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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 08.07.2020, RV/5101485/2018

Bescheidaufhebung unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht fasst durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck vom betreffend Einkommensteuer 2016 und Umsatzsteuer 2016 den Beschluss:

  • Die angefochtenen Bescheide vom betreffend Einkommensteuer 2016 und Umsatzsteuer 2016 und die Beschwerdevorentscheidungen vom werden gemäß § 278 Abs 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde aufgehoben.

  • Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

1. Verfahrensgang/festgestellter Sachverhalt

Der Beschwerdeführer betreibt eine Frühstückspension und übt im Rahmen von Werkverträgen eine gewerbliche Tätigkeit aus.

Im Zuge einer beim Beschwerdeführer durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer der Jahre 2015 bis 2016 wurden unter anderem die Einkünfte und Umsätze für das Jahr 2016 im Wege einer auf den vom Beschwerdeführer für das Jahr 2015 eingereichten Steuererklärungen beruhenden Schätzung ermittelt, da der Beschwerdeführer für das Jahr 2016 keine Steuererklärungen eingereicht hatte.

Die belangte Behörde folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ unter anderem einen entsprechenden Umsatzsteuer- und einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 (Einkommensteuerbescheid 2016 der belangten Behörde vom und Umsatzsteuerbescheid 2016 der belangten Behörde vom ).

Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer gegen die vorgenannten Bescheide das Rechtsmittel der Beschwerde und reichte gemeinsam mit der Beschwerde eine Einkommensteuer- und eine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2016 nach.

Mit Ergänzungsersuchen der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer ersucht, "die Gewinnermittlungen samt Anlageverzeichnissen zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit bzw Vermietung und Verpachtung nachzureichen." Zudem wurde der Beschwerdeführer insbesondere um Aufgliederung und belegmäßigen Nachweis diverser im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2016 angeführter Aufwendungen gebeten. Abschließend wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde eine Abweisung der Beschwerde beabsichtige, sofern keine Unterlagen vorgelegt werden sollten.

Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom wurde der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 insoweit stattgegeben, als im Rahmen der nachgereichten Einkommensteuererklärung 2016 geltend gemachte Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt wurden. Im Übrigen wurde die Beschwerde jedoch unter Verweis auf die Nichtbeantwortung des Ergänzungsersuchens vom als unbegründet abgewiesen. Ebenso wurde die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2016 mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom unter Verweis auf die Nichtbeantwortung des Ergänzungsersuchens vom als unbegründet abgewiesen.

Mit Schreiben vom , das in verständiger Würdigung als Vorlageantrag zu werten war, nahm der Beschwerdeführer zu den Fragestellungen laut Ergänzungsersuchen der belangten Behörde vom Stellung und übermittelte Einnahmen/Ausgaben-Rechnungen für die von ihm ausgeübte gewerbliche Tätigkeit (Werkverträge) und für die von ihm erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (Frühstückspension) sowie diverse Belege.

Am wurde die gegenständliche Beschwerde an das Bundesfinanzgericht vorgelegt, wobei seitens der belangten Behörde keine Stellungnahme zum Inhalt der vom Beschwerdeführer nachgereichten Unterlagen erfolgte.

Am teilte der zuständige Vertreter der belangten Behörde dem Bundesfinanzgericht telefonisch mit, dass nach Ansicht der belangten Behörde die inhaltliche Richtigkeit der vom Beschwerdeführer übermittelten Unterlagen zu überprüfen sei. Zur Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit sei eine Anforderung der den Erklärungen zugrundeliegenden Belege und Aufzeichnungen und deren Würdigung erforderlich. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass zwischen der belangten Behörde und dem Beschwerdeführer für die dem Streitjahr folgenden Jahre Dissens über die steuerliche Abzugsfähigkeit bestimmter Aufwendungen bestehe.

2. Beweiswürdigung

Die obigen unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig und können somit gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I

§ 278 BAO lautet wie folgt:

"(1) Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes

  • weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch

  • als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,

so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im weiteren Verfahren sind die Abgabenbehörden an die für die Aufhebung maßgebliche, im aufhebenden Beschluss dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn der Beschluss einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst."

Im vorliegenden Fall stützt die belangte Behörde die den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegte Schätzung der Besteuerungsgrundlagen im Wesentlichen auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer bis zur Erlassung dieser Bescheide keine entsprechenden Abgabenerklärungen eingereicht hatte.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist einem alle äußerlichen Merkmale einer Abgabenerklärung aufweisenden Anbringen der Charakter einer Abgabenerklärung iSd §§ 133 ff BAO nicht deshalb abzusprechen, weil es erst im Rechtsmittelverfahren eingebracht worden ist (). Abgabenerklärungen können somit auch noch im Rechtsmittelverfahren mit der Wirkung eingebracht werden, dass sich die Rechtsmittelinstanz mit ihnen sachlich auseinanderzusetzen hat (vgl Stoll, BAO -Kommentar 1946 f unter Verweis auf das vorgenannte Erkenntnis des ).

