Keine Kraftfahrzeugsteuerpflicht (überwiegende Nutzung des Pkws für einen ausländischen Betrieb)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Kufstein Schwaz vom betreffend Kraftfahrzeugsteuer für die Kalendermonate 1-12/2011 und 1-12/2012 sowie Festsetzung von Verspätungszuschlägen zu Recht erkannt:
I.) Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.
II.) Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I.) Verfahrensgang:
1.) Am erging der Bescheid über die Festsetzung der Normverbrauchsabgabe für den Zeitraum 05/2010 sowie über die Festsetzung eines Verspätungszuschlages zur Normverbrauchsabgabe. Am erließ das Finanzamt den Bescheid betreffend die Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 4-12/2010 sowie über die Festsetzung eines Verspätungszuschlages. Die angeführten Abgaben haben das Kraftfahrzeug der Marke C mit der Fahrgestellnummer xxx betroffen.
2.) Der gegen die angeführten Bescheide fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/3100458/2015, Folge gegeben, weil das gegenständliche Kraftfahrzeug monatlich ins Ausland verbracht worden ist.
3.) Mit Ausfertigungsdatum erließ das Finanzamt Bescheide betreffend die Festsetzung der Normverbrauchsabgabe für den Zeitraum 1/2011 und über die Festsetzung von Kraftfahrzeugsteuer für die Zeiträume 1-12/2011 und 1-12/2012 samt Verspätungszuschlägen. Der Bescheid über die Festsetzung der Normverbrauchsabgabe für den Zeitraum 1/2011 wurde von der Abgabenbehörde am gemäß § 299 BAO aufgehoben.
4.) Gegen die Bescheide betreffend die Festsetzung von Kraftfahrzeugsteuer für die Zeiträume 1-12/2011 und 1-12/2012 sowie von Verspätungszuschlägen zur Kraftfahrzeugsteuer wurde mit Eingabe vom fristgerecht Beschwerde erhoben und ausgeführt, der Bf (Beschwerdeführer) sei immer ausschließlich in Deutschland (vorwiegend in ***2***) berufstätig gewesen. Obwohl er seinen Wohnsitz im Jahr 2009 nach B verlegt habe, sei sein berufliches Tätigkeitsgebiet in Deutschland mit einer Betriebsstätte in ***3*** verblieben. Der Bf sei in Deutschland steuerlich veranlagt worden. Aufgrund seiner Tätigkeit als VC sei ein Kraftfahrzeug mit deutschem Kennzeichen unumgänglich gewesen. Der Pkw sei in einem Ausmaß von 90 % bis 95 % betrieblich genutzt worden. Obwohl der Ausgangspunkt für seine beruflichen Fahrten zu seinem Büro in ***3*** sowie zu seinen Kunden B gewesen sei, erscheine sein berufliches Tätigwerden bzw. seine Betriebsstätte in Deutschland unwiderlegbar. Gelegentlich und im untergeordneten Ausmaß habe der Bf Arbeiten in seinem Home Office in B erledigt. Der Gleichbehandlungsgrundsatz für ein freies Tätigwerden am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr in der EU würde im Beschwerdefall nicht eingehalten. Zudem würde eine Doppelbelastung mit Kraftfahrzeugsteuer vorliegen.
5.) Nach Ergehen einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung (Ausfertigungsdatum ) wurde mit Eingabe vom fristgerecht die Entscheidung über die Beschwerde durch das Verwaltungsgericht beantragt. Ergänzend wurde noch vorgebracht, der Standort der unternehmerischen Tätigkeit sei in den Beschwerdejahren in Deutschland gelegen. Der Bf habe niemals Kunden aus Österreich gehabt. Die Ansicht der Finanzverwaltung, wonach das Home Office in B als Betriebsstätte angesehen werde, sei überschießend und praxisfremd.
II.) Sachverhalt:
1.) Der Bf war in den Beschwerdejahren 2011 und 2012 123 bzw. 345 Jahre alt und bezog (deutsche) Renteneinkünfte. Der Bf ist seit mit Hauptwohnsitz in Ort1, gemeldet. Dort hat sich in den Jahren 2010 bis 2012 auch sein Hauptwohnsitz befunden. An dieser Adresse ist auch seine Gattin (AB) mit Hauptwohnsitz gemeldet (vgl. Eingabe vom , BFG-Akt, S.16-18).
