Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.06.2020, RV/7100503/2020

Vorliegen eines haftungsbegründenden Sachverhalts

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Steiner Rechtsanwalts KG, Weihburggasse 18-20, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Haftungsbescheid vom nahm die Abgabenbehörde den Beschwerdeführer (Bf) als ehem. Geschäftsführer der ***2*** als Haftungspflichtigen gemäß § 9 i.V.m. §§ 80 ff. BAO für die aushaftende Umsatzsteuer 02/15 der ***2*** in Höhe von € 4.600,42 in Anspruch und führte zur Begründung wie folgt aus:

"1. Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

2. Gemäß § 9 Abs. 1 leg.cit. haften die in § 80 Abs. 1 leg.cit. erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für diese Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

3. Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.

4. Aus dem Zusammenhang dieser Bestimmungen ergibt sich, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.

5. Sie waren seit unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***2***, also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GesmbHG zu deren Vertretung berufen. Sie waren somit auch verpflichtet, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

6. Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer ist folgendes festzuhalten:

Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1994 hat der Unternehmer spätestens am Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 und des § 16 leg.cit., selbst zu berechnen hat. Der Unternehmer hat eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Für folgende Zeiträume - siehe Haftungsbescheid - wurde die Umsatzsteuer gemeldet, festgesetzt bzw. rechtskräftig veranlagt, jedoch nicht entrichtet.

7. In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Sache des Geschäftsführers ist, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gem. § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf (,0038). Demnach haftet der Geschäftsführer für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten.

8. Durch das abgeschlossene Konkursverfahren ist der Abgabenrückstand bei der Firma uneinbringlich geworden.

Mit Beschwerde vom führte der Bf durch seinen Vertreter Folgendes aus:

"Der angefochtene Bescheid wird seinem gesamten Inhalt nach angefochten. Als Beschwerdegrund wird unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

Zum Beschwerdegrund:

Dem Haftungsbescheid liegt folgender unstrittiger Sachverhalt zugrunde:

- Über das Vermögen der ***2***, FN ***3***, wurde durch Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***4***, zur GZ: ***5***, das Insolvenzverfahren eröffnet. - Der Beschwerdeführer war als handelsrechtlicher Geschäftsführer der schuldnerischen Gesellschaft eingetragen. - Die Insolvenzeröffnung erfolgte auf Grund eines Eigenantrages der Schuldnerin, welcher am beim Handelsgericht Wien eingebracht wurde. - An Abgabenverhindlichkeiten in Form von Insolvenzforderungen, welche ordnungsgemäß gemeldet wurden, blieben ua. die Umsatzsteuer für den Monat Februar 2015 unbezahlt, welche auch Gegenstand des angefochtenen Haftungsbescheides ist.

Haftungstatbestand gemäß $ 9 iVm § 80 BAO ist nicht erfüllt:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabenpflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der Vertreter auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Die Voraussetzungen der Haftung sind im Abgabenverfahren eigenständig auch hinsichtlich des Verschuldens zu beurteilen. Stehen ausreichende Mittel zur Entrichtung der Umsatzsteuer nicht zur Verfügung, so kann dies eine für die Uneinbringlichkeit kausale schuldhafte Verletzung der Abfuhrpflicht ausschließen. Es kann nicht verlangt werden, dass der Abgabengläubiger vor den übrigen Gläubigern befriedigt wird (VwGH 1995/10/18, 91/13/0037 verstärkter Senat),

Daraus folgt für gegenständlichen Fall:

Die dem Bescheid zugrundegelegten Abgabenbeträge wurden samt und sonders am 15,4.2015 zur Zahlung fällig. Zu diesem Zeitpunkt bestand am einzigen Geschäftskonto der Gesellschaft bei der ***6*** mit dem IBAN: ***7*** ein Debetsaldo von € 19.994,86. Ein zeitlich davor noch bestehender Überziehungsrahmen von € 20.000,00 wurde bereits vor Fälligkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten gekündigt und konnte die Schuldnerin und insbesondere auch der Beschwerdeführer vom Geschäftskonto im Zeitraum zwischen dem und dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung keinerlei Überweisungen oder Zahlungen mehr vornehmen. Ein Kassaguthaben gab es ebenfalls nicht. Tatsächlich wurden seit Fälligkeit der Abgabenverbindlichkeit und Insolvenzeröffnung keine Zahlungen an Gläubiger mehr getätigt und wurden daher auch keinerlei Gläubiger mehr befriedigt!

