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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.06.2020, RV/5100846/2020

Die Ausbildung zur Flugbegleiterin ist keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe für ***Kind*** ab Oktober 2016 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG ) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang/Sachverhalt

1. Mit dem am eingebrachten Formular "Beih 1" beantragte der Beschwerdeführer (in der Folge kurz BF) die Zuerkennung von Familienbeihilfe für seine Tochter ***Kind*** (SV-Nr. 1234567890) ab Oktober 2016 aufgrund einer Ausbildung zur Flugbegleiterin.

2. Am übermittelte der BF dem Finanzamt:
a. den Dienstvertrag seiner Tochter mit ***Airline1***, aus dem hervorgeht, dass diese ab als Flugbegleiterin eingestellt werde;
b. den Arbeitsvertrag seiner Tochter mit ***Airline2***, wonach diese ab dem als Flugbegleiterin beschäftigt werde.

3. Mit Bescheid vom wies das Finanzamt diesen Antrag ab mit der Begründung, dass eine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG 1967 ) nicht vorliege, wenn eine Integration in einen Betrieb bereits erfolgt ist, ein Nahebezug zum künftigen Arbeitsplatz gegeben ist und keine allgemein anerkannte Qualifikation erreicht wird.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Eingabe vom Beschwerde mit im Wesentlichen folgender Begründung:
"Meine Tochter besuchte 5 Jahre die HAK und maturierte im Juni 2015. Zur Sprachvertiefung lebte sie bis Anfang September 2016 als Au-pair-Mädchen in ***Ort***. Zurück in Österreich meldete sie sich als arbeitssuchend, begann am bis bei ***Airline1*** eine Ausbildung zur Flugbegleiterin und erhielt per einen Dienstvertrag, welchen sie per kündigte. Nach dem Wechsel zu ***Airline2*** verlangte diese eine erneute, hausinterne theoretische Ausbildung zur Flugbegleiterin, welche sie zwischen und absolvierte. Im Anschluss daran folgten die praktischen Ausbildungsflüge, die dann per in dem aktuell nach wie vor gültigen Arbeitsvertrag endeten. Meine Tochter hatte praktisch keine Berufsausbildung und musste bei beiden Fluggesellschaften deren Ausbildungsprogramm durchlaufen. Ähnlich der Ausbildung zur Krankenpflege oder der Polizei erhielt meine Tochter keine Lehrlingsentschädigung, sondern nur ein "Taschengeld" und nach meinem Wissensstand wird in diesen Berufen die Familienbeihilfe gewährt. Im Sinne eines Gleichheitsprinzips erwarte ich daher die Gewährung der Familienbeihilfe für X bis XI/2016 und I bis IV/2018, also insgesamt 6 Monate."

Der Beschwerde beigelegt war ein Schreiben der ***Airline2*** vom mit auszugsweise folgendem Inhalt:

"Sehr geehrte Frau ***Kind***,
wir freuen uns, Ihnen einen Schulungsvertrag für den Einsatz als Flugbegleiterin, 83 % unbefristet, München anzubieten.
Ob Ihnen im Anschluss hieran ein Angebot für ein Arbeitsverhältnis als Flugbegleiterin gemacht werden kann, hängt insbesondere von dem erfolgreichen Abschluss der Schulung, der ärztlichen Feststellung der Flugtauglichkeit, einer positiven Zuverlässigkeitsüberprüfung sowie der Zustimmung der Personalvertretung ab.
[...]
Der Lehrgang Flugbegleiter München findet statt:
von bis ganztägig.
Das Online Basic Training, das von zu Hause aus bearbeitet wird, beginnt für Sie am ."

