Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.06.2020, RV/5100152/2020

Kürzung Reisekosten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gabriele Grossgut-Palotás in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des FA XYZ vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.


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Bemessungsgrundlage
Abgabe
Jahr
Art
Höhe
Art
Höhe
2018
Einkommen
12.290,46 €
EinkommensteuerAnrechenbare Lohnsteuer
1.961,95 €-2.384,93 €
Festgesetzte Einkommensteuer (Abgabengutschrift)
-423,00 €

Die Berechnung der Bemessungsgrundlage und der Höhe der Abgabe entspricht der Beschwerdevorentscheidung und ist am Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bildet einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Angefochten ist der Einkommensteuerbescheid 2018.

Der Beschwerdeführer machte in seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2018 lediglich das Vertreterpauschale für den Zeitraum bis unter Berücksichtigung von Kostenersätzen in Höhe von 70 € geltend. Die Arbeitnehmerveranlagung erfolgte erklärungsgemäß (Bescheid vom ).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom Beschwerde, legte eine berichtigte Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2018 vor, in der er nunmehr anstelle des Vertreterpauschales die tatsächlichen Diäten und Nächtigungen in Höhe von 3.861,60 € als Werbungskosten geltend machte, und beantragte die Neufestsetzung der Einkommensteuer.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das Finanzamt der Beschwerde insoweit statt, als es Werbungskosten in Höhe von 1.825,20 € (50 % der geltend gemachten Aufwendungen aufgrund der mangelnden Qualität der erbrachten Nachweise) berücksichtigte.

Am brachte der Beschwerdeführer eine neuerliche Beschwerde - vom Finanzamt als Vorlageantrag gewertet - ein und führte begründend aus, er habe für das Firmenauto den vollen Hinzurechnungsbetrag von monatlich 492,86 € entrichtet, weswegen er kein Fahrtenbuch habe führen müssen.

Nach Abklärung des Sachverhaltes legte das Finanzamt mit Vorlagebericht vom die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war bei der S GmbH (Dienstort Wien) vom bis als Provisionsvertreter mit 15 Wochenstunde beschäftigt, wobei das Gesamtausmaß der geleisteten Arbeitsstunden 719 Stunden betrug. Während der Zeit vom bis (Führerscheinentzug) stellte die Arbeitgeberin dem Beschwerdeführer ein Firmenfahrzeug zur Verfügung und verrechnete dafür den vollen Sachbezug in Höhe von 492,86 €.

Im Rahmen dieser Tätigkeit machte der Beschwerdeführer Diäten geltend, wobei er für den gesamten Zeitraum seiner Anstellung bei der S GmbH von täglich (Montag bis Freitag) jeweils 12 Stunden ausging. In dieser Aufstellung sind auch 22 Aufenthalte in Wien (5., 6., 9., 10., 19., 20., 30. Juli; 2., 13., 20. 21. August; 5., 6., 14., 24. September; 1., 8. Oktober; 3., 6., 7., 18., 19. Dezember) und sechs Übernachtungen in Wien (2., 21. August; 8. Oktober, 3., 6., 18. Dezember) enthalten.

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen insbesondere aus:

  • Beschwerde vom

  • Vorhaltsbeantwortung vom samt Aufstellung der Reisen

  • Vorlageantrag vom

  • Auskunft der S GmbH vom

  • Dienstvertrag vom

  • Lohnzettel 2018 vom

Auszug aus dem Angestelltendienstvertrag für Provisionsvertreter der S GmbH vom :

  • 3. Gewöhnlicher Arbeitsort:

  • Dienstort ist: … Adresse in Wien... Das Arbeitsgebiet, in dem der Angestellte als Vertreter tätig ist, umfasst bis auf weiteres das Bundesgebiet Österreich. Dem Arbeitgeber bleibt jedoch die vorübergehende oder dauernde Versetzung an einen anderen Dienstort bzw. in ein anderes Arbeitsgebiet vorbehalten. Ebenso vorbehalten bleibt die Einschränkung oder Ausweitung des jeweiligen Arbeitsgebietes.

  • 4. Tätigkeit / Aufgaben:

  • Die Tätigkeit des Angestellten als Provisionsvertreter umfasst Neukundenaquise und Bestandskundenbesuche im Bereich diverser Partner und Förderer diverser Polizei naher Zeitungen (Öplsv, Jugend und Recht etc.) um Werbeeinschaltungen in diesen Medien zu verkaufen. Zu den Aufgaben des Dienstnehmers zählt hier insbesondere auch die Besorgung der Sujets (Druckvorlagen) für die Werbeeinschaltung. Im Weiteren den Besuch von Partnerunternehmen und den Verkauf von zur Verfügung gestellten Produktpaletten.

  • Die vereinbarte Tätigkeit umfasst aber auch alle mit ihr gewöhnlich und unter Bedachtnahme auf die Entwicklung des Betriebes sowie des organisatorischen und technischen Umfeldes verbundenen Aufgaben nach Maßgabe der jeweiligen Vorgaben des Arbeitgebers.

  • Dem Arbeitgeber bleibt die vorübergehende oder dauernde Heranziehung zu anderen, auch geringwertigeren Aufgaben ausdrücklich vorbehalten. Insbesondere ist dem Arbeitgeber die Versetzung in den Innendienst vorbehalten, in welchem Falle die Provisionsentlohnung entfällt.

  • 9. Tages- und Nächtigungsgelder:

  • Nach den aktuellen gesetzlichen Vorgaben.