Beweis: Beiliegendes Konvolut von Kontoauszügen, Einvernahme des Beschwerdeführers

Unter Berücksichtigung obiger Umstände kann es dem Beschwerdeführer sohin nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er die am fällig gewordene Umsatzsteuer für Februar 2015 nicht mehr bezahlt hat, zumal der schuldnerischen Gesellschaft überhaupt keine liquiden Mittel mehr zur Verfügung standen!

Der Beschwerdeführer stellt daher den gleichermaßen höflichen wie dringlichen Antrag, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde die Beschwerde vom als unbegründet ab und führte zur Begründung wie folgt aus:

"Der VwGH (, 97/15/0115; ÖStZB 1999, 301) hat seine Judikaturlinie fortgesetzt, wonach bei Uneinbringlichkeit von Abgabenschulden einer Gesellschaft der Geschäftsführer (GF) beweisen muss, dass er für eine rechtzeitige und gleichmäßige Abgabenentrichtung durch die Gesellschaft gesorgt hat. Andernfalls wird schuldhafte Pflichtverletzung vermutet. Hatten die Gesellschaftsmittel zur Befriedigung der Abgabenschulden nicht ausgereicht, so muss der GF im Haftungsverfahren nachweisen, dass er die vorhandenen Mittel zur anteiligen Befriedigung aller Verbindlichkeiten verwendet und somit die Abgabenschulden nicht schlechter behandelt hat. Der Geschäftsführer verstößt schon dann gegen seine Gleichbehandlungspflichten, wenn er zwar alle Zahlungen einstellt, aber zulässt, dass auf einem negativen Kontokorrentkonto regelmäßig Zahlungen eingehen, und sich damit die Forderung der Hausbank kontinuierlich verringert: , ÖStZB 2002/161. Demnach haftet der Geschäftsführer auch dann für den gesamten Abgabenausfall, wenn zwar weniger Mittel zur Befriedigung der Gläubiger vorhanden waren, aber der Geschäftsführer diese Mittel nicht zur anteiligen Befriedigung der Abgabenschulden verwendet hat. Aus den übermittelten Kontoauszügen ist ersichtlich, dass zumindest die Miete bezahlt wurde (), bzw. die ***8*** diverse Gebühren einbehalten hat.

Daher war Ihre Beschwerde als unbegründet abzuweisen."

Mit Vorlageantrag vom brachte der Bf durch seinen Vertreter Folgendes vor:

"Die Beschwerdevorentscheidung führt im Kern aus, dass der Geschäftsführer schon dann gegen seine Gleichbehandlungspflichten verstößt, wenn er zwar alle Zahlungen einstellt, aber zulässt, dass auf einem negativen Kontokorrentkonto Zahlungen eingehen und sich damit die Forderung der Hausbank kontinuierlich verringert, dies mit Verweis auf die Entscheidung des GZ: 2000/15/0050. Überdies wären auch andere Gläubiger befriedigt worden, z.B. wäre die Miete am bezahlt worden. Aus diesem Grunde würde der Beschwerdeführer für den gesamten Abgabenausfall haften.

Ergänzend zum Vorbringen in der Beschwerde vom erstattet der Beschwerdeführer nachstehendes Vorbringen:

1. Bloß anteiliger Ausfall geschuldet:

Selbst wenn man dem Beschwerdeführer vorwerfen könnte, er hätte die im Zeitraum zwischen dem und der Insolvenzeröffnung auf dem negativen Kontokorrentkonto der schuldnerischen Gesellschaft eingelangten Zahlungen tatsächlich zur anteiligen Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger verwenden können, so errechnet sich der Ausfall zulasten des Abgabengläubigers wie folgt:

Die Summe der angemeldeten und festgestellten Konkursforderungen betrug nach dem Verteilungsentwurf des Insolvenzverwalters vom € 213.724,90.

Im Zeitraum zwischen dem (Fälligkeit der Abgabenverbindlichkeiten) und dem ***4*** (Tag der Insolvenzeröffnung) verringerte sich der Debetstand am Geschäftskonto der Schuldnerin bei der ***8*** von € 19.994,86 auf € 2.259,42, sohin um € 17.735,44.

Von der ***8*** wurde eine Insolvenzforderung von € 2.919,36 angemeldet.

