Neben Pauschbetrag für Diät Geltendmachung der diesbezüglichen tatsächlichen Kosten nicht möglich
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Susanne Feichtenschlager in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr vom betreffend Einkommensteuer 2017, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird wie folgt abgeändert:
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Freibetrag wegen eigener Behinderung (§ 35 (3) EStG 1988) | - 75,00 € |
Pauschbetrag für Diät nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen wegen eigener Behinderung | - 840,00 € |
Nachgewiesene Kosten aus der eigenen Behinderung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen | - 36,11 € |
Summe außergewöhnliche Belastungen | - 951,11 € |
Einkommen | 29.456,86 € |
Einkommensteuer | 5.813,10 € |
Anrechenbare Lohnsteuer | - 3,301,16 € |
Festgesetzte Einkommensteuer gerundet | - 2.512,00 € |
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2017 wurden in Zusammenhang mit außergewöhnlichen Belastungen Folgendes festgestellt:
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Aufwendungen vor Abzug des Selbstbehaltes (§ 34 (4) EStG 1988) | - 513,95 € |
Selbstbehalt | 513,95 € |
Freibetrag wegen eigener Behinderung (§ 35 (3) EStG 1988) | - 75,00 € |
Pauschbetrag nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen wegen eigener Behinderung | - 840,00 € |
Nachgewiesene Kosten aus der eigenen Behinderung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen | - 322,99 € |
Begründend wurde in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die außergewöhnlichen Belastungen, von denen ein Selbstbehalt abzuziehen sei, nicht berücksichtigt werden könnten, weil sie den Selbstbehalt von 3.289,33 € nicht übersteigen würden.
Krankheitskosten könnten ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes nur anerkannt werden, wenn ein Zusammenhang mit der Behinderung bestehe. Alle anderen Krankheitskosten würden mit Selbstbehalt berücksichtigt.
Hinsichtlich der beantragten Kosten für die Diätverpflegung könnten nur die im § 2 der Verordnung zu §§ 34 und 35 EStG (BGBl. 1996/303) genannten Pauschalbeträge anerkannt werden, weil ein Nachweis über die tatsächlich angefallenen Kosten nicht erbracht worden sei.
Tatsächlich wurden im Bescheid jedoch das Pauschale von 840,00 € und ein Teil der beantragten tatsächlichen Diätkosten (285,98 € für glutenfreie Lebensmittel) berücksichtigt.
Mit Schreiben vom wurde gegen den Einkommensteuerescheid 2017 das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht. Soweit für das gegenständliche Verfahren relevant wurde vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin alle Rechnungen vorgelegt und daraus alle Beträge herausgerechnet habe, die laut Diätempfehlungen vom Krankenhaus KH tatsächlich für die Diät angefallen seien. Einen Differenzbetrag zu "normalen" Lebensmitteln zu errechnen, sei nicht möglich, wenn die Diätempfehlung "meiden" oder "essen" heißt. Außerdem laute die Diätanforderung "glutenfrei". Die Beschwerdeführerin habe glutenfreie Produkte herausgerechnet, die auf vielen Rechnungen ohnedies als glutenfrei bezeichnet seien.
Die Einsicht in eine vielschichtige Diätanforderung (Zöliakie, Fructoseintoleranz, Sorbitmalabsorbation, Refluxerkrankung, Barrettösophagus) sei ermöglicht worden. Es werde in Frage gestellt, ob ein Finanzbediensteter die ärztliche Expertise habe zu befinden, dass eine Diätanforderung nicht notwendig und die damit verbundenen Kosten nicht zu berücksichtigen seien bzw. ob das Finanzamt auch die Arztbriefe mit dem Behandlungsverlauf erhalte, damit die Diätverpflegung Relevanz bekomme.
Schließlich wurde die Rz 851 aus dem Steuerbuch 2018 zum Thema Heilbehandlung zitiert.