2.) Der Bf war bis zum für die Gesellschaft in Ort2 tätig, wobei ihm die Gesellschaft ein Kraftfahrzeug der Marke C zur Verfügung gestellt hat. Dieses Kraftfahrzeug wurde vom Bf am käuflich erworben (vgl. BFG-Akt, S. 41 R. 42, Niederschrift vom , BFG-Akt, S. 39).
3.) Von Ende April 2010 bis hat der Bf eine freiberufliche Tätigkeit als D ausgeübt. In ***3***, Straße hat er gemeinsam mit einem weiteren D1 ein Büro angemietet. An der Büroadresse war der Bf mit Hauptwohnsitz gemeldet; dort verfügte er jedoch über keine Wohnmöglichkeit (vgl. Niederschrift vom , BFG-Akt, S. 47 R. bis 49, Niederschrift vom , BFG-Akt, S. 39).
3.1.) Der Kundenstamm des Bf hat sich ausschließlich in Deutschland befunden. Das Büro in ***3***, Straße verfügte über einen (deutschen) Festnetz- und Faxanschluss. Der Bf hat ein Mobiltelefon der deutschen Telekom benutzt; die E-Mail-Adresse hat hingegen einen österreichischen Anbieter aufgewiesen (vgl. Eingabe vom , BFG-Akt, S. 75 und vorgelegte Rechnungen, BFG-Akt, S. 92-96).
3.2.) Zu den Aufgaben des Bf hat neben der Erstellung von KL, die Besichtigung und Begehung von KM, die Kontrolle von KM, das Aufsuchen von Gerichten und Behörde, die Besprechung mit Auftraggebern, udgl gehört (vgl. Eingabe vom , BFG-Akt, S. 21, Vorhaltsbeantwortung vom , BFG-Akt, S. 201, vorgelegte Rechnungen, BFG-Akt, S. 92-95).
3.3.) Im Büro in ***3*** fanden ua Auftragsverhandlungen, Besprechungen mit (anderen) D1 und Recherchen statt. Das Büro wurde auch zur Erstellung genutzt. Die Abrechnungen und der Schriftverkehr wurden ebenfalls von dort aus abgewickelt (vgl. Eingabe vom , BFG-Akt, S. 17, Eingabe vom , BFG-Akt, S. 22 und 23, Niederschrift vom , BFG-Akt, S. 39, Eingabe vom , BFG-Akt, S. 85 R.).
3.4.) Die Auftragserteilung erfolgte schriftlich oder per Fax oder telefonisch und wurde an den Bf weitergeleitet (vgl. Eingabe vom , BFG-Akt, S. 85 R.).
4.) Das gegenständliche Kraftfahrzeug war seit dem auf den Bf mit dem amtlichen Kennzeichen 222 zugelassen und befand sich im Betriebsvermögen seines Unternehmens. Eine Zulassung in Österreich erfolgte am (amtliches Kennzeichen 333). In Österreich stand dem Bf ein weiteres Fahrzeug der Marke F mit dem polizeilichen Kennzeichen 444 zur Verfügung (vgl. Eingabe vom samt Steuererklärungen, BFG-Akt, S. 85 ff).
4.1.) Von April bis Dezember 2010 wurden mit dem gegenständlichen Kraftfahrzeug ca. 27.189 km zurückgelegt. Hievon sind 26.439 km auf betriebliche Fahrten entfallen. Die Privatfahrten haben ca. 750 km betragen. Im Jahr 2010 wurden an 118 Tagen betriebliche Fahrten unternommen (83 nach ***3*** und Umgebung, Eingabe vom , BFG-Akt, S. 22-23).
Die Fahrtstrecke vom Wohnsitz in B bis zur Staatsgrenze beträgt 21,6 km.