  • Die Kosten erforderlicher Nächtigungen werden gegen Beleg, höchstens aber in Höhe von 35 € für jede auswärtige Nächtigung gewährt.

  • 10. Dienstwagen - Benützung Privat-PKW:

  • Dienstwagen:

  • Für den Außendienst wird dem Angestellten ohne Anspruch auf einen bestimmten Autotyp ein Firmenwagen zur Verfügung gestellt. Eine Verrechnung des Sachbezuges erfolgt nach den gesetzlichen Vorgaben. Es muss vom Dienstnehmer ein Fahrtenbuch geführt werden. Die Privatnutzung des Dienstwagens bedarf der vorherigen schriftlichen Genehmigung. Es dürfen maximal 6000 km im Jahr gefahren werden.

  • 13. Normalarbeitszeit und Überstunden:

  • Die Arbeitszeit des Arbeitnehmers umfasst ein Ausmaß von derzeit 15 Wochenstunden.

  • Eine Arbeitszeitaufzeichnung ist vom Angestellten zu führen.

  • Durch Provisionszahlungen sind alle rechnerisch möglichen Überstunden abgegolten. Die Menge der Überstunden wird auf 20 Überstunden begrenzt.

Der Beschwerdeführer hat kein Fahrtenbuch geführt, sondern lediglich - in Entsprechung des Vorhaltes vom - eine Aufstellung "Summenblatt 2018" mit Datum, Strecke/Ort, Stunden, Übernachtungen und Kilometern am vorgelegt und ist damit seiner erhöhten Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen.

Zudem ergeben sich hinsichtlich der geltend gemachten Reisekosten Widersprüche in seinen Angaben:


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Diäten
Tage
Höhe
Arbeitsstunden
Beschwerde
119
3.141,60 €
719/Abrechnung AG
Aufstellung
111
2.930,40 €
1.332

Auffällig ist auch, dass an sämtlichen Arbeitstagen (mit Ausnahme des , an dem überhaupt die Zeitangabe fehlt) jeweils eine Reisezeit von 12 Stunden verzeichnet ist, obwohl der Beschwerdeführer lediglich einer Teilzeitbeschäftigung im Ausmaß von 15 Stunden wöchentlich nachgegangen ist. Es widerspricht den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass jemand über Monate hinweg täglich Reisen von jeweils 12 Stunden getätigt hat trotz unterschiedlicher Zielorte und Kunden.

Dem Beschwerdeführer ist der Nachweis seiner beantragten Reisekosten nicht gelungen, da er - aus den oben dargestellten Gründen - keine tauglichen Beweismittel zur Verfügung gestellt hat.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

  • Rechtslage

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde, wenn sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen.

Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Abgabenpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind (Abs. 2).

Zu schätzen ist ferner, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen (Abs. 3).

  • Rechtliche Erwägungen

Strittig ist die Höhe der geltend gemachten Aufwendungen hinsichtlich der Vertretertätigkeit des Beschwerdeführers.

Der Nachweis der Fahrtkosten (tatsächliche Aufwendungen, Kilometergelder) hat grundsätzlich mit einem Fahrtenbuch zu erfolgen; das Fahrtenbuch hat die beruflichen und die privaten Fahrten zu enthalten (); es muss fortlaufend, zeitnah und übersichtlich geführt sein und Datum, Kilometerstrecke, Ausgangs - und Zielpunkt sowie Zweck jeder einzelnen Fahrt zweifelsfrei und klar angeben (; ). Ein mit Hilfe eines Computerprogramms elektronisch geführtes Fahrtenbuch genügt den Anforderungen nur dann, wenn nachträgliche Veränderungen an den zu einem früheren Zeitpunkt eingegebenen Daten nach der Funktionsweise des verwendeten Programms technisch ausgeschlossen sind oder in der Datei selbst dokumentiert und offen gelegt werden (; vgl. Doralt, EStG13, § 16 Tz 220).

Dies liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Der Beschwerdeführer hat lediglich hinsichtlich seiner Reisekosten im Nachhinein eine Aufstellung angefertigt. Das Finanzamt hat diesem Umstand dadurch Rechnung getragen, dass es nur die Hälfte der in der Beschwerde beantragten Reisekosten anerkannt hat.

Ziel der Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen (den tatsächlichen Gegebenheiten) möglichst nahe zu kommen (vgl. ; bis 0122; ; ), somit diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, welche die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben (zB ; ). Im Schätzungsverfahren besteht die Mitwirkungspflicht der Partei ().

Der Beschwerdeführer hat der ihm auferlegten Mitwirkungspflicht nicht entsprochen, sodass eine Schätzung seitens des Finanzamtes rechtens war. Mit Bedachtnahme auf die unrealistischen Angaben von jeweils zwölfstündigen Reisezeiten sowie auf die Aufenthalte bzw. Nächtigungen am Dienstort in Wien ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes eine Kürzung der geltend gemachten Reisekosten um die Hälfte gerechtfertigt. Es war daher im Sinne der Beschwerdevorentscheidung dem Beschwerdeführer teilweise stattzugeben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wird über geltend gemachte Werbungskosten (Reisekosten) abgesprochen. Zu § 16 Abs. 1 EStG 1988 liegt eine einheitliche Rechtsprechung vor. Zudem hing die Entscheidung im Wesentlichen von im Streitfall ausschließlich einzelfallbezogenen Sachverhaltsfragen ab. Eine Revision ist demnach nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100152.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at