Mit Schreiben vom legte das Finanzamt die Rechtslage dar und hielt der Beschwerdeführerin vor, dass sie abweichend von den Pauschalsätzen Kosten für die Beschaffung von Lebensmitteln geltend mache, welche bestimmte Anforderungen erfüllen würden (Biolebensmittel, glutenfrei, Gemüse), aus deren Artikelbezeichnung aber keinesfalls geschlossen werden könne, dass sie ausschließlich wegen der bestehenden Behinderung konsumiert werden müssten. So würden sich beispielsweise auf den vorgelegten Belegen Artikelbezeichnungen wie Pistazien, Avocado, Früchtemix, Putenwurst, Salzstangerl, Knabbermix, Trockenfrüchte, Maroni, Reisnudeln und vieles mehr finden. Solche Einkäufe würden sich nicht von Einkäufen völlig gesunder Menschen unterscheiden, auch wenn sich daraus ein Trend zu einer gesunden und abwechslungsreichen Ernährung ableiten ließe.
Im Einkommensteuerbescheid seien glutenfreie Lebensmittel im Gesamtbetrag von 285,98 € berücksichtigt worden. Weiters seien eindeutig zuordenbare tatsächliche Krankheitskosten von 36,11 € berücksichtigt worden, insgesamt somit 322,79 € an tatsächlichen Kosten. Zusätzlich sei der Pauschalbetrag für Diätverpflegung wegen Zuckerkrankheit berücksichtigt worden.
Im Zusammenhang mit den weiteren Kosten für Diätverpflegung würde die Beschwerdeführerin selbst in der Beschwerde darlegen, dass die Errechnung eines Differenzbetrages zu "normalen Lebensmitteln" nicht möglich sei. Gleichzeitig werde aber vom Finanzamt gefordert, gerade diese Mehraufwendungen zu errechnen, weil ein Abzug von normalen Kosten der Lebensführung nach den Bestimmungen des § 20 EStG nicht möglich ist. Als Beispiele werden Einkäufe vom , Leopold, Obst und vom , Pfeiffer, Sauerteig, Datteln, Baguette genannt. Solche Lebensmittel unterscheiden sich nicht von den Einkäufen gesunder Menschen. Auch könne beim Kauf von Neoangin, Kalzium, Vitamintabletten und ähnlichem in Apotheken kein Zusammenhang mit der Behinderung erkannt werden.
Die Beschwerdeführerin könne natürlich feststellen, dass das Finanzamt keine ärztliche Expertise erstellen könne, welche Lebensmittel ursächlich mit der Krankheit in Zusammenhang stünden und welche Kosten tatsächlich durch die Krankheit und nicht durch den normalen Lebensunterhalt verursacht würden. Deshalb werde sie aufgefordert, eine ärztlich bestätigte Auflistung sämtlicher geltend gemachter Lebensmitte (nicht nur Kassazettel, sondern jede einzelne Artikelbezeichnung) vorzulegen. Aus der ärztlichen Bestätigung sollte hervorgehen, dass sämtliche Aufwendungen für die aufgelisteten Lebensmittel ausschließlich durch die Behinderung verursacht seien.
Mit Schreiben vom nahm die Beschwerdeführerin zum Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom wie folgt Stellung: Es sei Zeit gewesen, aus 151 Kassazetteln einzelne Posten herauszulesen und zu hinterfragen. Die Beschwerdeführerin hätte nur die glutenfreien Artikel und die Artikel, die der vorgelegten Diätempfehlung zu entnehmen wären, markiert und in ihre Aufstellung eingetragen. Offenbar sei dem Bearbeiter entgangen, dass bei den von ihm hinterfragten Artikeln oft sogar der Vermerk GF sogar in der Rechnung aufscheine. Zudem sei ein Artikel über glutenfreie Ernährung vorgelegt worden. Aus den markierten Artikeln und den eingegebenen Beträgen gehe eindeutig hervor, dass die Beschwerdeführerin nur einen Bruchteil der tatsächlichen Kosten geltend gemacht habe. Nochmals werde darauf verwiesen, dass Kosten von Nahrungsmitteln nicht verglichen werden könnten, wenn es zum einen Nahrungsmittel seien, die sie nicht essen könne und zum anderen solche, die für die Diät empfohlen würden.
Es sei Zeit gewesen, aus 22 Apothekenrechnungen einzelne Medikamente herauszusuchen, deren Notwendigkeit offenbar auch in Frage gestellt werde. Es sei der Bescheid des Sozialministeriumservice vorgelegt worden und sämtliche Diagnosen, was auch nicht zum besseren Verständnis eigetragen habe.
