gelegenen Beschäftigungsort erwachsen, sind als Werbungskosten absetzbar. Die Begründung eines eigenen Haushalts am Beschäftigungsort ist beruflich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen

• von seinem Beschäftigungsort so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und entweder

• die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes nicht privat veranlasst ist, weil der Ehepartner dort mit relevanten Einkünften erwerbstätig ist, oder

• die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort aus verschiedensten privaten Gründen, denen erhebliches Gewicht zukommt, nicht zugemutet werden kann.

Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr wird nach der nunmehrigen Verwaltungspraxis (LStR 2002 Rz 342) jedenfalls dann angenommen, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 80 km entfernt ist und die Fahrzeit mehr als 1 Stunde beträgt (). Im Streitfall ist der "Familienwohnsitz" des Bf. ca. 236 km von seinem Beschäftigungsort entfernt, sodass ihm eine tägliche Rückkehr unbestritten nicht zugemutet werden kann.

Als Familienwohnsitz gilt jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehegatten oder ein lediger Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner (auch ohne Kind iSd § 106 Abs 1) oder ein allein stehender Steuerpflichtiger mit einem minderjährigen Kind iSd § 106 Abs 1 einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet.

Auch ein alleinstehender Steuerpflichtiger ohne Kind iSd § 106 Abs 1 kann einen "Familienwohnsitz" haben. Dies ist jener Ort, an dem er seine engsten persönlichen Beziehungen (zB Eltern, Freunde) hat. Der VwGH hält im Zusammenhang mit Alleinstehenden jedoch weder den Begriff "Familienwohnsitz" noch den der "Familienheimfahrt" für zutreffend. Im Erkenntnis vom , 2006/15/0065 verwendet er stattdessen die Bezeichnung "ständiger Wohnsitz" bzw. "Heimatwohnsitz", in anderen Entscheidungen kommt sein Vorbehalt durch eine spezielle Begriffsdarstellung ("(Familien)Wohnsitz") zum Ausdruck (z.B. ).

Die anerkennenswerten Gründe für die Beibehaltung des (Familien-)Wohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes sind allerdings gegenüber Steuerpflichtigen mit (Ehe)Partnern und/oder Kindern eingeschränkt (vgl. ). So ist in diesem Erkenntnis festgehalten, dass bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer mit eigenem Hausstand daher "für eine gewisse Übergangszeit" Aufwendungen für ein möbliertes Zimmer am Beschäftigungsort als Werbungskosten anerkannt werden können. Für diese Übergangszeit können bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer mit einer Wohnung im Heimatort auch Aufwendungen für Heimfahrten Berücksichtigung finden, weil diesem Arbeitnehmer zuzubilligen ist, in gewissen Zeitabständen, etwa monatlich in seiner Wohnung nach dem Rechten zu sehen (vgl. ).

Unterschieden wird zwischen einer vorübergehenden und einer auf Dauer angelegten doppelten Haushaltsführung. Der wesentliche Unterschied zwischen einer vorübergehenden und einer auf Dauer angelegten doppelten Haushaltsführung liegt darin, dass von einer vorübergehenden doppelten Haushaltsführung dann gesprochen wird, wenn die nachgewiesene Absicht besteht, nach einem absehbaren Zeitraum der auswärtigen Berufsausübung wieder an den Ort des Familienwohnsitzes zurückzukehren, während eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung zur steuerlichen Berücksichtigung erfordert, dass die Verlegung des Familienwohnsitzes hin zum Arbeitsort unzumutbar ist.

Für beide Arten der doppelten Haushaltsführung gilt allgemein, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung dennoch als Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in üblicher Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann.

Es ist Sache des Steuerpflichtigen der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht. Die Abgabenbehörde ist in einem solchen Fall nicht verhalten, nach dem Vorliegen auch noch anderer als der vom Steuerpflichtigen angegebenen Gründe für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen ().

