Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.06.2020, RV/3100074/2020

Abweisung eines Antrages auf Herabsetzung des Säumniszuschlages wegen Vorliegens groben Verschuldens

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/15/0080. Mit Erk. v. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Beschluss vom erledigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***V***, ***V-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages, St.-Nr. ** ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt Innsbruck gegenüber der Beschwerdeführerin einen ersten Säumniszuschlag in Höhe von € 233,54 fest, weil die Umsatzsteuer 04/2019 nicht bis zum entrichtet worden sei.

Mit Antrag vom (FinanzOnline) beantragte die Beschwerdeführerin den Verzicht auf die Erhebung dieses Säumniszuschlages, weil kein grobes Verschulden vorliege. Aufgrund eines EDV/Firewall-Problems sei das E-Mail mit der Mitteilung der Zahllast für die Umsatzsteuervoranmeldung der Beschwerdeführerin nicht zugestellt worden. Die Beschwerdeführerin habe seit der Gründung des Unternehmens alle seine Zahllasten fristgerecht bezahlt.

Das Finanzamt wies den Antrag unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit Bescheid vom ab. Der mit Geldvollmacht ausgestatteten steuerlichen Vertretung sei es im Hinblick auf die Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldung bereits am zumutbar gewesen, für eine rechtzeitige Entrichtung bzw. für die Einreichung eines Zahlungserleichterungsansuchens bis zum Sorge zu tragen. Dies könne nicht von einer Mitteilung der Zahllast per E-Mail an den Klienten abhängig gemacht werden. Es könne daher nicht nur von einem nur minderen Grad des Verschuldens die Rede sein.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom das Rechtsmittel der Beschwerde.

Begründend führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass bei Betrachtung der Gesamtsituation, die zur Säumnis geführt hätte, und ebenso die Abgabenhistorie kein grobes Verschulden zu erkennen sei. Die Geschäftsführung sei immer darauf bedacht gewesen, allen Abgabenschuldigkeiten und sonstigen Abgabenverpflichtungen zeitgerecht nachzukommen. Immerhin würden seit vielen Jahren mehrere Firmen in Österreich betrieben, wobei es grundsätzlich nie zu Zahlungsversäumnissen gekommen sei. Dazu sei mit der steuerlichen Vertretung eine sehr moderne und enge Zusammenarbeit aufgesetzt worden. Dieses System solle gewährleisten, dass jede Zahllast an den Klienten zeitgerecht weitergeleitet werde, sodass dieser rechtzeitig seine die Abgaben einzahlen könne, ohne ein Versäumnis befürchten zu müssen. Dieser Verpflichtung sei auch bis zu diesem Zeitpunkt lückenlos nachgekommen worden.

Zu berücksichtigen sei auch der Aspekt, dass aufgrund der Bauträgertätigkeit nicht in jedem Monat Umsatzsteuerzahllasten zu erwarten seien, sondern oft auch nur ein Vorsteuerüberhang bestehe. In diesen Fällen werde die Beschwerdeführerin nicht sofort von den Gutschriften in Kenntnis gesetzt, da es für ihn zu keinen negativen Konsequenzen komme. Bei mehreren aktiven Betrieben sei es schlicht und einfach nicht möglich aufgrund der laufenden Geschäftsgebarung alle zu erwartende Zahllasten im Kopf zu haben. Da es aufgrund eines technischen Zustellproblems mit der E-Mail, mit welcher die Zahllast mitgeteilt werden sollte, keine Zustellung an die Beschwerdeführerin gegeben habe, sei dieser mit guten Gewissen davon ausgegangen, dass keine Zahlungsverpflichtung entstanden sei. Der steuerliche Vertreter sei wiederum davon überzeugt gewesen, dass das E-Mail zugestellt worden sei. Die Zahlung sei erst drei Wochen später erfolgt, weil im Juni unter hohem Zeitdruck gearbeitet worden sei und eine Ausnahmesituation geherrscht habe. Es seien deshalb keine Ressourcen für administrative Tätigkeiten und Nachkontrollen zur Verfügung gestanden.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.

Dagegen wurde von der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom der Vorlageantrag eingebracht.

Ergänzend wurde zusammengefasst vorgebracht, dass die Feststellungen des Finanzamtes nicht den wahren Sachverhalt treffen würden. Der Abgabepflichtige habe weder mit der Buchhaltung, noch mit der Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldung bzw. Einhaltung des Zahlungstermins zu tun. Die Abgabenbehörde verkenne die Rechtslage. Im Beschwerdefall würden keine der von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genannten Umstände vorliegen. Es wären von der Behörde auch nicht die Umstände des Einzelfalles in Betracht gezogen worden, sodass es zu einer pauschalen Vorverurteilung der Beschwerdeführerin gekommen sei, ohne sich konkret mit der Ursache des Versäumnisses auseinander zu setzen. Indem die Behörde in der Regel unabhängig vom Grund des Versäumnisses und der Häufigkeit der Fehler stets von einem groben Verschulden ausgehe, konterkariere sie § 217 BAO. Ein zu Unrecht überhöhter Maßstab an die Realität der Arbeitsweise, den die Behörde an den Umgang des Steuerpflichten mit einem alltäglichen Lebenssachverhalt lege, führe zu einem unverdienten Gefühl der Minderwertigkeit und zu einer Verunsicherung derjenigen Steuerpflichtigen, die ihre Arbeit zwar nach besten Wissen und Gewissen täglich verrichten, dabei aber immer grob schuldhaft handeln.

Es erhebe sich die Rechtsfrage, worin das grobe Verschulden zu sehen sei. Die Behörde habe es unterlassen, festzustellen, ob grobes Verschulden auf Seiten des steuerlichen Vertreters oder des Steuerpflichtigen vorliege.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Umsatzsteuer 04/2019 mit Fälligkeit wurde erst mit Wirksamkeit entrichtet.

