Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer - Verjährung?
Entscheidungstext
Im Namen der republik
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH, Währinger Straße 2-4, 1090 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Feldkirch Wolfurt vom , Zahl*, betreffend Einfuhrumsatzsteuer, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Bescheid vom , Zl. Zahl*, teilte das Zollamt der ***Bf1*** (Beschwerdeführerin - Bf.) zu 2 im Bescheid angeführten Zollanmeldungen vom und vom die buchmäßige Erfassung von Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von € 11.973,20 und Verzugszinsen von € 1.767,00 mit.
Die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach Art. 6 Abs. 3 iVm. 7 UStG 1984 seien nicht erfüllt. Für die slowakischen Steuerbehörden sei es nicht möglich gewesen, einen Kontakt zum Unternehmen herzustellen; an der angegebenen Adresse sei sie nicht vorhanden. Sie habe zwar Steuererklärungen abgegeben, die zu geringen Steuerverpflichtungen bzw. in 1Q 2010 zu einer Steuergutschrift geführten hätten, aber keine Zusammenfassenden Meldungen abgegeben. Dies lasse für das Zollamt den Schluss zu, dass die Empfängerin betrügerisch sei, so dass im Lichte des die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer zu Unrecht gewährt worden sei.
Da die slowakischen Behörden die UID Nr. 2011 bzw. 2013 begrenzten, haben sie damals Feststellungen getroffen. Die Begrenzung der UID Nr. beweise auch, dass die betrügerischen Praktiken auch 2011 in der einen oder anderen Form angedauert haben, auch wenn die slowakischen Behörden in der Antwort nicht ausdrücklich auf diesen Zeitraum eingegangen seien. Dass das Unternehmen für die Behörden nicht auffindbar gewesen sei, sei ohnedies zeitunabhängig.
Aufgrund der objektiven Umstände, dass die Empfängerin keine Zusammenfassenden Meldungen abgegeben habe und für die slowakischen Behörden nicht auffindbar gewesen sei, sei es erwiesen, dass die Steuerpflichtige bzw. ihre Verantwortlichen wussten, dass sie sich an einer Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt haben, so dass das Recht auf Mehrwertsteuerbefreiung zu versagen war.
In der gegen den Bescheid eingebrachten Beschwerde wurde vorgebracht, die Bf. habe die gegenständlichen Verzollungen im Rahmen einer langjährigen Geschäftsverbindung mit der ***3*** (Schweiz) aufgrund einer entsprechenden Verzollungsvollmacht der [...] sro durchgeführt. Sie habe die UID auf Stufe 2 geprüft und die Meldung erhalten, die UID Nummer sei aufrecht.
Die Verzollungen seien im Anschluss an ein Vorpapier (T1), das von der Schweizer Zollbehörde geprüft und angenommen und bei den österreichischen Behörden ordnungsgemäß gestellt worden sei, erfolgt. Die Bf. habe jeweils vom Empfänger bestätigte CMR-Frachtbriefe erhalten. Somit sei nachgewiesen, dass die im Verfahren 4200 angemeldeten Waren tatsächlich an den Empfänger übergeben wurden.
Allfällige Unregelmäßigkeiten des Empfängers im Zusammenhang mit der Weiterlieferung oder Weiterverkäufen, insbesondere ob hinsichtlich solcher Weiterverkäufe Verschleierungshandlungen gesetzt worden seien, sei für die österreichischen Zollbehörden irrelevant und berechtigten nicht zur nachträglichen Inanspruchnahme des Zollanmelders.
Die slowakischen Behörden hätten bestätigt, dass die ***1*** s.r.o. Steuererklärungen abgegeben und zwar insbesondere in den Quartalen 1 - 3 2010 und innergemeinschaftliche Erwerbe in der Slowakei erklärt habe.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 5. Oktober Zahl*/2017, wies das Zollamt die Beschwerde als unbegründet ab. Im Verfahren EuGH C-131/13, "Italmoda" lag der Sachverhalt zu Grunde, dass der Beklagte in einem Mitgliedsstaat die formalen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung erfüllt hatte, er jedoch wußte oder hätte wissen müssen, dass er sich im Rahmen einer Lieferkette an einer Mehrwertsteuerhinterziehung beteilige, die von einer anderen Person in einem anderen Mitgliedsstaat begangen wurde. Um wieviel mehr muss dann einer anderen Person die Steuerbefreiung versagt werden, wenn sie selbst die Hinterziehung im anderen Mitgliedsstaat begangen hat.