Wenn man davon ausgeht, dass es dem Beschwerdeführer tatsächlich vorwerfbar ist, dass er die im obigen Zeitraum eingehenden Zahlungen nicht zur anteiligen Befriedigung der Insolvenzgläubiger verwendet hat, so wäre der dem Abgabengläubiger dadurch kausal entstehende Abgabenausfall bloß 8,3 % der angemeldeten Insolvenzforderung (€ 17.735,44 = 8,29 % von € 213.724,90)! Unter Berücksichtigung dieser Kausalitätsberechnung würde sich die Haftung des Geschäftsführers auf maximal € 372,00 beschränken!

In obigem Zusammenhang ist noch zu berücksichtigen, dass - anders als vom Finanzamt festgestellt - am 4.5. tatsächlich keine Bezahlung einer Mietzinsverbindlichkeit durchgeführt wurde, zumal zwar einerseits auf Grund eines Dauerauftrages am eine Abbuchung von € 1.800,00 wegen Miete ersichtlich ist, jedoch am selben Kontoauszug (Nr. 85/2) unter dem Titel "Storno Dauerauftrag" selbiger Betrag wieder gutgebucht wurde!

Beweis: Bereits vorgelegtes Konvolut von Kontoauszügen, Verteilungsentwurf des Insolvenzverwalters vom (beiliegend)

2. Mangelndes Verschulden des Beschwerdeführers:

Es ist allgemein anerkannt, dass es sich bei der Geschäftsführerhaftung gemäß § 9 Abs. 1 iVm § 80 Abs. 1 BAO um eine Verschuldenshaftung handelt. Gegenständlich kann den Beschwerdeführer daher nur dann eine Haftung für einen Ausfall des Abgabengläubigers treffen, wenn er liquide Mittel entgegen den Gläubigerschutzbestimmungen nicht auch anteilig zur Befriedigung des Abgabengläubigers verwendet hat. Dabei ist folgendes zu berücksichtigen:

Wie bereits in der Beschwerde vorgebracht, hat die Bank noch vor Fälligkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten den Kreditrahmen gekündigt, sodass dieser auch ab dem nicht mehr zur Verfügung stand! Die in den wenigen Tagen nach dem 15.4. bis zur Insolvenzeröffnung noch eingehenden Zahlungen standen dem Beschwerdeführer daher nicht mehr als liquide Mittel der Gesellschaft zur Verfügung, weil er darüber nicht mehr verfügen konnte! Dies ergibt sich auch schlüssig aus den zahlreichen Stomobuchungen, welche aus dem bereits vorgelegten Kontoauszugskonvolut ersichtlich sind! Selbst wenn der Beschwerdeführer die eingehenden Zahlungen noch zur (anteiligen) Gläubigerbeffiedigung verwenden hätte wollen, so war dies faktisch nicht mehr möglich!

Wenn sich das Finanzamt in diesem Zusammenhang auf die bereits oben zitierte Entscheidung des beruft, so ist festzuhalten, dass sich der Sachverhalt, welcher dieser Entscheidung zugrundegelegen ist, in einem wesentlichen Punkt vom gegenständlichen Sachverhalt unterscheidet. Beim dortigen Sachverhalt wurden erhebliche Geldbeträge durch die Veräußerung von Betriebsmitteln angehäuft und als positiver Saldo auf dem Konto der (dortigen) Schuldnerin belassen, obwohl dieser Betrag ohne weiteres zur Gläubigerbefriedigung herangezogen werden hätte können. Im gegenständlichen Fall war es dem Beschwerdeführer hingegen verwehrt, die eingehenden Beträge für die anteilige Gläubigerbefriedigung zu verwenden, zumal er darüber nicht mehr verfügen konnte - wie bereits oben dargestellt!

Zusammenfassend ist sohin festzuhalten, dass dem Beschwerdeführer kein Verschulden an einer anteiligen Gläubigerbefriedigung zwischen dem und der Insolvenzeröffnung vorzuwerfen ist, zumal er über die Eingänge nicht mehr verfügen konnte; eine allfällige Ausfallshaftung des Beschwerdeführers mit maximal € 372,00 zu begrenzen wäre, sollte dem Beschwerdeführer doch ein Verschulden zuzuweisen sein.

