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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.07.2020, RV/1100388/2019

Wohnsitz und Mittelpunkt der Lebensinteressen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, Liechtenstein, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (in der Folge Bf.) war im streitgegenständlichen Zeitraum bei der AAG, Gasse1, FL-Ort1 unselbständig beschäftigt. Bis zum Jahr 2017 verfügte er in Österreich über einen Wohnsitz.

Am brachte der Bf. über Finanzonline seine Arbeitnehmerveranlagung 2017 samt Beilagen beim Finanzamt ein. Hierin ging er lediglich von einer Steuerpflicht bis Februar 2017 für seine unselbständigen Einkünfte aus Liechtenstein aus.

Mit Ergänzungsersuchen vom führte das Finanzamt im Wesentlichen aus, der Bf. habe bis Juli über einen Wohnsitz in Österreich verfügt. Im streitgegenständliche Zeitraum habe eine Steuerpflicht des Bf. in Österreich bis Juli 2017 bestanden. Dies leite sich daraus ab, dass das Eigenheim des Bf. mit Kaufvertrag vom verkauft und die tatsächliche Übergabe mit erfolgt worden sei. Zudem verlagere sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht sofort bei Wegzug im März 2017. Er bleibe - zumindest solange seine Ehegattin in Österreich gelebt habe - am Familienwohnsitz bestehen. Der Bf. möge daher dazu Stellung nehmen und seine Gegenargumente durch Vorlage geeigneter Unterlagen nachweisen.

In der am über FinanzOnline eingegangenen, schriftlichen Beantwortung brachte der Bf. vor, er habe im November 2016 eine Aufenthaltsbewilligung in Liechtenstein gewonnen und sei daher im März 2017 in ein Zimmer in Ort2/FL gezogen. Da die Familie zwei Hunde habe, sei eine große Wohnung in dieser kurzen Zeit nicht zu bekommen gewesen. Die Eigentumswohnung in Ort3/FL sei erst im Juli 2017 bezugsfertig gewesen. Die Ehegattin habe bis zu diesem Zeitpunkt im Haus in Österreich gewohnt.

Mit Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 vom veranlagte das Finanzamt den Bf. für die Zeit von Jänner bis Juni 2017 zur Einkommensteuer. Die Einkünfte aus der nichtselbständigen Tätigkeit bei der AAG habe das Finanzamt für den Zeitraum März bis Juni 2017 im Schätzungswege in Ansatz gebracht. Basis dafür sei der für Januar 2017 vorgelegte Lohnausweis gewesen.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 wurde vom Bf. am fristgerecht Beschwerde erhoben. Im Wesentlichen wandte er ein, er sei mit März 2017 nach Ort2/FL gezogen. Da er seinen Wohnsitz im März verlegt habe, gelte der März 2017 als Abrechnungsstichtag Iaut § 1 Abs 2 EStG.

Nach weiterem Ergänzungsersuchen vom teilte der Bf. mit Eingabe vom dem Finanzamt mit, dass er bei der ursprünglichen Darstellung des Sachverhaltes verbleibe.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. Im Wesentlichen führte es aus, dass das Einkommen aufgrund der unbeschränkten Steuerpflicht des Bf. bis Juni 2017 in Österreich zu erfassen sei. Einer Besteuerung des Einkommens ausschließlich für die Monate Jänner bis Februar 2017, wie es vom Bf. beantragt worden sei, könne nicht stattgegeben werden.

Im Vorlageantrag vom brachte der Bf. im Wesentlichen vor, dass er im März 2017 nach Liechtenstein verzogen sei. Seine Familie sei auch nach Liechtenstein mitgekommen. Es sei jedoch notwendig gewesen, den Wohnsitz der Ehefrau in Österreich zu belassen. Der gewöhnliche Aufenthalt seiner Frau sei daher bei ihm in Liechtenstein gewesen.

Im Vorlagebericht vom wies das Finanzamt im Wesentlichen auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung hin.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt und Beweiswürdigung

Das Bundesfinanzgericht legt seinem Erkenntnis nachstehenden, aus der Aktenlage hervorgehenden Sachverhalt als feststehend zugrunde:

Unbestritten ist, dass der Bf. österreichischer Staatbürger ist und bis Februar 2017 seinen Wohnsitz in Österreich hatte. Auch die Ehefrau des Bf. ist österreichische Staatsbürgerin. Gemeinsam lebten sie bis Ende Februar 2017 in einem Einfamilienhaus in Straße1, A-22 Ort4. Im gesamten Jahr 2017 war der Bf. in Liechtenstein bei AAG, Gasse1, FL-Ort1 beschäftigt. Ab Juli 2017 verlegte er seinen Wohnsitz nach Liechtenstein unter die Adresse ***BF1StNr1***. Danach verfügte er nur noch in Liechtenstein über einen Wohnsitz. Österreich hatte somit für die Zeit ab Juli 2017 kein Besteuerungsrecht an den liechtensteinischen Einkünften mehr.

