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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.05.2020, RV/2100319/2015

Zwei Lohnsteuerhaftungsbescheide für den selben Zeitraum

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/15/0078. Zurückweisung mit Beschluss vom .


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/2100319/2015-RS1
Der Lohnsteuerhaftungsbescheid ist ein Sammelbescheid. Daher bedarf es keiner Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn der Arbeitgeber in einem späteren Haftungsbescheid für Lohnsteuer anderer Arbeitnehmer oder für andere Monate in Anspruch genommen wird ().

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***1*** in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Paul Wilhelm Hanseli, Wastiangasse 14, 8010 Graz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom über die Haftung zur Abfuhr der Lohnsteuer für den Zeitraum 2008 zur Steuernummer ***BF1StNr1***8zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Im Zuge einer GPLA wurde unter anderem festgestellt, dass das Beschäftigungsverhältnis des ***2*** anstatt einer selbständigen eine nicht selbständige Tätigkeit gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 darstellt. Von der sich daraus ergebenden Lohnsteuernachforderung wurde laut Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung Abstand genommen, da nachgewiesen werden hätte können, dass die Entgelte bereits über das Finanzamt in der Einkommensteuer veranlagt bzw. eine Vorauszahlung geleistet worden sei. Hinsichtlich der Feststellungen betreffend die anderen Arbeitnehmer wurde der Haftungsbescheid vom über die Nachforderung von Lohnsteuer für das Jahr 2008 erlassen und die Beschwerdeführerin (Bf) für die Entrichtung dieser Lohnsteuer in Anspruch genommen.

Am erließ das Finanzamt einen weiteren Haftungsbescheid für den Zeitraum 2008, mit dem die Bf als Arbeitgeberin für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn zu entrichtenden Lohnsteuer in Höhe von € 18.644,00 in Anspruch genommen wurde. Begründend wurde ausgeführt, dass bei der im Kalenderjahr 2011 durchgeführten GPLA-Prüfung für Herrn ***2*** ein Dienstverhältnis gemäß § 47 Abs. 2 1988 festgestellt worden sei. Da der Arbeitgeber gemäß § 82 EStG 1988 für die Einhaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn anfallenden Lohnsteuer verpflichtet sei, werde die Bf als Arbeitgeber des Dienstnehmers ***2******2*** zur Haftung herangezogen. Die für die ausbezahlten Arbeitslöhne fällige Lohnsteuer werde im Zuge der Prüfung zur Vorschreibung gebracht. Die Lohnsteuer sei anhand des in der Prüfung festgestellten Arbeitslohnes (€ 55.000,-) nach dem jährlichen Einkommensteuertarif gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1998 errechnet worden.

In der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde eingewendet, dass die Bf fälschlicherweise für die Einhaltung und Abfuhr einer Lohnsteuer iHv € 18.644,00 in Anspruch genommen werde, da es diesbezüglich bereits einen rechtskräftigen Bescheid vom geben würde. Es sei im damaligen Bericht gemäß § 150 BAO ausdrücklich festgestellt worden, dass von der Lohnsteuernachforderung aus obig erwähnten und nachgewiesenen Gründen Abstand genommen werde. Eine Vorschreibung mittels Bescheid zur Abführung der Lohnsteuer sei jetzt für den Zeitraum 2008 daher unzulässig.

Unter Hinweis auf § 299 BAO wird bemängelt, dass das Finanzamt den Bescheid vom innerhalb der Frist gemäß § 302 Abs. 1 BAO aufheben hätte müssen. Weiters wird darauf hingewiesen, dass das Finanzamt das Verfahren mit der Bf gemäß § 303 BAO wiederaufnehmen hätte müssen, bevor es einen neuen Bescheid gegen die Bf hätte erlassen dürfen. Es sei zu keiner rechtskonformen Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO im vorliegenden Verfahren gekommen. Der Bescheid sei daher unzulässigerweise ergangen.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung verwies das Finanzamt darauf, dass mit dem bekämpften Bescheid die Bf als Rechtsnachfolgerin - ohne neuerliche Prüfung - für die Lohnsteuernachforderung betreffend Herrn ***2*** in Höhe von € 18.644,00 in Anspruch genommen worden sei, weil sich nachträglich herausgestellt habe, dass das von Herrn ***2*** vereinnahmte Entgelt nicht der Einkommensbesteuerung unterzogen worden sei.

Der Spruch eines Bescheides sei die Willenserklärung der Behörde. In diesem werde der normative Inhalt zum Ausdruck gebracht. Mit dem Spruch des Bescheides vom sei die Haftung der Rechtsvorgängerin der nunmehrigen Bf für den Betrag in der Höhe von € 7.091,95 geltend gemacht worden. Nur der Spruch eines Bescheides sei verbindlich, im Rechtsmittelverfahren anfechtbar und bestandsfähig. In Rechtskraft erwachsen sei somit nur die Haftungsinanspruchnahme für den genannten Betrag, jedoch nicht die Ausführungen in der Begründung. Die Begründung diene der Nachvollziehbarkeit und Kontrollierbarkeit eines Bescheides.