Dagegen richtet sich der mit Schriftsatz vom eingebrachte Vorlageantrag.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Bf., ein Speditionsunternehmen, beantragte im April 2010 unter Verwendung ihrer in Österreich erteilten Sonder-UID als indirekte Vertreterin der Warenempfängerin, der [...] s.r.o. in Bratislava, Slowakei, die Überführung von Parfumwaren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit steuerbefreiender Lieferung (Verfahrenscode 42).
Die Zollanmeldungen wurden wie angemeldet angenommen und die Waren überlassen. Die Einfuhrumsatzsteuer wurde zunächst nicht festgesetzt.
Als Versender/Ausführer (Feld 2) wurde die ***2*** Limassol, erklärt.
Am richtete das Zollamt ein Amtshilfeersuchen an die Steuerbehörden in der Slowakei betreffend der Warenempfängerin [...] s.r.o.
Am teilten diese folgendes mit:
"It was not possible to establish contact with our company, taxpayer does not cooperate with tax administration, not located at seat address, it virtual seta only, unattainable taxpayer.
Taxpayer declared very low liabilities in submitted tax return besides one perid - I. Q 2010 - VAT reclaim. No recapitulative statement submitted….."
Übersetzung BFG: "Es war nicht möglich, Kontakt mit unserem Unternehmen aufzunehmen. Der Steuerzahler kooperiert nicht mit der Verwaltung, befindet sich nicht an der Sitzadresse, sondern nur virtueller Sitz, unerreichbarer Steuerzahler.
Der Steuerzahler hat in den eingereichten Steuererklärungen neben einer Rückerstattung der Mehrwertsteuer nur sehr geringe Verbindlichkeiten angegeben. Keine zusammenfassende Erklärung abgegeben…". Dann folgen Ausführungen zu den einzelnen Quartalen.
Aufgrund eines Nachtragsersuchens teilten die slowakischen Behörden am folgendes mit:
"The realization of the taxable transactions was not possible to verify, because [...] s.r.o. did not communicate with tax administrator. We informed you abaout mentioned facts in our answer. In the response the tax administrator stated data from tax retuns and VIES data of the taxpayer. This means only from available sources to which the tax administrator has acess. The tax administrator states that the taxpayer ***1*** s.r.o., registered office Bratislava, was a virtual residence. ***1*** s.r.o. was cancelled ex offo as of . The company was terminated on . The taxpayer was deregistred for VAT as of . The last tax return was filed by the company for the tax period of September 2011. The tax administrator couldnt confirm that the trades had actually taken place."
Übersetzung BFG: "Die Realisierung der steuerpflichtigen Transaktionen konnte nicht überprüft werden, da [...] s.r.o. nicht mit dem Steuerverwalter kommuniziert hat. Wir haben Sie über die in unserer Antwort genannten Fakten informiert. In der Antwort gab der Steuerverwalter Daten aus den Steuererklärungen und VIES-Daten des Steuerpflichtigen an. Dies bedeutet nur aus verfügbaren Quellen, auf die der Steuerverwalter Zugriff hat. Der Steuerverwalter gibt an, dass der Steuerzahler [...] s.r.o., eingetragener Sitz Bratislava, ein virtueller Sitz war. [...] s.r.o. wurde ex offo zum abgemeldet. Das Unternehmen wurde am gekündigt. Der Steuerzahler wurde zum für die Mehrwertsteuer abgemeldet. Die letzte Steuererklärung wurde von der Gesellschaft für den Steuerzeitraum September 2011 eingereicht. Der Steuerverwalter konnte nicht bestätigen, dass die Geschäfte tatsächlich stattgefunden hatten."
Rechtliche Erwägungen:
Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle durch das Abgabenänderungsgesetz 2010, BGBl. I Nr. 34/2010, lautet:
"(3) Steuerfrei ist die Einfuhr der Gegenstände, die vom Anmelder im Anschluß an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7) verwendet werden; der Anmelder hat das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 7 buchmäßig nachzuweisen. Die Befreiung ist nur anzuwenden, wenn derjenige, für dessen Unternehmen der Gegenstand eingeführt worden ist, die anschließende innergemeinschaftliche Lieferung tätigt."
Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2010, BGBl. I Nr. 34/2010, wurde dem Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 für Einfuhren, welche nach dem erfolgen, folgender Unterabsatz angefügt:
"Weiters ist Voraussetzung für die Anwendung der Steuerbefreiung, dass der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer zum Zeitpunkt der Einfuhr den Zollbehörden die unter lit. a und b genannten Angaben zukommen lässt und den unter lit. c genannten Nachweis erbringt:
a) seine im Inland erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer seines Steuervertreters;
b) die in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers im Falle der innergemeinschaftlichen Lieferung nach Art. 7 Abs. 1 oder seine eigene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer im Falle des der Lieferung gleichgestellten Verbringens nach Art. 7 Abs. 2;
c) den Nachweis, aus dem hervorgeht, dass die eingeführten Gegenstände dazu bestimmt sind, vom Inland in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet zu werden."
Art. 7 UStG 1994 lautet auszugsweise:
"Art. 7. (1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (Art. 6 Abs. 1) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen vorliegen:
1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) ... oder
c) ...
3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.
(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gelten auch
1. das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstandes (Art. 3 Abs. 1 Z 1)
(3). Die Voraussetzungen der Abs. 1 und 2 müssen vom Unternehmer buchmäßig nachgewiesen sein. Der Bundesminister für Finanzen kann durch Verordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat, dass der Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet worden ist.
(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Abs. 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtige Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer. In Abholfällen hat der Unternehmer die Identität des Abholenden festzuhalten.
§ 26 Abs. 1 erster Satz UStG 1994 in der bis zum geltenden Fassung lautet:
"§ 26. (1) Soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, gelten für die Einfuhrumsatzsteuer die Rechtsvorschriften für Zölle sinngemäß; ausgenommen sind die Vorschriften über den aktiven Veredlungsverkehr nach dem Verfahren der Zollrückvergütung und über den passiven Veredlungsverkehr."
Die Steuerfreiheit nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 (BMR) beruht auf der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABlEU Nr. L 347 vom (im Folgenden: MwSt-RL).
Im Titel IX "Steuerbefreiungen" der MwSt-RL lautet unter Kapitel 1 "Allgemeine Bestimmungen" der Art. 131:
"Artikel 131
Die Steuerbefreiungen der Kapitel 2 bis 9 werden unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften und unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen."
Im Kapitel 4 "Steuerbefreiungen bei innergemeinschaftlichen Umsätzen" des Titels IX der MwSt-RL lautet Art. 138 Abs. 1:
"Artikel 138
(1) Die Mitgliedstaaten befreien die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nicht steuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände handelt."
Artikel 143 MwSt-RL lautet auszugsweise:
"Artikel 143
Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
...
d) die Einfuhr von Gegenständen, die von einem Drittgebiet oder einem Drittland aus in einen anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat der Beendigung der Versendung oder Beförderung versandt oder befördert werden, sofern die Lieferung dieser Gegenstände durch den gemäß Art. 201 als Steuerschuldner bestimmten oder anerkannten Importeur bewirkt wird und gemäß Art. 138 befreit ist;"
Art. 221 Abs. 3 und 4 der hier noch anzuwendenden Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. 302 vom in der bis zum geltenden Fassung (Zollkodex - ZK) lautet:
"(3) Die Mitteilung an den Zollschuldner darf nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen. Diese Frist wird ab dem Zeitpunkt ausgesetzt, in dem ein Rechtsbehelf gemäß Artikel 243 eingelegt wird, und zwar für die Dauer des Rechtsbehelfs.
(4) Ist die Zollschuld aufgrund einer Handlung entstanden, die zu dem Zeitpunkt, als sie begangen wurde, strafbar war, so kann die Mitteilung unter den Voraussetzungen, die im geltenden Recht festgelegt sind, noch nach Ablauf der Dreijahresfrist nach Absatz 3 erfolgen."
§ 74 Abs. 2 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (ZollR-DG) in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle durch das Abgabenänderungsgesetz 2015, BGBl. I Nr. 163/2015, lautet:
"(2) Die Verjährungsfrist bei hinterzogenen Eingangs- oder Ausgangsabgaben beträgt zehn Jahre, wenn im Zusammenhang mit diesen Abgabenansprüchen ein ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgendes Finanzvergehen begangen wurde."
Beweiswürdigung:
Die von der Beschwerde umfassten Einfuhren erfolgten im April 2010, die Einfuhrumsatzsteuerschuld wurde mit Bescheid vom mitgeteilt, so dass zu prüfen ist, ob im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits Verjährung eingetreten ist.