4.2.) Im Jahr 2011 wurden mit dem gegenständlichen Pkw 18.045 km zurückgelegt. Auf private Fahrten (11) entfielen 1.331 km, auf berufliche Fahrten (77) 16.714 km. An drei Tagen fanden betriebliche Fahrten ausschließlich im Inland statt (Fahrten vom 9.5., 14.7 und 10.10; Gesamtkilometer 163 km). Im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit ist der Bf im Jahr 2011 47-mal nach ***3*** und Umgebung gefahren (vgl. Eingabe vom , BFG-Akt, S. 23, Fahrtenbücher, BFG-Akt, S. 113-121).
4.3.) Der Bf ist mit dem gegenständlichen Fahrzeug im Jahr 2012 16.320 km gefahren, wobei 1.885 km auf private Fahrten (9) und 14.435 km auf berufliche Fahrten (72) entfallen sind. Von den beruflichen Fahrten entfielen vier Fahrten (23.3., 18.4., 3.10. und 17.12; Gesamtkilometer 231 km) ausschließlich auf das Inland. Die berufliche Tätigkeit führte den Bf im Jahr 2012 27-mal nach ***3*** und Umgebung (vgl. Eingabe vom , BFG-Akt, S. 23, Fahrtenbücher, BFG-Akt, S. 113-121).
4.4.) Der Bf ist nach Verrichtung seiner beruflichen Obliegenheiten in Deutschland (nahezu) ausschließlich nach B zurückgekehrt.
5.) Das gegenständliche Fahrzeug der Marke C wurde erstmals im April 2010 () nach Österreich gebracht. Im Jahr 2010 wurde der Pkw regelmäßig (mehr als einmal im Monat) ins Ausland verbracht (zB G, ***3***, G, ***3*** und H, 1. September ***3*** und I, ***3***, ***3*** und J, G, ***3*** und I, ***3***, I, vorgelegte Aufzeichnungen, BFG-Akt, S. 88-91).
6.) In den Jahren 2011 und 2012 wurde der gegenständliche Pkw nicht monatlich ins Ausland verbracht. Der Bf hat sich vom 6. April bis auf Urlaub befunden und war anschließend bis erkrankt. Fahrten ins Ausland fanden daher am (G) und dann wieder am (***3***) statt.
Den gesamten November 2012 war der Bf urlaubsbedingt ortsabwesend. Fahrten ins Ausland wurden am (K) und am (***3***) unternommen (vgl. Vorhaltsbeantwortungen vom , BFG-Akt, S. 162 und vom , BFG-Akt, S. 201).
7.) Der Bf hat in den Jahren 2010 bis 2012 seine Einkünfte als D in Deutschland erklärt und wurde dort zur Einkommensteuer veranlagt (vgl. Einkommensteuerbescheide der Jahre 2010 bis 2012, Steuererklärungen für die Jahre 2010 bis 2012, BFG-Akt, S. 97-109).
8.) Der Bf hat in B über eine Art Home Office verfügt und dort auch (vorbereitende) Arbeiten (zB entwürfe mittels Laptop) verrichtet (vgl. BFG-Akt, S. 17 und 76). Nicht festgestellt werden kann, dass die Wohnung in B dauerhaft oder im wesentlichen Ausmaß zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit genutzt worden ist.
9.) Nicht festgestellt werden kann, dass der Bf sein Büro in ***3*** nur sporadisch zur Postabholung aufgesucht hat.
