TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.05.2020, RV/6100123/2020

Werbungskosten (Pendlerpauschale) und Auslandsbezug mit erhöhter Mitwirkungspflicht.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin DSW in der Beschwerdesache XXX, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt St. Johann Tamsweg Zell am See vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt:

Die Arbeitnehmerveranlagung 2018 der Bf, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt, erfolgte weder unter Berücksichtigung des von ihr beantragten Pendlerpauschales noch unter Berücksichtigung des von ihr beantragten Pendlereuros, mit der Begründung, dass die Bf nur am Wohnsitz in K über einen eigenen Hausstand verfüge. Für Fahrten nach U stehe der Bf daher weder das Pendlerpauschale noch ein Pendlereuro zu.

In der von der Bf fristgerecht eingebrachten Beschwerde, brachte diese vor, dass im streitgegenständlichen Fall die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung gemäß § 41 Abs 1 EStG nicht vorlägen. Da es sich somit um eine Antragsveranlagung gemäß § 41 Abs 2 EStG handle, werde der Antrag auf Veranlagung zurückgezogen.

Die Abgabenbehörde wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab. Begründend führte sie aus, dass die Voraussetzungen für eine Antragsveranlagung nicht vorlägen. Wenn im Kalenderjahr zumindest zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte, die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden, bezogen würden, sei eine Veranlagung durchzuführen. Aus den übermittelten Lohnzetteln sei ersichtlich, dass die Bf am gleichzeitig von zwei Dienstgebern lohnsteuerpflichtige Einkünfte bezogen habe, sodass keine Möglichkeit bestehe, den Antrag auf Veranlagung zurückzuziehen.

Mit Vorlageantrag vom begehrte die Bf nun erneut das Pendlerpauschale in Höhe von € 1,224,- für 4-6 Fahrten monatlich von ihrer Arbeitsstätte in K nach U (zu dem Eigenheim in Adresse) sowie den Pendlereuro in Höhe von € 549,-, ohne nähere Begründung.

Von der Abgabenbehörde wurde daher vor Beschwerdevorlage noch folgendes Ergänzungsersuchen an die Bf gerichtet:

Sie haben im Jahr 2018 Ihren Hauptwohnsitz in Adresse1 unterhalten (Meldung im Zentralen Melderegister und zwar von bis ).

Sie werden ersucht
1. die Größe der Wohnung in K mitzuteilen und eine Kopie des Miet- oder sonstigen Wohnungsvertrages zu übermitteln;

2. mitzuteilen, ob Sie die Wohnung in K alleine bewohnt haben. Wenn nein, werden Sie gebeten, die Wohnungs- und Lebensumstände, z.B. Partnerschaft, darzustellen;

3. durch entsprechende Unterlagen nachzuweisen, dass Sie in U einen Familienwohnsitz unterhalten. Dazu ist auch ein entsprechendes Y Meldedokument in beglaubigter Übersetzung vorzulegen.

4. mitzuteilen, ob Sie mit dem eigenen PKW (bitte geben Sie die Marke und das Kennzeichen bekannt) gefahren sind oder ob Sie Fahrgemeinschaften in Anspruch genommen haben;

5. die Entfernung (Km-Angabe) von A nach H bekannt zu geben und mitzuteilen, wie oft pro Monat Sie im Jahr 2018 nach M gefahren sind und ob Sie die Fahrten alleine durchgeführt haben. Zum Nachweis Ihrer Angaben ist es erforderlich, ein Fahrtenbuch (oder sonstige geeignete Unterlagen) und entsprechende Belege (Treibstoff) über die durchgeführten Fahrten zu übermitteln. Sollten Sie Fahrgemeinschaften in Anspruch genommen haben, werden Sie gebeten, die Fahrgemeinschaften und die benutzen PKW zu benennen sowie die von Ihnen getragenen Kosten zu belegen.

Zur Beantwortung der vorangeführten Fragen wird Ihnen eine Frist bis eingeräumt.