Strittig ist im Beschwerdeverfahren, ob Österreich für die Zeit von März bis Juni 2017 das Besteuerungsrecht an den liechtensteinischen Einkünften des Bf. zustand oder nicht.

Laut Meldebestätigung des Einwohnermeldeamtes Ort2/FL erfolgte der Zuzug des Bf. nach Liechtenstein am . Hier war er unter der Adresse Straße2, FL-33 Ort2 gemeldet.

Die Abmeldung des Hauptwohnsitzes in Österreich erfolgte laut Abfrage im Zentralen Melderegister am .

Wie aus der schriftlichen Beantwortung vom des Bf. hervorgeht, bestand die Unterkunft in Liechtenstein, welche der Bf. am 1. März bezog, aus einem Zimmer.

Laut Abfrage im Zentralen Melderegister vom meldete die Ehefrau des Bf. am ihren Hauptwohnsitz in Straße1, A-22 Ort4 ab und verzog nach Liechtenstein.

Mit Juli 2017 zog der Bf. mit seiner Ehefrau in eine Eigentumswohnung in ***BF1StNr1***.

Nach Ansicht des Finanzgerichtes verblieb die Ehegattin bis zum Einzug in die Eigentumswohnung in Ort3/FL in Österreich. Dies leitet die Richterin aus der per FinanzOnline eingegangenen Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom ab. Hierin begründete der Bf. den Verbleib der Ehefrau in Österreich damit, dass die Familie im Streitjahr 2017 zwei Hunde hatte und eine große Wohnung in Liechtenstein in dieser kurzen Zeit nicht zu bekommen war. Er zog vorübergehend lediglich in ein Zimmer in Ort2/FL. Die spätere Aussage im Vorlageantrag vom in dem der Bf. angab, die Ehefrau sei auch nach Liechtenstein mitgekommen und eine Ummeldung des Wohnsitzes wäre wegen des Hausverkaufes nicht möglich gewesen, wertet das Bundesfinanzgericht als reine Schutzbehauptung und als nicht glaubwürdig ein. Zumal das Einfamilienhaus in Ort4/A nur wenige Kilometer vom angemieteten Zimmer in Ort2/FL entfernt lag und dieses auch der bisher gewohnten Lebensweise und Lebensqualität der Familie entsprach.

Mit Kaufvertrag vom verkaufte das Ehepaar sein Einfamilienhaus in Straße1 an die eigene Tochter. Darin wurde die tatsächliche Übergabe der Liegenschaft mit vereinbart.

Rechtliche Beurteilung

Strittig ist im Beschwerdeverfahren, ob Österreich für die Zeit von März bis Juni 2017 das Besteuerungsrecht an den liechtensteinischen Einkünfte des Bf. zustand oder nicht.

Gemäß § 1 Abs 2 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen unbeschränkt steuerpflichtig, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

Ist eine Person unbeschränkt steuerpflichtig, dann erfasst die Steuerpflicht alle steuerbaren Einkünfte iSd § 2 EStG 1988 (Welteinkommen, Totalitätsprinzip).

Für die Auslegung des Wohnsitzbegriffes i. S. d. § 1 Abs. 1 EStG ist § 26 Abs. 1 BAO maßgeblich. Danach hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Steuerrechtlich ist das Bestehen eines Wohnsitzes stets an die objektive Voraussetzung der Innehabung einer Wohnung geknüpft. Innehaben bedeutet, über eine Wohnung tatsächlich oder rechtlich verfügen zu können, sie also jederzeit für den eigenen Wohnbedarf benützen zu können. Maßgeblich ist die tatsächliche Gestaltung der Dinge. Um einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften zu begründen, bedarf es der tatsächlichen Verfügungsgewalt über bestimmte Räumlichkeiten, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sind, also ohne Änderung jederzeit zum Wohnen benutzt werden können und ihrem Inhaber nach Größe und Ausstattung ein den persönlichen Verhältnissen entsprechendes Heim bieten (vgl. ). Für das Vorliegen eines Wohnsitzes ist also das objektive Moment der Innehabung unter den in § 26 BAO genannten Umständen maßgebend (vgl. ).

