Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.07.2020, RV/3100481/2020

Säumniszuschlag bei anhängigem Beschwerdeverfahren betreffend Stammabgabe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterR in der Beschwerdesache
Bf, Anschrift, vertreten durch Dkfm. Erwin Baldauf und Mag. Reinhard Eberle Wirtschaftstreuhandgesellschaft OG Steuerberatungs und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Innsbrucker Straße 8, 6600 Reutte, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Säumniszuschläge 2012, 2013, 2014, 2015, 2016 und 2017 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG ) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Beim Beschwerdeführer wurde zu AB-Nr. A eine GPLA-Prüfung durchgeführt. Gegenstand dieser Prüfung waren unter anderem Lohnsteuer von bis . Aufgrund der getroffenen Feststellungen laut Bericht gemäß § 150 BAO vom wurde der Beschwerdeführer mit Haftungsbescheiden vom für die Jahre 2012, 2013, 2014, 2015, 2016 und 2017 gemäß § 82 EStG 1988 als Arbeitgeber für die Einbehaltung und Abfuhr bereits fälliger vom Arbeitslohn zu entrichtender Lohnsteuer in Anspruch genommen.

Mit Bescheiden vom setzte das Finanzamt Innsbruck folgende Säumniszuschläge fest:

Säumniszuschlag in Höhe von € 672,00 für das Jahr 2012 (Bemessungsgrundlage Lohnsteuer € 33.600,00)
Säumniszuschlag in Höhe von € 672,00 für das Jahr 2013 (Bemessungsgrundlage Lohnsteuer € 33.600,00)
Säumniszuschlag in Höhe von € 682,99 für das Jahr 2014 (Bemessungsgrundlage Lohnsteuer € 34.149,50)
Säumniszuschlag in Höhe von € 654,19 für das Jahr 2015 (Bemessungsgrundlage Lohnsteuer € 32.709,50)
Säumniszuschlag in Höhe von € 5.015,85 für das Jahr 2016 (Bemessungsgrundlage Lohnsteuer € 250.792,50)
Säumniszuschlag in Höhe von € 4.359,16 für das Jahr 2017 (Bemessungsgrundlage Lohnsteuer € 217.958,00)

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass diese dem Bericht vom und allenfalls der Niederschrift über die Schlussbesprechung zu entnehmen sei. Im angeführten Bericht wurden unter anderem die Zeiträume, für die die jeweiligen Abgaben festgesetzt wurden sowie die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Säumniszuschläge dargestellt.

Gegen die den Säumniszuschlagsbescheiden zugrundeliegenden Haftungsbescheide für die Jahre 2012, 2013, 2014, 2015, 2016 und 2017 sowie gegen die Bescheide über die Festsetzung der Säumniszuschläge wurde mit Schriftsatz vom Beschwerde eingebracht und im Wesentlichen vorgebracht, die prüfungsgegenständlichen Sonderzahlungen würden alle Formalvoraussetzungen des § 67 Abs. 1 EStG 1988 erfüllen. Weiters wurden die pauschalen Nachberechnungen von Erschwerniszulagen bzw. Nachberechnungen von Lohnbestandteilen gemäß § 68 Abs. 1 EStG 1988 beeinsprucht.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt Innsbruck die Beschwerde gegen die gegen die Bescheide über die Festsetzung der Säumniszuschläge als unbegründet abgewiesen und begründend im Wesentlichen ausgeführt, nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei der Eintritt der Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages allein davon abhängig, dass eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird (Formalschuldcharakter der Säumniszuschlagsverpflichtung).

Mit Vorlageantrag vom beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über die Beschwerde durch das das Bundesfinanzgericht und brachte ergänzend im Wesentlichen vor, gemäß § 217 Abs. 4 BAO seien Säumniszuschläge für Abgabenschuldigkeiten insoweit nicht zu entrichten, als ihre Einhebung gemäß § 212a BAO ausgesetzt ist. Diese Aussetzung für die Hauptsache sei mit der Beschwerde vom beantragt und gewährt worden. In der Begründung der Beschwerdevorentscheidung werde nur auf eine bisherige Rechtsprechung des VwGH verwiesen, ohne ein VwGH-Erkenntnis anzuführen. Das Ergebnis der GPLA-Prüfung sei mittels Beschwerde innerhalb der Rechtsmittelfrist beeinsprucht worden. Die Beschwerde sei noch anhängig. Es würde allen Verfahrensgrundsätzen widersprechen, dass für einen Säumniszuschlag ein abgesonderter Zahlungstermin festgesetzt werde, weil ein Säumniszuschlag immer nur erhoben werden könne, wenn eine Hauptabgabenforderung rechtskräftig festgesetzt wurde. Solange die Abgabenforderung aus der GPLA noch nicht rechtskräftig entschieden sei bzw. ausgesetzt sei, könne es keinen Zahlungsverzug beim Säumniszuschlag geben. Insoweit könne es auch keinen Formalschuldcharakter der Säumniszuschlagsverpflichtung geben.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens sind ausschließlich die oben angeführten Bescheide vom über die Festsetzung der Säumniszuschläge. Über die Beschwerde gegen die den Säumniszuschlagsbescheiden zugrundeliegenden Haftungsbescheide ist zuständigkeitshalber gesondert zu entscheiden.

Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d BAO), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind gemäß § 217 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.

Gemäß § 217 Abs. 2 BAO beträgt der erste Säumniszuschlag 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.