III.) Die Feststellungen ergeben sich aus den in Klammer angeführten Beweismitteln bzw. sind unbestritten sowie aufgrund nachstehender Überlegungen (§ 167 BAO):
1.) Zutreffend ist, dass der Bf anlässlich seiner niederschriftlichen Vernehmung vom (vgl. BFG-Akt, S. 47 R.- 49) angegeben hat, er habe sein Büro in ***3*** nur sporadisch zur Abholung der Post aufgesucht. Anlässlich der angeführten Vernehmung hat der Bf aber auch ausgeführt, zwei bis dreimal pro Woche von seiner D1tätigkeit in Deutschland nach B zurückgekommen zu sein. Diese Behauptung findet in den vorgelegten Fahrtenbüchern keine Deckung. Auch die (weitere) Ausführungen des Bf vom , wonach er mit Beendigung seines Dienstverhältnisses bei der Gesellschaft mit Ende des Jahres 2010 nur mehr freiberuflich tätig gewesen sei und zu diesem Zeitpunkt auch den gegenständlichen C erworben habe, decken sich nicht mit dem Inhalt der vorgelegten Dokumente. Der Bf hat seine freiberufliche Tätigkeit bereits im April 2010 aufgenommen und im März 2010 den gegenständlichen Pkw erworben (vgl. BFG-Akt, S. 41 R.-42, Niederschrift vom , BFG.Akt, S. 39). Aus den angeführten Umständen erschließt sich, dass die Angaben des Bf anlässlich seiner niederschriftlichen Vernehmung vom mit Ungenauigkeiten behaftet waren.
Hinzu kommt noch, dass der Steuerpflichtige der Abgabenbehörde bereits im Jahr 2012 einen Aktenvermerk datiert mit (Telefonat mit MA betreffend die NoVA-Pflicht) übermittelt hat. In diesem Vermerk wurde festgehalten, dass die Einteilung seiner Tätigkeiten von seinem Büro in ***3*** aus erfolgt sein soll (vgl. BFG-Akt, S. 45). Von einem lediglich sporadischen Abholen der Post ist darin keine Rede. Am hat der Bf seine Aussage vom berichtigt und dargelegt, in seinem Büro auch Rohfassungen von KL erstellt, die Bibliothek genutzt und Besprechungen mit Kollegen abgehalten zu haben (vgl. Niederschrift vom , BFG-Akt, S. 39).
In einer Eingabe vom (BFG-Akt, S. 17, Rückseite) wurde die Aussage vom als "etwas salopp" formuliert bezeichnet. Ferner wurden die im Büro in ***3*** durchgeführten Tätigkeiten aufgelistet.
Die (unterschiedlichen) Aussagen des Bf wurden von der Abgabenbehörde nach Meinung des Bundesfinanzgerichtes nicht hinreichend gewürdigt. Von der Abgabenbehörde wurde lediglich festgehalten, der Erstaussage werde mehr Bedeutung beigemessen und erscheine diese auch lebensnäher. Zutreffend ist, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Erstaussage die Vermutung für sich hat, dass sie der Wahrheit am nächsten kommt (vgl. zB ). Diese Vermutung ist aber widerlegbar. Dass die Aussagen des Bf am mit Ungenauigkeiten behaftet waren, wurde bereits dargelegt. Aus welchen Gründen die Erstaussage (Anmieten eines Büros in ***3*** zur Postabholung) lebensnaher oder praxisnaher sein soll, ist für das Bundesfinanzgericht nicht erkennbar und wurde dies von der Abgabenbehörde auch nicht näher ausgeführt. Dass die Angaben des Bf unpräzise sind, wird auch durch das wiederholt vorgetragene Vorbringen verdeutlicht, wonach der gegenständliche Pkw zu 90 % bis 95 % betrieblich genutzt worden sein soll (vgl. Beschwerde vom , BFG-Akt, S. 14, Aktenvermerk vom , BFG-Akt, S. 45). Zu derartigen Prozentsätzen gelangt man nur, wenn man die jährlichen Urlaubsfahrten bei Ermittlung der privaten Kilometer außer Ansatz lässt. Dies wurde aber erst im Laufe des Verfahrens erläutert (vgl. Eingabe vom , BFG-Akt, S. 23).
