Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.06.2020, RV/3100379/2016

Italien. Staatsbediensteter mit Familienwohnsitz im Inland: Es ist vom Mittelpunkt der Lebensinteressen im Inland auszugehen. Bei Erwerb des Fahrzeuges in Italien handelte es sich um ein Neu-Fahrzeug, da die bis zur Einbringung nach Österreich zurückgelegten Km irrelevant sind. Die Voraussetzungen für ig. Erwerb iSd Art. 1 Abs. 7 UStG 1994 sind erfüllt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Corazza Kocholl Laimer Rechtsanwälte OG, Maximilianstraße 9, 6020 Innsbruck, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom , StrNr, betreffend Umsatzsteuer für den Erwerb neuer Fahrzeuge (Art. 1 Abs. 7 UStG 1994 ) für den Zeitraum August 2005 im fortgesetzten Verfahren zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert: Die Umsatzsteuer wird für den Zeitraum "September 2005" und ausgehend von der Bemessungsgrundlage von € 23.625 mit 20 v.H.,
sohin im Betrag von € 4.725, festgesetzt.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG ) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Strittig ist, ob das gegenständliche, in Italien gekaufte Fahrzeug XX mit der Fahrgestellnummer 123xx eine Erwerbsteuerpflicht in Österreich auslöste oder nicht. Fraglich ist auch der Zeitpunkt des Erwerbes.

1. Aufgrund einer anonymen Anzeige im Jahr 2006 wurden seitens der Abgabenbehörde Ermittlungen über die widerrechtliche Verwendung eines Fahrzeuges mit italienischem Kennzeichen im Inland bei ***Bf1*** (= Beschwerdeführer, Bf) durchgeführt:

Laut Abfragen im Zentralen Melderegister (ZMR) war der Bf seit 08/1991 mit Nebenwohnsitz und sind die Gattin seit dieser Zeit sowie die beiden Kinder seit der Geburt mit Hauptwohnsitz an der inländischen Adresse in Adr1, gemeldet.

Bei einer Befragung am hat der Bf beim Finanzamt Folgendes zu Protokoll gegeben:

"Zum Fahrzeug: Es handelt sich um einen XX mit dem Kennzeichen XY, Baujahr 2005. Anschaffungspreis: ca. 28.000 €. Siehe beiliegende Rechnung.
Das Fahrzeug wird für die Fahrt nach Italien zur Arbeit verwendet und zum Besuch meiner Familie in
Adr1. Es wird auch zur Fahrt in den Urlaub benutzt. Dreimal im Jahr besuche ich mit meiner Familie unsere Verwandten in Italien. Sämtliche Steuern und Abgaben für mein Auto werden und wurden in Italien bezahlt.
Zum Wohnsitz: Mein Wohnsitz in Italien ist am
Adr2, AStr1. Dabei handelt es sich um eine Dienstwohnung (1 Zimmer). Telefonanschluss gibt es keinen. Keine Mitbewohner. Die Wohnung in Adr1 gehört den italienischen Eisenbahnen. Dabei handelt es sich auch um eine Dienstwohnung für die eine Miete in Höhe von ca. 250 € mtl. bezahlt wird. Es handelt sich um eine Dreizimmerwohnung mit 80 m². Bewohnt wird die Wohnung von meiner Frau und meinen zwei Kindern, die in Adr1 in die Schule gehen.
Ich bin Verschiebearbeiter und zur Zeit am
Adr2 tätig. Da meine Familie in Adr1 lebt, habe ich damals auch um eine Dienstwohnung in Adr1 angesucht und bekommen. Als Bediensteter beim italienischen Staat darf ich außerhalb von Italien keinen Hauptwohnsitz (Residenz) haben.
Mein Dienstplan ist grundsätzlich vorgegeben. Es gibt aber immer wieder kurzfristige Abweichungen und Änderungen. Für diese Woche lautet mein Dienstplan folgendermaßen:
Sonntag : von 13:00 bis 21:00 Uhr.
Montag: 5 Uhr früh bis 13:00 Uhr und 21:00 bis 5 Uhr früh DI
Dienstag: ab 5 Uhr frei
Mittwoch: 13:00 bis 21:00 Uhr
Donnerstag: eigentlich von 5:00 Uhr früh bis 13:00 Uhr (Urlaub genommen) Nachtdienst von 21:00 Uhr bis 5:00 Uhr früh
Freitag: von 13:00 bis 21:00 Uhr
Samstag: von 5:00 früh bis 13:00 Uhr und von 21:00 bis 5:00 Uhr früh sonntags
Sonntag: frei
Montag: da habe ich nachmittags wieder Dienst.
Nach
Adr1 zu meiner Familie komme ich dann, wenn ich für einen Tag keinen Dienst habe. …"

Vorgelegt wurden:
- eine italienische Wohnsitzbescheinigung zum genannten Wohnsitz des Bf am Adr2;
- eine Rechnung der Fa. B in C bei D/Italien v. über den Erwerb des Fahrzeuges durch den Bf zum Kaufpreis inklusive italien. USt (20 %) von € 28.350;
- die italienische Zulassungsbescheinigung, wonach die Erstzulassung des Fahrzeuges am auf die Fa. B und die Weiterveräußerung und Zulassung auf den Bf am erfolgte.