Gemäß § 217 Abs. 4 lit. a BAO sind Säumniszuschläge für Abgabenschuldigkeiten insoweit nicht zu entrichten, als ihre Einhebung gemäß § 212a BAO ausgesetzt ist.

Gemäß § 217 Abs. 8 BAO hat im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld die Berechnung der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen.

Gemäß § 79 Abs. 1 EStG 1988 hat der Arbeitgeber die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am 15. Tag nach dem Ablauf des Kalendermonats in einem Betrag an das Finanzamt der Betriebsstätte abzuführen.

Selbstbemessungsabgaben sind Abgaben, bei denen der Abgabenschuldner (Eigenschuldner) oder der Abfuhrpflichtige (Haftungspflichtige) die Abgaben selbst zu berechnen und zu entrichten hat, ohne dass eine vorherige abgabenbehördliche Tätigkeit, wie etwa die bescheidmäßige Festsetzung, abgewartet werden darf. Bei der Lohnsteuer handelt es sich um derartige Selbstbemessungsabgaben (vgl. Ritz, BAO6, § 201 Tz. 1 und 4 sowie § 202 Tz. 1).

Durch die Haftungsbescheide vom in Folge der GPLA-Prüfung wurde keine neue Fälligkeit ausgelöst. Vielmehr traten die Fälligkeiten der hier gegenständlichen Lohnsteuer für die Zeiträume zwischen und entsprechend den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten (§ 79 Abs. 1 EStG 1988) jeweils vor bzw. spätestens am ein. Die den Säumniszuschlägen zugrundeliegenden Abgaben waren demnach nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Säumniszuschlagspflicht nicht den Bestand einer sachlich richtigen, sondern nur einer formellen Abgabenschuld voraus. Bei festgesetzten Abgaben besteht eine allfällige Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages ohne Rücksicht auf die sachliche Richtigkeit der Vorschreibung (vgl. ; siehe dazu auch , 0054).

Bemessungsgrundlage des Säumniszuschlages ist die nicht entrichtete Abgabenschuldigkeit, dies unabhängig davon, ob die Festsetzung der Stammabgabe rechtmäßig ist und ob die Festsetzung rechtskräftig ist oder ob die Festsetzung mit Bescheidbeschwerde angefochten ist (Ritz, aaO, § 217 Tz. 4 mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung dargetan, dass es im Allgemeinen auf keine aufzugreifenden Bedenken stoße, wenn über Beschwerden gegen die Säumniszuschlagsbescheide entschieden werde, obwohl über die gegen die Stammabgabenbescheide gerichteten Beschwerden noch nicht abgesprochen wurde (vgl. ). Der Umstand, dass gegen die zugrundeliegenden Abgabenfestsetzungen Beschwerde eingebracht worden ist und die mit den oben dargestellten Haftungsbescheiden vorgeschriebenen Abgaben bestritten wurden, hindert somit nicht die Festsetzung von Säumniszuschlägen. Dem im Vorlageantrag erhoben Einwand, ein Säumniszuschlag könne nur erhoben werden, wenn eine Hauptabgabenforderung rechtskräftig festgesetzt wird, kann demnach nicht gefolgt werden.

Zu dem zu § 217 Abs. 4 BAO erstatteten Vorbringen ist darauf zu verweisen, dass der Aussetzungsantrag betreffend die Einhebung der Lohnsteuer und des Säumniszuschlages vom Beschwerdeführer am gestellt wurde, somit zu einem Zeitpunkt, zu welchem die Fälligkeit der gegenständlichen Lohnsteuer ( und früher) bereits eingetreten war. Die mit dem Antrag auf Aussetzung der Einhebung verbundene Wirkung der Hemmung der Einbringung nach § 230 Abs. 6 BAO bestand erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung (). Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass durch einen Aussetzungsantrag Rechtsfolgen, die bereits vor Antragstellung durch die nicht zeitgerechte Entrichtung einer Abgabe eingetreten sind, rückgängig gemacht werden sollten (). Die mit Bescheid vom bewilligte Aussetzung der Einhebung steht somit der Festsetzung der Säumniszuschläge nicht entgegen.

Die gesetzlichen Voraussetzungen der Verhängung von Säumniszuschlägen sind damit erfüllt, weshalb aufgrund der zwingenden Bestimmung des § 217 BAO die Festsetzung der Säumniszuschläge im Ausmaß von 2% der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbeträge (Lohnsteuer) zu Recht erfolgte, sodass die hier gegenständliche Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

Informativ wird darauf hingewiesen, dass gemäß § 217 Abs. 8 BAO im Fall einer nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld im Beschwerdeverfahren gegen die den Säumniszuschlägen zugrundeliegenden Bescheide die Berechnung des Säumniszuschlages bzw. der Säumniszuschläge unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen haben wird.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn es von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts-hofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Dies ist vorliegend nicht der Fall, die Entscheidung erfolgte in Übereinstimmung mit der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Auf die zitierte Rechtsprechung wird verwiesen. Die Revision ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 79 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 217 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 230 Abs. 6 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 17a VfGG, Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, BGBl. Nr. 85/1953
§ 24a VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 217 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 217 Abs. 4 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 217 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 217 Abs. 8 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Aussetzung der Einhebung
Stammabgabe
Säumniszuschlag
Verweise





Ritz, BAO, 6. Aufl., § 201 Tz. 1
Ritz, BAO, 6. Aufl., § 201 Tz. 4
Ritz, BAO, 6. Aufl., § 202 Tz. 1
Ritz, BAO, 6. Aufl., § 217 Tz. 4
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100481.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at