Da die Bf innerhalb der von der Abgabenbehörde mehrfach verlängerten Frist dem Ergänzungsersuchen nicht nachkam, legte diese die Bescheidbeschwerde schlussendlich am dem BFG zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat mit Schreiben vom die Bf erneut gebeten, dem von der Abgabenbehörde verfassten Ergänzungsersuchen nachzukommen. Das BFG räumte der Bf zur Beantwortung der Fragen eine Frist bis ein.

Die Abgabenbehörde hat mit Datum einlangende Unterlagen der Bf dem BFG am nachgereicht. Es handelt sich dabei um folgende Schriftstücke: Kopie eines un Schriftstückes ohne beglaubigte Übersetzung, Mietvertrag Wohnung K beginnend mit , ausgestellt für drei Jahre sowie den Meldezettel ausgestellt vom Meldeamt K vom , alles ohne weitere Ausführungen.

Für das vom BFG an die Bf gerichtete Ergänzungsersuchen vom beantragte diese mit Schriftstück vom eine Fristverlängerung bis zum .

Die Bf kam zunächst innerhalb der verlängerten Frist bis dem Ergänzungsersuchen des BFG nicht nach.

Am langten folgende Schriftstücke per E-Mail am BFG ein:

Fahrtenbuch, Meldekarte und Mietvertrag K.

Entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

Strittig sind von der Bf im Vorlageantrag geltend gemachte Werbungskosten als Wochenpendlerin in Höhe von € 1.224,- und des Pendlereuros in Höhe von € 549,-.

Für die Beurteilung einer Anerkennung der geltend gemachten Werbungskosten wurden von der Bf nach mehrmaliger Aufforderung durch die Abgabenbehörde, folgende Schriftstücke vorgelegt:

  • Y Schriftstück ohne beglaubigte Übersetzung (Meldekarte),

  • Mietvertrag Wohnung K beginnend mit , ausgestellt für drei Jahre,

  • Meldezettel ausgestellt vom Meldeamt K, .

Dem Ergänzungsersuchen des BFG kam die Bf insofern nach, als sie am das Fahrtenbuch sowie die schon bekannte Meldekarte (ohne beglaubigte Übersetzung) und den im Akt befindlichen Mietvertrag K erneut vorlegte.

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf den Inhalt des Verwaltungsaktes.

Rechtslage und Erwägungen:

Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Sie sind dabei an die Aktenlage gebunden.

Nach der ständigen Judikatur des VwGH zu § 167 Abs. 2 BAO genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Daran hat sich durch die Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform nichts geändert (vgl. unter Hinweis auf ; , Ro 2014/13/0025 und Ro 2014/13/0044).

Das Bundesfinanzgericht hat - wie auch das Finanzamt - die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Den Parteien ist Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben (§ 115 BAO in Verbindung mit § 2a BAO).

Mit BGBl. I Nr. 136/2017 wurde in Umsetzung der bisherigen Judikatur gesetzlich verankert, dass die Ermittlungspflicht durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, eingeschränkt wird. Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1660 BlgNR 25. GP 24) trifft dies etwa dann zu, wenn durch faktische Gegebenheiten oder rechtliche Schranken die amtswegige Ermittlung des Sachverhaltes eingeschränkt oder verhindert ist. Dies gilt grundsätzlich bei Auslandssachverhalten, wenn nach der Lage des Falles nur der Abgabepflichtige Angaben zum Sachverhalt machen kann, wenn der Abgabepflichtige zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung nicht bereit ist bzw. eine solche unterlässt, wenn der Abgabepflichtige Unübliches oder Außergewöhnliches behauptet und wenn der Abgabepflichtige Begünstigungen oder Befreiungen in Anspruch nehmen möchte.

In Fällen der erhöhten Mitwirkungspflicht liegt es etwa am Abgabepflichtigen, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhaltselemente beizuschaffen. Alle relevanten Sachverhaltselemente sind dabei so zu dokumentieren, dass sie für die Abgabenbehörde nachvollziehbar sind.

Eine Verletzung der erhöhten Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen hat zur Folge, dass die Verpflichtung der Abgabenbehörde endet, den Sachverhalt über das von ihr aufgrund einer ordentlich durchgeführten Ermittlung zu prüfen und sie den so ermittelten Sachverhalt als erwiesen annehmen darf.