Im Rahmen der Erhebungen wurden dem Finanzamt mit Schreiben vom ua. noch folgende Beobachtungen mitgeteilt:
"Das o.a. Fahrzeug befand sich am
09:10 Uhr; 19:10 Uhr; 14:55 Uhr; 08:17 Uhr; 16:20 Uhr; 09:30 Uhr und 10:30 Uhr
am Parkplatz in der
Adr1"

2. Mit Bescheid vom wurde dem Bf ua. Umsatzsteuer für den Erwerb eines neuen Fahrzeuges vorgeschrieben.
In der dagegen erhobenen Berufung wurde ua. eingewendet, der Bf sei Bediensteter der italien. Behörde1 bzw. des Nachfolgers XXX; dazu wurde eine Bestätigung der italien. Behörde1 vom beigebracht. Er müsse aus dienstrechtlichen Gründen seinen Hauptwohnsitz am Adr2 haben. Der Nebenwohnsitz in Adr1, der geräumiger und komfortabler sei und wo die Familie wohne, werde vom Bf hauptsächlich am Wochenende benützt. Das Fahrzeug sei im September 2005 beim Autohändler in D/Italien gekauft, aufgrund seines Hauptwohnsitzes in Italien angemeldet und für einen Urlaub bei Verwandten in K sowie einen Verwandtenbesuch in T, insgesamte Fahrtstrecke ca. 4.200 km, genützt worden. Eine eventuell spätere Verbringung des Fahrzeuges nach Österreich sei nicht mehr umsatzsteuerbar.
Dieser Berufung wurde vom Unabhängigen Finanzsenat mit Entscheidung vom stattgegeben und der Umsatzsteuerbescheid aufgehoben, da im Spruch des Bescheides Angaben über den Festsetzungszeitraum fehlten.

3. Mit Bescheid vom , StrNr, hat das Finanzamt - neben der NoVA - die Umsatzsteuer für den Erwerb eines neuen Fahrzeuges für den Zeitraum August 2005 festgesetzt; die Bemessungsgrundlage für das im Spruch angeführte Fahrzeug XX mit der Fahrgestellnummer 123xx, Kz XY, betrug € 18.900.
Begründend führte das Finanzamt aus, der Bf sei seit mit Nebenwohnsitz in Adr1, gemeldet, wo auch seine Gattin und die Kinder mit Hauptwohnsitz gemeldet seien. Diese Wohnung würde er mit seiner Familie ständig benutzen, er wohne dort mit seiner Familie und kehre auch regelmäßig nach Dienstende dorthin zurück. Zudem besuchten die Kinder die Schule in Adr1. Damit sei der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf im Inland gelegen. Nachdem sich der Standort des Fahrzeuges aufgrund des Familienwohnsitzes im Inland befinde, sei für den innergemeinschaftlichen Erwerb des Fahrzeuges die Umsatzsteuer vorzuschreiben (Fahrzeugeinzelbesteuerung, Lieferung von Italien nach Österreich). Der Bf habe das Fahrzeug in Italien um €28.350 gekauft. Da es bei Verwendung in Österreich bereits benutzt gewesen sei, werde vom Kaufpreis ein 20%iger Abschlag im Schätzungswege vorgenommen; zudem sei die italien. USt abzuziehen, weshalb sich die Bemessungsrundlage auf €18.900 reduziere.

4. In der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung wird im Wesentlichen eingewendet, hinsichtlich der nun erstmaligen Festsetzung der Umsatzsteuer für August 2005 sei bereits mit Verjährung eingetreten, da die Umsatzsteuer als Verkehrssteuer nach drei Jahren verjähre und keine entsprechenden Verlängerungshandlungen (erkennbare Amtshandlungen) seitens des Finanzamtes gesetzt worden seien. Es seien keine Feststellungen getroffen worden, wann das Fahrzeug ins Inland verbracht bzw. im Inland verwendet worden sei. Bei der Frage des Hauptwohnsitzes gehe es wesentlich um die Absicht, sich niederzulassen. Diese Absicht sei dem Bf insofern verwehrt, als er aufgrund der Zugehörigkeit zu den italienischen Behörde1 seinen Hauptwohnsitz in Italien haben müsse, den er überdies nur kurzfristig und abhängig von einer entsprechenden Ausnahmebewilligung verlassen dürfe. Er dürfe sohin gar keine Absicht haben, sich in Österreich niederzulassen. Im Übrigen sei dem Bf mehrmals eine Anmeldung des Fahrzeuges von der Zulassungsstelle deswegen verweigert worden, weil er seinen Hauptwohnsitz in Italien habe.
Wenn das Finanzamt in Zusammenhalt mit der Umsatzsteuer einen 20%igen Abschlag von der Bemessungsgrundlage vornehme, welcher Wert einem Fahrzeug mit über 6.000 km entspreche, so gehe es offenbar von einem gebrauchten Fahrzeug aus. Die Vorschreibung von Umsatzsteuer für ein Gebrauchtfahrzeug sei vom Gesetz nicht vorgesehen und unzulässig. Feststellungen des Finanzamtes, dass der Bf das Fahrzeug als neues Fahrzeug erworben habe und wann dieses nach Österreich verbracht worden sei, fehlten. Der Bf habe selbstverständlich in Italien die Umsatzsteuer entrichtet, sodass die Belastung mit der österreichischen Umsatzsteuer zu einer Doppelbesteuerung führen würde.

5. Die Berufung wurde sodann dem Unabhängigen Finanzsenat (UFS) ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung zur Entscheidung vorgelegt.