Die Beschwerdeführerin werde niemals zu einem Arzt gehen, um ihn befinden zu lassen, ob die einzelnen Medikamente und Lebensmittel, die seitens des Finanzamtes in Frage gestellt würden, mit ihrer Behinderung in Zusammenhang stünden oder nicht. Es würden die Diagnose und die Diätempfehlungen des Krankenhauses KH vorliegen. Der Arzt sei nach Ansicht der Beschwerdeführerin für das Wohl seiner Patienten da. Sie würde die Zeit ihres Arztes für seine Patienten nicht auf diese Weise schmälern.
Für die Art der Kommunikation, wie die Beschwerdeführerin sie vom Finanzamt erfahre, habe offensichtlich nur ein Finanzamt Zeit und Geld zur Verfügung. Wünschenswert wäre eine Schulung der Finanzamtsmitarbeiter über neue Formen der Diätverordnungen, damit Astronautennahrung nicht die einzige bekannte Diätform für alles Zukunft bleibe.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab, beließ den Erstbescheid unverändertund führte begründend aus:
"Nach den Bestimmungen des § 35 EStG steht einem Steuerpflichtigen jeweils ein Freibetrag für außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung zu. Diese Pauschalsätze sind im Abs. 3 dieser Bestimmung geregelt und betragen bei einer in Ihrem Fall festgestellten Behinderung von 30 % € 75,-. Dieser Betrag wurde im Erstbescheid genauso berücksichtigt wie ein aufgrund der Verordnung BGBl 1996/303 idF. BGBl 2010/430 vorgesehener Pauschalbetrag von € 70,- pro Kalendermonat für Diätverpflegung wegen festgestellter Zuckerkrankheit und Zöliakie.
Nach Abs. 5 der gesetzlichen Bestimmung können anstelle des Freibetrages auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6). Werden diese tatsächlichen Kosten geltend gemacht, sind sie der Höhe und dem Grunde nach durch eindeutige Nachweise zu belegen. Sie haben in diesem Zusammenhang eine Reihe von Apotheken- und Einkaufsrechnungen vorgelegt, aus deren Artikelbezeichnung kein unmittelbarer Zusammenhang mit der festgestellten Erkrankung hergestellt werden kann. Eine Vielzahl der geltend gemachten Lebensmittel sind zwar für eine Diätverpflegung unbestrittenermaßen sinnvoll und auch erforderlich, werden aber auch von gesunden Menschen zu den gleichen Preisen eingekauft, sodass sich diesbezüglich keine Mehraufwendungen ergeben. Dies ist aber für das Vorliegen einer außergewöhnlichen Belastung erforderlich. § 34 (2) EStG normiert, dass eine Belastung dann außergewöhnlich ist, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse erwächst.
Ein im Ermittlungsverfahren zugestellter Bedenkenvorhalt, mit dem Sie um Beibringung einer ärztlichen Bestätigung betreffend die Notwendigkeit der von Ihnen geltend gemachten Nahrungs- und Nahrungsergänzungsmittel aufgefordert worden sind, wurde zwar dahingehend beantwortet, dass Sie nur einen Bruchteil der eingekauften Lebensmittel geltend gemacht hätten und diese für die Behandlung Ihrer Erkrankung unbedingt notwendig wären, ein geforderter Nachweis der ärztlichen Notwendigkeit wurde allerdings nicht erbracht. Es gab somit im Ermittlungsverfahren für das Finanzamt keine Möglichkeit, den tatsächlich durch Ihre Behinderung verursachten Mehraufwand für die Diätverpflegung festzustellen, sodass nur der bereits im Erstbescheid berücksichtigte Pauschalbetrag für die Diätverpflegung als steuerliche Abzugspost anerkannt werden konnte."
Im Antrag auf Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vom wurde ausgeführt, dass ärztliche Bestätigungen mehrfach vorgelegt worden seien. Aus dem Bescheid des Bundessozialministeriums gehe die Mehrfachbehinderung der Beschwerdeführerin hervor. Es liege eine 30 %ige Behinderung vor. Diese sei durch die Ärztin festgestellt worden, die als Sachverständige zur Untersuchung eingesetzt worden wäre. 20 % ige Behinderung wegen Zöliakie und wegen Magenerkrankung oder einer anderen inneren Erkrankung. Die Notwendigkeit einer Diätverpflegung sei dort bestätigt worden. 30 %ige Behinderung würden sich durch die zusätzlich festgestellten Beschwerden am Bewegungsapparat ergeben. Im vorgelegten Untersuchungsblatt des Sachverständigen-Gutachtens würden sich die einzelnen Beschwerden herauslesen lassen. Dem Finanzamt seien sämtliche von Ärzten des Krankenhauses KH erstellte Diagnosen vorgelegt worden. Zudem habe die Beschwerdeführerin die Kopien der Diätempfehlungen der Diätologen des Krankenhauses KH vorgelegt, die die einzelnen Artikel der Diät auflisten würden. Es sei kein Kassazettel vorgelegt worden, der nicht auch die Artikelbezeichnung beinhaltet habe.
