Kein Familienbeibhilfenanspruch, wenn sich die Kinder ständig in einem Drittland aufhalten
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom , SV-Nr. ***SVNr***, betreffend Familienbeihilfe, Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit der mit datierten Eingabe beantragte die Beschwerdeführerin unter Verwendung des Vordruckes Beih 1 die Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihre beiden minderjährigen Kinder ***K1*** und ***K2*** ab November 2013. Mit Schreiben vom teilte sie ergänzend mit, dass sie in ***1*** (Kroatien) eine Wohnung habe und dort mit ihren Kindern gemeldet sei. Da sie in Österreich arbeite und somit auf die Betreuung der Kinder seitens ihrer Familie angewiesen sei, die in Bosnien und Herzegowina leben würden, würden ihre Tochter ***K1*** die Volksschule in ***2*** (Bosnien und Herzegowina) besuchen. Ihr Sohn ***K2*** werde im September 2016 an der gleichen Schule eingeschult. Die ganze Familie besitze aber die kroatische Staatsbürgerschaft.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt Landeck Reutte den Antrag für den Zeitraum ab Juli 2014 mit der Begründung ab, dass für Kinder, die sich im EU-Ausland aufhalten würden, kein Anspruch auf Familienleistungen in Österreich bestehe.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte vor, dass ihre Familie kroatische Staatsbürger und auch in Kroatien an der Grenze zu Bosnien und Herzegowina wohnhaft seien. Es sei Wunsch der Kinder gewesen, die Schule in Bosnien und Herzegowina zu besuchen. Ansonsten würden sie in Kroatien leben. Sie habe dem zugestimmt, weil sie in Österreich arbeite und die Kinder in dieser Zeit näher bei ihren Großeltern sein könnten.
Als kroatische Staatsbürgerin zähle sie sich und ihre Familie auch zu EU-Bürgern, weshalb sie das Recht als EU-Bürgerin in Anspruch nehme und den Antrag auf Familienbeihilfe in Österreich stelle. Als rechtmäßig in Österreich gemeldete Arbeitnehmerin, leiste sie auch die entsprechenden Sozialabgaben und sehe sich im Recht die österreichische Familienbeihilfe zu beziehen.
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab, weil die Kinder zwar laut Meldebescheinigung in Kroatien gemeldet seien, aber die Schule in Bosnien und Herzegowina besuchen und sich dort bei den Großeltern aufhalten würden. Aufgrund des ständigen Aufenthaltes der Kinder im Ausland, sei die Gewährung der Familienbeihilfe ausgeschlossen.
Mit Eingabe vom brachte die Beschwerdeführerin dagegen einen Vorlageantrag ein. Sie habe alle vorgeschriebenen Bedingungen für die Realisierung der Rechte auf das Kindergeld erfüllt. Als EU-Bürgerin hab sie dieselben Recht wie alle anderen EU-Bürger und damit auch ihre Kinder. Mit dem Bescheid des Finanzamtes werde ihr Recht auf freie Wahl, wo die Kinder zur Schule gehen, verweigert. Damit sei sie diskriminiert.
Im Rahmen der Vorsprache am bestätigte die Beschwerdefüherin, dass ihr Mann in der Regel nur am Wochenende nach Hause komme und dann - vorallem wenn sie nicht zu Hause sei - zu den Großeltern nach ***2*** in Bosnien und Herzegowina fahre. In Bosnien und Herzegowina könnten sie ein ganzes Haus benützen. In Kroatien hätten sie eine Wohnung in einem Mehrparteienhaus.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Gemäß Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, AblEU Nr. L 166 vom , (im Folgendem VO 883/2004) gilt diese Verordnung für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz haben.
Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG 1967 besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Die VO 883/2004 ersetzt nicht die nationalen Systeme durch ein einheitliches System. Es werden die verschiedenen Systeme der sozialen Sicherheit der einzelnen Mitgliedstaaten lediglich koordiniert. Wer die Berechtigten ihres Systems der sozialen Sicherheit sind, wie hoch der jeweilige Anspruch ist und welche Anspruchsvoraussetzungen zu erfüllen sind, richtet sich nach den nationalen Bestimmungen (vgl. Gebhard in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 53 Rz 83).
Voraussetzung für einen Anspruch auf Familienbeihilfe für die zwei minderjährigen Kinder der Beschwerdeführerin, ***K1***, geboren am ***Geb.-Datum1***, und ***K2***, geboren am ***Geb.-Datum2***, ist es daher, dass sich die Kinder ständig im Gebiet eines Staates aufhalten, auf den die VO 883/2004 anzuwenden ist.
Mangels Anwendbarkeit der VO 883/2004 auf Bosnien und Herzegowina stellt der dortige ständige Aufenthalt der Kinder nach § 5 Abs. 3 FLAG 1967 (der darin verwendete Begriff "Ausland" ist als "Drittland" zu verstehen) einen Ausschließungsgrund zu einem ansonsten allenfalls bestehenden Anspruch dar.
Wie das Finanzamt in seiner Beschwerdevorentscheidung zutreffend ausgeführt hat, ist nach der Rechtsprechung des VwGH der ständige Aufenthalt im Sinne des § 5 Abs. 3 FLAG 1967unter den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs 2 BAO zu beurteilen. Danach hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Ein Aufenthalt in dem genannten Sinne verlangt grundsätzlich körperliche Anwesenheit. Daraus folgt auch, dass eine Person nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann. Um einen gewöhnlichen Aufenthalt aufrechtzuerhalten, ist aber keine ununterbrochene Anwesenheit erforderlich. Abwesenheiten, die nach den Umständen des Falles nur als vorübergehend gewollt anzusehen sind, unterbrechen nicht den Zustand des Verweilens und daher auch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt (vgl zB ). Die Beurteilung hat nicht auf den subjektiven Gesichtspunkt des Mittelpunktes der Lebensinteressen abzustellen, sondern auf das objektive Kriterium der grundsätzlichen körperlichen Anwesenheit (vgl. ). Ein nicht nur vorübergehendes Verweilen liegt jedenfalls vor, wenn sich der Aufenthalt über einen längeren Zeitraum erstreckt (vgl. ; ).