Der UFS hatte mit Entscheidung vom , RV/0505-I/10 , miterl. RV/0506-I/10 , der Berufung hinsichtlich der Umsatzsteuer Folge gegeben, den Bescheid in diesem Umfang aufgehoben und begründend ausgeführt, beim berufungsgegenständlichen Fahrzeug habe es sich insofern um ein Gebrauchtfahrzeug gehandelt, als das Finanzamt selbst im Hinblick auf den für ein benütztes Fahrzeug vorgenommenen Abschlag von 20 % ausgegangen sei. Zudem sei ein innergemeinschaftlicher Erwerb auszuschließen, da der italienische Fahrzeughändler italienische Umsatzsteuer in Rechnung gestellt habe und das Fahrzeug nicht ohne ausländische Umsatzsteuer nach Österreich geliefert worden sei.

6. Aufgrund einer vom Finanzamt dagegen erhobenen Amtsbeschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , 2013/15/0288, die vorgenannte UFS-Entscheidung betreffend Umsatzsteuer für den Zeitraum August 2005 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Unter Verweis auf das zu einem gleichgelagerten Fall ergangene Erkenntnis vom , 2013/15/0277, führt der VwGH begründend - unter Bezugnahme insbes. auf die in Art. 1 Abs. 9 UStG 1994 genannten Tatbestandsvoraussetzungen - aus, dass die vom Finanzamt zugrunde gelegte Bemessungsgrundlage bei Festsetzung der Erwerbssteuer nicht zur Feststellung der objektiv im Zeitpunkt des Erwerbes gegebenen Verhältnisse tauge. Es sei vielmehr Sache der Berufungsentscheidung über das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen zu befinden und im Anschluss die zutreffende Bemessungsgrundlage zu bestimmen.

7. Zufolge der Aufhebung durch den VwGH hat nunmehr das Bundesfinanzgericht (BFG) im fortgesetzten Verfahren über die gegen den Festsetzungsbescheid betr. Umsatzsteuer für den Zeitraum August 2005 (Fahrzeugeinzelbesteuerung) erhobene Berufung, nunmehr Beschwerde, neuerlich abzusprechen.

8. Aus der Abfrage des Routenplaners im Internet (Google Maps) geht hervor, dass die Fahrtstrecke zwischen den beiden gemeldeten Wohnsitzen des Bf in Adr1 und Adr2 mit dem Auto rund 40 km bzw. zeitlich 31 - 38 Minuten beträgt.

II. Sachverhalt:

Der Bf ist italienischer Staatsbürger und hat im Streitzeitraum bei den italienischen Behörde1 (XXX) gearbeitet (Bestätigung der Behörde1 Personalgeneraldirektion v. ).
Aufgrund dieser Beschäftigung hatte er seinen Hauptwohnsitz am Tätigkeitsort Adr2/Italien angemeldet, wo er ein Zimmer bewohnte; zugleich war er im Streitzeitraum mit Nebenwohnsitz an der Adresse in Adr1 gemeldet, wo seine gesamte Familie - Gattin mit Kindern - mit Hauptwohnsitz lebt (siehe ZMR-Abfragen; italien. Wohnsitzbestätigung; eigene Angaben lt. Niederschrift vom ).
Aufgrund der diesbezüglich engsten persönlichen Beziehungen ist beim Bf davon auszugehen, dass zufolge des inländischen Familienwohnsitzes sein Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich gelegen ist.

Der Bf hat das Fahrzeug XX, Baujahr 2005, im September 2005 von einem italienischen Autohändler mit Sitz nahe D/Italien um den Kaufpreis von €28.350 inkl. italienischer Umsatzsteuer (20%), somit um netto €23.625, erworben (Rechnung v. ).
Die Erstzulassung des XX , FahrgestellNr. 123xx, erfolgte am . Das Fahrzeug wurde am unter dem amtlichen Kennzeichen XY auf den Bf in Italien zugelassen (lt. italien. Zulassungsbescheinigung; Niederschrift mit dem Bf am ).
Der Bf verbrachte das Fahrzeug zeitnah nach dem Erwerb, dh. anschließend an von ihm behauptete Verwandtenbesuche bzw. Urlaube in Italien mit einer Fahrtstrecke von rund 4.200 km (lt. Berufungsvorbringen v. ), zum Familienwohnsitz in Österreich.
Die Nutzungs- und Verwendungsabsicht des Fahrzeuges war bei Erwerb vorrangig in Österreich gelegen (siehe Niederschrift v. ).

III. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus den in Klammer angeführten Beweismitteln und aufgrund folgender Überlegungen:

1. Unstrittig ist lt. eigenen Angaben und vorliegenden Nachweisen (Rechnung, Zulassungsbescheinigung), dass das Fahrzeug, Baujahr 2005, erstmalig im August 2005 zugelassen und im September 2005 vom Bf gekauft und auf ihn zugelassen wurde und damit in seine Verfügungsmacht gelangt ist.

2. Der Bf verwendete das Fahrzeug für regelmäßige Fahrten nach Adr1 zu seiner Familie. Dies ergibt sich aus den Angaben des Bf in der Niederschrift vom und der Berufung vom . Es kann also davon ausgegangen werden, dass der Bf das Fahrzeug zeitnahe nach dem Erwerb nach Österreich verbrachte.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhalt, dass er laut eigenen Angaben sogleich nach dem Erwerb in Italien mit seiner Familie mit dem Fahrzeug seine italienischen Verwandten besucht und so in der ersten Zeit in Italien mehr als 4.200 km zurückgelegt haben will (lt. Berufung vom ). Diese Aussage erscheint dem BFG insofern wenig glaubwürdig, weil seine Familie mitgefahren sein soll und die Tochter des Bf (E, geb. August 1998) genau zu der Zeit, also Ende September/Anfang Oktober 2005, in Adr1 wohl die Schule hat besuchen müssen.