5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde mit im Wesentlichen folgender Begründung als unbegründet ab:
"Ihre Tochter hat mit der ***Airline1*** ***Fa***-GmbH einen Ausbildungsvertrag zur Flugbegleiterin für das Flugzeugmuster Airbus A 319 / A 320 mit einer Ausbildungsdauer von bis (erfolgreicher Abschluss) geschlossen. Ein Auslagenersatz für Reise- und Aufenthaltskosten von 52 Euro pro Schulungstag wurde an Ihre Tochter bezahlt. Im Ausbildungsvertrag verpflichtete sich ***Airline1*** nach dem erfolgreichen Ausbildungsabschluss einen befristeten Dienstvertrag mit einer Laufzeit von 24 Monaten anzubieten. Ihre Tochter war im Zeitraum bis bei ***Airline1*** als Flugbegleiterin tätig.
Anschließend wechselte sie zum Unternehmen
***Airline2*** AG. Dort absolviert sie von bis eine hausinterne theoretische Ausbildung zur Flugbegleiterin und hat dafür 380 Euro brutto monatlich als Aufwandsentschädigung erhalten. Ihre Tochter ist seitdem bei der ***Airline2*** beschäftigt.
Sie haben für die Zeiträume 10-12/2016 und 1-4/2018 einen Antrag auf Familienbeihilfe eingebracht.
Die Ausbildung erfolgte im vorliegenden Fall in Bezugnahme auf die spezifische Tätigkeit einer Flugbegleiterin für einen ganz konkreten Arbeitsplatz bei den Fluggesellschaften
***Airline1*** bzw. ***Airline2***. Die Ausbildung zur Flugbegleiterin stellt damit keine schulische Ausbildung oder kursmäßige Ausbildung einer nicht berufstätigen Person ohne konkreten zukünftigen Arbeitsplatz dar. Der Besuch eines Ausbildungskurses einer Fluggesellschaft zur Ausbildung zur Flugbegleiterin bei gleichzeitiger Entlohnung stellt keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit b FLAG dar.
Da Ihre Tochter im Monat Dezember 2016 bereits in einem Arbeitsverhältnis stand, liegt in diesem Monat auch keine Berufsausbildung vor.
Eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit b FLAG, wie sie von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes umschrieben wurde, lag daher nicht vor. Ein Anspruch auf Familienbeihilfe war somit nicht gegeben."


6. Mit Eingabe vom stellte der BF den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Ergänzend zur Beschwerde wurde vorgebracht, dass die Tochter nicht für einen konkreten Arbeitsplatz aufgenommen worden sei, sondern lediglich ein Dienstvertrag in Aussicht gestellt worden sie. In der Ausbildungszeit erhielt sie nur die Reise- und Aufenthaltskosten; dabei handle es sich um keine Entlohnung. Nach der Aufnahme bei der ***Airline2*** musste sie erneut eine Ausbildung machen, da Ausbildungen bei anderen Flugunternehmen nicht anerkannt werden. Auch hierbei handle es sich um keine Aufnahme auf einen konkreten Arbeitsplatz und ebensowenig gab es eine Entlohnung, sondern eine geringe Aufwandsentschädigung. Es wurde an den Standorten keine Unterkunft zur Verfügung gestellt. In beiden Fällen seien die Eltern für den Hauptteil der Lebenshaltungskosten aufgekommen.

7. Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte die Abweisung aus den in der Beschwerdevorentscheidung genannten Gründen.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus dem dargestellten Verfahrensgang samt dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Akten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Strittig ist, ob die Ausbildung zur Flugbegleiterin eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 darstellt.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967 ) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Was unter Berufsausbildung zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht definiert. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Ziel einer Berufsausbildung im Sinn des FLAG 1967 , die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Dazu gehört regelmäßig auch der Nachweis der Qualifikation. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung (zB , ). Unter den Begriff "Berufsausbildung" fallen alle Arten schulischer und kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (zB ). Laut Verwaltungsgerichtshof können im Zuge einer Berufsausbildung auch praktische und nicht nur theoretische Kenntnisse vermittelt werden (zB ) und es fällt auch ein "duales System" der Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf unter eine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 (zB ).

