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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 04.06.2020, RV/3100096/2020

Keine Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung eines Säumniszuschlages nach § 217 Abs. 7 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden ***SenV***, den Richter ***Ri*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***V***, ***V-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages, St.-Nr. ++***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133
Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt einen ersten Säumniszuschlag in Höhe von € 11.000,00 wegen nicht fristgerechter Entrichtung der Kapitalertragssteuer 05-09/2018 fest.

Mit Eingabe vom erhob die Beschwerdeführerin dagegen das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte begründend unter Verweis auf § 217 Abs. 7 BAO vor, dass im Jahr 2018 erstmalig die Kapitalertragsteuer auf die jährliche Gewinnausschüttung nicht zeitgerecht längstens binnen 7 Tagen nach Beschlussfassung über die Gewinnausschüttung entrichtet worden sei. Das Jahr 2018 sei ein außergewöhnliches Jahr gewesen. Es sei ein komplett neuer Betriebsstandort errichtet und damit die Basis für viele zukünftige Jahre des regionalen Wirtschaftens (und Generierens von Steuerbemessungsgrundlagen) geschaffen worden.

Weiters sei auch ein umfassender Verwaltungsgebäudekomplex mit Empfangshalle, zahlreichen Besprechungsräumen und abteilungspezifischen Individualarbeitsplätzen errichtet worden. Im Herbst 2018 sei die Beschwerdeführerin mit allen seinen Tochtergesellschaften und den in diesen beschäftigten Dienstnehmern (gesamt durchschnittlich 207) geschlossen vom bisherigen Betriebsstandort in ***1*** den neu errichteten Standort übersiedelt. Zeitgleich habe in diesem Zeitraum der Jahresabschluss 2017 für die Gesellschaft und aller seiner Töchter samt Wirtschaftsprüfung und Konsolidierung abgeschlossen werden müssen. Ebenfalls zeitgleich habe sich im August 2018 die Großbetriebsprüfung angekündigt, welche von August 2018 bis März 2019 im Unternehmen die Jahre 2014 bis 2016 überprüft habe. Durch diesen Umstand seien zusätzlich die zeitlichen Ressourcen der steuerlichen Vertretung überproportional belastet worden. Ebenso hätten zeitgleich die jährlichen Urlaubsansprüche der Mitarbeiter bedient werden müssen.

Zusammengefasst könne davon ausgegangen werden, dass die beschriebene Situation außergewöhnlich gewesen sei und es nachvollziehbar sei, dass zahlreiche Verwaltungsaufgaben, welche unter normalen Umständen im punktgenauen Rhythmus abgearbeitet worden wären, auf der Strecke geblieben seien. Es entspreche nicht den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass unter solch außergewöhnlichen Umständen fehlerfrei gearbeitet werden könne. Einen Fehler aber mit Euro 11.000 zu bestrafen sei in der dargestellten Situation völlig überschießend. Zur Frage, warum die Nichtentrichtung der Kapitalertragsteuer 2018 nicht früher aufgefallen sei, sei anzumerken, dass die Kapitalertragsteuer auf Gewinnausschüttungen naturgemäß nur einmal pro Jahr erfolge und nicht wie alle anderen Abgaben einmal im Monat oder einmal alle drei Monate. Daher sei die Nichtentrichtung der Kapitalertragsteuer 2018 erst im August 2019 zutage getreten. Dies ist das Monat, in welchem die Jahresabschlüsse der Vorperiode finalisiert und Jahressteuerzahlungen kontrolliert bzw. kanalisiert werden würden.

In Anbetracht dieser Umstände und angesichts der Tatsache, dass die Nichtentrichtung der Kapitalerstragssteuer 2018 selbst entdeckt worden sei, sei es evident, dass das interne Steuerkontrollsystem funktioniere. Ein grobes Verschulden könne daher nicht angelastet werden.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Die Begründung der Beschwerdeführerin reiche für das Vorliegen nur eines geringen Verschuldens nicht aus. Auch in Zeiten des erhöhten Arbeitsanfalles sei für die rechtzeitige Meldung und Abfuhr von Abgaben die notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Wenn dies unterbleibe und billigend in Kauf genommen werde, dass gesetzlich vorgeschriebene Verwaltungsaufgaben nicht erledigt werden, sei von einem groben Verschulden an der Säumnis auszugehen.