Dabei fordert der Wohnsitzbegriff nicht die ununterbrochene tatsächliche Benützung der Wohnung. Ob die Wohnung vom Abgabepflichtigen auch tatsächlich benutzt wird, ist nicht entscheidend, sondern nur, ob Umstände dafür sprechen, dass sie ständig durch den Abgabepflichtigen benutzt werden kann (Stoll, BAO-Kommentar, Seite 335). Auch ein ständiger Inlandsaufenthalt ist für die Wohnsitzbegründung nicht notwendig, solange die Verfügungsmacht über die Räumlichkeiten besteht, die zum Wohnen geeignet sind. Bleibt eine Wohnung während des Auslandsaufenthaltes vollständig eingerichtet, wird sie unbewohnt zurückgelassen und auch nicht (unbefristet) vermietet, ist davon auszugehen, dass der inländische Wohnsitz beibehalten worden ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht es für die Begründung eines Wohnsitzes aus, wenn die Wohnung z.B. anlässlich von Inlandsbesuchen benützt wird.

Als Rechtsgründe für die Innehabung kommen Eigentum, Wohnungseigentum, Miete, Untermiete, Wohnungsrecht, aber auch familienrechtliche Ansprüche (z.B. des Ehegatten) in Betracht. Auch ein abgeleiteter Wohnsitz stellt einen Wohnsitz im Sinne des § 26 BAO dar. Von einem abgeleiteten Wohnsitz spricht man u.a. dann, wenn ein Ehegatte auf Grund eherechtlicher Bestimmungen in der Wohnung des anderen Ehegatten zum Wohnen berechtigt ist, was auf eine eheliche Wohnung zutrifft. Bei aufrechter Ehe kann davon ausgegangen werden, dass Ehegatten einen gemeinsamen Wohnsitz dort haben, wo die Familie wohnt. Hält sich der Ehegatte aus beruflichen oder sonstigen Gründen langfristig im Ausland auf und lassen auch die Umstände auf keine dauernde Trennung schließen, dann behält der Ehegatte den Wohnsitz bei der Familie bei (vgl. Doralt9, EStG-Kommentar, Band I, Rz 14 zu § 1 EStG 1988).

Auf die polizeiliche An- bzw. Abmeldung (§ 1 Abs. 1 Meldegesetz) kommt es bei der Klärung der Wohnsitzfrage nicht an, wenngleich diese Faktoren im Einzelfall Indizienwirkung haben können (). Unter den vorgenannten Voraussetzungen steht der Annahme eines inländischen Wohnsitzes und damit auch der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht auch nicht entgegen, wenn sich der Steuerpflichtige häufig im Ausland aufhält, er beruflich im Ausland tätig oder sogar dort polizeilich gemeldet ist, weil diese Kriterien für die Wohnsitzfrage im sinne des § 26 Abs 1 BAO bedeutungslos sind.

Verfügen natürliche Personen über einen Wohnsitz in zwei oder mehreren Staaten, so sind die Besteuerungsrechte auf Grund von Doppelbesteuerungsabkommen auf die beteiligten Staaten aufzuteilen.

Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, wurde zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein das Abkommen BGBl. Nr. 24/1971 (in der Folge: DBA Lie) geschlossen.

Art. 4 des genannten Abkommens bestimmt Folgendes:

"1. Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragstaat ansässige Person":

a) eine natürliche Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthaltes oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist, und

b) eine juristische Person, die ihren Sitz und ihre tatsächliche Geschäftsleitung in diesem Staat hat.

2. Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragstaaten ansässig, so gilt folgendes:

a) Die Person gilt als in dem Vertragstaat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt. Verfügt sie in beiden Vertragstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragstaat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen).

b) Kann nicht bestimmt werden, in welchem Vertragstaat die Person den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Vertragstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragstaat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.

c) Hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Vertragstaaten oder in keinem der Vertragstaaten, so gilt sie als in dem Vertragstaat ansässig, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt.

d) Besitzt die Person die Staatsangehörigkeit beider Vertragstaaten oder keines Vertragstaates, so werden die Vertragstaaten versuchen, die Frage gemäß Artikel 25 zu regeln.

2. Eine in einem Vertragstaat unterhaltene ständige Wohnstätte begründet nur dann einen Wohnsitz im Sinne dieses Abkommens, wenn der Inhaber der Wohnstätte in diesem Staat die fremdenpolizeilichen Voraussetzungen für einen dauernden Aufenthalt erfüllt.

…."

Gemäß § 184 BAO hat die Abgabenbehörde, sofern sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

Der Bf. hat im Beschwerdezeitraum in Österreich (abgeleiteter Wohnsitz über die Ehegattin) als auch in Liechtenstein über einen Wohnsitz verfügt. Er unterlag nach § 1 Abs. 2 EStG 1988 in Österreich der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht, die sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte erstreckt. Infolgedessen ist nach der Regelung des Art. 4 Abs. 2 DBA-Lie für die Beurteilung der Frage, welcher der beiden Vertragsstaaten als Ansässigkeitsstaat gilt, entscheidend, in welchem Staat der Beschwerdeführer den Mittelpunkt der Lebensinteressen hatte.