3. Unstrittig ist, dass der Bf im Zeitpunkt der Anschaffung des Fahrzeuges sowohl in Österreich als auch in Italien jeweils einen Wohnsitz hatte. Beide benutzte er in den Folgejahren regelmäßig (Niederschrift mit dem Beschwerdeführer vom ).

Der Bf hatte seit seinen regulären Wohnsitz in der AStr1 in Adr2, Italien (Wohnsitzbescheinigung der Marktgemeinde Adr2 vom ). Dabei handelte es sich um eine Dienstwohnung, konkret um ein Zimmer ohne Telefonanschluss am Dienstort; Mitbewohner gab es keine (Niederschrift v. ).

Zudem hatte der Bf einen Wohnsitz in der Adr1. Laut Zentralem Melderegister war er dort seit mit Nebenwohnsitz gemeldet (ZMR-Auszug vom ). Bei der Wohnung handelt es sich um eine Dreizimmer-Mietwohnung mit 80 m2, die er mit seiner Gattin und den beiden Kindern bewohnte (Niederschrift v. ).

a. Grundsätzlich hat die Wohnsitz-Meldung nur Indizwirkung und liefert noch keinen Beweis dafür, wo eine Person tatsächlich wohnhaft ist. Eine Person kann zwar mehrere (gemeldete) Wohnsitze haben, jedoch nur einen Mittelpunkt der Lebensinteressen.
Der Mittelpunkt der Lebensinteressen besteht an dem Ort, zu dem die Person die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen unterhält. Auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist unter diesem Begriff der Ort (in jenem Staat) zu verstehen, zu dem der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (vgl. zB ; ; ). Entscheidend ist das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder zum anderen Staat den Ausschlag gibt. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen.

b. Am Wohnsitz in Adr1 lebten im Streitzeitraum seine Gattin und seine beiden Kinder. Die Familie war mit Hauptwohnsitz in Adr1 gemeldet (ZMR-Abfragen vom ). Um in seiner dienstfreien Zeit - ua. auch bei "kurzfristigen Dienstplanänderungen" - seine Familie zu besuchen und bei dieser wohnen zu dürfen, benötigte der Bf eine Ausnahmebewilligung seitens der italienischen Behörde (lt. Berufungsvorbringen vom ).

Der Bf ist mit dem Fahrzeug regelmäßig von der Familienwohnung zum Dienstort in Italien und retour gefahren (Niederschrift v. ); die diesbezügliche Fahrtdauer beträgt ca. je eine halbe Stunde (siehe google-maps-Abfrage vom ), welche Strecke erfahrungsgemäß mehrmals wöchentlich, wohl auch täglich zurückgelegt werden kann.
Er hat an seinen dienstfreien Tagen, hauptsächlich an den Wochenenden (Berufung vom ), die Familie im Inland in der dort vorhandenen Mietwohnung besucht. Laut bekannt gegebenem Dienstplan hatte der Bf abwechselnde achtstündige Dienstschichten, wobei dazwischen untertags teils achtstündige dienstfreie Zeiten (zwischen 13 Uhr und 21 Uhr) und unter der Woche auch bis zu eineinhalb Tage dienstfreie Zeiten gelegen sind (lt. Dienstplan ab : zB von Dienstag ab 5 Uhr bis Mittwoch 13 Uhr; siehe Niederschrift mit dem Bf vom ).
Laut Erhebungen des Finanzamtes zu dem an der inländischen Wohnadresse abgestellten Fahrzeug hatte sich der Bf im Zeitraum vom 1. bis an 7 Tagen zu unterschiedlichsten Zeiten am Familienwohnsitz aufgehalten (Mitteilung der Steuerfahndung vom ).

Es kann insgesamt darauf geschlossen werden, dass eine enge Beziehung des Bf zu Gattin und Kindern gegeben war und er mit der Familie regelmäßig Zeit verbrachte. Nach Obigem steht fest, dass der Bf zumindest mehrmals in der Woche zu seiner Familie gefahren ist.

c. Auch zu Italien hatte der Bf im Streitzeitraum persönliche (und wirtschaftliche) Beziehungen. Zum Einen ist er italienischer Staatsbürger und leben dort seine Verwandten; zum Anderen ging er dort seinem Beruf als Bediensteter der Behörde1 nach. Zudem verbrachte er dort nach eigenen Angaben seine Urlaube und manche Wochenenden (Berufung vom ) und besucht dreimal im Jahr seine Verwandten (Niederschrift v. ).

Auch wenn der Bf seinen regulären Wohnsitz in Italien hatte und diesen - wie behauptet - aufgrund seines Berufes dort haben musste, so ist nach Ansicht des BFG jedenfalls von einer engeren Beziehung zu Österreich auszugehen, da seine eigene Familie mit Frau und Kindern hier wohnte. Zwar hatte der Bf im Streitzeitraum auch in Italien Verwandte, die er besuchte, jedoch handelte es sich dabei offensichtlich um die Herkunftsfamilie (ua die Schwester). Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die diesbezügliche Bindung im Erwachsenenalter abnimmt und jene zur Ehegattin (während aufrechter Ehe) und den eigenen Kindern normalerweise sehr eng ist. Der Bf hat sich regelmäßig an seinem Wohnsitz in Österreich aufgehalten und seine dienstfreie Zeit weitgehend hier mit seiner Familie verbracht, sodass von einer engeren Bindung zu seiner Familie in Österreich als zu seinen sonstigen Verwandten in Italien auszugehen sein wird.

