Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.07.2020, RV/2101085/2019

Haftung nach § 9 BAO (Nachweis des Gleichbehandlungsgrundsatzes)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Alois Pichler in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Imre & Schaffer Rechtsanwälte OG, Ludersdorf 201, 8200 Gleisdorf, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Oststeiermark vom Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und der Beschwerdeführer für folgende Abgaben als Geschäftsführer der C. GmbH GmbH in Anspruch genommen:


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Umsatzsteuer
10/2017
170,46
Umsatzsteuer
11/2017
4.559,13
Lohnsteuer
11/2017
1.005,18
Lohnsteuer
01/2018
147,92
Dienstgeberbeitrag (DB)
11/2017
693,46
Dienstgeberbeitrag
12/2017
48,42
Dienstgeberbeitrag
01/2018
66,92
Zuschlag zum DB (DZ)
11/2017
44,90
Zuschlag zum DB (DZ)
01/2018
5,80
Körperschaftsteuer
01-03/2018
117,88
6.860,07

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG ) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Schreiben vom wandte sich das Finanzamt an den Beschwerdeführer (Bf.) als verantwortlichen Geschäftsführer der GmbH, weil es die Geltendmachung der abgabenrechtlichen Haftung nach § 9 iVm. § 80 BAO für nachstehende fällige Abgaben, die am Abgabenkonto der GmbH aushafteten, prüfen wollte. Wörtlich führte es aus:

"1. Sie werden in Ihrem Interesse ersucht, die nachfolgenden Fragen sorgfältig und vollständig zu beantworten und durch Vorlage geeigneter Unterlagen, die zu Ihrer Entlastung dienen können, zu belegen.

Am Konto der GmbH haften folgende Abgabenbeträge aus:


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Umsatzsteuer
10/2017
180,76
Umsatzsteuer
11/2017
4.834,72
Lohnsteuer
11/2017
1.398,21
Lohnsteuer
12/2017
631,81
Lohnsteuer
01/2018
308,73
Dienstgeberbeitrag (DB)
11/2017
735,38
Dienstgeberbeitrag
12/2017
300,47
Dienstgeberbeitrag
01/2018
168,99
Zuschlag zum DB (DZ)
11/2017
69,95
Zuschlag zum DB (DZ)
12/2017
28,58
Zuschlag zum DB (DZ)
01/2018
16,90
Körperschaftsteuer
01-03/2018
125,00
8.799,53


2. Laut Firmenbuchauszug waren Sie vom xx.yy.2017 bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am als Vertreter der GmbH bestellt. Auf Grund Ihrer Funktion, als zur Vertretung der GmbH nach außen berufenes Organ, als Geschäftsführer oblag Ihnen die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtung der Vertretenen.
3. Da die unter Punkt 1 angeführten Abgabenbeträge während Ihrer Vertretungsperiode fällig bzw. nicht entrichtet wurden, muss das Finanzamt bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgehen, dass Sie der Ihnen aufgetragenen Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Vertretenen nicht vorschriftsgemäß nachgekommen sind.
4. Die genannten Beträge sind bei der GmbH als uneinbringlich anzusehen. Dies ergibt sich zweifelsfrei daraus, da über das Vermögen der GmbH am das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.
5. Sofern die GmbH bereits ab den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben nicht mehr über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügte, werden Sie ersucht, dies durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger ab dem Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten (siehe Punkt 1) gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen darzulegen. In dieser Aufstellung müssen alle damaligen Gläubiger der GmbH (auch die zur Gänze bezahlten) sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger) geleisteten Zahlungen (Quoten) enthalten sein. Außerdem sind alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel (Bargeld und offene Forderungen) anzugeben bzw. gegenüber zu stellen. Für den Nachweis der quotenmäßigen Erfüllung der Gläubigergleichbehandlung ist eine rechnerische Darstellung vorzulegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Vertreters, im Verwaltungsverfahren allfällig vorliegende Gründe aufzuzeigen, die ihn daran gehindert haben, die Abgabenschuld am oder nach dem Fälligkeitstag zu begleichen ().
Es steht Ihnen aber frei, die maßgebliche finanzielle Situation ab Eintritt der Abgabenfälligkeiten, die offenen Verbindlichkeiten und die erbrachten Tilgungsleistungen an alle einzeln anzuführenden Gläubiger der GmbH auch auf andere Art und Weise einwandfrei bekannt zu geben.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt Ihnen als Vertreter, Nachweise dafür, wie viel Zahlungsmittel zur Verfügung gestanden sind und in welchem Ausmaß die anderen Gläubiger der GmbH noch Befriedigung erlangten, zu erbringen. Im Fall der Nichterbringung dieser Nachweise muss das Finanzamt davon ausgehen, dass Sie die Ihnen obliegende Verpflichtung, die fällig gewordenen Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu entrichten, schuldhaft verletzt haben, und diese Pflichtverletzung auch ursächlich für den Abgabenausfall bei der GmbH ist. Unter diesen Umständen haften Sie für die uneinbringlichen Abgabenschuldigkeiten im vollen Ausmaß (zB ).
6. Wird der Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung nicht in nachvollziehbarer Weise erbracht, liegt es im Ermessen des Finanzamtes, die Haftung für die unter Punkt 1 genannten Abgabenbeträge auszusprechen, bei Benachteiligung des Abgabengläubigers im Ausmaß der nachgewiesenen Benachteiligung der Abgabenschuldigkeiten gegenüber den anderen Verbindlichkeiten der GmbH (z.B. ). Da der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung allfällige Einzelinteressen verdrängt (z.B. ), sähe sich das Finanzamt veranlasst, die gesetzliche Vertreterhaftung gegen Sie im erforderlichen Ausmaß geltend zu machen.
…"

