Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.06.2020, RV/5100835/2019

Kontrollrechnung/Umrechnungsvariante - Günstigkeitsvergleich

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Susanne Haim in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 Steuernummer zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Bf bezog im Jahr 2018 neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch Arbeitslosengeld für die Tage 01.01. bis und Notstandshilfe für die Tage 31.01. bis , 30.04. bis und 10.05. bis .

Diese Transferleistungen wurden außerhalb des Zeitraumes der nichtselbständigen Einkünfte bezogen. Mit Einkommensteuerbescheid vom wurde das Arbeitslosengeld in Höhe von € 3.818,22 gemäß der Bestimmung des § 3 Abs.2 EStG 1988 den Einkünften hinzugerechnet und mitbesteuert.

Dagegen wurde Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung nach § 41 Abs 1 EStG 1988 nicht vorliegen würden. Es liege ein Fall der Antragsveranlagung vor. Die Bf erklärte in Ihrer Beschwerde den Rückzug des Antrages auf Arbeitnehmerveranlagung und beantragte die ersatzlose Aufhebung des Einkommensteuerbescheides vom .

In der Zeit des Postlaufs der Beschwerde der Bf wurden vom Finanzamt mit ein automatisch generierter Wiederaufnahmebescheid und ein neuer Einkommensteuerbescheid für 2018 erlassen, da die Abgabenbehörde nachträglich Informationen zu Lohnzettelangaben oder Transferleistungen wie Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe erhalten hat.

Die von der Bf rechtzeitig eingebrachte Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom erledigt. Begründend führte das Finanzamt aus, dass die Bf im Veranlagungszeitraum zumindest zeitweise gleichzeitig Bezüge von zwei oder mehreren Arbeitgebern erhalten habe, die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 41 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 vorliegen würden und deshalb eine Zurückziehung des Antrages auf Veranlagung nicht möglich sei.

Mit Vorlageantrag vom führte die Bf aus, die Abgabenbehörde habe die falsche Rechnungsvariante angewandt. In ihrem Fall sei die Hochrechnungsvariante günstiger. Hätte das Finanzamt letztere richtig angewandt und die während des Zeitraumes des Bezugs von AMS-Leistungen (01.01. bis 30.01., 31.01. bis 27.03., 30.4. bis 08.05. und 18.05. bis 18.06.) erhaltenen Bezüge von ihrem Arbeitgeber (Fa. AG1) von der Hochrechnung im Sinne des § 3 Abs 2 EStG ausgeschieden, hätte sich herausgestellt, dass in ihrem Fall nicht die Kontrollrechnung anzuwenden sei.

Die Beschwerde wurde am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Bf bezog im Jahr 2018 neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch Arbeitslosengeld für die Tage 01.01. bis und Notstandshilfe für die Tage 31.01. bis , 30.04. bis und 10.05. bis , in Summe also 127 Tage.

Für die Zeiträume 5.1.-28.1, 2.2.-25.2., 2.3.-31.3. 1.4.-30.4., 4.5.-.9.-30.9, 5.10.-6.10. und 12.10. bis 6.12. wurden jeweils geringfügige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von der Fa. AG1 Gastro GmbH erzielt.

Für den Zeitraum 28.3. bis 27.4. wurde ein Lohnzettel der Firma AG2 GmbH übermittelt, für den Zeitraum bis ein Lohnzettel der Fa. AG3.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen sowie aus den von den Arbeitgebern übermittelten Lohnzetteln.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

  • Pflichtveranlagung

Sind im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten, so ist der Steuerpflichtige gemäß § 41 EStG 1988 unter anderem zu veranlagen, wenn

Z 2: im Kalenderjahr zumindest zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte, die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden, bezogen worden sind.

Laut Sachverhalt sind sowohl während der Tätigkeit bei der Fa. AG2 als auch bei der AG3 zusätzliche Einkünfte von der Fa. AG1 Gastro erwirtschaftet worden.

Es liegt somit ein Pflichtveranlagungsgrund vor, der Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung kann nicht zurückgenommen werden.

  • Steuerfreie Einkünfte/Hochrechnung

Gemäß § 3 Abs.1 Z 5 lit a EStG sind das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen von der Einkommensteuer befreit.

Das von der Bf bezogene Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe ist somit von der Einkommensteuer befreit, soweit das Gesetz davon keine Ausnahme vorsieht.

Nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 144/2001 sind, falls der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge wie zB Arbeitslosengeld nur für einen Teil des Kalenderjahres erhält, die für das restliche Kalenderjahr bezogenen zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein, als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde.