Ein gesunder Mensch würde keinen Arzt und keine Medikamente brauchen. Hätte die Beschwerdeführerin nicht diese Mehrfachbeeinträchtigungen des Gesundheitszustandes, würde sie keine Arztbesuche, keine Diät und keine Medikamente brauchen. Sie könne von keinem Arzt erwarten, dass er die von ihm verschriebenen Medikamente des Jahre 2017 für das Finanzamt auflisten und sich und die Beschwerdeführerin damit vor dem Finanzamt rechtfertigen würde.
Die Art und Weise, wie die Eingaben und Vorlagen der Beschwerdeführerin beurteilt würden, würde die sie als äußerst schikanös und diskriminieren empfinden und diese Art der Kommunikation sei eine Verschwendung von Zeit und Geld des Staates Österreich.
Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerdesache dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin hatte laut Bescheid des Sozialministerium Service einen Grad der Behinderung von 30 %. In diesem Bescheid wurde festgestellt, dass sie Krankendiätverpflegung wegen
- Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids und wegen
- Magenkrankheit oder einer anderen inneren Erkrankung benötigt.
Im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2017 berücksichtigte das Finanzamt das Pauschale für Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung von 840,00 € und den Freibetrag von 75,00 € für eine Behinderung zwischen 25 und 34 %. Von den geltend gemachten tatsächlichen Krankheitskosten in Höhe von 2.337,37 € wurden 322,99 € ohne Selbstbehalt anerkannt, die unter Berücksichtigung des Selbstbehaltes (3.289,33 €) anerkannten Krankheitskosten in Höhe von 513,95 € fanden keine steuerliche Berücksichtigung.
Beschwerdegegenständlich sind die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten tatsächlichen Kosten für Diätverpflegung.
Beweiswürdigung
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich aus den Parteienvorbringen und den vorliegenden Unterlagen.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
§ 34 Abs. 1 EStG 1988 normiert:
Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
Die Belastung ist nach § 34 Abs 2 EStG 1988 außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
Nach § 34 Abs 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Gemäß § 35 Abs. 1 EStG 1988 steht dem Steuerpflichtigen ein Freibetrag zu, wenn er außergewöhnliche Belastungen durch eine körperliche oder geistige Behinderung hat und er keine pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) erhält. Die Höhe der Freibeträge ist in § 35 Abs. 3 EStG 1988 näher geregelt.
Gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung beträgt der Freibetrag bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 25% bis 34% pro Jahr 75 Euro, welcher der Beschwerdeführerin unbestritten zusteht.
Anstelle des Behindertenfreibetrages können nach § 35 Abs. 5 EStG 1988 auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden.
Gemäß § 2 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen sind als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten bei Tuberkolose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids 70,00 € pro Kalendermonat zu berücksichtigen. Bei Magenkrankheit oder einer anderen inneren Krankheit sind 42,00 € zu berücksichtigen. Bei Zusammentreffen mehrerer Krankheiten ist der höhere Pauschbetrag zu berücksichtigen.
Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass gegenständlich für die benötigte Krankendiätsverpflegung der Beschwerdeführerin ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten ein Betrag von monatlich 70,00 € (im Jahr 840,00 €) zu berücksichtigen ist.
Gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 können Aufwendungen im Sinne des § 35 EStG 1988, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5 EStG 1988) ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes abgezogen werden.
Sollen anstelle des Freibetrages die tatsächlichen Kosten der Behinderung geltend gemacht werden, sind sämtliche Kosten nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen (vgl. ; Peyerl, in Jakom12 (2019) § 35 Rn 13).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Ro 2015/15/0009, Folgendes ausgesprochen:
"Begünstigungsfähig als außergewöhnliche Belastung ist grundsätzlich nur der durch die Behinderung bedingte Mehraufwand, somit jener Aufwand, der über die typischen Kosten der Lebensführung hinausgeht (vgl. , VwSlg. 7933/F).
