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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.06.2020, RV/7102341/2020

Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***R*** in der Beschwerdesache ***1*** über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Abweisung der Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2015 bis 2017 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf) regte mit Schreiben vom 15. Mai bzw. eine "amtswegige Wiederaufnahme" der Einkommensteuerbescheide 2015 bis 2017 an und beantragte die Reisekostenabrechnungen (Diätenausgleich) zu berücksichtigen.

Mit der Begründung, dass keine neuen Tatsachen hervorgekommen seien, wies das Finanzamt diese Anträge mit den Bescheiden vom ab.

Dagegen wandte sich der Bf mit dem Rechtsmittel der Beschwerde und führte aus:

"Die Ablehnung der Diätenbeträge, die ich als Arbeitnehmer selbst tragen musste und nunmehr nicht ersetzt bekomme, kann ich nicht nachvollziehen.
Aus diesem Grund liegen nunmehr detaillierte Reisekostenabrechnungen der Jahre 2015 bis 2017 bei, welche umfassend Auskunft pro Monat und pro Jahr geben, welcher Betrag/Tag schlussendlich von mir zu tragen gewesen ist und somit nicht von X Reisen (Arbeitgeber) ersetzt worden ist."

Mit den Beschwerdevorentscheidungen vom wies das Finanzamt die Beschwerden vom ab und begründete dies wie folgt:

Die damalige Wiederaufnahme war abzuweisen, da keine neuen Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen sind die allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Die in Ihrem Antrag auf Wiederaufnahme geltend gemachten Aufwendungen waren Ihnen bereits vor Abschluss des Verfahrens bekannt. Insoweit sind diese nicht als neu hervorgekommen anzusehen.

Es kann daher keine Beschwerde gegen inhaltliche Tatsachen vorgebracht werden, da diese im Verfahren der Wiederaufnahme nicht zur Beurteilung kamen, da der rechtliche Tatbestand der Wiederaufnahme bereits keine Gültigkeit besaß."

Mit Schreiben vom (Vorlageantrag) beantragte der Bf eine neuerliche Überprüfung mit nachstehender Begründung:

"Die Ablehnung der Diätenbeträge, die ich als Arbeitnehmer selbst tragen musste und nunmehr nicht ersetzt bekomme, kann ich nicht nachvollziehen. Die "neuen" Tatsachen oder Beweismittel wurden umfangreich pro Monat und Jahr für die beantragten Jahre 2015 bis 2018 umfangreich beigeschlossen (52 Beilagen, Unterlagen wurden postalisch per Einschreiben übermittelt). Diese detaillierten Aufstellungen der Jahre 2015 bis 2018 zeigen umfangreich, welcher Betrag/Tag schlussendlich von mir zu tragen gewesen ist und somit nicht von X Reisen (Arbeitgeber) ersetzt worden ist.
Diese Kosten wurden bei meinen Ersteinreichungen der Jahre 2015 bis 2018 nicht beantragt und stellen daher meiner Meinung nach sehr wohl eine neue Sachlage dar, deren Ergebnis den Spruch in der Höhe der Vergütung pro Veranlagungsjahr sehr wohl beeinflussen würde."

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und wies darauf hin dass der Bf in seiner Steuererklärung verabsäumt habe, die Reisekosten der Veranlagungsjahre 2015-2017 zu beantragen. Wobei zu bemerken sei, dass sehr wohl Reisekosten als Werbungskosten mit den Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung geltend gemacht worden seien, aber in geringerer Höhe.

Mit diesem Antragsvorbringen habe der Bf jedoch keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht, da ihm die antragsgegenständlichen Umstände im abgeschlossenen Verfahren doch bereits bekannt gewesen wären. Auch seien keinerlei Behauptungen aufgestellt worden, dass diese Tatsachen neu hervorgekommen seien und dem Bf nicht schon früher bekannt gewesen seien. Er habe es lediglich, wenn auch versehentlich, unterlassen, diese auch geltend zu machen.
Im Ergebnis enthalte der streitgegenständliche Wiederaufnahmsantrag also keinen einzigen tauglichen Wiederaufnahmegrund nach §303 BAO.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 303 Abs. 1 BAO idFd FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 13/2014 kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Gemäß § 303 Abs. 2 BAO hat der Wiederaufnahmeantrag zu enthalten:

a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird,

b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird.

Gemäß § 303 Abs. 3 BAO wird der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, durch Verordnung die für die Ermessensübung bedeutsamem Umstände zu bestimmen.

Tatsachen iSd § 303 Abs. 1 lit. b BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten.

Keine "Tatsachen" sind hingegen etwa (vgl. Ritz, BAO, 6. Aufl., § 303 Tz 23):
- neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, gleichgültig, ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung, oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Rechtslage eigenständig gewonnen werden (; , 96/15/0148; , 2008/15/0215),
- das Hervorkommen von Rechtsirrtümern (; ),
- die Nachholung von in der Abgabenerklärung vergessenen Positionen wie zB. Werbungskosten ().

Umstände, die einer Partei im Zeitpunkt der Entscheidung zwar bekannt sind, jedoch etwa auf Grund einer Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht bei der Bescheiderlassung nicht berücksichtigt werden konnten, bilden keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund für eine Wiederaufnahme auf Antrag der Partei (vgl. Fischerlehner, Abgabenverfahren², § 303 BAO, Anm. 6; sowie nochmals zB ).

Das Wiederaufnahmeverfahren hat nicht den Zweck, die Versäumnisse des Bf. im Abgabenverfahren zu sanieren.

Unter Bedachtnahme auf die dargestellte Rechtslage konnte der Beschwerde aus nachstehenden Erwägungen kein Erfolg beschieden sein:

Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist die vom Bf angeregte Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO der Einkommensteuerbescheide 2015 bis 2017.

Die darin als neu hervorgekommene Tatsache ins Treffen geführten Reisekostenabrechnungen(Diätenausgleich) sind jedoch, wie das Finanzamt im Vorlagebericht, dem nach der Rechtsprechung wie einer Beschwerdevorentscheidung Vorhaltscharakter zukommt (vgl ), zutreffend ausgeführt hat, nicht geeignet, einen Anspruch auf Wiederaufnahme der Verfahren zu begründen, da dem Bf diese Tatsache zweifelsohne schon in den abgeschlossenen Einkommensteuerverfahren bekannt gewesen war, zumal er in den Erklärungen bereits Reisekosten - wenn auch in geringerer Höhe - beantragt hat. Angesichts dieses unzweifelhaften Umstandes kann aus der Sicht des Bf wohl keinesfalls von einer "neu hervorgekommenen Tatsache" im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO gesprochen werden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die für den vorliegenden Beschwerdefall bedeutsamen Rechtsfragen sind in der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Bundesfinanzgerichtes ausreichend beantwortet. Die Voraussetzungen einer Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG sind damit nicht gegeben.

Es war somit wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102341.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at