Krankheitskosten für die volljährige Tochter als außergewöhnliche Belastung gem. § 34 Abs. 7 Z 4 EStG
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Einkommensteuer 2016 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
In der elektronischen Einkommensteuererklärung für das Jahr 2016 machte die Beschwerdeführerin (Bf.) 4.361 € als außergewöhnliche Belastung für ihre volljährige, an einer Behinderung leidende Tochter geltend.
Mit Bescheid vom wurde dem Antrag der Bf. insoweit entsprochen, als der geltend gemachte Betrag unter Anrechnung eines Selbstbehaltes als außergewöhnliche Belastung zum Ansatz gebracht wurde. Dieser wirkte sich wegen des Selbsthaltes nicht steuermindernd aus.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde von der Bf. eingewendet, dass sie seit Feststellung einer 40%-igen Behinderung ihrer Tochter T jährlich die erforderlichen Skoliose-Behandlungskosten (von rund 5.000 € p.a.) übernommen und diese steuerlich geltend gemacht habe, da ihre Tochter während ihrer Ausbildung (Studium) über kein eigenes Einkommen verfügt habe. Von Jänner bis September 2016 habe sich ihre Tochter wie jedes Jahr unterschiedlichen notwendigen Skoliosetherapien unterzogen. Da T in dieser Zeit über kein eigenes Einkommen verfügt habe, habe die Bf. als Mutter die Behandlungskosten übernommen. T habe im Juli 2016 ihr Masterstudium abgeschlossen und per zu arbeiten begonnen. Dieses Einkommen im 4. Quartal 2016 sei nicht für Therapiekosten verwendet worden. Sie ersuche um zeitliche Abgrenzung der Kostenzuordnung für die ersten neun Monate des Jahres 2016, wo ihre Tochter noch kein Einkommen gehabt habe, und um Anerkennung der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastung ohne Anrechnung eines Selbstbehaltes.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass Unterhaltsleistungen für Kinder grundsätzlich mit der Familienbeihilfe und dem Kinderabsetzbetrag sowie einem Unterhaltsabsetzbetrag abgegolten seien. Bestimmte außergewöhnliche Belastungen könnten für Kinder auch ohne Selbstbehalt berücksichtigt werden. Kinder im Sinne dieser Bestimmungen seien Kinder, für die in einem Kalenderjahr länger als sechs Monate der Kinderabsetzbetrag zustehe. Die Tochter T habe im Jahr 2016 nur für zwei Monate Familienbeihilfe mit Kinderabsetzbetrag erhalten. Die beantragten Unterhaltskosten seien daher als Unterhaltskosten im Sinne des § 34 Abs. 7 Ziffer 4 anzuerkennen. Die außergewöhnliche Belastung sei jedoch um einen Selbstbehalt im Sinne des § 34 Abs. 4 zu kürzen.
In dem dagegen erhobenen Vorlageantrag wiederholte die Bf. ihr Beschwerdevorbringen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die am **** geborene Tochter der Bf., T, leidet an einer idiopathischen Skoliose. Laut amtlicher Bescheinigung des Bundessozialamtes vom beträgt das Ausmaß der Behinderung 40%. Im Beschwerdejahr 2016 betrieb T ein Studium an der Fachhochschule Campus Wien und schloss dieses im Juli ab. Am begann sie zu arbeiten und erzielte ab diesem Zeitpunkt eigene Einkünfte. Im Zeitraum von Jänner bis September 2016 unterzog sich die Tochter der Bf. ärztlich verordneten Skoliosetherapien, wofür Behandlungskosten iHv insgesamt 4.361,75 € angefallen sind.
Im Beschwerdejahr wurde bis einschließlich Februar 2016 die Familienbeihilfe ausbezahlt.
In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2016 machte die Bf. die nachgewiesenen Kosten aus der Behinderung der Tochter als außergewöhnliche Belastung ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes geltend.
Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 anerkannte das Finanzamt die Aufwendungen unter Anrechnung eines Selbstbehaltes in gleicher Höhe, sodass die geltend gemachten Kosten ohne steuerliche Auswirkung blieben. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung abgewiesen.
Beweiswürdigung
Der festgestellte und der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt des von der Abgabenbehörde vorgelegten Veranlagungsaktes und ist unstrittig.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 34 Abs.1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen.
Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst (Abs. 2).
Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (Abs. 3).
Gem. Abs. 4 leg.cit. beeinträchtigt die Belastung wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.
Gem. § 34 Abs. 6 EStG 1988 können Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5), ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden.
Gemäß § 34 Abs. 7 Z 1 EStG 1988 in der Fassung des BGBl. I 2009/26 sind Unterhaltsleistungen für Kinder durch die Familienbeihilfe sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) Anspruch auf diese Beträge hat.
Für Unterhaltsleistungen sieht darüber hinaus die Bestimmung des § 34 Abs. 7 Z 4 EStG in der Fassung des BGBl. 1993/818 vor, dass diese nur insoweit abgezogen werden können, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs. 4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen.