Kosten für die eigene Verpflegung sind typische Kosten der Lebensführung. Derartige Aufwendungen werden durch die tarifliche Steuerfreistellung des pauschalen Existenzminimums in § 33 Abs. 1 EStG 1988 berücksichtigt (vgl. , mwN)."
Es ist zu beachten, dass nicht Diätverpflegung an sich einer Absetzbarkeit zugänglich ist, sondern gemäß § 2 der Verordnung für außergewöhnliche Belastungen nur der Mehraufwand wegen Krankendiätverpflegung.
Aus dem Gesetzestext und der Judikatur ergibt sich somit, dass eine grundsätzliche Voraussetzung für eine außergewöhnliche Belastung eben die Außergewöhnlichkeit ist. Sie muss über eine übliche/normale/gewöhnliche Aufwendung hinausgehen. Wenn es sich um eine Aufwendung handelt, die alle Steuerpflichtigen in der gleichen Situation im selben Ausmaß trifft, fehlt es an der Voraussetzung der Außergewöhnlichkeit.
Unbestritten ist, dass sich alle Steuerpflichtigen mit Lebensmitteln versorgen müssen. Außergewöhnlichkeit bei der Verpflegung liegt daher nur dann und insofern vor, als die Ernährung eines Abgabenpflichtigen teurer ist, als bei anderen Abgabenpflichtigen, weil er sich an einem medizinischen Diätplan orientieren muss. Müssen also glutenfreie Lebensmittel gekauft werden, stellt nur der Anteil der Kosten eine außergewöhnliche Belastung dar, um den das Produkt teurer ist als ein gleichwertiges nicht glutenfreies. Wenn man in diesem Zusammenhang die tatsächlichen Kosten anstatt des Pauschales geltend machen möchte, ist man verpflichtet, den Anfall eben dieser Differenzkosten nachzuweisen. Darüber wurde die Beschwerdeführerin vom Finanzamt wiederholt aufgeklärt und zum entsprechenden Nachweis aufgefordert.
In Zusammenhang mit den übrigen Lebensmitteln, für deren Kosten die Beschwerdeführerin die steuerliche Berücksichtigung begehrt, gilt ebenfalls, dass nur jener Betrag, um den diese Lebensmittel teurer sind als solche, die von gesunden Menschen im Durchschnitt eingekauft werden, eine außergewöhnliche Belastung darstellen können. Die Beschwerdeführerin führt dazu wiederholt aus, dass ein Vergleich der Lebensmittel nicht möglich sei, da sie einige nicht essen dürfe, der Verzehr anderer empfohlen werde ("Iss nicht Steinfrüchte und Kohl, aber iss Clementinen und Karotten"). Der dadurch entstehende Beweisnotstand ist evident und nachvollziehbar. Dies ist auch ein Grund, weshalb in § 35 Abs. 7 EStG 1988 dem Bundesminister für Finanzen die Ermächtigung eingeräumt wurde, nach der Erfahrung der Praxis im Verordnungsweg Durchschnittssätze für die Kosten bestimmter Krankheiten sowie körperlicher und geistiger Gebrechen festzusetzen, die zu einer Behinderung im Sinne des § 35 Abs. 3 EStG 1988 führen.
Die Pauschbeträge iSd § 2 der VO für außergewöhnliche Belastungen sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten abzuziehen. Bei Zusammentreffen von Krankheiten, die unterschiedliche Pauschbeträge bedingen, steht nur der jeweils höhere Pauschbetrag zu, wobei jedoch vom Beschwerdeführer nachzuweisen ist, dass grundsätzlich eine medizinische Diätverpflegung notwendig ist. Im vorgelegten Bescheid des Sozialministerium Service wird bescheinigt, dass die Beschwerdeführerin Krankendiätverpflegung benötigt. Der monatliche Pauschbetrag von 70,00 € (840,00 €/Jahr) steht daher unbestritten zu.
Dass die Beschwerdeführerin einen tatsächlichen, außergewöhnlichen Verpflegungsmehraufwand, der über die ohnehin vom Finanzamt anerkannten Mehrkosten in Höhe des in der Verordnung genannten Betrages von 840 Euro, hinausgeht, wurde nicht nachgewiesen. Vom Finanzamt wurde im Erstbescheid irrtümlich zusätzlich zu diesem Pauschale ein Betrag von 285,98 € für glutenfreie Lebensmittel berücksichtigt. Aus der Bescheidbegründung ist eindeutig erkennbar, dass auch das Finanzamt die zutreffende Rechtsmeinung vertritt, wonach über den Pauschalbetrag hinaus mangels entsprechender Beweise keine Aufwendungen berücksichtigt werden können.