Sache des Bescheides vom sei die Geltendmachung der Haftung für den genannten Betrag gewesen. In dieser Sache hätte keine weitere Entscheidung ergehen dürfen. Die Inanspruchnahme der Haftung für den gegenständlichen Betrag in der Höhe von € 18.644,00 (aufgrund eines Dienstverhältnisses des Herrn ***2***) sei nicht Sache des Bescheides vom gewesen. Diese Haftung sei mit einem weiteren Bescheid geltend zu machen gewesen. Mangels entschiedener Sache sei daher eine Aufhebung nach § 299 BAO oder eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht erforderlich gewesen. Auf die diesbezüglichen Vorbringen sei daher nicht näher einzugehen gewesen.

In dem dagegen fristgerecht erhobenen Vorlageantrag wiederholte die Bf ihr Vorbringen und bemängelt, dass das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung einerseits begründen würde, dass in der Sache keine weitere Entscheidung ergehen hätte dürfen, und andererseits führe das Finanzamt aus, dass die Haftung mit einem weiteren Bescheid geltend zu machen gewesen sei. Diese Ausführung würden in einem eklatanten Widerspruch zueinander stehen.

Das Finanzamt legte die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte zum Sachverhalt ergänzend aus, dass im Zuge einer GPLA die Lohnsteuer eines Arbeitnehmers der Bf nicht vorgeschrieben wurde, weil die Steuer im Zuge einer Veranlagung beim Wohnsitzfinanzamt bereits veranlagt gewesen sei. Da beim Arbeitnehmer aber in weiterer Folge kein Pflichtveranlagungstatbestand vorgelegen sei, hätte dieser den Antrag auf Veranlagung zurückziehen können. Daher hätte das Finanzamt die Bf nach § 82 EStG 1988 für den Einbehalt und die Abfuhr der Lohnsteuer haftbar gemacht und die Lohnsteuer mit einem gesonderten Haftungsbescheid nachgefordert. Da nach § 82 EStG der Arbeitgeber für den Einbehalt und die Abfuhr der Lohnsteuer haften würde, unabhängig davon, ob eine direkte Inanspruchnahme des Arbeitnehmers nach § 83 EStG 1988 vorliegen würde, werde beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Die im Zuge der in Rede stehenden Lohnabgabenprüfung getroffene Feststellung, dass die Einkünfte aus der Beratungstätigkeit des ***2*** für die Bf der Pflichtversicherung nach dem ASVG unterliegen und damit eine nichtselbständige Tätigkeit vorliegt, hat der VwGH mit Erkenntnis vom , 2013/08/0191, bestätigt.

Laut Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom hat das Finanzamt von der Nachforderung der sich aus den an Herrn ***2*** ausbezahlten Entgelten ergebenden Lohnsteuer Abstand genommen. Dies beruhte offensichtlich darauf, dass Herr ***2*** Einkommensteuervorauszahlungen für das Jahr 2008 geleistet hat.

Die Veranlagung der Einkünfte des Herrn ***2*** erfolgte mittels Erstbescheid am . In diese Veranlagung wurden die im Zuge der Lohnabgabenprüfung festgestellten nichtselbständigen Einkünfte und Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug einbezogen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde an die damals zuständige Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorgelegt. Das Beschwerdeverfahren endete darin, dass nach Ergehen der Entscheidung des -G/13, in der festgestellt wurde, dass kein Pflichtveranlagungstatbestand für die Einkünfte des ***2*** vorgelegen ist, das Finanzamt den bekämpften Veranlagungsbescheid vom am gemäß § 299 BAO aufgehoben hat.

Das Finanzamt forderte daraufhin mit dem gegenständlich angefochtenen Haftungsbescheid vom für den Zeitraum 2008 von der Bf entsprechend der Feststellung laut Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom die sich aus den Entgelten für die nichtselbständige Tätigkeit des ***2*** für die Bf ergebende Lohnsteuer nach.

Gemäß § 82 EStG 1988 haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer. Der Umstand, dass die Voraussetzungen des § 83 Abs. 2 Z 1 und 4 EStG 1988 vorliegen, steht einer Inanspruchnahme des Arbeitgebers nicht entgegen.

Nach § 83 Abs. 1 EStG 1988 ist beim Lohnsteuerabzug der Arbeitnehmer Steuerschuldner. Er wird gemäß § 83 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 dann unmittelbar in Anspruch genommen, wenn die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 EStG (Pflichtveranlagung) vorliegen. Der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten (§ 78 Abs. 1 EStG 1988) und die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates in einem Betrag an das Finanzamt der Betriebsstätte abzuführen (§ 79 Abs. 1 EStG 1988).