Daneben gilt festzuhalten, dass ebenso wie die Wohnsitz-Meldung als bloßes Indiz auch die (für den Bf allenfalls verpflichtenden) italienischen Vorschriften, dass ein Staatsbediensteter seinen Wohnsitz in Italien haben muss, keinen Beweis dafür liefern können, wo eine Person tatsächlich wohnt bzw. den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat.

d. Zudem spricht auch die 80 m2 große Mietwohnung in Adr1, die der Bf mit seiner Familie bewohnte, gegenüber lediglich dem Zimmer an seinem Arbeitsplatz für den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf in Österreich.

4. Wie dargelegt, kann davon ausgegangen werden, dass der Bf regelmäßig mehrmals wöchentlich zu seiner Familie nach Adr1 gefahren ist (vgl. oben Punkt III.2. und 3.b.). Rund 90% der Wegstrecke von seinem Familienwohnsitz in Österreich zur Arbeitsstätte in Italien liegen auf österreichischem und lediglich 10% auf italienischem Staatsgebiet (Google-maps-Abfragen vom ).

Wie aus den eigenen Angaben des Bf bei seinem Erstkontakt mit dem Finanzamt im Zuge der Ermittlungen zu allfällig in Österreich bestehenden Abgabepflichten in Zusammenhang mit seinem Fahrzeug hervorgeht, wurde das Fahrzeug für die Fahrt zur Arbeit und zum Besuch der Familie in Adr1 verwendet; es wurde auch zur Fahrt in den Urlaub benutzt und dreimal im Jahr besuchte er mit seiner Familie seine Verwandten in Italien. Auch wenn er mit dem Fahrzeug seine Urlaube und Verwandtenbesuche in Italien absolviert hat, so wird im Zeitpunkt der Anschaffung wohl noch nicht festgestanden haben, wann und wie oft er in den folgenden Jahren seine Verwandten in Italien besuchen und seine Urlaube in Italien verbringen werde. Es kann somit nach dem Dafürhalten des BFG davon ausgegangen werden, dass die Nutzungsabsicht des Fahrzeuges zum Zeitpunkt der Anschaffung primär in der Strecke Adr1 - Adr2 und zurück gelegen war.

5. Das Fahrzeug wurde in Italien zum Verkehr zugelassen. Der Bf hatte allerdings mehrfach versucht, das Fahrzeug in Österreich zuzulassen; dies wurde ihm von der Zulassungsstelle mit der Begründung verweigert, er habe keinen Hauptwohnsitz in Österreich (Berufung vom ).

Fest steht damit, dass lediglich wegen der fehlenden Hauptwohnsitzmeldung in Österreich - dies bedingt durch die Verpflichtung zur Wohnsitznahme in Italien wegen seiner beruflichen Tätigkeit - der Bf die Zulassung des Fahrzeuges in Italien belassen musste, er jedoch offenkundig selbst der Ansicht gewesen ist, das Fahrzeug sei in Österreich zum Verkehr zuzulassen.

IV. Rechtslage:

1. Gemäß § 323 Abs. 38 Bundesabgabenordnung (BAO ), BGBl 1961/194 idgF., sind die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden iSd Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH genügt, wenn im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 167 Abs. 2 BAO von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen angenommen wird, die gegenüber allen anderen eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und die anderen Möglichkeiten weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (siehe beispielsweise ). Wie oben dargestellt wurde, beruht der hier festgestellte Sachverhalt auf dieser höchsten Wahrscheinlichkeit, die sich aus der dargestellten Aktenlage ergibt.

3. zur Verjährung:

Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist betreffend die Umsatzsteuer fünf Jahre (vgl. ) und beginnt gemäß § 208 Abs. 1 lit a BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.

4. Innergemeinschaftlicher Erwerb:

Gemäß Art. 1 Abs. 1 UStG 1994 unterliegt auch der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt der Umsatzsteuer.

Nach Art. 1 Abs. 2 UStG 1994 liegt ein innergemeinschaftlicher Erwerb gegen Entgelt vor, wenn (Z 1) ein Gegenstand bei einer Lieferung an den Abnehmer (Erwerber) aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates gelangt, auch wenn der Lieferer den Gegenstand in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt hat, und (Z 2) der Erwerber ein Unternehmer, der den Gegenstand für sein Unternehmen erwirbt, oder eine juristische Person ist, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt.

Gemäß Art. 1 Abs. 7 UStG 1994 ist der Erwerb eines neuen Fahrzeugs durch einen Erwerber, der nicht zu den in Abs. 2 Z 2 genannten Personen gehört, unter den Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 ein innergemeinschaftlicher Erwerb.

Art. 1 Abs. 8 UStG 1994 definiert den Begriff des Fahrzeugs.

Nach Art. 1 Abs. 9 UStG 1994 gilt ein Fahrzeug als neu, wenn die erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbes bei Landfahrzeugen nicht mehr als sechs Monate zurückliegt. Dasselbe gilt, wenn nach Z 1 das Landfahrzeug nicht mehr als 6.000 km zurückgelegt hat.