2.) Die Auswertungen des Finanzamtes betreffend die Fahrten zum Büro nach München (vgl. BFG-Akt, S, 62 ff) wurden dem Bf nicht vorgehalten und konnte er sich hiezu vor Erlassung der Beschwerdevorentscheidung vom nicht äußern. Sucht man nach den Einträgen" Büro Str.. oder ***3***, Büro" ist festzustellen, dass sich die Auswertungen der Fahrtenbücher des Finanzamtes als nicht korrekt erweisen, wie nachstehende Beispiele verdeutlichen. Im Februar 2011 wurden zwei Eintragungen (laut Finanzamt nur eine Eintragung) der angeführten Art gemacht (2.2. Büro Str.1ielstr. und 15.2. Büro ***3***). Gleiches gilt für den Monat März 2011 (23.3. Büro Str. und 29.3. Büro ***3***). Im Juni 2011 wurde der Eintrag Büro Str.. nicht nur einmal - wie vom Finanzamt dargestellt -, sondern dreimal (11.6., 17.6. und 27.6.) vorgenommen. Im März 2012 finden sich zwei Einträge mit dem Vermerk "Büro oder Str.1ielstr". (laut Finanzamt nur ein Eintrag). Am wurde als Reiseziel "A Büro" eingetragen; nach der Auswertung der Abgabenbehörde wäre in diesem Monat das Büro in Deutschland nicht aufgesucht worden. Gleiches gilt für den (Fahrtzweck Büro) und den (A Str.1). Im Juli 2012 finden sich drei Einträge mit dem Vermerk "A- Zweck der Fahrt Str.1." "A-Str.1." Und "A Büro" (19.7., 25.7. und 31.7.). Vom Finanzamt wurde nur eine Fahrt zum Büro nach ***3*** festgestellt.
Hinzu kommt noch, dass sich der Bf vom 6. April bis und im November 2012 auf Urlaub befunden hat und vom bis erkrankt war. Darüber hinaus wurde vorgebracht, der Bf habe sein Büro im Osten von ***3*** auch dann aufgesucht, wenn er in dessen Umgebung Objekte zu bearbeiten gehabt habe. Jede andere Vorgangsweise widerspreche der Praktikabilität seines Berufes als D (vgl. Schriftsatz vom , BFG-Akt, S. 22, Niederschrift vom , BFG-Akt, S. 39). Dieses Vorbringen des Bf wurde vom Finanzamt nicht gewürdigt.
In den tabellarischen Auswertungen der Abgabenbehörde blieben daher die angeführten Urlaubzeiten und alle Tage, in denen der Bf - ohne die angeführten Einträge im Fahrtenbuch vorzunehmen - nach ***3*** gefahren ist (zB: , , , etc), außer Ansatz (vgl. auch Vorhaltsbeantwortung vom , BFG-Akt, S. 201).
3.) Anlässlich seiner niederschriftlichen vom hat der Bf ua ausgeführt, in B über eine Art Home Office, die übliche Büroeinrichtung und einen Teil der Bibliothek zu verfügen (vgl. BFG-Akt, S. 39). In welchem Ausmaß in B überhaupt berufliche Tätigkeiten durchgeführt worden sind, lässt sich der Niederschrift vom nicht entnehmen. Ebenso wenig was unter dem Begriff "einer üblichen Büroausstattung " im Beschwerdefall zu verstehen ist. Im Schriftsatz vom (BFG-Akt, S. 17 R.) wurde dargelegt, das Home Office habe aus einem Laptop bestanden, auf dem vorbereitende Arbeiten (KL) formuliert worden seien. Die wissenschaftlichen Unterlagen hätten sich hingegen im Büro in ***3*** befunden.
Festzuhalten ist, dass die niederschriftlichen Vernehmungen des Bf sehr allgemein gehalten sind. Welche Fragen an den Bf gerichtet wurden, ist den Niederschriften nicht zu entnehmen. Antworten von Parteien werden aber erfahrungsgemäß auf derselben Abstraktionsebene gegeben wie die Fragen gestellt worden sind. In welchem Konnex die vom Finanzamt als entscheidungswesentlich erachteten Aussagen des Bf zum Aufsuchen des Büros in ***3*** und zum Home-Office gemacht worden sind, ist den Niederschriften ebenfalls nicht zu entnehmen. Den niederschriftlichen Vernehmungen vermag das Bundesfinanzgericht daher nicht jene Beweiskraft beizumessen wie es die Abgabenbehörde getan hat. Auch wenn das Vorbringen des Abgabepflichtigen nicht immer konsistent war, kann ein lediglich gelegentliches Aufsuchen des Büros in ***3*** nicht festgestellt werden. Gleiches gilt für ein dauerhaftes oder wesentliches Ausüben seiner D1tätigkeit im Home Office in B.