Mit Unterzeichnung des Ausschüttungsbeschlusses habe der Unternehmerin zudem bekannt sein müssen, dass die diesbezügliche Kapitalertragsteuer der Finanzbehörde abzuführen sei. Gerade bei selbst zu berechnenden und abzuführenden Abgaben lege der Gesetzgeber einen strengen Maßstab an. Ob diese Steuern nun in regelmäßigen oder unregelmäßigen Abständen anfallen bzw. fällig werden, mache keinen Unterschied. Der Umstand, dass die Nichtabfuhr der Kapitalertragsteuer acht Monate nach Fälligkeit selbst aufgefallen sei, lasse nach Ansicht der Behörde zudem nicht den Schluss zu, dass ihr internes Steuerkontrollsystem funktioniert habe. Es könne somit der diesbezüglichen Argumentation nicht gefolgt werden.

Dagegen brachte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) ein.

Ergänzend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdevorentscheidung von jemanden formuliert worden sein müsse, dessen Lebenserfahrung hinsichtlich der Verlagerung eines Betriebsstandortes eines Unternehmens mit mehr als 200 Dienstnehmern, konsolidiert knapp 100 Millionen Umsatz, einem Warenlager in Höhe von rund 23 Millionen Euro und einem Investitionsvolumen im Zusammenhang mit der Betriebsstandortverlegung von 35 Millionen Euro gering sein dürfte. Bei vorhandenen Erfahrungen sei es nachvollziehbar, dass diese Situation mehr als außergewöhnlich gewesen sei und daher ein grobes Verschulden an der Säumnis der Zahlung der Steuer zu verneinen sei.

Im Sinne des mit der Einführung des "horizontal monitoring" vielfach zitierten "Fair Play" und wechselseitigem Respekt zwischen Steuerbehörden und Steuerpflichtigen möchte man das verehrte Gericht um seine Einschätzung bitten, ob die in der Bescheidbeschwerde dargelegte Situation nach den Erfahrungen des täglichen Lebens gewöhnlich oder außergewöhnlich gewesen sei und welcher Fahrlässigkeitsgrad der dadurch entstandenen Säumnis beizumessen sei.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt:

Die beschwerdeführende Gesellschaft beschloss am eine Gewinnausschüttung. Im Zuge der Abschlussarbeiten betreffend das Jahr 2018 wurde festgestellt, dass die darauf entfallende Kapitalertragssteuer in Höhe von € 550,000,00 nicht innerhalb einer Woche nach dem Zufließen der Kapitalerträge an das Finanzamt abgeführt worden ist. Die Entrichtung erfolgte mit Wirkung im Wege der Überrechnung.

Beweiswürdigung:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich unstrittig und schlüssig aus dem Akteninhalt.

Rechtliche Erwägungen:

Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so ist gemäß § 217 Abs. 1 und 2 BAO ein Säumniszuschlag in Höhe von 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages zu entrichten.

Der Säumniszuschlag ist eine objektive Säumnisfolge und ein "Druckmittel" zur rechtzeitigen Erfüllung der Abgabenentrichtungspflicht. Die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt haben, sind grundsätzlich unbeachtlich (vgl. Ritz, BAO6, § 217 Tz 2f mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des VwGH).

Die Kapitalertragsteuer wurde nicht bis zum Fälligkeitstag, dem , entrichtet. Die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages mit Bescheid vom erfolgte damit grundsätzlich zu Recht.

Gemäß § 217 Abs. 7 BAO sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Säumniszuschläge insofern herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach den Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.

Ein derartiger Antrag kann auch in der Beschwerde gegen den Säumniszuschlagsbescheid gestellt werden, da Beschwerdeerledigungen grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Erlassung Bedacht zu nehmen haben (vgl. Ritz, BAO6, § 217 Tz 65, mwN).

Voraussetzung für die Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung des Säumniszuschlages nach § 217 Abs. 7 BAO ist es, dass hinsichtlich der verspäteten Entrichtung kein grobes Verschulden vorliegt.

Die Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung eines Säumniszuschlages gemäß § 217 Abs. 7 BAO bei fehlendem grobem Verschulden an der Säumnis stellt eine Begünstigung dar. Bei Begünstigungstatbeständen tritt die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Derjenige, der eine Begünstigung in Anspruch nehmen will, hat selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. ).