Schon bisher wies Ritz zu Recht darauf hin (Ritz, BAO5, § 115 Tz 13), dass den Bf. auch dann eine erhöhte Mitwirkungspflicht trifft, wenn ungewöhnliche Verhältnisse vorliegen (vgl. ; , 99/15/0250; , 2002/13/0091; , 2004/17/0105), die nur er aufklären kann, oder wenn seine Behauptungen mit den Erfahrungen des täglichen Lebens in Widerspruch stehen (; , 95/15/0049; , 2004/16/0061). Dies trifft auch dann zu, wenn typische Aufwendungen der privaten Lebensführung steuerlich verwertet werden sollen. Im Hinblick auf seine eigene Nähe zum Beweisthema hat hier der Beschwerdeführer von sich aus nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen, dass sie - entgegen allgemeinen Lebenserfahrung - die betriebliche oder berufliche Sphäre betreffen (vgl. etwa /00200 und ).

Das bedeutet für den streitgegenständlichen Fall:

§ 16 Abs. 1 EStG 1988 definiert Werbungskosten als Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit e EStG dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit d leg cit angeführten Betrag übersteigen, nicht abgesetzt werden.

Als Familienwohnsitz gilt jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehegatten oder ein lediger Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner mit oder ohne Kind einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet. Im Wesentlichen im Einklang mit der Judikatur definiert § 4 Pendlerverordnungg (BGBl II 276/2013) den Begriff des Familienwohnsitzes. Der ist dort, wo ein Steuerpflichtiger seine engsten persönlichen Beziehungen (z.B. Familie, Freundeskreis) und einen eigenen Hausstand hat, dessen Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht. Nur dann, wenn sowohl am Familienwohnsitz wie auch am Beschäftigungsort eine Wohnung unterhalten wird, weil die tägliche Heimkehr zum Familienwohnsitz nicht zumutbar ist, stehen daraus resultierende Werbungskosten (hier Pendlerpauschale von € 1.224,-) zu.

Im streitgegenständlichen Fall haben wesentliche Sachverhaltselemente (Nachweis des Familienwohnsitzes in U) ihre Wurzeln im Ausland. Sie sind für eine Beurteilung der steuerlichen Anerkennung der von der Bf beantragten Werbungskosten unabdingbar. Da die Bf ihrer erhöhten Mitwirkungsverpflichtung - trotz vielfacher Aufforderung - durch die Vorlage einer Kopie des Mietvertrages/ K sowie des Fahrtenbuches ohne Treibstoffbelege nicht ausreichend und durch die Vorlage eines un Schriftstückes/Meldekarte ohne beglaubigte Übersetzung nicht zielführend nachkam, ist dem BFG die Möglichkeit genommen, im Sinne des Beschwerdebegehrens zu entscheiden. Bei dem von der Bf verwirklichten Sachverhalt tritt die amtswegige Ermittlungspflicht, wie oben ausführlich dargestellt, in den Hintergrund. Das von der Bf beantragte Pendlerpauschale kann nicht gewährt werden.

Gem. § 33 Abs. 5 Z 4 steht bei Einkünften aus einem bestehenden Dienstverhältnis ein Pendlereuro (Absetzbetrag) in Höhe von jährlich zwei Euro pro Kilometer der einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu, wenn der Arbeitnehmer Anspruch auf ein Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 hat. Die Bf erfüllt diese gesetzlichen Voraussetzungen nicht (siehe oben). Der Pendlereuro kann nicht gewährt werden.

Dass im streitgegenständlichen Verfahren die Voraussetzungen für eine Antragsveranlagung vorliegen, wie in der Beschwerde zunächst ausgeführt, wird von der Bf im Vorlageantrag so nicht mehr aufrecht erhalten. Das BFG schließt sich in diesem Punkt der rechtlichen Beurteilung der Abgabenbehörde in der Beschwerdevorentscheidung an.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Revision ist nicht zulässig. Eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. mit weiteren Nachweisen). Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch höchstgerichtliche Rechtsprechung ausreichend geklärt, nicht von grundsätzlicher Bedeutung oder die anzuwendenden Normen sind klar und eindeutig.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 115 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.6100123.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at