In Zusammenhang mit den geltend Kosten in Höhe von 836,94 € für Medikamente, Rezeptgebühren, Behandlungskosten und Arzthonoraren ist in Ergänzung der Ausführungen des Finanzamtes Folgendes auszuführen:
Gemäß § 4 der VO für außergewöhnliche Belastungen sind Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesene Ausmaß ohne Selbstbehalt zu berücksichtigen, sofern sie mit der Behinderung in Zusammenhang stehen.
Betroffen von dieser Beurteilung können nur Kosten sein, die durch jene Behinderung(en) bedingt sind, welche Grundlage für die Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit war(en). Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass grundsätzlich nur Aufwendungen, die in Zusammenhang mit jenen Gesundheitsschädigungen stehen, die zu einer bescheidmäßig festgestellten Behinderung von 30 Prozent führen, ohne Selbstbehalt abzugsfähig sind. Sofern Aufwendungen nicht mit diesen Krankheiten in Zusammenhang stehen, unterliegen sie den allgemeinen Bestimmungen des § 34 EStG - das heißt, Abzugsfähigkeit erst nach Überschreiten des zumutbaren Selbstbehaltes.
Nicht jede Behandlung oder Betreuung einer Krankheit stellt eine Heilbehandlung dar, die einer Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung zugänglich ist.
Die in § 34 EStG geforderte Zwangsläufigkeit von außergewöhnlichen Belastungen setzt in Bezug auf Krankheits- bzw. Behinderungskosten das Vorliegen triftiger medizinischer Gründe für den betreffenden Aufwand in dem Sinn voraus, dass ohne Anwendung der damit finanzierten Maßnahmen das Eintreten ernsthafter, gesundheitlicher Nachteile feststeht oder sich zumindest konkret abzeichnet. Für Krankheitskosten fordert der VwGH deshalb, dass diese Maßnahmen tatsächlich Erfolg versprechend zur Behandlung oder zumindest Linderung einer konkret existenten Krankheit beitragen ().
§ 34 EStG gibt für die Form des Nachweises keine Beweisregeln vor. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen.
Im Allgemeinen erweist sich eine im Rahmen eines medizinischen Behandlungsplanes (und damit vor der Anwendung) erstellte, ärztliche Verordnung als geeigneter Nachweis für die medizinische Notwendigkeit einer Maßnahme.
Mit einer außerhalb eines ärztlichen Behandlungsplanes stehenden, bloßen ärztlichen Ratschlägen oder allgemeinen Diätempfehlung wird den oa. Anforderungen an die Nachweisführung bei Krankheits- oder Behinderungskosten für gewöhnlich jedoch nicht entsprochen. Dies insbesondere bei von der allgemeinen Lebensführung schwer abgrenzbaren Kosten.
Die Beschwerdeführerin stellt einerseits in Frage, ob ein Finanzbeamter über die Kompetenz verfügt, über die medizinische Notwendigkeit von Heilmaßnahmen zu befinden, weigert sich jedoch andererseits, eine ärztliche Bestätigung oder Verschreibung vorzulegen und übersieht dabei offensichtlich, dass denjenigen, der von einer steuerliche Begünstigung Gebrauch machen möchte, eine erhöhte Beweispflicht trifft.
Die Beschwerdeführerin wurde vom Finanzamt zu einer entsprechenden Beweisführung aufgefordert. Da jedoch keine Beweise vorgelegt wurden, die belegen, dass die geltend gemachten Aufwendungen mit jenen Beeinträchtigungen, die zu einer Behinderung von 30 Prozent geführt haben, in Zusammenhang stehen, wäre allenfalls eine Berücksichtigung unter Anrechnung des Selbstbehaltes denkbar. Der geltend gemachte Betrag liegt jedoch unter dem Selbstbehalt und wirkt sich daher steuerlich nicht aus, sodass eine Überprüfung der medizinischen Notwendigkeit entbehrlich ist.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da keine dieser Voraussetzungen vorliegt, ist eine ordentliche Revision unzulässig.
Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 35 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100834.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at