Bei den in Art. 221 Abs. 3 und 4 ZK vorgesehenen Verjährungsfristen handelt es sich um materiellrechtliche Vorschriften (vgl. , ). Daraus folgt, dass eine Zollschuld den zum Zeitpunkt ihrer Entstehung geltenden Verjährungsregeln unterliegt, selbst wenn das Verfahren zur Erhebung der Schuld erst nach dem Inkrafttreten anderer oder geänderter Verjährungsregeln eingeleitet wurde.
Mit Ablauf der in Art. 221 Abs. 3 ZK vorgesehenen Frist von drei Jahren verjährt (vorbehaltlich der in Abs. 4 vorgesehenen Ausnahmen) der Anspruch auf Entrichtung der Zollschuld.
Gem. § 2 Abs. 1 ZollR-DG und § 26 Abs. 1 UStG 1994 sind die Verjährungsbestimmungen des Zollkodex auch auf die Einfuhrumsatzsteuer anzuwenden.
Das bedeutet, dass im Falle des Nichterfüllens der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994, die Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 204 Abs. 2 ZK jeweils im Zeitpunkt der Überführung in das Zollverfahren entstanden ist und die Verjährungsfristen zu den jeweiligen Zeitpunkten zu laufen begonnen haben.
Die Mitteilung über die buchmäßige Erfassung der auf die einzelnen Einfuhren entfallenden Einfuhrumsatzsteuer wurde daher erst nach Ablauf der in Art. 221 Abs. 3 ZK vorgesehenen Dreijahresfrist erlassen.
Art. 221 Abs. 4 ZK iVm § 74 Abs. 2 ZollR-DG (idF. BGBl. I Nr. 61/2001) sieht eine zehnjährige Verjährungsfrist vor, wenn eine Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben vorliegt und im Zusammenhang mit diesen Abgabenansprüchen ein ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgendes Finanzvergehen begangen wurde.
Liegt eine finanzstrafrechtliche Verurteilung nicht vor, hat die Abgabenbehörde über die Hinterziehung als Vorfrage zu entscheiden (vgl. , mwN).
"Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus. Das Vorliegen der maßgebenden Hinterziehungskriterien der Straftatbestände ist darzulegen. Dabei ist vor allem in Rechnung zu stellen, dass eine Abgabenhinterziehung nicht schon bei einer (objektiven) Abgabenverkürzung vorliegt, sondern Vorsatz erfordert, und eine Abgabenhinterziehung somit erst als erwiesen gelten kann, wenn auch der Vorsatz feststeht. Vorsätzliches Handeln beruht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl. ebenso )."
Die maßgebenden Hinterziehungskriterien der Straftatbestände sind von der Abgabenbehörde nachzuweisen. Aus der Begründung der Entscheidung muss hervorgehen, auf Grund welcher Ermittlungsergebnisse sowie auf Grund welcher Überlegungen zur Beweiswürdigung und zur rechtlichen Beurteilung die Annahme der Hinterziehung gerechtfertigt ist (Ritz, BAO6, § 207, RN 15 unter Hinweis auf VwGH Entscheidungen).
Es ist insoweit weder die Einleitung eines Strafverfahrens noch eine Verurteilung erforderlich (vgl. ). Die strafbare Handlung muss auch nicht von der zur Zahlung in Anspruch genommenen Person begangen worden sein (vgl. )."
Für die Beurteilung der "hinterzogenen Abgabe" gilt die Unschuldsvermutung und wegen der die Abgabenbehörde treffenden Beweislast für die Hinterziehung auch der Zweifelsgrundsatz als verfahrensrechtliche Richtschnur (, VwSlg. 7.802/F, mwN).
Fraglich ist, ob ausreichende Beweise für die Hinterziehung der Einfuhrumsatzsteuer durch [...] s.r.o. vorliegen. Feststellungen dahingehend, [...] s.r.o. habe zumindest bedingt vorsätzlich Einfuhrumsatzsteuer hinterzogen, liegen nicht vor.
Das Zollamt begründet die Annahme der Hinterziehung durch [...] s.r.o. im Wesentlichen damit, dass das Unternehmen durch die slowakischen Behörden nicht auffindbar war und keine Zusammenfassenden Meldungen abgegeben habe. Es sei daher auf Grund der objektiven Umstände erwiesen, dass die Steuerpflichtige bzw. ihr Verantwortlichen wussten, dass sie sich an einer Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt habe.