Eine Beantwortung des Schreibens erfolgte nicht.

Im angefochtenen Bescheid wurde gegenüber dem Bf. die Haftung nach §§ 9, 80 BAO mit folgenden Beträgen geltend gemacht:


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Umsatzsteuer
10/2017
180,76
Umsatzsteuer
11/2017
4.834,72
Lohnsteuer
11/2017
1.065,94
Lohnsteuer
01/2018
156,86
Dienstgeberbeitrag (DB)
11/2017
735,38
Dienstgeberbeitrag
12/2017
51,35
Dienstgeberbeitrag
01/2018
70,97
Zuschlag zum DB (DZ)
11/2017
47,61
Zuschlag zum DB (DZ)
01/2018
6,15
Körperschaftsteuer
01-03/2018
125,00
7.274,74

In seiner Begründung führte er u.a. aus, eine Gläubigergleichbehandlung sei nicht vorgelegt worden und daher könne der Haftungsschuldner wegen schuldhafter Pflichtverletzung zur Haftung herangezogen werden. Im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung sei wesentliches Kriterium die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folge, dass die Geltendmachung in der Regel ermessenskonform sei, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich sei. Hinsichtlich der Lohnsteuer verwies er auf entsprechende Kürzungsvorschrift bei der Entrichtung der Löhne gemäß § 79 Abs. 1 bzw. § 78 Abs. 3 EStG).

In seiner Beschwerde führte der Bf. durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter aus, die Nichtbeantwortung des Aufforderungsschreibens zur Führung des gesetzlichen notwendigen Entlastungsbeweises der belangten Behörde sei darauf zurückzuführen, dass die Adresse nicht mehr aktuell war und dieses ihm nie zugekommen sei. Dazu sei festzuhalten, dass die GmbH mangels liquider Mittel ab November 2017 überhaupt keine Zahlungen mehr geleistet habe, sodass von einer Zahlungseinstellung auszugehen sei. Sämtliche im Haftungsbescheid geltend gemachte Abgaben seien zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig gewesen. Auf Grund der gänzlichen Zahlungseinstellung liege daher keine Ungleichbehandlung vor. In diesem Zusammenhang wurde eine Gläubigerliste des Insolvenzverfahren aus dem Insolvenzakt (ONr. 3/1-3/13 in Höhe von € 104.116,64) sowie entsprechende detaillierte Forderungsanmeldungen von fünf Dienstnehmern und einen Rückstandausweis der BUAK (Bauarbeiterurlaubs- und Abfertigungskasse) vorgelegt.

In ihrer Beschwerdevorentscheidung gab die belangte Behörde der Beschwerde teilweise statt und verminderte den Haftungsbetrag um € 285,89. Entsprechend dem genehmigten Schlussverteilungsentwurf des Masseverwalters sei die Haftungssumme um die Quote von 5,7% zu kürzen. Die teilweise Nichtauszahlung der Löhne für November und Dezember 2017 seien bereits im Haftungsbescheid berücksichtigt worden. Für den gewerberechtlichen Geschäftsführer F. seien die Löhne jedoch noch ausbezahlt worden.

In der weiteren Folge beantragte der Bf. die Beschwerdevorlage an das Bundesfinanzgericht.

