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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.07.2020, RV/6100673/2019

Bewilligung der Aussetzung der Einhebung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Christian Lothar Bernstorf, Johannes-Filzer-Straße 30, 5020 Salzburg, über die Beschwerde vom n den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom betreffend Aussetzung § 212a BAO 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass die Aussetzung der Einhebung von € 88.531,20 (Aufgliederung laut Antrag vom ) bewilligt wird.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Anbringen vom hat die ***Bf1*** (nachstehend mit "Bf" bezeichnet) durch ihren Vertreter Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide und die Bescheide über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO der Jahre 2010 bis 2015 (alle vom ) erhoben und gleichzeitig gemäß § 212a BAO beantragt, die Einhebung der Umsatzsteuer sowie der damit zusammenhängenden Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt € 88.531,20 (Aufgliederung siehe Antrag) auszusetzen.
Die zur Aussetzung beantragten Beträge ergeben sich aus einer dem Beschwerdebegehren Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung.

Der Antrag wurde vom Finanzamt mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung wird ausgeführt, dass die Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen sei, wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist.
Im Zuge einer Betriebsprüfung bei der Bf wären Schwarzumsätze und damit verbunden Abgabenhinterziehungen festgestellt worden. Aus diesem Grund sei während der Betriebsprüfung bereits ein Bescheid gemäß § 232 BAO (Sicherstellungsauftrag) erlassen worden, um die Einbringung der durch die Feststellungen der Betriebsprüfung entstandenen Abgabenforderungen zu sichern. Man habe festgestellt, dass die Bf nicht über das ausreichende Vermögen verfüge, um die zu erwartenden, und durch die im Anschluss an die Betriebsprüfung erlassenen Bescheide festgesetzten Abgabenforderungen zu begleichen. Diese Tatsache zeige, dass der uneingeschränkt haftende Gesellschafter und gewerbliche Geschäftsführer der Bf, ***X***, keine finanziellen Vorkehrungen getroffen habe, um eventuelle Steuernachzahlungen abzudecken. Damit sei ein Verhalten an den Tag gelegt worden, dass auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit abstelle.
Im Übrigen wird auf die Ausführungen im Sicherstellungsauftrag vom , der nicht beeinsprucht wurde und somit in Rechtskraft erwachsen ist, verwiesen.

Gegen diesen Bescheid brachte die Bf durch ihren Vertreter mit Schriftsatz vom das Rechtsmittel der Beschwerde ein.
In den Begründungen wird im Wesentlichen ausgeführt, dass im Jahr 2013 eine Liegenschaft gekauft und sämtliche Forderungen der Finanz grundbücherlich besichert seien. Eine Gefährdung der Einbringlichkeit sei nicht gegeben. ***X*** habe die betreffende Wohnung, die zum Preis von € 650.000,00 angeboten werde, zum Verkauf ausgeschrieben.
Die Bf beantragt die Aufhebung des Bescheides und die Gewährung der beantragten Aussetzung.

Nach Mängelbehebungsauftrag und ziffernmäßiger Darstellung der Aussetzungsbeträge wurde die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidungen vom als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung wird nunmehr ausgeführt, dass - mit Hinweis auf den BAO Kommentar Ritz - ein Verhalten mit objektiver Gefährdungsneigung in der (geplanten) Veräußerung von Liegenschaftsvermögen vorliege, da dadurch Vermögen dem Zugriff der Finanzbehörde entzogen würde.

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag der Bf vom (FinanzOnline).
Darin wird darauf hingewiesen, dass die Finanzbehörde auf der Liegenschaft, deren Veräußerung geplant sei, grundbücherlich mit € 194.166,37 besichert ist, wodurch ein Vermögensentzug zu Lasten der Finanzbehörde unmöglich sei.

Im Vorlagebericht des Finanzamtes vom wird zum Sachverhalt ausgeführt, es seien im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der Bf gravierenden Mängel bei den Grundaufzeichnungen und Manipulationen im Kassensystem festgestellt worden, weshalb man Zuschätzungen auf Grund von Schwarzumsätzen vorgenommen habe.
Auf die gegen die Bf und den Geschäftsführer erlassenen Sicherstellungsaufträge wird verwiesen, wobei jener der Bf rechtskräftig sei.
Die gegen die Umsatzsteuer- und Feststellungsbescheide erhobenen Beschwerden habe man dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Als Beweismittel werden der BP-Bericht und der Sicherstellungsauftrag angeführt.

