Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.06.2020, RV/6100672/2019

Bescherde gegen die Abweisung eines Ansuchens um Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***1*** über die Beschwerde des ***Bf1***, vertreten durch ***2***, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt, vertreten durch ***3***, vom , betreffend die Abweisung eines Antrages um Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a Bundesabgabenordnung (BAO ) zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass die Aussetzung der Einhebung von € 43.515,80 (Aufgliederung siehe im Antrag vom ) bewilligt wird.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG ) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Anbringen vom stellte der Beschwerdeführer (Bf) ***Bf1*** durch seinen ausgewiesenen Vertreter den Antrag die Einhebung der Einkommensteuerbeträge, samt Anspruchzinsen und Säumniszuschläge betreffend der Veranlagungsjahre 2010 bis 2014 im Betrag von insgesamt € 43.515,80 (Aufgliederung siehe im Antrag) gemäß § 212a BAO auszusetzen.
Ausgeführt wurde, dass gegen die Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb von der ***4*** (kurz KG) Beschwerde eingereicht wurde, wobei sich die zur Aussetzung beantragten Beträge aus einer diesem Beschwerdebegehren Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergeben.

Dieser Antrag wurde seitens des Finanzamtes mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung wurde ausgeführt, dass die Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen ist, wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist.

Dazu wurde darauf hingewiesen, dass im Zuge einer Betriebsprüfung bei der KG Schwarzumsätze und damit verbundene Abgabenhinterziehungen festgestellt wurden. Aus diesem Grund wurden während der Betriebsprüfung Bescheide gem.
§ 232 BAO erlassen, um die Einbringung der durch die Feststellungen der Betriebsprüfung entstandenen Abgabenforderungen zu sichern.
Dabei wurde festgestellt, dass der Bf nicht über ausreichendes Vermögen verfüge, um die zu erwartenden festgesetzten Abgabenforderungen begleichen zu können. Dies zeige, dass der Bf keine finanziellen Vorkehrungen getroffen habe, um eventuelle Steuernachzahlungen abzudecken. Vielmehr habe er im Jahr 2013 eine Liegenschaft erworben und diese mit Pfandrechten stark belastet. Er habe somit Vermögen dem Zugriff der Finanzbehörde entzogen.
Damit habe er ein Verhalten an den Tag gelegt, dass auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit abstelle.

Auf die Ausführungen in den Sicherstellungsaufträgen vom und vom , von denen nur einer beeinsprucht wurde, wurde verwiesen.

Gegen diesen Bescheid brachte der Bf durch seinen ausgewiesenen Vertreter mit Schriftsatz vom das Rechtsmittel der Beschwerde ein.
In den Begründungen wurden im Wesentlichen die Entstehung der eingetragenen Pfandrechte betreffend der im Jahr 2013 erworbenen Liegenschaft dargelegt. Hingewiesen wurde auch darauf, dass das Finanzamt mit Pfandrechten in Höhe von
€ ***5*** an der Liegenschaft besichert ist. Auf die genauen Ausführungen dazu verwiesen wird.

Tatsache sei auch, dass der Bf die Wohnung zum Verkauf durch eine Firma ausgeschrieben habe, wobei durch den Verkaufspreis die aktuellen Belastungen abgedeckt werden könnten. Eine Gefährdung der Einbringlichkeit sei daher nicht gegeben.

Der Bf beantragte die Aufhebung des Bescheides und die Gewährung der Aussetzung der aushaftenden dargestellten Abgaben.

Nach Mängelbehebungsauftrag und ziffernmäßiger Darstellung der Aussetzungsbeträge wurde die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidungen vom als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung wurde nunmehr ausgeführt, dass (mit Hinweis auf den BAO Kommentar Ritz) eine Verhalten mit objektiver Gefährdungsneigung in der (geplanten) Veräußerung von Liegenschaftsvermögen liege, da dadurch Vermögen dem Zugriff der Finanzbehörde entzogen werde.

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag des Bf vom (FinanzOnline).
Darin wurde darauf hingewiesen, dass die Finanzbehörde auf der für die Veräußerung geplante Liegenschaft grundbücherlich mit € ***5*** besichert ist, wodurch ein Vermögensentzug zu Lasten des Finanzamtes unmöglich sei.

Im Vorlagebericht des Finanzamtes vom wurde im Sachverhalt auf die im Betriebsprüfungsverfahren festgestellten gravierenden Mängel bei den Grundaufzeichnungen und Manipulationen im Kassensystem verwiesen, sowie auf die dadurch erfolgten Zuschätzungen auf Grund von Schwarzumsätzen.
Auf die ergangenen Sicherstellungsaufträge wurde wiederum verwiesen.
Die gegen die Umsatzsteuern und Feststellungsbescheide erhobene Beschwerde wurden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Als Beweismittel wurde auf einen BP-Bericht (ohne Datum) und Sicherstellungsauftrag (ohne Datum - beides vorgelegt mit Beschwerde gegen den Sicherstellungsauftrag; welchen?), verwiesen.