Gemäß § 86 Abs. 1 EStG 1988 hat das Finanzamt der Betriebsstätte (§ 81) die Einhaltung aller für die ordnungsgemäße Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer sowie die für die Erhebung des Dienstgeberbeitrages (§ 41 FLAG) und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (§ 122 Abs. 7 Wirtschaftskammergesetz 1998) maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu prüfen (Lohnsteuerprüfung).

Zu der von der Bf in der Beschwerde vertretenen Rechtsmeinung, wonach das Finanzamt den nach Durchführung der Lohnabgabenprüfung ergangenen Haftungsbescheid vom betreffend Lohnsteuer gemäß § 299 BAO innerhalb der Frist des § 302 Abs. 1 BAO aufheben hätte müssen bzw. dieses Verfahren gemäß § 303 BAO wiederaufnehmen hätte müssen, um den gegenständlich angefochtenen Bescheid erlassen zu können, ist auf JAKOM, Kommentar EStG, Rz 2 zu § 86, und die hierzu zitierte Judikatur zu verweisen, wonach der Lohnsteuerhaftungsbescheid, wenn er sich auf mehrere Arbeitnehmer und Monate bezieht und von der Bestimmung des § 86 Abs. 2 EStG 1988 kein Gebrauch gemacht wird, einen Sammelbescheid darstellt, weil die Lohnsteuer grundsätzlich pro Arbeitnehmer und Monat anfällt. Daher bedarf es keiner Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn der Arbeitgeber in einem späteren Haftungsbescheid für Lohnsteuer anderer Arbeitnehmer oder für andere Monate in Anspruch genommen wird ().

Die mit Haftungsbescheid vom nach Durchführung der Lohnabgabenprüfung festgesetzte Lohnsteuer hat laut Bericht jedoch nicht die nichtselbständigen Einkünfte des ***2***, sondern die Lohnsteuer für andere Arbeitnehmer der Bf betroffen. Ein Haftungsbescheid über die Nachforderung der die nichtselbständigen Einkünfte des Herrn ***2*** im strittigen Jahr betreffende Lohnsteuer wurde entgegen der Ansicht der Bf, es gebe bereits einen rechtskräftigen Bescheid, am nicht erlassen. Damit kann die Bf in einem späteren Haftungsbescheid für die Lohnsteuer eines anderen Arbeitnehmers für dasselbe Jahr mit einem weiteren Haftungsbescheid entsprechend der gesetzlichen Bestimmung des § 82 EStG 1988 in Anspruch genommen werden. Dies vor allem auch deswegen, weil im Zuge der Lohnabgabenprüfung unbestritten ein tauglicher Wiederaufnahmegrund im Zusammenhang mit der Tätigkeit des ***2*** hervorgekommen ist und somit die Voraussetzungen des § 201 Abs. 2 Z 3 BAO vorgelegen sind. Dies wird von der Bf in diesem Verfahren auch nicht bestritten.

§ 82 EStG 1988 bestimmt, dass eine Pflichtveranlagung oder Veranlagung auf Antrag des betroffenen Arbeitnehmers der Inanspruchnahme des Arbeitgebers für die Lohnsteuer nicht entgegen steht. Umso mehr hat dies zu gelten, wenn ein Pflichtveranlagungstatbestand nicht vorliegt bzw. wenn der betroffene Arbeitnehmer seinen Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung zurückzieht.

Zu den weiteren Einwendungen der Bf, es sei im damaligen Bericht gemäß § 150 BAO ausdrücklich festgestellt worden, dass von der Lohnsteuernachforderung aus obig erwähnten und nachgewiesenen Gründen Abstand genommen werde, ist darauf hinzuweisen, dass, wie das Finanzamt in der BVE bereits ausführlich dargelegt hat, es sich bei dieser Äußerung nicht um den Spruchbestandteil eines erlassenen Bescheides, sondern um eine erklärende Äußerung des Prüfers gehandelt hat, warum (zumindest zum damaligen Zeitpunkt) von der Nachforderung der Lohnsteuer Abstand genommen wurde.

Auf Grund dieser Ausführungen vertritt das Bundesfinanzgericht ebenso wie das Finanzamt unter Hinweis auf die Ausführungen in der BVE die Ansicht, dass der bekämpfte Haftungsbescheid rechtskonform ergangen ist, weswegen die Beschwerde abzuweisen war.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nachdem die Beschwerde insoweit keine für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen aufwirft, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme, war unter Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen und die zitierte Rechtsprechung die Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision auszusprechen.

Graz, am

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