Es ist somit zu prüfen, ob das Vorbringen geeignet ist, ein fehlendes grobes Verschulden bei der Entrichtung der Kapitalertragsteuer darzutun.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es hierbei auf die Umstände der konkreten Säumnis an. Grobes Verschulden fehlt demnach, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt aber vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche, und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt ().

Die Büroorganisation von Kapitalgesellschaften muss in gleicher Weise wie eine Rechtsanwalts-kanzlei dem Mindesterfordernis einer sorgfältigen Organisation entsprechen (; , 97/04/0032). Die Organisation muss daher die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Wahrnehmung von Fristen sicherstellen (zB bis 0060; ; ). Hinsichtlich des Fristenvormerks besteht eine besondere Überwachungspflicht (vgl ).

Maßgebend ist somit, ob der Geschäftsführung grobes Auswahlverschulden, grobe Mängel der Kanzleiorganisation oder eine mangelhafte Überwachung und Kontrolle (vgl zB ; ) anzulasten sind.

Das Bundesfinanzgericht verkennt nicht, dass die Errichtung eines neuen Betriebsstandortes und die Übersiedlung eine Herausforderung für alle betroffenen Mitarbeiter darstellt. Gerade eine solche voraussehbare Situation erfordert eine besondere Sorgfalt aller Beteiligten und besondere Vorkehrungen, zumal - wie die Beschwerdeführerin selbst vorträgt - das Risiko von Fehlern und Fristversäumnissen in einer solchen Situation höher anzusetzen ist, als in Zeiten eines normalen Geschäftsbetriebes. Als minderer Grad des Verschuldens einzustufende Arbeitsfehler können in beiden Situationen passieren. Die Verlegung des Betriebsstandortes kann jedoch für sich allein gesehen nicht als Entschuldigung dienen, dass an Fristen gebundene Verwaltungsaufgaben und damit auch die rechtzeitige Entrichtung von fälligen Abgaben nicht oder nicht rechtzeitig vorgenommen werden.

Maßgebend ist im Beschwerdefall jedoch, dass von der Beschwerdeführerin nicht dargelegt worden ist, welches Kontrollsystem sie in Bezug auf die rechtzeitige Entrichtung der Kapitalertragsteuer auf Kapitalerträge anwendet. Ein "Vormerk- bzw. Kontrollsystem", bei dem die Nichtentrichtung einer Abgabe erst Monate später bei der Finalisierung des Jahresabschlusses der Vorperiode auffällt, genügt den Anforderungen an ein derartiges System jedenfalls nicht. Es hätte vielmehr sichergestellt werden müssen, dass aufgrund des Beschlusses über die Ausschüttung der Termin in einem Fristenvormerk eingetragen und die entsprechende Entrichtung kontrolliert wird.

Mit dem Beschwerdevorbringen wird somit das Bestehen eines effizienten Vormerk- und Kontrollsystems, welches die Versäumung von Terminen durch Unzulänglichkeiten aufgrund menschlichen Versagens aller Voraussicht auszuschließt, nicht dargetan. Das Vorliegen lediglich eines Arbeitsfehlers in Bezug auf die Fristvormerkung bzw. Kontrolle der Entrichtung der Kapitalertragsteuer kann dem Vorbringen nicht entnommen werden.

Dass die Kapitalertragsteuer nur einmal im Jahr anfällt und von der Beschwerdeführerin selbst entdeckt worden ist, vermag daran nichts zu ändern. Die Einrichtung eines effizienten Fristvormerk- und Kontrollsystems ist auch nicht vom Investitionsvolumen in Bezug auf ein bestimmtes Projekt oder der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer abhängig.

Es liegt deshalb im konkreten Säumnisfall ein den Grad des minderen Versehens übersteigendes Verschulden vor. Die Voraussetzung für eine Herabsetzung oder Nichtfestsetzung des Säumniszuschlages wird nicht erfüllt.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall ist das Bundesfinanzgericht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Es war auch sonst keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die über den Einzelfall hinaus Relevanz entfalten würde, zu lösen. Die (ordentliche) Revision war daher als unzulässig zu erklären.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100096.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at