Weiters führt das Zollamt aus, die slowakischen Behörden haben bereits damals Feststellungen getroffen und die UID Nr. 2011 bzw. 2013 begrenzt. Lediglich die Beantwortung des Ersuchens habe ungewöhnlich lange gedauert. Die Begrenzung der UID beweise auch, dass die betrügerischen Praktiken auch 2011 in der einen oder anderen Form angedauert haben.
Dem Amtshilfebericht ist zu entnehmen, dass es dem Steuerbeamten nicht möglich war, Kontakt mit (Verantwortlichen ??) der [...] s.r.o. aufzunehmen. Welche Veranlassungen seitens des Steuerbeamten tatsächlich unternommen worden sind um Kontakt herzustellen, geht aus dem Bericht nicht hervor. Ob und wenn ja, in welchem Umfang es überhaupt zu Steuerhinterziehungen in der Slowakei gekommen ist, ist dem Bericht auch nicht zu entnehmen. Daher ist die Feststellung des Zollamtes, die ***1*** s.r.o. habe sich an Mehrwertsteuerhinterziehungen beteiligt durch die vorliegenden Ermittlungsergebnisse nicht nachvollziehbar.
Schon gar nicht kann aus der mangelnden Kooperation mit den slowakischen Behörden (im Jahr März 2011) auf Vorsatz hinsichtlich der Verkürzung von Einfuhrumsatzsteuer bei den Einfuhren im April 2010 in Österreich geschlossen werden.
Das Zollamt geht von "Feststellungen durch die slowakischen Behörden aus, die zur Begrenzung der UID Nr. geführt haben" sollen. Dem vorgelegten Akt lassen sich diese Feststellungen nicht entnehmen. Die UID Nr. der [...] war von bis und vom bis gültig. Welcher Art diese "Feststellungen" waren und ob die slowakischen Behörden eventuelle Strafverfahren im Hinblick auf betrügerische Praktiken geführt haben, ist nicht geklärt. Aus dem ergänzenden Amtshilfebericht , welcher am übermittelt wurde, geht dies nicht hervor. Im Übrigen lässt die Begrenzung einer UID Nr. nicht zwingend auf Betrug schließen. Die Begrenzung kann ihre Ursache auch in Veränderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse haben.
Dass es sich bei der in den Rechnungen ausgewiesenen Anschrift um eine "virtual residence" gehandelt haben soll, ohne dass die slowakischen Behörden diesen Begriff erläutert bzw. dargelegt haben, was sie darunter verstehen, lässt die Schlussfolgerung des Zollamtes, die [...] s.r.o. sei an einer Mehrwertsteuerhinterziehung in der Slowakei und an der Hinterziehung von Einfuhrumsatzsteuer in Österreich beteiligt gewesen, nicht zu. Für die Frage der Unternehmereigenschaft einer Gesellschaft kommt es nicht darauf an, von welchem Ort aus sie ihre Leistungen erbracht hat (VwGH Ra 2017/15/0003).
Durch die Nichtabgabe Zusammenfassender Meldungen bezogen auf die der Einfuhr nachfolgenden Lieferungen kann nach Ansicht des Gerichts nicht auch auf die Hinterziehungsabsicht zum Zeitpunkt der vorangegangenen Einfuhr geschlossen werden. Diesbezügliche Beweismittel wurden nicht vorgelegt; s auch . Aus diesem Grund kann eine Hinterziehungsabsicht auf der hier zu berücksichtigenden Umsatzstufe nicht erkannt werden.
Nachvollziehbare Ermittlungen und sich daraus ergebende Feststellungen, dass die [...] s.r.o. in Österreich die Einfuhrumsatzsteuer hinterzogen hat, indem sie nicht stattgefundene, innergemeinschaftliche Lieferungen vortäuschte, sind dem Zollamtsakt nicht zu entnehmen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Vorliegen des im Beschwerdefall strittigen vorsätzlichen Verhaltens wurde auf Grundlage der im Erkenntnis angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in freier Beweiswürdigung beurteilt; derartige nicht über den Einzelfall bedeutsamen Sachverhaltsfeststellungen sind einer (ordentlichen) Revision grundsätzlich nicht zugänglich.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | Art. 6 Abs. 3 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise | VwGH, Ra 2017/15/0003 EuGH, C-131/13 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.1200037.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at