IV.) Rechtslage und Erwägungen:
1.) Sowohl § 1 Z 3 Normverbrauchsabgabegesetz (NoVAG 1991) wie auch § 1 Abs. 1 Z 3 Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992 (KfzStG 1992) knüpfen an die erstmalige Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr im Inland bzw. an die Verwendung (auf Straßen mit öffentlichem Verkehr) im Inland ohne die kraftfahrrechtlich erforderliche Zulassung (widerrechtliche Verwendung) an.
2.) Gem. § 40 Abs. 1 KFG 1967 gilt als dauernder Standort eines Fahrzeuges der Hauptwohnsitz des Antragstellers, bei Fahrzeugen von Unternehmungen der Ort, von dem aus der Antragsteller über das Fahrzeug hauptsächlich verfügt. Nach § 82 Abs. 8 KFG 1967 sind Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dauerndem Standort im Inland anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 KFG 1967 ist nur während eines Monats ab der Einbringung in das Bundesgebiet zulässig.
3.) Mit Erkenntnis vom , 2011/16/0221, hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass die Einbringung in das Bundesgebiet gemäß § 82 Abs. 8 KFG der Einbringung gemäß § 79 KFG entspreche und die Monatsfrist bis zur erforderlichen inländischen Zulassung mit jeder Verbringung des Fahrzeugs ins Ausland oder in das übrige Gemeinschaftsgebiet neu zu laufen beginne. Die Entscheidung, dass die Monatsfrist des § 82 Abs. 8 KFG mit jeder Verbringung ins Ausland unterbrochen wird, hat der VwGH mit Erkenntnis vom , 2015/16/0031, bestätigt.
4.) Die in Reaktion auf das Erkenntnis vom , 2011/16/0221 mit BGBl I 2014/26 erfolgte, am kundgemachte und rückwirkend bis in Kraft getretene Änderung des § 82 Abs. 8 KFG dahingehend, dass nur die erstmalige Einbringung eines Kraftfahrzeuges in das Bundesgebiet die einmonatige Frist auslöst, innerhalb derer ein Verwenden eines Kraftfahrzeuges auf Straßen mit öffentlichem Verkehr ohne Zulassung zulässig ist, ist hinsichtlich ihrer Rückwirkungsanordnung vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , G72/2014, als verfassungswidrig aufgehoben worden. Daher ist die geänderte Bestimmung des § 82 Abs. 8 KFG mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung, das war mit Ablauf des in Kraft getreten.
Damit war im Beschwerdefall der § 82 Abs. 8 KFG in der Fassung des 2. AbgÄG 2002 anzuwenden und im Sinne der vorzitierten Erkenntnisse des VwGH zu verstehen. Eine monatliche Fristunterbrechung konnte nur für das Jahr 2010 festgestellt werden. Auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/3100458/2015, wird verwiesen.
5.) Die gesetzliche Standortvermutung des § 82 Abs. 8 KFG ist widerlegbar. Die Beweismittel sind dabei unbegrenzt. Wird trotz inländischem Hauptwohnsitz nachgewiesen, dass der Standort eines Kfz mit ausländischem Kennzeichen außerhalb Österreichs liegt, tritt eine Zulassungspflicht und damit die Pflicht zur Abfuhr der Kfz-Steuer und der NoVA nicht ein (vgl. ).
§ 82 Abs. 8 KFG 1967 lässt als lex specialis zu § 40 Abs. 1 KFG 1967 auch für den Fall eines Hauptwohnsitzes in Österreich den dort vorgesehenen Gegenbeweis zu (). Im zitierten Erkenntnis sprach das Höchstgericht aus, dass für ein Fahrzeug, das (in Bezug auf die Kilometerleistung) zu über 85 % in Deutschland (betrieblich) genutzt wurde, keine Zulassungspflicht in Österreich bestand. Wird ein Fahrzeug weitaus überwiegend nicht in Österreich verwendet, könne der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie von der Erbringung des Gegenbeweises ausgegangen ist.