In der Stellungnahme wird neuerlich darauf hingewiesen, dass die Bf keine finanziellen Vorkehrungen getroffen habe, um eventuelle Steuernachzahlungen abdecken zu können. Überdies wird ausgeführt, die Behörde sei der Ansicht, dass die Bescheidbeschwerde, die dem BFG zur Entscheidung vorgelegt wurde, nach der Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheine.
Sowohl die Tatsache, dass Grundaufzeichnungen fehlen (zB Jahresinventur), als auch das Vorliegen eines gerichtlichen Gutachtens, das eine Manipulation des verwendeten Kassensystems nicht ausschließe, rechtfertige jedenfalls die Schätzungsbefugnis gemäß § 184 Abs 3 BAO, da es sich hierbei um formelle Mängel handle, die geeignet seien, die sachliche Richtigkeit der Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.
Eines Nachweises für die sachliche Unrichtigkeit der Aufzeichnungen - wie von der Bf gefordert - bedürfe es nicht, da bereits Zweifel an der sachlichen Unrichtigkeit Tatbestandsmerkmal der Schätzungsbefugnis sei. Dazu wird darauf hingewiesen, dass durch die Ermittlungen im Rahmen der Betriebsprüfung durchaus die sachliche Unrichtigkeit der Aufzeichnungen festgestellt werden habe können.
In der Bescheidbeschwerde wären keine Argumente vorgebracht worden, die die von der Betriebsprüfung akribisch aufgearbeiteten und im BP-Bericht dokumentierten Mängel widerlegen würden, beziehungsweise die Zweifel an der sachlichen Unbilligkeit beseitigen könnten. Auch hätten keine Beweismittel vorgelegt werden können, die die Behauptungen der Bf in der Bescheidbeschwerde untermauern würden.
Die Zuschätzung würden deshalb als gerechtfertigt angesehen und sei die Beschwerde daher wenig erfolgversprechend.

Aus dem Akteninhalt werden noch folgende Feststellungen getroffen:

Die Ausführungen der Abgabenbehörde im Vorlagebericht, dass die Beschwerde der Bf wenig erfolgversprechend sei, umfasst wenige Zeilen. Was das Finanzamt bei Vorlage der Beschwerde vom gegen die Umsatzsteuerbescheide und Feststellung von Einkünften (der Jahre 2010-2015), die ganze 29 Seiten umfasst, allenfalls noch vorgebracht hat, ist nicht bekannt (bei den elektronisch vorgelegten Aktenteilen zum gegenständlichen Verfahren nicht enthalten).

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

§ 212a Abs 1 BAO lautet:

"Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung abhängt, ist auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Berufungserledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Berufung die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird."

Gemäß § 212a Abs 2 BAO ist die Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen,
a) soweit die Beschwerde nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint, oder
b) soweit mit der Bescheidbeschwerde ein Bescheid in Punkten angefochten wird, in denen er nicht von einem Anbringen des Abgabepflichtigen abweicht, oder
c) wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist.

Bescheidmäßig wurde das Ansuchen der Bf um Aussetzung der Einhebung bzw die gegen die Abweisung erhobene Beschwerde wegen eines auf Gefährdung gerichteten Verhaltens der Bf abgewiesen.

Dass die Bf über kein ausreichendes Vermögen verfügt bzw keine finanziellen Vorkehrungen getroffen hat, um eventuelle später in ungewisser Höhe entstehende Steuernachzahlungen abdecken zu können, stellt kein derartiges Verhalten dar.
Allein aus der Erlassung eines Sicherstellungsauftrages kann nicht auf das Vorliegen von Gefährdungshandlungen geschlossen werden, weil dafür eine Gefährdung bzw mögliche Erschwerung der Einbringung ausreicht.

Die Schlussfolgerung des Finanzamtes, die Bf habe im Jahr 2013 (also 3 Jahre vor der Betriebsprüfung) eine Liegenschaft erworben, welche mit erheblichen Pfandrechten belastet sei, und plane deren Verkauf, wodurch Vermögen dem Zugriff der Finanz entzogen würde, ist für das Bundesfinanzgericht nicht nachvollziehbar.
Wie der ständigen Rechtsprechung und Kommentarmeinung zur BAO zu entnehmen ist, stellt lediglich die Veräußerung von Vermögenswerten bzw die Übertragen solcher an zB. nahe Angehörige ein gefährdendes Verhalten im Sinne des § 212a Abs 2 lit c BAO dar.