Die Ausbildung zur Flugbegleiterin unterscheidet sich von einer dualen Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf darin, dass es keine gesetzlich geregelte Ausbildungsordnung gibt. Jedes Flugunternehmen hat seine eigene Ausbildung, die -wie der BF festgestellt hat- von anderen Flugunternehmen idR nicht anerkannt wird.
Ein "gesetzlich anerkannter Ausbildungsweg", "ein gesetzlich definiertes Berufsbild" oder ein "gesetzlicher Schutz der Berufsbezeichnung" ist allerdings nicht eine unbedingt notwendige Voraussetzung für die Anerkennung als Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 ().

Bei einigen Flugunternehmen (darunter ***Airline1***) dauert der Grundkurs nur ca. sechs Wochen bei anderen (darunter ***Airline2***) 12 Wochen.
Die Ausbildung beinhaltet im Wesentlichen (siehe https://blog.be-***Airline2***.com/de):
* einen Erste-Hilfe-Kurs, bei dem Medikamente und Hilfsmittel vorgestellt werden, die an Bord sind, um im Notfall Leben zu retten;
* Sicherheits-Trainings, bei denen bei den verwendeten Flugzeug-Modellen Situationen durchspielen, die an Bord passieren können (Brand, Notlandung, Wasserlandung);
* ein Crew Resource Management Training, bei dem es um die Arbeit innerhalb der Crew und das Verhalten an Bord geht;
* ein Service-Training, in dem es um das gastronomischen Service an Bord und die Organisation im Team geht.
Die Praxisphasen finden in der Regel in Form von Übungen in Attrappen oder auch auf Kurzstreckenflügen statt.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes nimmt diese Ausbildung direkten Bezug auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz, anhand der jeweils verwendeten Flugzeugtypen. Es erfolgt in dieser Zeit die für die erfolgreiche Verwendung notwendige Einschulung in das Gerät und die Arbeitsabläufe im Flugunternehmen.
Die Tochter schloss einen Ausbildungsvertrag ab und bezog in dieser Zeit (geringfügige) Bezüge von ***Airline1*** bzw. ***Airline2***. Im Ausbildungsvertrag verpflichtete sich ***Airline1*** bzw. ***Airline2*** nach dem erfolgreichen Ausbildungsabschluss einen befristeten Dienstvertrag anzubieten.
Diese Einschulungsphase war auf den konkreten Arbeitsplatz zugeschnitten, sie diente somit bereits der Berufsausübung und kann demnach nicht als Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 gewertet werden (siehe auch ).

Ergänzend wird noch darauf hingewiesen, dass auch wenn die Ausbildung zur Flugbegleiterin als Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 betrachtet würde, diese nur einmal einen Anspruch auf Familienbeihilfe vermitteln könnte. Eine wiederholte Ausbildung bei einem anderen Flugunternehmen nach Abschluss der ersten Ausbildung wäre keinesfalls begünstigt.

Soweit sich der BF mit dem Hinweis auf die -seiner Meinung nach beihilfenbegünstigte- Ausbildung von Polizisten auf den Gleichheitsgrundsatz beruft, ist Folgendes zu sagen:

Laut Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/16/0203, stellt die Ausbildungsphase/Grundausbildung eines (Grenz-)Polizisten keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 dar. Die Familienbeihilfe steht für die Zeit der Ausbildung nicht zu (siehe für viele in der Folge ergangene abweisende Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichtes: ).
Ebensowenig ist die Grundausbildung in der Finanzverwaltung eine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 , sondern schon Berufsausübung (vgl. ; ; ).

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Ob ein Kind eine Berufsausbildung absolviert, ist eine Tatfrage, die die in freier Beweiswürdigung zu beantworten ist (). Eine solche Tatfrage ist einer Revision nicht zugänglich. Im Übrigen wurde der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Definition einer Berufsausbildung gefolgt.

Linz, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at