Dies soll dadurch erreicht werden, dass die steuerpflichtigen Lohnbezüge für die Dauer des Bezuges von Transferleistungen auf fiktive Jahreseinkünfte hochgerechnet werden. Für den Fall des Bezuges niedriger steuerpflichtiger Erwerbseinkünfte im Restzeitraum des Jahres ist überdies noch vorgesehen, dass aus der Umrechnung keine höhere Steuerbelastung als im Fall der Vollbesteuerung der Transferleistung als steuerpflichtiger Arbeitslohn eintreten darf (Hofstätter/Reichel, Kommentar zum EStG 1988, § 3, Tz.34). Daher ist die sich ergebende Steuer jener gegenüberzustellen, die sich bei einer Vollbesteuerung der Transferleistungen als steuerpflichtiger Arbeitslohn ergeben würde (Kontrollrechnung). Maßgebend ist die jeweils niedrigere Steuerbelastung.

§ 33 Abs 10 EStG legt fest: "(10) Ein im Rahmen einer Veranlagung bei der Berechnung der Steuer anzuwendender Durchschnittssteuersatz ist vorbehaltlich des Abs. 11 nach Berücksichtigung der Abzüge nach den Abs. 4 bis 6 (ausgenommen Kinderabsetzbeträge nach Abs. 3) zu ermitteln. Diese Abzüge sind nach Anwendung des Durchschnittssteuersatzes nicht nochmals abzuziehen."

Die Bf hat im Jahr 2018 Arbeitslosengeld und Notstandshilfe im Ausmaß von 127 Tagen bezogen. Dies stellt nur einen Teil des Kalenderjahres 2018 dar, weshalb der Tatbestand des § 3 Abs 2 EStG erfüllt ist.

Die im Zeitraum der steuerfreien Bezüge erwirtschafteten geringfügigen NsA-Einkünfte sind nicht hochzurechnen.

Die Steuer ist sowohl nach der Um - bzw. Hochrechnungsvariante als auch nach der Kontrollrechnung zu ermitteln. Die beiden Varianten sind zu vergleichen und die Variante mit der niedrigeren Steuerbelastung zu wählen.

Im vorliegenden Fall ergibt die Hochrechnung des Bundesfinanzgerichtes ein anderes Ergebnis als die des Finanzamtes, allerdings ändert dies nichts an der Tatsache, dass bei Anwendung der Kontrollrechnung die zu entrichtende Einkommensteuer geringer ausfällt als bei Anwendung der Um - bzw. Hochrechnung.

Hoch bzw. Umrechnungsvariante Finanzamt:

Steuerpflichtiges Einkommen: 57.769,60 €

Durchschnittsteuersatz: 29,67%

Hoch bzw. Umrechnungsvariante BFG:

14.564,42 € (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit) / 238 (365 - 127 Tage Arbeitslosengeld+Notstandshilfe) x 365 = 22.336,19 €

hochgerechnete Einkünfte : 22.336,19 €

Pauschbetrag WBK: -132,00 €

Pauschbetrag SOA: -60,00 €

steuerpflichtiges Einkommen: 22.144,19 €

Steuerberechnung:


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0% für die ersten 11.000
0,00
25% für die weiteren 7.000
1.750,00
35% für die weiteren 13.000
1.450,46
Steuer vor Absetzbeträgen
3.200,46

Absetzbeträge:


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Verkehrsabsetzbetrag
-400,00
Pendlereuro
-1,89
Steuer nach Absetzbeträge (Tarifsteuer für Durchschnittsteuersatz)
2.798,57
Durchschnittsteuersatz
12,63 %

Die Anwendung der 12,63 % auf das herkömmlich ermittelte Einkommen iHv € 18.190,64 ergibt € 2.297,47.

Einkommensteuer .................................................2.297,47 €

abzüglich anrechenbare Lohnsteuer .......................- 1.056,55 €

festzusetzende Einkommensteuer vor Rundung......... 1.240,92 €

festzusetzende Einkommensteuer (Variante 1)............1.241,00 €

Günstigkeitsvergleich:

Kontrollrechnungsvariante:

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit + Arbeitslosengeld und Notstandshilfe: 18.382,64

steuerpflichtiges Einkommen: 18.190,64

Steuerberechnung


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0% für die ersten 11.000,00
0,00
25% für die weiteren 7.000,00
1.750,00
35% für die weiteren 13.000,00
66,72
Steuer vor Absetzbeträgen
1.816,72 €

Absetzbeträge


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Verkehrsabsetzbetrag
-400,00
Pendlereuro
-1,89
Einkommensteuer 2018
1.414,83
Durchschnittsteuersatz
7,78 %

abzüglich anrechenbare Lohnsteuer..........................................- 1.056,55 €

festzusetzende Einkommensteuer vor Rundung...........................358,28

festgesetzte ESt bei Kontrollrechnung........................................358,00

Im gegenständlichen Fall ergibt sich aus der Hochrechnung des BFG ein Durchschnittsteuersatz von 12,63%, bei Anwendung der Kontrollrechnung ergibt sich hingegen ein Durchschnittsteuersatz von 7,78%. Der Kontrollrechnung ist somit trotz neuerlicher Rechnung durch das BFG Vorzug zu geben.

Die Beschwerde war spruchgemäß abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage liegt nicht vor.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100835.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at