Rückforderung der Familienbeihilfe von der nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Mutter bei Weiterleitung an den Vater
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Monika Kofler in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Rückforderung der für die Kinder NN-KV Kind2, NN-KV Kind3, NN-KV Kind4, NN-KV Kind1 und NN-KV Kind5 für den Zeitraum von Juli 2019 bis August 2019 ausbezahlten Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
***Bf1***, in der Folge kurz mit Bf. bezeichnet, wohnte vom bis mit ihrem Mann NN-KV VN-KV und den Kindern NN-KV Kind2, NN-KV Kind3, NN-KV Kind4, NN-KV Kind1 und NN-KV Kind5 in einem gemeinsamen Haushalt.
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes ORT wurde die zwischen VN-KV NN-KV und ***Bf1*** am x.2007 geschlossene Ehe mit der Wirkung geschieden, dass sie mit Rechtskraft dieses Beschlusses aufgelöst war. Der Beschluss ist seit rechtskräftig.
Mit einem am selben Tag in Rechtskraft erwachsenen Vergleich wurde ausgesprochen, dass den Eltern die Obsorge für die Kinder gemeinsam zusteht und dass sich der Wohnort der Kinder bei der Mutter befindet.
Nach dem bestand laut Zentralem Melderegister kein gemeinsamer Haushalt der Eltern mehr, die Kinder blieben zunächst im Haushalt der Mutter.
Die Mutter der Kinder wohnte laut Zentralem Melderegister nur bis mit den Kindern in einem gemeinsamen Haushalt. Sie war ab an einer anderen Adresse mit Hauptwohnsitz gemeldet.
Mit Vereinbarung laut Protokoll des Bezirksgerichtes ORT vom , welche am selben Tag rechtskräftig und vollstreckbar war, befand sich der Wohnort der Kinder in der Folge beim Vater.
Am beantragte der Kindesvater die Gewährung der Familienbeihilfe für seine Kinder ab .
Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt die für NN-KV Kind2, NN-KV Kind3, NN-KV Kind4, NN-KV Kind1 und NN-KV Kind5 für den Zeitraum Juli 2019 bis August 2019 ausbezahlte Familienbeihilfe in Höhe von 1.929,20 Euro und den Kinderabsetzbetrag von 584,00 Euro, insgesamt 2.513,20 Euro, von der Bf. zurück.
Am meldete die Bf. den Wegfall des Anspruches auf Gewährung der Familienbeihilfe mit .
Die Bf. erhob gegen den Rückforderungsbescheid Beschwerde und wendete ein, sie habe den geforderten Betrag an den bezugsberechtigten Kindesvater in zwei Teilbeträgen von 1.100,00 Euro am und 1.200,00 Euro am überwiesen. Die restlichen 213,20 Euro werde sie auch an ihn überweisen.
Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung und verwies auf den mangelnden gemeinsamen Haushalt der Bf. mit den Kindern. Private Abmachungen und Überweisungen an den Exmann begründeten keinen Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967.
Die Bf. stellte einen Vorlageantrag und erklärte, sie habe 2.300 Euro an den Kindesvater überwiesen. Die restlichen 212,00 Euro würde sie ihrem Ex-Mann noch überweisen, sobald der Beschwerde stattgegeben werde. Sie habe im Juli die Wohnungsmiete der Wohnung ihres Ex-Mannes und der Kinder sowie die Energiekosten für Juli und August 2019 bezahlt. Auch dies lasse sich aus den Kontoauszügen ablesen. Sie habe das Geld ihren Kindern zukommen lassen und nicht für unrechtmäßige Zwecke verwendet. Der Ex-Mann weigere sich, ihr die Familienbeihilfe zurück zu zahlen.
Die Bf. legte 5 von 7 Kontoauszugsblättern Ihres Bankkontos vor, aus dem die Zahlungsbewegungen vom bis ersichtlich waren.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt und Streitpunkte:
Die Bf. lebt auch nach eigenen Angaben seit nicht mehr mit ihren Kindern in einem gemeinsamen Haushalt. Ab war der Kindesvater an einer gemeinsamen Adresse mit den Kindern gemeldet und lebte mit diesen unstrittig in einem gemeinsamen Haushalt. Die Verständigung des Finanzamtes durch die Bf. erfolgte erst am , als die Familienbeihilfe bereits überwiesen worden war.
Die Bf. hat unstrittig und auch durch ihre Kontoauszüge belegt, in der angegebenen Höhe für die Kinder für Juli und August 2019 die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag bezogen, diese jedoch nach eigenen Angaben an den Kindesvater weiter geleitet und ist daher der Meinung, dass sie die Beihilfe nicht für unrechtmäßige Zwecke verwendet habe. Der Kindesvater sei nicht bereit, den erhaltenen Betrag zurück zu zahlen.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung der Beschwerde)
Gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
§ 26 Abs. 1 FLAG normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Diese Verpflichtung zur Rückerstattung ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Geschäftszahl 2008/15/0329).
Zu prüfen ist daher, ob die Bf. die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, nicht jedoch, wofür sie diese verwendet hat.