Eine berufliche und damit zu Werbungskosten der betroffenen Aufwendungen führende Veranlassung einer doppelten Haushaltsführung liegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn einem Arbeitnehmer die Verlegung des (Familien-)Wohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei eine solche Unzumutbarkeit die unterschiedlichsten Ursachen haben kann (vgl. ). Sie kann auch in der privaten Lebensführung begründet sein. Die Unzumutbarkeit ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (vgl. , mwN). Die Unzumutbarkeit, den Familienwohnsitz aufzugeben, muss sich aus Umständen von erheblichem objektivem Gewicht ergeben (vgl. ). Eine langjährige Beibehaltung eines Wohnsitzes in unüblicher Entfernung vom Arbeitsplatz begründet jedenfalls die Vermutung, dass der Wohnsitz aus privaten Gründen beibehalten werde.

Demnach ist zu prüfen, ob die vom Bf. ins Treffen geführten Gründe derartige wichtige Umstände darstellen, die die Beibehaltung des (Familien)wohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes rechtfertigten.

Der Bf. macht geltend, dass seiner Mutter eine Verlegung des (Familien)wohnsitzes nicht zumutbar ist, weil sie seit jeher ihren Lebensmittelpunkt am derzeitigen (Familien-) Wohnsitz in Salzburg begründe, und ihr ein Wohnrecht im Haus des Bf. zustehe. Bei einem Alleinstehenden - als solcher ist der Bf. anzusehen - kommt es nur darauf an, ob es ihm unzumutbar ist, seinen Wohnsitz an den Beschäftigungsort zu verlegen. Für eine Pflegebedürftigkeit seiner 62-jährigen Mutter, aus der sich ein gewichtiger Grund gegen eine Verlegung seines Wohnsitzes ergeben könnte, gibt es im Akt keinen Hinweis und wurde ein solcher Umstand auch nicht behauptet (vgl. ; ). Der Bf. gab selbst am über Nachfrage durch das Finanzamt an, dass er keine pflegebedürftigen Angehörigen zu versorgen habe.

Auch der Besitz des Eigenheimes am Heimatwohnsitz stellt keinen Grund für die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung an den Arbeitsort dar (; , mit Hinweis auf ). Der Verwaltungsgerichtshof hat damit den Umstand, dass es sich beim Familienwohnsitz um ein Eigenheim handelt, als einen Moment bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes gesehen (vgl. ; ). Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (). Über die Wohnverhältnisse in seinem Haus in Salzburg hat der Bf. keine Auskünfte erteilt. Fest steht lediglich, dass der Mutter im Zuge der Verlassenschaft eine Wohnungsgebrauchsrecht für die im Erdgeschoss liegenden Räume eingeräumt wurde. Dass das Wohnhaus dadurch auch mit einem Belastungs- und Veräußerungsverbot belegt ist, führt zwar dazu, dass dem Bf. derzeit keine Verwertungsmöglichkeit eingeräumt ist, macht eine Wohnsitzverlegung aber noch nicht unzumutbar.

Wenn der Bf. im März 2009 ein Doktoratsstudium begonnen hat und zunächst zwar mit einem befristeten Arbeitsvertrag als Universitätsassistent beschäftigt war, so fehlen konkrete Ansatzpunkte, dass es sich dabei nur um eine zeitlich begrenzte Tätigkeit handeln sollte und der Bf. nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses damit rechnen konnte, im Umfeld seines Heimatortes eine Beschäftigung aufzunehmen. Der Sachverhalt zeigt ein anderes Bild: Der Bf. hat 2011 einen unbefristeten Arbeitsvertrag als Projektmitarbeiter erhalten und ist auch noch heute an der Universität L beschäftigt. Zudem gibt er an, dass es in Salzburg kein Elektrotechnik-Institut an der Universität gibt. Aus diesen Umständen ergibt sich, dass der Bf. nicht nur eine kurzfristige oder vorübergehende Beschäftigung an der Uni L ins Auge gefasst hat.