Im Fall einer Ausbildung in einem Land außerhalb der Europäischen Union ist auf die objektiven Umstände des nicht nur eine kurze Zeit andauernden Auslandsaufenthaltes abzustellen und wird dann, wenn aufgrund der faktischen Gegebenheiten eine persönliche Verbundenheit mit dem im Ausland gelegenen (Ausbildungs-)ort zu bejahen ist, ein ständiger, auch nicht durch zwischenzeitliche kurzfristige Abwesenheiten vom Ausbildungsort, so etwa zu Besuchszwecken, in den ausbildungsfreien Zeiten (vgl. etwa ) unterbrochener Auslandaufenthalt vorliegen.
Im Beschwerdefall gehen die Kinder nach dem Beschwerdevorbringen ihrem eigenen Wunsch entsprechend in ***2*** (Bosnien und Herzegowina) zur Schule und halten sich bei den dort ebenfalls ansässigen Großeltern auf, die die Betreuung während der Abwesenheiten der Eltern übernommen haben. Die Beschwerdeführerin und Mutter der Kinder ist in Österreich als Pflegerin tätig und deshalb alle zwei Monate für vier Wochen abwesend. Der Kindesvater arbeitet im Staatsdienst Bosniens und kommt in der Regel nur am Wochenende nach Hause, wobei in der Zeit, in der die Beschwerdeführerin sich in Österreich aufhält, die Rückkehr in der Regel nach ***2*** in Bosnien und Herzegowina erfolgt. Der Schul- und Aufenthaltsort der Kinder in Bosnien und Herzegowina ist auch dadurch bedingt, dass die Entfernung zur Wohnung in Kroatien rund 80 km beträgt und daher eine tägliche Rückkehr, abgesehen von der fehlenden Betreuung, zu aufwändig wäre. Selbst wenn die Beschwerdeführerin in ihrer freien Zeit bei den Kindern verbringt, hält sich die Familie auch in dieser Zeit regelmäßig (Schulbesuch der Kinder) in Bosnien und Herzegowina auf. Dort steht ihnen ein eigenes Haus zur Verfügung. Die Wohnung in Kroatien befindet sich in einem Mehrparteienhaus.
Aufgrund der Gesamtumstände (gemeinsamer Aufenthalt der Geschwister bei den Großeltern über mehrere Jahre, gemeinsamer Besuch der gleichen Schule und damit auch ein über einen längeren Zeitraum bestehende gleichbleibende Kontakte mit Schulkollegen und gleichaltrigen Freunden am Aufenthaltsort und der gegebenen Wohnmöglichkeiten am Wohnort der Großeltern) ist ***2*** in Bosnien und Herzegowina im Rahmen einer vorzunehmenden ex-ante-Betrachtung spätestens mit dem Entschluss, die Kinder von den Großeltern betreuen zu lassen und dort die Schule zu besuchen, als gewöhnlicher und damit als ständiger Aufenthaltsort der Kinder anzusehen.
Die Aufenthalte in der Wohnung in Kroatien (teilweises Verbringen der Ferien aber auch gelegentliche Aufenthalte während der Schulzeit bzw. an Wochenenden) sind hingegen nur als vorübergehende Abwesenheit vom ständigen Aufenthaltsort zu werten, da jeweils von vornherein feststeht, dass die Kinder aufgrund der erforderlichen Betreuung während der Abwesenheit der Eltern und zum Zweck des Schulbesuchs wiederum nach Bosnien und Herzegowina zurückkehren.
Für die Annahme, dass sich die Kinder überwiegend in ***1*** (Kroatien) aufhalten würden und die Aufenthalte in Bosnien und Herzegowina nur als vorübergehende Abwesenheiten von der Wohnung in ***1*** anzusehen sei, ergeben aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin keine konkreten objektiven Anhaltspunkte.
Aus der polizeilichen Anmeldung in Kroatien kann für sich allein gesehen ein ständiger Aufenthalt der Kinder im Sinn des § 5 Abs. 3 FLAG 1967 nicht abgeleitet werden. Daraus ergibt sich lediglich, dass die Personen am darin ausgewiesenen Ort polizeilich gemeldet sind. Eine Negierung der der in Kroatien ausgestellten Dokumente durch die Abgabenbehörde liegt nicht vor. Die Dokumente reichen bei der gegebenen Sachlage nicht aus, einen ständigen Aufenthalt in Kroatien nachzuweisen.
Die behauptete Diskriminierung aufgrund der Staatsbürgerschaft liegt schon deshalb nicht vor, weil bei gleichem Sachverhalt auch Kinder mit österreichsicher Staatsbürgerschaft keinen Anspruch auf Familienbeihilfe vermitteln würden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Erkenntnis folgt der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Vorliegen eines ständigen Auslandsaufenthaltes im Sinne des § 5 Abs. 3 FLAG 1967. Tatsachenfragen sind einer Revision im Allgemeinen ohnehin nicht zugänglich. Die ordentliche Revision war daher als unzulässig zu erklären.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 5 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100487.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at