Die Beschwerdeführerin hat mit ihrer steuerlichen Vertretung vereinbart, dass diese die Buchhaltung erledigt, die Umsatzsteuervoranmeldungen erstellt und einreicht und im Falle einer Umsatzsteuer-Zahllast ihr den Betrag mittels E-Mail mitteilt.

Das E-Mail betreffend die Mitteilung der USt-Zahllast 04/2019 wurde aufgrund eines so bezeichneten EDV/Firewall-Problems der Beschwerdeführerin nicht zugestellt. Die rechtzeitige Entrichtung der Umsatzsteuer unterblieb.

Das tatsächliche Zugehen der E-Mails an die Klienten über die Mitteilung der jeweiligen USt-Zahllasten wird nicht überwacht. Die steuerliche Vertretung vertraut darauf, dass die entsprechenden E-Mails jedenfalls ankommen und von der Beschwerdeführerin gelesen werden. Im Hinblick darauf, dass nicht in jedem Monat eine Zahllast entsteht, erfolgte auch keine Rückfrage seitens der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin bringt diesbezüglich auch vor, dass aufgrund der außergewöhnlichen Belastungssituation im Monat Juni 2019 keine personellen Ressourcen vorhanden gewesen wären.

Beweiswürdigung

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den Daten des Steuerkontos und dem schlüssigen und unbestrittenen Vorbringen der Beschwerdeführerin.

Erwägungen

Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 217 Abs. 7 BAO sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Säumniszuschläge insofern herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach den Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.

Voraussetzung für die Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung des Säumniszuschlages nach § 217 Abs. 7 BAO ist es daher, dass hinsichtlich der verspäteten Entrichtung der Umsatzsteuer 04/2019 kein grobes Verschulden vorliegt.

Das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Nichtfestsetzung bzw. Herabsetzung des Säumniszuschlages ist dabei nicht anhand des bisherigen Einhaltens von Zahlungsfristen, sondern unter Berücksichtigung jener Umstände zu prüfen, die für die Beurteilung der Verschuldensfrage im konkreten Fall maßgeblich sind.

Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt aber vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche, und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt (vgl. ).

Die Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung eines Säumniszuschlages gemäß § 217 Abs. 7 BAO bei fehlendem grobem Verschulden an der Säumnis stellt eine Begünstigung dar. Bei Begünstigungstatbeständen tritt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Derjenige, der eine Begünstigung in Anspruch nehmen will, hat selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. ).

Es entspricht ebenso der ständigen Rechtsprechung, dass die Büroorganisation dem Mindesterfordernis einer sorgfältigen Organisation zu entsprechen hat. Dazu gehört insbesondere die Vormerkung von Fristen und die Vorsorge durch entsprechende Kontrollen, dass Unzulänglichkeiten zufolge menschlichen Versagens voraussichtlich auszuschließen sind (zB ; ; ; bis 0060; ; ).

Beim beschriebenen Kontrollsystem fällt auf, dass die steuerliche Vertretung im Rahmen ihres Klientenmonitorings zwar den Status der Bearbeitung vom Einlangen der Buchhaltung bis zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung und der Mitteilung einer allfälligen Zahllast überwacht, nicht jedoch die tatsächliche Zustellung des E-Mails über die Höhe der Zahllast an die Beschwerdeführerin. Ein Kontrollsystem, bei dem die Höhe der vom Vertretenen zu entrichtenden Umsatzsteuer mit einem E-Mail mitgeteilt wird, ohne dass gleichzeitig auch sichergestellt wird, dass dieses E-Mail den Empfänger auch tatsächlich erreicht bzw. eine allfällige Nichtzustellung rechtzeitig bemerkt wird (etwa durch Anforderung einer Lesebestätigung) entspricht nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts nicht den Anforderungen an ein effizientes Kontrollsystem. Es darf nämlich nicht dem Zufall überlassen werden, ob die Mitteilung diejenige Person auch erreicht hat, welche die Entrichtung der Abgabenschuld vorzunehmen hat. Ein Kontrollsystem, das auch eine mögliche und nicht auszuschließende Nichtzustellung eines E-Mails umfasst, wurde von der Beschwerdeführerin bzw. ihrer Vertreterin somit nicht eingerichtet, obwohl allgemein bekannt ist, dass E-Mails durch Firewall-Einstellungen nicht selten nicht zugestellt werden bzw. im Spam-Ordner der Empfänger landen und unbeachtet bleiben. Das einfache Anfordern einer Lesebestätigung und die Überwachung des Einganges derselben wäre zumutbar gewesen.

Die nicht rechtzeitige Entrichtung der Umsatzsteuer ist somit nicht auf ein Auswahlverschulden bzw. auf einen nachzusehenden Arbeitsfehler einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers zurückzuführen, sondern auf ein mangelndes Kontrollsystem. Soweit mit der Beschwerdeführerin vereinbart war, dass diese nur im Falle einer Zahllast informiert wird und dass das Nichteinlangen eines entsprechenden E-Mails deshalb nicht zu einer Rückfrage führt, weil nur Zahllasten mitgeteilt werden, liegt ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden seitens des Vertreters vor. Dieses Verschulden ist einem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten (vgl. zB -0008).

Mit dem Hinweis auf § 217 Abs. 5 BAO ist für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen, da es bei der Anwendung dieser ausnahmsweisen Säumnis auf das Vorliegen eines Verschuldens nicht ankommt.

Zu Spruchpunkt II.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht ist nicht von der bestehenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Tatsachenfragen sind einer Revision im Allgemeinen ohnehin nicht zugänglich. Die (ordentliche) Revision war daher als unzulässig zu erklären.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100074.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at