Wenn das Finanzamt aufgrund der angedachten Veräußerung der gegenständlichen Liegenschaft von einer Gefährdungshandlung ausgeht, ist auf das Vorbringen der Bf zu verweisen, wonach das Finanzamt auf dieser Liegenschaft grundbücherlich mit € 194.166,37 besichert ist (siehe auch Grundbuchstand). Dem ist das Finanzamt nicht entgegengetreten. Worin in einer Veräußerung der Liegenschaft auf welcher das Finanzamt besichert ist, somit eine Gefährdungshandlung liegen soll, wurde vom Finanzamt nicht ausgeführt.

Damit geht auch das gleichlautende Vorbringen dazu im Vorlagebericht (nicht ausreichendes Vermögen, keine Vorsorge für Entrichtung getroffen, Erlassung von Sicherstellungsaufträgen) ins Leere.

Da somit seitens der Abgabenbehörde nicht aufgezeigt wurde, dass Gefährdungshandlungen der Bf im Sinne des § 212a Abs 2 lit c BAO vorliegen und solche aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich sind, ist der Beschwerde in diesem Punkt Folge zu geben.

Die belangte Behörde führt nunmehr in ihrer kurz gehaltenen Stellungnahme im Vorlagebericht aus, die Beschwerde der Bf vom erscheine wenig erfolgversprechend. Eine bescheidmäßige Absprache dazu gibt es nicht.
Dem steht die 29-seitige Beschwerde der Bf entgegen.

Wie der ständigen Rechtsprechung des VwGH und Kommentarmeinungen zu entnehmen ist, ist es nicht Aufgabe des Aussetzungsverfahrens, die Rechtsmittelentscheidung vorwegzunehmen; es sind lediglich die Erfolgsaussichten der Bescheidbeschwerde anhand des Beschwerdevorbringens zu prüfen.

Wenn das Finanzamt auf fehlende Grundaufzeichnungen einer nicht näher bezeichneten Inventur verweist, wird das von der Bf zwar zugestanden (Seite 26 der Beschwerde), in weiterer Folge jedoch wieder relativiert, da die Grundaufzeichnungen für einen der beiden Betriebe vorliegen müssten bzw Buchhaltungsunterlagen seitens der Behörde nicht ausgewertet wurden.

Aus den Ausführungen in der Beschwerde betreffend das angeführte gerichtliche Gutachten (Seiten 5-7) ergebe sich, dass diesem weder ein Beweis für eine Manipulation noch ein Nachweis für entstandene Lücken zu entnehmen sei.

Der Ansicht des Finanzamtes, Zweifel an der Richtigkeit der Aufzeichnungen reichten für eine Schätzungsbefugnis aus, ist zwar zuzustimmen, es werden von der Bf jedoch neben der Schätzungsbefugnis selbst auch diverse Verprobungen und die Kalkulation der Betriebsprüfung umfangreich bekämpft. Damit wird auch die vorgenommene Schätzung bzw die angewandte Schätzungsmethode (siehe Beschwerde) bekämpft. Dazu ist aus der Stellungnahme des Finanzamtes nichts zu entnehmen. Daran ändert auch nichts, dass die sachliche Unrichtigkeit der Aufzeichnungen (welche nicht näher erläutert wird) im Rahmen der Betriebsprüfung festgestellt wurde.

Da das Finanzamt somit nicht näher auf das umfangreiche Beschwerdevorbringen eingeht, kann dieses nicht als wenig erfolgversprechend angesehen werden. Dazu ist nochmals darauf zu verweisen, dass es nicht Sache des Aussetzungsverfahren ist, die Rechtsmittelentscheidung (mit allen möglichen Beweisaufnahmen) vorwegzunehmen (siehe ).

Ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO (oder dessen bescheidmäßige Erledigung) im nach Ergehen eines Sicherstellungsauftrages durchgeführten Abgabenverfahren zieht noch keine Einstellung des Sicherungsverfahrens nach sich. Bei einem Bescheid iS des § 232 BAO handelt es sich nur um eine bloße Sicherungsmaßnahme (vgl ).
Das Ergehen eines Sicherstellungsauftrages ist für sich gesehen kein Hindernis für die Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung, was dem Grundsatz der faktischen Effizienz des Rechtsschutzes (auch verfassungsrechtlich) entspricht.

Der Beschwerde kommt somit Berechtigung zu (vgl auch ), sodass spruchgemäß zu entscheiden war.

Zur Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt, weil die zu lösende Rechtsfrage durch die zitierte Rechtsprechung des VwGH geklärt bzw als Folge des Gesetzes anzusehen ist.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 212a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.6100673.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at