6.) Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass der Bf seinen Hauptwohnsitz in Österreich hatte und (nahezu) täglich dorthin zurückgekehrt ist. Das Finanzamt ging von einer Zulassungsverpflichtung in Österreich aus, weil der Bf in B eine Betriebsstätte (Home Office) begründet und über das Fahrzeug (in zeitlicher Hinsicht) überwiegend vom Inland aus verfügt habe.
6.1.) Wie bereits darlegt, hat der Bf anlässlich seiner niederschriftlichen Vernehmung vom angegeben, in B über einer Art Home Office verfügt zu haben (vgl. BFG-Akt, S. 39).
Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Wohnung eines Unternehmers, als örtliche, ortsgebundene, dem Betrieb dienende Räumlichkeit verstanden, als Betriebsstätte des Unternehmens anzusehen sein kann, was häufig etwa bei selbstständigen Vertretern der Fall ist. Die Wohnung eines Unternehmers erfüllt aber voraussetzungsgemäß nur dann die Erfordernisse der dem Betrieb "dienenden Einrichtung", wenn nicht nur vorübergehend und gelegentlich betriebliche Tätigkeit abgewickelt werden, sondern insbesondere dann, wenn eine entsprechende Betriebsstätte im herkömmlichen Sinn nicht vorhanden ist und sich in der Wohnung auf Dauer alle jene Tätigkeiten vollziehen, die ansonsten in entsprechenden Betriebsräumen abgewickelt werden. Je geringer der Betriebsumfang, desto eher vermag die (ausschließlich oder überwiegend) in der Wohnung abgewickelte Tätigkeit das Bild der Inanspruchnahme der Wohnung als betriebliche Anlage zu erfüllen (, Vermittlung und Beratung; , bei einem Holzeinkäufer ohne sonstige andere Betriebsräumlichkeiten, vgl. Stoll, BAO, 389 ff). Allein aus der angeführten allgemein gehaltenen Behauptung des Bf kann das Vorliegen einer Betriebsstätte in B am BT nicht abgeleitet werden.
6.2.) Insoweit das Finanzamt das Vorliegen einer Betriebstätte in B auch auf die Aussage des Bf stützt, sein Büro in ***3*** nur sporadisch aufgesucht zu haben, ist festzuhalten, dass die Abgabenbehörde alle (weiteren) dieses Vorbringen berichtigenden Ausführungen des Steuerpflichtigen nicht gewürdigt hat. Auf Punkt III. dieses Erkentnisses wird verwiesen.
Auch der Umstand, dass die berufliche Tätigkeit von B aus gestartet worden ist, kann nicht dazu führen, dass die Wohnung des Abgabepflichtigen ohne Weiteres als seine Betriebsstätte anzusehen ist, zumal in ***3*** (wenn auch in Gemeinschaft mit einem weiteren D1) ein Büro angemietet und regelmäßig genutzt worden ist. Nach Meinung des Bundesfinanzgerichtes muss das Home Office dauerhaft zur Ausübung einer betrieblichen bzw. beruflichen Tätigkeit genutzt werden. Geringfügige Nutzungen, mit zahlreichen Unterbrechungen bzw. sporadischer geschäftlicher Tätigkeit, führen hingegen noch nicht zur Begründung einer Betriebsstätte.
Dass das Home Office überwiegend zur Ausübung der D1tätig genutzt wurde, hat der Bf aber nicht behauptet und wurde dies von der Abgabenbehörde auch nicht festgestellt. Von einer Betriebsstätte in B im Sinne des § 29 BAO kann daher nicht ausgegangen werden.