Der Beschwerdeführer stellt daher den Antrag auf Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Unbestritten ist, dass dem Bf als selbstständig vertretungsbefugtem Geschäftsführer der Abgabepflichtigen laut Eintragung im Firmenbuch von bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***4***, ***9***, die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag.

Die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen bei der GmbH stand spätestens mit der amtswegigen Löschung der Gesellschaft gemäß § 40 FBG am wegen Vermögenslosigkeit fest ().

Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 97/15/0115) ist es im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht Sorge getragen hat, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht.

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht ().

Reichen die Mittel zur Begleichung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht aus, so hat der Vertreter nachzuweisen, dass die vorhandenen Mittel anteilig für die Begleichung der Abgabenschuldigkeiten verwendet wurden, andernfalls haftet der Geschäftsführer für die in Haftung gezogenen Abgaben der Gesellschaft zur Gänze (; , 99/15/0249).

Laut Aktenlage wurden auf das Abgabenkonto der Gesellschaft bis Zahlungen geleistet (: € 2.043,56), sodass am ein geringfügiges Guhaben von € 1,93 bestand. Der haftungsgegenständliche Abgabenbetrag wurde am zur Zahlung fällig. Zu diesem Zeitpunkt bestand nach dem Vorbringen des Bf am Geschäftskonto der Gesellschaft ein Debetsaldo von € 19.994,86, sodass vom Geschäftskonto im Zeitraum zwischen dem und dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung keinerlei Überweisungen oder Zahlungen mehr vorgenommen werden konnten.

Nach der Begründung der Beschwerdevorentscheidung wurde dem Bf zum Vorwurf gemacht, dass er es zugelassen habe, dass auf einem negativen Kontokorrentkonto regelmäßig Zahlungen eingehen, und sich damit die Forderung der Hausbank kontinuierlich verringere, wodurch der Geschäftsführer nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 2000/15/0050) gegen seine Gleichbehandlungspflichten verstoße.

Durch die Zahlungseingänge in Höhe von € 17.735,44 im Zeitraum zwischen dem und dem ***4*** wurden die Gläubiger, darunter auch den Bund als Abgabengläubiger zwar insofern benachteiligt, als mit diesen Zahlungseingängen am Geschäftskonto der Gesellschaft die Forderung der Hausbank zu Lasten anderer Forderungen befriedigt wurde, sodass dadurch der Bund gemeinsam mit anderen andrängenden Gläubigern schlechter gestellt worden ist als die Hausbank.

In der Zulassung von Zahlungseingängen am Geschäftskonto der Gesellschaft allein kann jedoch keine Verletzung einer abgabenrechtlichen Pflicht erblickt werden. In dem von der Abgabenbehörde zur Begründung herangezogenen Erkenntnis des , wurde dem Beschwerdeführer auch nicht die Zulassung von Zahlungseingängen am Geschäftskonto der Gesellschaft zum Vorwurf gemacht, sondern die Einstellung der Zahlungen an alle Gläubiger und damit auch an den Abgabengläubiger (zur Sicherstellung, dass alle Zahlungseingänge am Kontokorrentkonto belassen werden).

Der Einwand des Bf, dass sich der Sachverhalt, welcher dieser Entscheidung zugrundegelegen ist, in einem wesentlichen Punkt vom gegenständlichen Sachverhalt unterscheidet, ist daher berechtigt.

Im gegenständlichen Fall standen der Gesellschaft infolge des Debetsaldos von € 19.994,86, der Kündigung des Überziehungsrahmens von € 20.000,00 mangels eines Kassaguthabens am keine liquiden Mittel mehr zur Verfügung um Zahlungen vornehmen zu können.

Da durch die Kontosperre somit der Gesellschaft die Zahlungsmittel entzogen waren, kommt der zum Vorwurf gemachten Verletzung der Gleichbehandlungspflicht wohl keine Relevanz für die Verletzung der abgabenrechtlichen Zahlungspflicht zu (vgl. ). Welche Maßnahmen der Bf hätte ergreifen können, um einen Zahlungseingang auf dem wohl in den Rechnungen bekannt gegebenen Geschäftskonto der Gesellschaft zu verhindern, wurde zudem von der Abgabenbehörde nicht dargelegt.

Vielmehr wurde die Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hatte, sodass der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht verletzte ().

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bf für die für die aushaftende Umsatzsteuer 02/15 der ***2*** in Höhe von € 4.600,42 zu Unrecht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierten Entscheidungen), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100503.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at