In der Stellungnahme wurde wiederum darauf hingewiesen, dass der Bf mangels ausreichenden Vermögens keine Vorsorge getroffen habe, um eventuelle Steuernachzahlungen abdecken zu können.

Neu wurde ausgeführt, dass die Behörde überdies der Ansicht sei, dass die Bescheidbeschwerde der KG (die dem BFG vorgelegt wurde) nach der Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheine.

Sowohl die Tatsache, dass Grundaufzeichnungen fehlen (z.B. Jahresinventur, siehe S 26 der Beschwerde), als auch das Vorliegen eines gerichtlichen Gutachtens, das eine Manipulation des verwendeten Kassensystems nicht ausschließe, rechtfertige jedenfalls die Schätzungsbefugnis gem. § 184 Abs. 3 BAO , da es sich hierbei um formelle Mängel handelt, die geeignet seien, die sachliche Richtigkeit der Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.
Eines Nachweis für die sachliche Unrichtigkeit der Aufzeichnungen - wie vom Bf gefordert - bedarf es nicht, da bereits Zweifel an der sachlichen Unrichtigkeit Tatbestandsmerkmal der Schätzungsbefugnis ist.
Dazu wurde darauf hingewiesen, dass durch die Ermittlungen im Rahmen der Betriebsprüfung durchaus die sachliche Unrichtigkeit der Aufzeichnungen festgestellt werden habe können.

In der Bescheidbeschwerde wären keine Argumente vorgebracht worden, die die von der Betriebsprüfung akribisch aufgearbeiteten im BP-Bericht dokumentierten Mängel widerlegen, beziehungsweise die Zweifel an der sachlichen Unbilligkeit beseitigen könnten. Auch konnten keine Beweismittel vorgelegt werden, die die Behauptungen der KG in der Bescheidbeschwerde untermauern könnten.
Die Zuschätzungen würden daher als gerechtfertigt angesehen und sei die Beschwerde daher wenig erfolgversprechend.

Diese Beschwerde wurde dem elektronischen Akt nicht beigefügt.

Vom Vorlagebericht wurde der Vertreter des Bf in Kenntnis gesetzt.
Eine Äußerung dazu erfolgte von diesem nicht.

Aus dem Akteninhalt werden noch folgende Feststellungen getroffen:

Die Feststellungen Im Vorlagebericht, dass die Beschwerde der KG wenig erfolgversprechend sei, umfasst 14 Zeilen.

Die Beschwerde der KG (vom ) gegen die Umsatzsteuerbescheide und Feststellung von Einkünften (der Jahre 2010-2015) umfasst 29 Seiten

Diese Beschwerde der KG ist noch offen.

Rechtslage und Erwägungen

§ 212a Abs. 1 BAO lautet:

Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung abhängt, ist auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Berufungserledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Berufung die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.

Gemäß § 212a Abs. 2 BAO ist die Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen,

a) soweit die Beschwerde nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint, oder
b) soweit mit der Bescheidbeschwerde ein Bescheid in Punkten angefochten wird, in denen er nicht von einem Anbringen des Abgabepflichtigen abweicht, oder
c) wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist.

Bescheidmäßig wurde das Ansuchen des Bf um Aussetzung der Einhebung bzw. die gegen die Abweisung erhobene Beschwerde wegen eines auf Gefährdung gerichteten Verhaltens des Bf abgewiesen.

Dass der Bf über kein ausreichendes Vermögen verfügt bzw. keine finanziellen Vorkehrungen getroffen hat, um eventuelle später in ungewisser Höhe entstehende Steuernachzahlungen abdecken zu können, stellt kein derartiges Verhalten dar. Für die Erlassung von Sicherstellungsaufträge reicht eine Gefährdung bzw. mögliche Erschwerung der Einbringung aus, sodass aus deren alleinigen Erlassung nicht auf das Vorliegen von Gefährdungshandlungen geschlossen werden kann.