Gemäß § 3 Abs. 1 FLAG haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, oder nach § 54 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGB. I Nr. 87/2012, rechtmäßig in Österreich aufhalten.
Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG hat die Person Anspruch auf Familienbeihilfe, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Gemäß § 2 Abs. 5 FLAG gehört ein Kind dann zum Haushalt einer Person , wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn
a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,
b) das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt,
c) sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4).
Ein Kind gilt bei beiden Elternteilen als haushaltszugehörig, wenn diese einen gemeinsamen Haushalt führen, dem das Kind angehört.
Die Bf. war laut Zentralem Melderegister bereits seit Ende Juni 2019 nicht mehr an derselben Adresse mit Hauptwohnsitz gemeldet wie ihre Kinder und hat die gemeinsame Wohnung selbst nach eigenen Angaben mit verlassen. Ab war der Kindesvater mit den Kindern an derselben Adresse gemeldet. Mit wurde dies vom Bezirksgericht ORT bestätigt, auch wenn der Vater in diesem Beschluss ebenso wie ein minderjähriger Sohn mit "Kind1 NN-KV" statt mit VN-KV NN-KV bezeichnet wird.
Die Kinder haben sich daher im Juli 2019 überwiegend im Haushalt des Kindesvaters aufgehalten.
§ 2a FLAG trifft folgende Regelung:
(1) Gehört ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern, so geht der Anspruch des Elternteiles, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteiles vor. Bis zum Nachweis des Gegenteils wird vermutet, daß die Mutter den Haushalt überwiegend führt.
(2) In den Fällen des Abs. 1 kann der Elternteil, der einen vorrangigen Anspruch hat, zugunsten des anderen Elternteiles verzichten. Der Verzicht kann auch rückwirkend abgegeben werden, allerdings nur für Zeiträume, für die die Familienbeihilfe noch nicht bezogen wurde. Der Verzicht kann widerrufen werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem Rechtssatz zu seinem Erkenntnis vom , Geschäftszahl 2007/15/0058, Folgendes festgehalten:
"§ 2a FLAG regelt den "Konkurrenzfall", der vorliegt, wenn das Kind dem gemeinsamen Haushalt beider Elternteile angehört, und stellt dabei auf die überwiegende Haushaltsführung ab. Auf die Rechtsfrage, welcher Beihilfenanspruch vorgeht, wenn das Kind innerhalb eines Monates zeitlich hintereinander unterschiedlichen Haushalten angehört, kann diese Wertungsentscheidung des Gesetzgebers per Analogie zur Anwendung gebracht werden. Der für einen Monat nur einfach gebührende Beihilfenanspruch steht daher, wenn das Kind im Kalendermonat zeitlich hintereinander zu unterschiedlichen Haushalten gehört hat, in Anwendung des Überwiegensprinzips demjenigen zu, der für den längeren Zeitraum den Haushalt geführt hat (oder nach § 2a FLAG als Haushaltsführender vermutet wird)."
Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner in einem Rechtssatz zu seinem Erkenntnis vom , Geschäftszahl 2009/16/0081 Folgendes ausgeführt:
"Der Verzicht einer anspruchsberechtigten Person auf Bezug der Familienbeihilfe zugunsten des anderen Elternteiles setzt nach § 2a FLAG voraus, dass das Kind, für das der Familienbeihilfenanspruch besteht, zum gemeinsamen Haushalt der Eltern gehört (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , 2001/15/0207). Mit dem Auszug eines Elternteiles aus der (bisher) gemeinsamen (Ehe)Wohnung und dem Verbleiben des Kindes in dieser Wohnung fällt für diesen Elternteil die Anspruchsberechtigung weg, weil die Tatbestandsvoraussetzung des § 2 Abs. 2 FLAG nicht mehr gegeben ist. Es liegt damit auch kein Fall des § 2a leg. cit. mehr vor. Unabhängig von einem zuvor allenfalls abgegebenen Verzicht nach § 2a Abs. 2 FLAG kommt der Anspruch auf Familienbeihilfe ab dem dem Auszug folgenden Monat (§ 10 Abs. 2 FLAG) nur mehr dem Elternteil zu, welcher mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt wohnt."
Wenn also ein Verzicht zugunsten des anderen Elternteils auf Gewährung der Familienbeihilfe nur im Fall eines gemeinsamen Haushalts möglich ist, ist die Begründung des Anspruches durch einen nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Elternteil umso weniger möglich, wenn der im gemeinsamen Haushalt lebende Elternteil auf seinen Anspruch nicht verzichtet, sondern diesen wie im gegenständlichen Fall ausdrücklich geltend gemacht hat. Aufgrund des überwiegenden Aufenthaltes der Kinder im gemeinsamen Haushalt mit dem Kindesvater hat dieser im Rückforderungszeitraum Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe.
Da die Bf. die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat - wofür sie diese verwendet hat, ist wie bereits dargelegt unerheblich - konnte der Beschwerde keine Folge gegeben werden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall waren keine ungeklärten Rechtsfragen zu lösen. Das Erkenntnis stützte sich vielmehr auf den Gesetzestext und die angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Eine Revision gegen dieses Erkenntnis ist daher nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 26 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2a FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102441.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at