Gemäß Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 wird der innergemeinschaftliche Erwerb in dem Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet.

Ebenso bestimmt Art. 28b Teil A Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom (77/388/EWG), dass als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen der Ort gilt, in dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Beendigung des Versands oder der Beförderung an den Erwerber befinden (vgl. nunmehr Art. 40 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem). Der X, C-84/09, darüber entschieden, ob die Einstufung eines Umsatzes als innergemeinschaftliche Lieferung oder innergemeinschaftlicher Erwerb von der Einhaltung einer bestimmten Frist (Beförderung des Gegenstandes vom Liefermitgliedstaat nach dem Bestimmungsmitgliedstaat) abhängt und auf welchen Zeitpunkt dabei für die Beurteilung abzustellen ist, ob ein Fahrzeug als "neu" zu beurteilen sei (vgl. die Rn. 22, 24, 40 bis 50 des angeführten Urteils).

Der Steuertatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen soll es ermöglichen, die Umsatzsteuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in welchem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt (Rn. 22 des Urteils C-84/09). Bei neuen Fahrzeugen will der Unionsgesetzgeber insbesondere im Hinblick auf deren leichte Transportierbarkeit (und auf deren Wert) auch den Erwerb durch Privatpersonen besteuert wissen (Rn. 24 des angeführten Urteils). Die Beurteilung, in welchem Mitgliedstaat der Endverbrauch eines Fahrzeugs (und damit der innergemeinschaftliche Erwerb) stattfinden, hat auf einer umfassenden Abwägung aller objektiven tatsächlichen Umstände zu beruhen. Zu diesen im Rahmen des Gesamtbildes der Verhältnisse zu berücksichtigenden Umständen gehören u.a. der Ort der gewöhnlichen Verwendung des Gegenstandes, seine Registrierung, der Wohnort des Erwerbers sowie das Bestehen oder Fehlen von Verbindungen des Erwerbers zu einzelnen Mitgliedstaaten (Rn. 44 f des angeführten Urteils).

Es ist anhand objektiver Umstände im Zeitpunkt der Lieferung festzustellen, in welchem Mitgliedstaat die endgültige und dauerhafte Verwendung eines Fahrzeugs stattfinden wird. Zu diesen objektiven Umständen gehören insbesondere Wohnsitze des Käufers im Zeitpunkt des Erwerbes des Fahrzeuges und die (persönlichen) Verbindungen des Käufers zu den in Frage kommenden Mitgliedstaaten (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Auch die tatsächliche Nutzung des Fahrzeuges kann als Indiz für die beim Erwerb vorgelegene Verwendungsabsicht herangezogen werden (vgl. ). Die Verwendung des in Rede stehenden Fahrzeugs während des Transports, selbst zu Freizeitzwecken, stellt im Verhältnis zur allgemeinen Lebensdauer eines Fahrzeuges insoweit nur eine völlig untergeordnete Zeitspanne dar (Rn. 50 des Urteils C-84/09).

Die Betriebsdauer und die Betriebsleistung sind gemäß Art. 1 Abs. 9 im Zeitpunkt des Erwerbs zu prüfen (Rn. 57 des Urteils C-84/09). Die Nutzung für Freizeitzwecke vor Ankunft im Bestimmungsmitgliedstaat steht einer Erwerbsbesteuerung nicht entgegen, da für die Frage, ob ein Fahrzeug neu sei, auf den Zeitpunkt der Lieferung (und nicht auf den Zeitpunkt der Ankunft im Bestimmungsmitgliedstaat) abzustellen ist (Ruppe/Achatz, UStG, 5. Aufl., Art. 1, Rz 78/1). Somit bleiben Fahr- und Betriebsleistungen, die zwischen dem Übergang der Verfügungsmacht an den Abnehmer und der Verwendung im Bestimmungsmitgliedstaat liegen, unberücksichtigt (Melhardt/Tumpel, UStG², Art. 1, Rz 143). Kilometer, Betriebsstunden und Zeitablauf bis zum Zielort im Bestimmungsmitgliedstaat werden daher nicht berücksichtigt (Beiser, RdW 2011, 57).

5. Steuerschuldner, Entstehung der Steuerschuld:

Steuerschuldner ist der Erwerber des neuen Personenkraftwagens (Art. 19 Abs. 1 Z 1 UStG 1994) und die Steuerschuld entsteht am Tag des Erwerbes (Art. 19 Abs. 2 Z 2 UStG 1994).

Gemäß Art. 20 Abs. 2 UStG 1994 ist beim innergemeinschaftlichen Erwerb neuer Fahrzeuge durch andere Erwerber als die in Art. 1 Abs. 2 Z 2 genannten Personen die Steuer für jeden einzelnen steuerpflichtigen Erwerb zu berechnen (Fahrzeugeinzelbesteuerung).

Gemäß Art. 21 Abs. 2 UStG 1994 hat in den Fällen der Fahrzeugeinzelbesteuerung (Art. 20 Abs. 2) der Erwerber spätestens bis zum Ablauf eines Monates, nach dem die Steuerschuld entstanden ist (Fälligkeitstag), eine Steuererklärung auf amtlichem Vordruck abzugeben, in der er die zu entrichtende Steuer selbst zu berechnen hat (Steueranmeldung). Gibt der Erwerber die Steueranmeldung nicht ab oder erweist sich die Selbstberechnung als nicht richtig, so kann das Finanzamt die Steuer festsetzen. Die Steuer ist spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.