Die vorgebrachten Gründe (Unzumutbarkeit der Mitübersiedelung der Mutter, Übernahme des Eigenheimes, Wohnrecht der Mutter, Veräußerungsverbot), die der alleinstehende Bf. gegen seine Wohnsitzverlegung ins Treffen führt, sind ausschließlich im Bereich der persönlichen Beziehungen und Vorlieben gelegen und sind objektiv gesehen keine Umstände, die eine langfristige Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung an den Beschäftigungsort rechtfertigen. Bei einer Zusammenschau aller Umstände kommt das Bundesfinanzgericht zum Schluss, dass die geltend gemachten Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung bzw. für Familienheimfahrten unter das Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 EStG 1988 (= Zuordnung zur privaten Lebenssphäre) fallen. Dem Beschwerdebegehren ist somit ein Erfolg zu versagen.

Hinsichtlich des Pendlerpauschales ist Folgendes auszuführen:

Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind nach § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 als Werbungskosten zu berücksichtigen. Diese Ausgaben sind bei einer einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bis 20 km grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag abgegolten (§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. a EStG 1988).

Beträgt die einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurücklegt, mehr als 20 km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, dann werden zusätzlich als Pauschbeträge berücksichtigt: Bei einer Fahrtstrecke von
20 km bis 40 km 630 Euro
40 km bis 60 km 1.242 Euro
über 60 km 1.857 Euro
(§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. b EStG 1988).

Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden anstelle der Pauschbeträge nach lit. b bei einer einfachen Fahrtstrecke von 2 km bis 20 km ein Pauschbetrag von 342 Euro jährlich berücksichtigt (§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988).

Für die Inanspruchnahme der Pauschbeträge hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auf einem amtlichen Vordruck eine Erklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen der lit. b und c abzugeben.

Die genannten Bestimmungen setzen alle voraus, dass Aufwendungen entstanden sind, weil der Abgabepflichtige Fahrten zwischen seinem Wohn- und Arbeitsort unternommen hat. Davon ist gegenständlich nicht auszugehen. Die Begründung des Bf. für die Inanspruchnahme des Pendlerpauschales stützt sich nur darauf, dass die Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsstätte nach google.maps 2,6 km beträgt und ein öffentliches Verkehrsmittel nicht verfügbar ist. Tatsächlich ist die Universität von der Unterbringung in L zu Fuß in 13 Minuten bei einer Distanz von 1 km zu erreichen. Der schnellste Weg mit einem Auto würde zwar 2,5 km betragen, allerdings gibt es nach der Aktenlage keinen Hinweis darauf, dass ein PKW verwendet wurde (auch für die Familienheimfahrten wurde kein Kilometergeld in Ansatz gebracht) und Fahrtkosten entstanden sind.

Das Pendlerpauschale in Höhe von 342 Euro steht daher nicht zu.

Das Bundesfinanzgericht ist nach § 279 Abs. 1 BAO berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Berechnung der Einkommensteuer:


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Einkommen berichtigt
29.092,28 Euro
(29.092,28 - 25.000)*15.125/35.000+5.110
6.878,45 Euro
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
6.878,45 Euro
Verkehrsabsetzbetrag
- 291,00 Euro
Arbeitnehmerabsetzbetrag
- 54,00 Euro
Steuer
6.533,45 Euro
Steuer sonstige Bezüge
251,02 Euro
Einkommensteuer
6.784,47 Euro
Anrechenbare Lohnsteuer
- 7.257,71 Euro
Festgesetzte Einkommensteuer
- 473,24 Euro
Rundung gem. § 39 Abs. 3 EStG
+ 0,24 Euro
Abgabengutschrift
473,00 Euro

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Aufwendungen einer doppelten Haushaltsführung sind höchstgerichtlich geklärt, weshalb eine Revision nicht zugelassen wurde.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Graz, am

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