Im Vorlagebericht führte die belangte Behörde u.a. aus, bei der Berechnung der Haftungssumme der Beschwerdevorentscheidung sei übersehen worden, bei allen Abgaben die Konkursquote von 5,7% entsprechend zu berücksichtigen. Bei der Lohnsteuer sei im Rahmen einer abgabenbehördlichen Umsatzsteuerprüfung festgestellt worden, dass an den gewerberechtlichen Geschäftsführer im haftungsgegenständlichen Zeitraum noch Bezüge ausbezahlt worden seien.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden ( § 80 Abs. 1 BAO).
Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können ( § 9 Abs. 1 BAO).
Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten ( § 224 Abs. 1 BAO).
Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus. Eine weitere Voraussetzung zur Erfüllung des Tatbestandes des § 9 BAO ist eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Vertreter. Zu dessen Pflichten gehört es, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er den auferlegten Pflichten nicht entsprochen habe, insbesondere nicht habe Sorge tragen können, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf ().
Der Vertreter haftet nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern - was sich aus dem Wort "insoweit" in § 9 BAO eindeutig ergibt - nur in dem Umfang, in dem eine Kausalität zwischen der (schuldhaften) Pflichtverletzung des Vertreters und dem Entgang von Abgaben besteht ().
Bei der Umsatzsteuer ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten ().
Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und somit die Abgabengläubiger benachteiligt hat, so erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat ().
Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Vermag der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden.
Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären ().
Das "Erfordernis der Gleichbehandlung aller Gläubiger der Gesellschaft" durch deren Vertreter ergibt sich erst als Folge des vom Vertreter im Haftungsverfahren dar zu tuenden Fehlens ausreichender Mittel zur Befriedigung der Abgabenverbindlichkeiten ().
Nur der Vertreter wird in der Regel jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung des Vertretenen haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht (). Die Abgabenbehörde ist nicht gehalten, im Wege einer Schätzung auf das Ausmaß der Ungleichbehandlung zu schließen, wenn dazu kein konkretes Vorbringen erstattet wird (). Der bloße Einwand alle Gläubiger gleich behandelt zu haben, ist noch kein entsprechend substantiiertes Vorbringen.
Es obliegt dem Beschwerdeführer nachzuweisen, welcher Betrag unter Einbeziehung der auf den Bankkonten eingegangenen Beträge bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre ().
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lastet auf dem Vertreter auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre ().
Der Bf. wurde zur Erbringung des Nachweises der Gleichbehandlung mit den Schreiben vom aufgefordert und auch im angefochtenen Bescheid darauf hingewiesen, dass eine Darlegung des Nichtvorliegens abgabenrechtlichen Verschuldens nicht erfolgt sei.
Erst im Rahmen der Beschwerde wurde lediglich einerseits das Nichtvorliegen ausreichender Mittel ohne jeweiligen Nachweisen behauptet und andererseits die Auszahlung von Arbeitslöhnen bestritten. Zum Beweise dazu wurden Forderungsanmeldungen von Arbeitnehmern im Insolvenzverfahren mit unterschiedlichen fehlenden Lohnzahlungszeiträumen vorgelegt. Mit diesen Angaben steht auch die von der belangten Behörde eingewandte Tatsache, dass an den gewerberechtlichen Geschäftsführer noch bis 1/2018 Bezüge ausbezahlt worden seien im Einklang, weil dieser erst ab Februar 2018 ausstehende Entgelte anmeldete. Weitere Unterlagen wurden vom Bf. nicht zur Verfügung gestellt, die auf eine offensichtliche Unrichtigkeit der im Rückstand befindlichen und von der GmbH gemeldeten Lohnabgaben (vgl. Haftungsbescheid hinsichtlich L 11/2017 und L 1/2018) schließen lässt. Im Übrigen wird im Zusammenhang mit der Behauptungs- und Konkretisierungslast auf den Beschluss des VwGH ( Rz. 31, 33) verwiesen. Abgesehen davon wurde von der Geltendmachung der Lohnsteuer für 12/2018 in Höhe von 631,84 € - wie noch im Haftungsanschreiben angedeutet - Abstand genommen.

Für aushaftende Abfuhrabgaben wie die Lohnsteuer gelten Ausnahmen vom Gleichheitsgrundsatz (), da nach § 78 Abs. 3 EStG der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten hat. Wird Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen. Nach der durch das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 91/13/0037,0038, ausdrücklich aufrechterhaltenen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fällt es nämlich einem Vertreter im Sinne des § 80 BAO als Verschulden zur Last, wenn er Löhne auszahlt, aber die darauf entfallende Lohnsteuer nicht an das Finanzamt entrichtet ().

Bei der Berechnung des Haftungsbetrages war von sämtlichen im Bescheid angeführten Abgaben die von GmbH erhaltene Konkursquote von 5,7% in Abzug zu bringen und daher die Haftungssumme wie im Spruch ersichtlich zu reduzieren.

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Von einer ermessenswidrigen Inanspruchnahme wird vor allem dann gesprochen, wenn die Abgabenschuld vom Hauptschuldner ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeiten rasch eingebracht werden kann. Die Geltendmachung der Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel dann ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, überwiegt bei der dem Bf. vorzuwerfenden Pflichtverletzung allfällige Billigkeitsgründe, die für eine Abstandnahme von der Heranziehung zur Haftung sprechen würden. Im Übrigen ist eine Einbringlichmachung bei der Primärschuldnerin unzweifelhaft nicht gegeben, weshalb nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden von der Abgabenbehörde bei ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigt werden kann (; , 2006/13/0197; , 2009/16/0085).

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist gemäß Art. 133 B-VG die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da diese Voraussetzungen im Beschwerdefall im Hinblick auf die oben wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vorliegen, war auszusprechen, dass die Revision unzulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.2101085.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at