Gemäß der im Verfassungsrang stehenden Bestimmung des § 34 Abs. 7 Z 5 EStG 1988 idF des BGBl. 1996/201 sind Unterhaltsleistungen an volljährige Kinder, für die keine Familienbeihilfe ausbezahlt wird, außer in den Fällen und im Ausmaß der Z 4 weder im Wege eines Kinder- oder Unterhaltsabsetzbetrages noch einer außergewöhnlichen Belastung zu berücksichtigen.
§ 34 Abs. 7 EStG 1988 schließt Unterhaltsleistungen weitgehend als außergewöhnliche Belastungen aus. Nur Aufwendungen, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden, sind nach § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 beim Verpflichteten abzugsfähig. Diese Ausnahme von den Abzugsverboten betrifft Aufwendungen, wie zB Krankheits-, Pflege- oder Betreuungskosten der Kinder, des (Ehe)Partners oder eines Elternteiles, weil in diesen Fällen beim Unterhaltsberechtigten selbst - würde er die Kosten tragen - die Voraussetzungen für eine außergewöhnliche Belastung vorlägen. (vgl. Doralt, EStG11, § 34 Tz 55 und 56; Baldauf in Jakom, EStG, 2018, § 34 Rz 68).
Gemäß § 35 Abs. 1 EStG 1988 steht dem Steuerpflichtigen ein Freibetrag gem. Abs. 3 leg. cit. zu, wenn er außergewöhnliche Belastungen (…) durch eine Behinderung eines Kindes (§ 106 EStG) hat, für das keine erhöhte Familienbeihilfe gem. § 8 Abs. 4 FLAG gewährt wird.
Im vorliegenden Fall ist das Vorliegen einer Krankheit bzw. Behinderung der Tochter der Bf. unbestritten, auch wurden die angefallenen Krankheitskosten (wie Arzthonorare etc.) von der Bf. nachgewiesen. Dass der geltend gemachte Betrag für Aufwendungen getätigt worden ist, die bei der Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen, hat die Bf. im vorliegenden Fall ebenfalls belegmäßig unter Beweis gestellt.
Eine Anerkennung des behinderungsbedingten Freibetrages gem. § 35 Abs. 1 4. Teilstrich EStG 1988 kommt gegenständlich nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber auf die Behinderung eines Kindes iSd § 106 abstellt. Gem. § 106 gelten als Kinder im Sinne des Bundesgesetzes Kinder, für die dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag (Abs. 1) oder der Unterhaltsabsetzbetrag (Abs. 2) zusteht. Der Kinderabsetzbetrag ist an die Familienbeihilfe gekoppelt, wobei einzig und allein das Vorliegen eines Anspruchs auf Familienbeihilfe als Voraussetzung für die Gewährung des Kinderabsetzbetrages anzusehen ist (Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18, § 33 Tz 52). Die Tochter der Bf. hat im Februar 2016 das 24. Lebensjahr vollendet, weshalb die Gewährung der Familienbeihilfe ab März 2016 mangels Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen eingestellt wurde. Da sohin im Beschwerdejahr für weniger als sechs Monate die Familienbeihilfe ausbezahlt wurde, stellte T im Jahr 2016 kein Kind iSd § 106 EStG dar. Auf Grund der eindeutigen Bestimmung des § 35 EStG kann daher die Bf. den Freibetrag gem. § 35 Abs. 1 iVm Abs. 3 nicht geltend machen.
Die Beurteilung der vom Bf. geltend gemachten Aufwendungen hat nach den allgemeinen Grundsätzen des § 34 EStG unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Selbstbehalt gemäß § 34 Abs. 4 EStG) zu erfolgen. Danach kommen außergewöhnliche Belastungen nur insoweit steuerlich zum Ansatz, als sie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen, das heißt, einen gewissen - von der Höhe des Einkommens und vom Familienstand abhängigen - Selbstbehalt übersteigen. Ein Selbstbehalt auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist aber nicht zu berücksichtigen (Abs. 7 Z 4 2. Satz).
Zusammengefasst ist festzuhalten, dass gegenständlich dem Grunde nach anerkennungsfähige Aufwendungen in der von der Bf. geltend gemachten Höhe vorliegen. Bei abzugsfähigen Aufwendungen ist, von den Fällen des Abs. 6 abgesehen, ein Selbstbehalt in Abzug zu bringen. Ein Anwendungsfall des § 34 Abs. 6 liegt gegenständlich nicht vor. Der Abzug eines Selbstbehaltes ergibt sich zwingend aus § 34 Abs. 4 EStG 1988 (vgl. ). In diesem Fall kann nach den Vorgaben des § 34 EStG 1988 nur ein darüberhinausgehender Betrag zu einer Verminderung der Besteuerungsgrundlagen führen.
Die im Zusammenhang mit der Behinderung der Tochter T stehenden Aufwendungen wurden vom Finanzamt zu Recht als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt anerkannt. Die Anwendung des § 34 Abs. 4 und Abs. 5 EStG verhinderte im streitgegenständlichen Fall eine steuerliche Auswirkung.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ergibt sich die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes bereits aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100790.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at