Wenn das Finanzamt ausführt, dass der Bf im Jahr 2013 (im Übrigen 3 Jahre vor der Betriebsprüfung) eine Liegenschaft erworben hat, welche mit erheblichen Pfandrechten belastet ist und deshalb Vermögen dem Zugriff der Finanz entzogen hätte, ist das in keiner Weise nachvollziehbar. Wie der ständigen Rechtsprechung und Kommentarmeinung zur BAO zu entnehmen ist, stellt lediglich die Veräußerung von Vermögenswerten bzw. die Übertragen solcher an zB. nahe Angehörige ein gefährdendes Verhalten im Sinne des § 212a Abs. 2 lit. c BAO dar.
Wenn das Finanzamt (nunmehr völlig konträr) aufgrund der angedachten Veräußerung der gegenständlichen Liegenschaft von einer Gefährdungshandlung ausgeht, ist auf das Vorbringen des Bf zu verweisen, wonach das Finanzamt auf dieser Liegenschaft grundbücherlich mit
€ ***5*** besichert ist (siehe auch Grundbuchstand). Dem ist das Finanzamt nicht entgegengetreten. Worin in einer Veräußerung der Liegenschaft auf welcher das Finanzamt besichert ist, somit eine Gefährdungshandlung liegen soll, wurde vom Finanzamt nicht ausgeführt.
Damit geht auch das gleichlautende Vorbringen dazu im Vorlagebericht des Finanzamtes (nicht ausreichendes Vermögen, keine Vorsorge für Entrichtung getroffen, Erlassung von Sicherstellungsaufträgen) ins Leere.

Da somit seitens des Finanzamtes nicht aufgezeigt wurde, dass Gefährdungshandlungen des Bf im Sinne des § 212a Abs. 2 lit. c BAO vorliegen und solche aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich sind, ist der Beschwerde betreffend dieses Punktes Folge zu geben.

Das Finanzamt führt nunmehr im Vorlagebericht in einer 14 zeiligen Stellungnahme aus, dass die Beschwerde wenig erfolgversprechend erscheine. Eine bescheidmäßige Absprache dazu gibt es nicht. Dem steht die 29 seitige Beschwerde der KG vom (welche seitens des Finanzamtes dem gegenständlichen Akt nicht beigelegt wurde) entgegen.

Wie der ständigen Rechtsprechung des VwGH und Kommentarmeinungen zu entnehmen ist, ist es nicht Aufgabe des Aussetzungsverfahrens die Rechtsmittelentscheidung vorwegzunehmen; es sind lediglich die Erfolgsaussichten der Bescheidbeschwerde anhand des Beschwerdevorbringens zu prüfen.

Wenn das Finanzamt auf fehlende Grundaufzeichnungen einer nicht näher bezeichneten Inventur verweist wurde das von der KG zwar zugestanden (S. 26 der Beschwerde), in weiterer Folge jedoch wieder relativiert, da die Grundaufzeichnungen für einen der beiden Betriebe vorliegen müssten, bzw. Buchhaltungsunterlagen seitens der Behörde nicht ausgewertet wurden.

Aus den Ausführungen in der Beschwerde betreffend das angeführte gerichtliche Gutachten (S 5-7 oben) ergebe sich, dass diesem weder ein Beweis für eine Manipulation noch ein Nachweis für entstandene Lücken zu entnehmen sei.

Wenn das Finanzamt ausführt, dass Zweifel an der Richtigkeit der Aufzeichnungen für eine Schätzungsbefugnis ausreichen, ist dem zwar beizupflichten aber auch darauf zu verweisen, dass nicht nur die Schätzungsbefugnis selbst, sondern auch diverse Verprobungen und die Kalkulation der Betriebsprüfung umfangreich bekämpft wurde. Damit wurde auch die vorgenommene Schätzung bzw. die angewandte Schätzungsmethode (siehe Beschwerde) bekämpft. Dazu ist aus der Stellungnahme des Finanzamtes nichts zu entnehmen. Daran ändert auch nichts, dass die sachliche Unrichtigkeit der Aufzeichnungen (welche nicht näher erläutert wird) im Rahmen der Betriebsprüfung festgestellt worden sei.
Da das Finanzamt somit nicht näher auf das Beschwerdevorbringen eingeht, kann mit Hinweis auf das umfangreiche Beschwerdevorbringen, dieses nicht als wenig erfolgversprechend angesehen werden. Dazu ist nochmals darauf zu verweisen, dass es nicht Sache des Aussetzungsverfahren ist, die Rechtsmittelentscheidung (mit allen möglichen Beweisaufnahmen) vorwegzunehmen (siehe VwGH 2002/13/0216 ).

Wie der Rechtsprechung des VwGH weiters zu entnehmen ist ( ) berührt ein Aussetzungsverfahren die in einem vorangegangenen Sicherstellungsverfahren getroffenen Maßnahmen (da nur sicherstellungsweise) nicht. Umgekehrt wird die Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung durch einen vorangegangenen Sicherstellungsauftrag nicht gehindert, womit dem Grundsatz der faktischen Effizienz des Rechtschutzes (auch Verfassungsrechtlich) Rechnung getragen wird.

Der Beschwerde kommt somit Berechtigung zu, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.

Die Revision ist nicht zulässig, weil sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt (da durch die Rechtsprechung des VwGH geklärt bzw. als Folge des Gesetzes anzusehen ist), der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Die Revision ist nicht zulässig, weil sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt (da durch die Rechtsprechung des VwGH geklärt bzw. als Folge des Gesetzes anzusehen ist), der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 212a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.6100672.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at