6. Bemessungsgrundlage:

Die Bemessungsgrundlage des Umsatzes ist gemäß Art. 4 Abs. 1 UStG 1994 das Entgelt. Die ausländische Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage, unabhängig davon, ob sie im Ausland als Vorsteuer geltend gemacht wurde oder werden konnte (Ruppe/Achatz, UStG, 5. Aufl., Art. 4, Rz 3). Bis ist die NoVA nicht Teil des Entgelts (Ecker/Epply/Rößler/Schwab, Mehrwertsteuer, 38. Aufl., Art. 4, Rz 7).

7. Zeitraum:

Gemäß § 93 Abs. 2 BAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person zu nennen, an die er ergeht.

Gemäß § 198 Abs. 2 BAO haben Abgabenbescheide im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten.

Zur Bemessungsgrundlage und damit zum Bescheidspruch gehört ggf auch die Anführung des Zeitraums oder des Zeitpunktes, für den oder auf den bezogen die Abgabe festgesetzt wird (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 198, Rz 14). Auch nach Auffassung des VwGH gehört zu den Bemessungsgrundlagen notwendigerweise der Zeitraum, für den die jeweiligen Abgaben vorgeschrieben werden (; ). Die Bemessungsgrundlage ist sachausgerichtet und für einen bestimmten Zeitraum oder Zeitpunkt zu ermitteln. In der Bemessungsgrundlage wird daher für den jeweils zu erlassenden Bescheid ein bestimmter Sachvorgang, Zeitpunkt oder Zeitraum festgelegt (vgl. Stoll, BAO , 2078).

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist es zulässig, dass das Bundesfinanzgericht den dem Erstbescheid zugrunde gelegten Sachverhalt rechtlich anders würdigt als das Finanzamt und den Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld anders ansetzt (vgl. , zur Änderung des Zeitraumes bei einer Normverbrauchsabgabe; so auch Achatz in SWK 27/2015, 1248).

V. Erwägungen:

1. Die Umsatzsteuer für den Erwerb eines im Jahr 2005 erworbenen Fahrzeuges verjährt - im Hinblick auf die fünfjährige Verjährungsfrist - mit Ablauf des Jahres 2010. Das Finanzamt hatte am die Umsatzsteuer für das im Jahr 2005 vom Bf erworbene Fahrzeug festgesetzt, weshalb die Festsetzung innerhalb der Verjährungsfrist erfolgte.
Dem Einwand des Bf, die Umsatzsteuer unterliege als Verkehrssteuer einer nur dreijährigen Verjährungsfrist, kommt keine Berechtigung zu.

2. Der Erwerb eines Fahrzeuges unterliegt der Erwerbsbesteuerung iSd Art 1 Abs.7 UStG 1994 , wenn es sich um ein neues Fahrzeug handelt. Ein Landfahrzeug ist gem. Art. 1 Abs. 9 UStG 1994 neu, wenn es im Zeitpunkt des Erwerbes entweder weniger als 6.000 km zurückgelegt hat oder die erste Inbetriebnahme weniger als 6 Monate zurückliegt.

Das streitgegenständliche Fahrzeug wurde vom Bf im September 2005 in Italien erworben. Es wurde am erstmals zum Verkehr zugelassen. Somit war das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht als neues Fahrzeug iSd Art. 1 Abs. 9 UStG 1994 zu qualifizieren, da von der ersten Inbetriebnahme bis zum Zeitpunkt des Erwerbes durch den Bf weniger als 6 Monate vergangen waren.

Da für die Fahr- und Betriebsleistung der Zeitpunkt des Erwerbes maßgebend ist, sind (nach oben angeführter EuGH-Judikatur und Schrifttum) die zurückgelegten Kilometer bis zum erstmaligen Überschreiten der Binnengrenze (in den anderen Mitgliedstaat Österreich) unerheblich. Ein diesbezügliches Vorbringen kann der Beschwerde sohin nicht zum Erfolg verhelfen.
Dabei ist auch nicht zu übersehen, dass in der ersten Berufung bezugnehmend auf gewisse Besuchsfahrten in Italien die zurückgelegten Kilometer ohnehin nur mit 4.200 km beziffert sind.

3. Ob ein innergemeinschaftlicher Erwerb iSd Art. 1 Abs. 1 UStG 1994 des in Rede stehenden Fahrzeuges in Österreich oder eine innerstaatliche Lieferung in Italien vorliegt, richtet sich danach, ob der erworbene Gegenstand das Gebiet des Liefermitgliedstaats tatsächlich verlassen hat und, wenn ja, in welchem Mitgliedstaat der Endverbrauch des Fahrzeuges erfolgt ist (vgl. ).

a. Das Fahrzeug wurde vom Bf zeitnah nach dem Erwerb in Italien nach Österreich verbracht und in der Folge für die regelmäßigen Fahrten zu seiner Familie, dh. im Wesentlichen für die Fahrten zwischen seinem Familienwohnsitz und dem Arbeitsort, verwendet. Diesbezüglich wird ua. auf Pkte. III.2. und III.3. verwiesen. Somit hat das in Rede stehende Fahrzeug das Gebiet des Liefermitgliedstaates tatsächlich verlassen.

b. Als weitere Voraussetzung dafür, ob ein innergemeinschaftlicher Erwerb vorliegt, ist zu prüfen, in welchem Mitgliedstaat der Endverbrauch stattgefunden hat.