Nach Lehre und Rechtsprechung ist darunter der Ort zu verstehen, zu dem der Steuerpflichtige nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt und wirtschaftlichen Beziehungen in der Regel eine geringere Bedeutung zukommt als persönlichen Beziehungen (vgl. Hofstätter - Reichel, Die Einkommensteuer - Kommentar, § 1 Tz 9; Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I/1 Z 4 Rz 10, Stand , rdb.at, mwN; ; ; ; ).

Wirtschaftliche Bindungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen aus (vgl. , mwN). Unter persönlichen Beziehungen sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz innehat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen, aber auch Verbindungen zu Sachgesamtheiten, wie Privatsammlungen, und die Mitgliedschaft in Vereinen und andere soziale Engagements (vgl. , mwN).

Die stärkste persönliche Beziehung besteht im Regelfall zu dem Ort, an dem jemand regelmäßig mit seiner Familie lebt (vgl. Hofstätter - Reichel, Die Einkommensteuer - Kommentar, § 1 Tz 9; ; ). Begründet eine Person in einem Staat eine Wohnstätte, ohne ihre im anderen Staat schon bestehende Wohnstätte aufzugeben, so kann die Tatsache, dass sie die erste Wohnstätte beibehält, wo sie bisher gelebt und gearbeitet hat und wo sie ihre Familie und ihren Besitz hat, zusammen mit anderen Gesichtspunkten dafür sprechen, dass sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im ersten Staat beibehalten hat (vgl. , mwN).

Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen kommt es nicht auf die Verhältnisse eines Jahres an, sondern es ist auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen (vgl. , mit Hinweis auf Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht I/1 Z 4 Rz 11 f, Stand , rdb.at). Hierfür spricht auch, dass bei einem Wechsel des Wohn- und Arbeitsortes eine entsprechende Eingewöhnungszeit erforderlich ist und es daher einer gewissen Zeit bedarf, bis entsprechende persönliche Bindungen zum neuen Wohn- und Arbeitsort bestehen.

Gemäß § 119 Abs 1 BAO ist es Aufgabe des Abgabepflichtigen, die für Bestand und Umfang der Abgabepflicht bedeutsamen Umstände vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen. Die entsprechenden Grundlagen sind daher vom Abgabepflichtigen der Behörde beizubringen.

Der Bf. hatte im streitgegenständlichen Zeitraum einen abgeleiteten Wohnsitz über seine Ehegattin in Österreich. Dieser stellt einen Wohnsitz im Sinne des § 26 BAO dar. Auf Grund eherechtlicher Bestimmungen war der Bf. im Einfamilienhaus in Straße1, A-22 Ort4 weiterhin zum Wohnen berechtigt. Bei aufrechter Ehe kann davon ausgegangen werden, dass Ehegatten einen gemeinsamen Wohnsitz dort haben, wo die Familie wohnt und auch die Jahre davor gelebt hatte. Der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht auch, dass der Wechsel des Wohnortes eine entsprechende Eingewöhnungszeit erforderlich macht und es daher einer gewissen Zeit bedarf, bis entsprechende persönliche Bindungen zum neuen Wohnort bestehen.

Überragende Bedeutung hat im Rahmen der anzustellenden Gesamtbildbetrachtung somit die Abmeldung des Hauptwohnsitzes der Ehegattin in Österreich mit und die tatsächliche Übergabe des Einfamilienhauses in Straße1, A-22 Ort4 an die Tochter per . Die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 war daher abzuweisen.

Der Bf. war bis Ende Juni 2017 in Österreich wohnhaft und ansässig. Daher waren die Liechtensteiner Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit bis zu diesem Zeitpunkt in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig.

Ob eine Tatsache als gegeben angenommen wird oder nicht, ist gemäß § 167 Abs. 2 BAO unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen (freie Beweiswürdigung). Freie Beweiswürdigung heißt, dass alle Beweismittel grundsätzlich gleichwertig sind und es keine Beweisregeln gibt. Nach ständiger Rechtsprechung genügt es dabei, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (vgl. Ritz, BAO5, § 167 Rz 8, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung).

Insgesamt war wie im Spruch zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis folgt dem klaren und eindeutigen Gesetz sowie der einschlägigen oben zitierten höchstgerichtlichen Judikatur. Über die auf den Fall anzuwendende Rechtslage besteht in den Kernfragen (Wohnsitz und Lebensmittelpunkt) kein Streit. Strittig sind lediglich die Beweiswürdigung und die darauf aufbauenden Feststellungen. Dies aber stellt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar. Eine (ordentliche) Revision ist somit nicht zulässig

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 26 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.1100388.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at