Nach den §§ 115 und 161 BAO sind Abgabenerklärungen iSd §§ 133 ff BAO zu prüfen. Demnach besteht eine Verpflichtung dazu, den Akteninhalt bei der Veranlagung zu berücksichtigen und in jenen Bereichen, in denen sich gegen den Inhalt der Abgabenerklärung Bedenken ergeben, Ermittlungshandlungen vorzunehmen. Ob gegebenenfalls solche Ermittlungshandlungen vorzunehmen sind, ergibt sich aus den Umständen des Einzelfalles - vor allem aus dem Inhalt der Abgabenerklärung und dem Inhalt der Verwaltungsakten (vgl zum Ganzen Ritz, BAO6 § 161 Rz 2).

Gemäß § 269 Abs 1 BAO trifft diese Verpflichtung grundsätzlich auch das Bundesfinanzgericht. Es würde jedoch die Anordnungen des Gesetzgebers (über ein zweiinstanzliches Verfahren) unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Rechtsmittelbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde (vgl ). Es sei der Rsp des VwGH zufolge nicht im Sinn des Gesetzes, wenn die Rechtsmittelbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht (vgl nochmals ).

Zweck der Kassationsmöglichkeit des § 278 Abs. 1 BAO ist die Entlastung der Rechtsmittelbehörde und die Beschleunigung des Rechtsmittelverfahrens (vgl Ritz, BAO6 § 278 Rz 5). Im Beschwerdefall wäre der Umfang der gemäß §§ 115 und 161 BAO zum Zweck der Überprüfung der vom Beschwerdeführer nachgereichten Steuererklärungen und Gewinnermittlungen vorzunehmenden Ermittlungshandlungen dem Vorbringen der belangten Behörde zufolge unter anderem anhand des Inhalts der Verwaltungsakten der auf das Streitjahr folgenden Veranlagungsjahre abzuleiten. Nach Ansicht der belangten Behörde sei im Beschwerdefall eine umfassende Überprüfung der vom Beschwerdeführer vorgelegten Einnahmen/Ausgaben-Rechnungen sowie eine Überprüfung der den nachgereichten Steuererklärungen zugrundeliegenden Belegen durchzuführen.

Im Hinblick auf den Umfang der in Zusammenhang mit der (erstmaligen) Prüfung der vom Beschwerdeführer vorgelegten Abgabenerklärungen vorzunehmenden Verfahrensergänzungen sowie angesichts der dabei erforderlichen Wahrung des Parteiengehörs (§ 115 Abs 2 BAO) wäre im Beschwerdefall eine Durchführung des Ermittlungsverfahrens durch das Bundesfinanzgericht vor diesem Hintergrund weder im Interesse der Raschheit des Verfahrens noch mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Zudem wäre es der oa Rsp des VwGH (E vom , 2002/20/0315) zufolge nicht im Sinn des Gesetzes, wenn das Bundesfinanzgericht, statt seine (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, erstmals eine Prüfung der vom Beschwerdeführer vorgelegten Abgabenerklärungen durchführte.

Das Bundesfinanzgericht sieht sich deshalb dazu veranlasst, den angefochtenen Bescheid gemäß § 278 Abs 1 BAO aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Sachverhaltsermittlung (Prüfung der vom Beschwerdeführer nachgereichten Abgabenerklärungen gemäß §§ 115 und 161 BAO) und neuerlichen Entscheidung an die Abgabenbehörde zurückzuverweisen.

Sind - wie im vorliegenden Fall - Beschwerdevorentscheidungen erlassen worden, so sind diese im Zuge einer Aufhebung unter Zurückverweisung gemäß § 278 BAO ebenso aufzuheben. Solche (uno actu vorzunehmende) Aufhebungen von Beschwerdevorentscheidungen sind erforderlich, weil die Beschwerdevorentscheidung den angefochtenen Bescheid (bis zur abschließenden Beschwerdeerledigung) aus dem Rechtsbestand verdrängt. Die Aufhebung nur eines verdrängten Bescheides ginge jedoch ins Leere (vgl Ritz, BAO6 § 278 Rz 7).

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit dem vorliegenden Beschluss weicht das Bundesfinanzgericht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl insb die Erkenntnisse vom , 2002/20/0315, und vom , Ra 2015/16/0037), weshalb gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 115 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 161 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5101485.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at