Der Bf hatte im Streitzeitraum sowohl in Italien als auch in Österreich Wohnsitze, die er regelmäßig benutzte, seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen sieht das Bundesfinanzgericht als in Österreich gelegen an, wozu auf obigen Punkt Pkt. III.3. verwiesen wird.

Auch wenn das Fahrzeug in Italien registriert war, erfolgte die tatsächliche (gewöhnliche) Nutzung in der Zurücklegung der Strecke Adr1 - Adr2 und retour (vgl. Pkt. III.4).

c. Unter Abwägung aller objektiven Umstände war der Endverbrauch des Fahrzeuges in Österreich gelegen und liegt somit ein innergemeinschaftlicher Erwerb iSd Art. 1 Abs. 1 iVm Abs. 7 UStG 1994 in Österreich vor.

4. Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden und ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Ansschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
Die Sache iSd § 279 BAO ist nach herrschender Auffassung die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat. Der Begriff "Sache" iSd §279 BAO knüpft damit an den Inhalt des Spruches an (vgl. etwa ).

Der maßgebliche Sachverhalt, den das Finanzamt im Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer für den Erwerb neuer Fahrzeuge (Fahrzeugeinzelbesteuerung) vom einer Fahrzeugeinzelbesteuerung unterworfen hat, ist die nicht erfolgte Erwerbsbesteuerung des Fahrzeuges XX mit der Fahrgestellnummer 123xx in Österreich durch den Beschwerdeführer.
Das Finanzamt hat die Umsatzsteuer für den Zeitraum August 2005 festgesetzt, zu diesem Zeitpunkt konnte der Bf jedoch noch nicht wie ein Eigentümer über das Fahrzeug verfügen. Erst am wurde das Fahrzeug auf den Bf zugelassen und wurde ihm der Kauf am in Rechnung gestellt. Der Bf hat das Fahrzeug demnach unstrittig im September 2005 in Italien erworben.

Aufgrund der Entstehung der Steuerschuld im September 2005 ist daher die Umsatzsteuer für diesen Zeitraum festzusetzen, welche Abänderung nach oben dargelegter VwGH-RSpr als zulässig erachtet wird (vgl. ).

5. Der Bf hat das Fahrzeug laut Rechnung zum Kaufpreis von netto € 23.625 angeschafft. Dieses Netto-Entgelt ist als Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer heranzuziehen. Da es sich bei dem Fahrzeug um einen Neuwagen iSd Art. 1 Abs.9 UStG 1994 handelt, können keine Abschläge vom Netto-Entgelt berücksichtigt werden.

6. Insoweit der Bf einwendet, durch die Belastung des Erwerbsvorganges mit österreichischer Umsatzsteuer komme es zu einer Doppelbesteuerung, da beim Ankauf des Fahrzeuges bereits italienische Umsatzsteuer entrichtet worden sei, ist auf die 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie (RL 77/388/EWG), deren Rechtslage der nunmehr geltenden MwStSystRL (RL 2006/112/EG) vergleichbar ist, und auf die dazu vertretene Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen. Demnach hält er die Auffassung, dass die umsatzsteuerliche Erfassung neuer Fahrzeuge ausnahmslos dem Bestimmungslandprinzip folgt, für zutreffend. Die uneingeschränkte Erhebung der Erwerbsteuer im Bestimmungsland erweist sich daher als nicht rechtswidrig. Die Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbelastung mit Umsatzsteuer hat im Ursprungsland durch Gewährung des Vorsteuerabzugs zu erfolgen ().

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Ausführungen von Tumpel in Melhardt/Tumpel, UStG², Rz 131 zu Art. 1, zu verweisen, wonach mit der Steuerbarkeit und (echten) Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung neuer Fahrzeuge die Möglichkeit des (nachträglichen) Vorsteuerabzugs für die Anschaffung des neuen Fahrzeugs auch für jene Personen verbunden ist, die nicht Unternehmer sind oder aus anderen Gründen vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen wären. Aber selbst wenn (faktisch) in einem Mitgliedstaat keine Rückerstattung der Mehrwertsteuer erfolgt, ist die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs nicht unbillig (vgl. ).

VI. Ergebnis:

Da nach Obigem sämtliche Voraussetzungen für einen innergemeinschaftlichen Erwerb iSd Art. 1 Abs. 7 UStG 1994 erfüllt sind, war für den Erwerb des Fahrzeuges XX die Umsatzsteuer zu Recht vorgeschrieben worden.

Die Beschwerde ist daher dem Grunde nach abzuweisen; der angefochtene Bescheid ist dahingehend abzuändern, dass
- die Vorschreibung für den zutreffenden Zeitraum der Entstehung der Steuerschuld
mit "September 2005" erfolgt;
- hinsichtlich der Höhe die 20%ige Umsatzsteuer zutreffend ausgehend vom
Netto-Entgelt für das neue Fahrzeug in Höhe von €23.625, sohin im Betrag
von € 4.725, festzusetzen ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der Frage, ob gegenständlich die Voraussetzungen für einen innergemeinschaftlichen Erwerb vorgelegen waren, ergibt sich anhand der eingehenden Würdigung des Sachverhaltes und damit aus der Lösung von Tatfragen. Insgesamt war daher keine "Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung" zu behandeln, weshalb eine Revision nicht zulässig ist.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100379.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at