6.3.) Nach Meinung des Finanzamtes ist es für den Betriebsstätten-Begriff unerheblich, ob dort ein wesentlicher oder ein unwesentlicher Beitrag zum Erfolg des Unternehmens geleistet wird. In diesem Zusammenhang wird Reger-Stoll, BAO-Kommentar, § 29 Tz 4 ff zitiert. Beim angeführten Kommentar handelt es sich um einen Kommentar zur Bundesabgabenordnung aus dem Jahr 1966. Die dort wiedergegebene Meinung, wonach jede (auch untergeordnete) Tätigkeit, die der Ausübung des Gewerbebetriebes dient, zur Annahme einer Betriebsstätte führt, wenn sie von einer festen örtlichen Anlage oder Einrichtung aus erfolgt, wurde im Nachfolgekommentar (Stoll, BAO, 1994) nicht mehr aufrecht gehalten. Auf Punkt IV. 6.1. dieses Erkenntnisses wird verwiesen. Zudem sind die in der zitierten Literaturstelle angeführten höchstgerichtlichen Erkenntnisse zu mit dem Beschwerdefall nicht vergleichbaren Sachverhalten ergangen.
6.4.) Was die Fahrtenbuchauswertungen des Finanzamtes anbelangt, ist festzuhalten, dass die Abgabenbehörde die beruflichen Fahrten/Monat von den gesamten Kalendertagen eines Monats in Abzug gebracht hat. Die so ermittelten Tage wurden der privaten Nutzung in Österreich bzw. den Stehzeiten in Österreich zugeordnet. Einzig unter Einbeziehung der erheblichen Stehzeiten (laut Finanzamt 288 bzw. 294 Tage) wurde ein beruflicher Einsatz des gegenständlichen Kraftfahrzeuges von lediglich 21 % (2011) bzw. 20 % (2012) errechnet.
Der Bf hat mit dem gegenständlichen Pkw im Jahr 2011 16.714 km und im Jahr 2012 14.435 km für betriebliche Zwecke zurückgelegt. Bereinigt man diese Kilometerleistungen um betriebliche Fahrten im Inland (2011: 163 km, 2012: 231 km) so gelangt man zu betrieblichen Kilometerleistungen mit Auslandsbezug von 16.551 km (2011) und 14.204 km (2012). Berücksichtigt man weiters, dass die Strecke zwischen dem Wohnort des Bf und der deutsch-österreichischen Staatsgrenze ca. 21,6 km beträgt, hat der Bf im Jahr 2011 13.354, 2 km (16.551 km - 3.196,9 km =13.354 km; 21,6 km x 2 x 74 betriebliche Fahrten ins Ausland = 3.196,80 km) oder 74 % der Kilometer außerhalb Österreichs für den deutschen Betrieb zurückgelegt. Für das Jahr 2012 errechnen sich diese Werte mit 11.266, 4 km (14.204 - 2.937,6 km = 11.266,4 km, 21,6 km x 2 x 68 betriebliche Fahrten ins Ausland = 2.937, km) oder 69 %.
Im Beschwerdefall wurde mit dem Fahrzeug nicht nur die überwiegende Kilometerleistung für den deutschen Betrieb im Ausland zurückgelegt, sondern das Fahrzeug (gemessen an den tatsächlichen Einsatztagen) auch zeitlich überwiegend für den Betrieb im Ausland verwendet. Berücksichtigt man weiters, dass der Bf nur in ***3*** über eine Betriebstätte verfügt und diese regelmäßig aufgesucht hat, der gegenständlichen Pkw dem Betriebsvermögen des Einzelunternehmens zuzuordnen war, der Kundenstamm des Abgabepflichtigen sich ausschließlich aus deutschen Auftraggebern zusammengesetzt hat, kann der Abgabenbehörde nicht gefolgt werden, dass der Gegenbeweis im Sinne des § 82 Abs. 8 erster Satz KFG nicht erbracht worden ist. Mit den vorgelegten Fahrtenbüchern, Rechnungen und sonstigen Dokumenten in Verbindung mit dem ergänzenden Parteivorbringen wurde die Standortvermutung widerlegt. Der Beschwerde war daher Folge zu geben. Die angefochtenen Bescheide waren aufzuheben.
V.) Zulässigkeit einer Revision:
Eine Revision ist nicht zulässig, da es sich ausschließlich um die Beantwortung von Tatfragen handelt, und die zugrundeliegenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des VwGH und das Gesetz ausreichend beantwortet sind.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 82 Abs. 8 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967 § 1 Abs. 3 Z 3 KfzStG 1992, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, BGBl. Nr. 449/1992 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100448.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at