Familienbeihilfenanspruch im Falle des Abbruches des Studiums während des ersten Studienjahres
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/3100320/2020-RS1 | Da detaillierte Nachweise im ersten Studienjahr, ob und wie in einem bestimmten Monat studiert wird, nicht erbracht werden können, gilt für den Bereich der Einrichtungen nach § 3 des Studienförderungsgesetzes die Aufnahme als ordentlicher Hörer als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Im Falle eines Studienabbruchs nach zwei Monaten kann daher nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass überhaupt kein Studium betrieben worden sei. Dies wäre nur der Fall, wenn über die Aufnahme als ordentlicher Hörer hinaus von vorneherein keinerlei Aktivität in Richtung eines Studiums gesetzt wird. Dann läge überhaupt keine Berufsausbildung vor (vgl. ; ). |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Kitzbühel Lienz vom betreffend Rückforderung der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbeträge, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird Folge gegeben und die Rückforderung auf folgende Beträge und Zeiträume eingeschränkt:
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Familienbeihilfe (FB) | 12/2019 - 01/2020 | € 358,60 |
Kinderabsetzbeträge (KG) | 12/2019 - 01/2020 | € 116,80 |
€ 475,40 |
Gegenüberstellung:
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Art: | FB | KG | Summe: |
Rückforderung bisher: | € 717,20 | € 233,60 | € 950,80 |
Rückforderung neu: | € 358,60 | € 116,80 | € 475,40 |
Gutschrift: | € 358,60 | € 116,80 | € 475,40 |
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Nachdem die Beschwerdeführerin im Rahmen einer Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe am unter Vorlage des Schreibens des Management Center Innsbruck (MCI) vom mitteilte, dass ihr Sohn S. P. das im Oktober 2019 be-gonnene Studium "Mechatronik" wieder beendet habe, forderte das Finanzamt mit Bescheid vom die für die Monate Oktober 2019 bis Jänner 2020 ausbezahlte Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge in Höhe von insgesamt€ 950,80 wieder zurück. Begründend führte das Finanz-amt unter Zitierung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 aus, dass ein Familienbeihilfenanspruch nur dann bestehe, wenn die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben werde. Das sei dann anzunehmen, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehme und das Kind zu den Prüfungsterminen innerhalb eines angemessenen Zeitraumes antrete. Der Sohn habe das Studium nach zwei Monaten abgebrochen und keinen Prüfungsnachweis erbracht. Es sei daher davon auszugehen, dass das Studium nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben worden ist.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom Bescheidbeschwerde und beantragte die Rückforderung auf die Monate Dezember 2019 bis Jänner 2020 zu beschränken. Hierzu brachte sie vor, dass ihr Sohn bis zum Abbruch des Studiums am dieses sehr wohl ernsthaft und zielstrebig betrieben habe. Er habe alle angebotenen Lehrveranstaltungen besucht, wie aus den beispielhaft in Kopie der Beschwerde beigelegten Arbeitsunterlagen entnommen werden könne. Die meisten Übungen und Mitschriften seien über die Onlineplattform "Sakai" des MCI durchgeführt worden. Zu dieser Plattform habe er keinen Zugang mehr, weshalb diese Unterlagen nicht mehr vorgelegt werden könnten. Aufgrund der Kürze des Studiums könnten auch keine Zeugnisse vorgelegt werden, da noch keine Prüfungen stattgefunden hätten. Der Abbruch des Studiums sei erfolgt, nachdem für S. festgestanden sei, dass die vermittelten Inhalte des Studiums sich größtenteils nicht mit seinen Erwartungen decken würden. Seit Dezember 2019 befinde er sich wieder in einem Dienstverhältnis.
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.
Eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 liege laut ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg gegeben sei. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, seien essenzieller Bestandteil einer Berufsausbildung. Werde ein Hochschulstudium bereits nach zwei Monaten (aufgrund des kurzen Zeitraumes naturgemäß ohne die Ablegung von Prüfungen) beendet, könne von einem ernsthaft betriebenen Studium keine Rede sein, weshalb keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vorliege.
Der Umstand, dass eine Aufnahme als ordentlicher Hörer vorliege, vermöge den Anspruch auf Familienbeihilfe nicht zu begründen. Die Zulassung an einer Universität oder Fachhochschule zum Studium bzw. die Bestätigung über die Fortsetzung desselben sei als reiner Formalakt nicht geeignet eine Berufsausbildung nachzuweisen und den Anspruch auf Familienbeihilfe zu begründen (so zB. -G/08 mit weiteren Judikaturnachweisen).
Auch der tatsächliche Besuch von Vorlesungen über einen zwei bis dreimonatigen Zeitraum könne nicht als Berufsausbildungsmaßnahme im Sinne der Bestimmungen des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 angesehen werden, wenn das Studium ohne Ablegung einer einzigen Prüfung nach derart kurzer Zeit wieder beendet werde, zumal nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Besuch von Vorlesungen allein nicht als Absolvierung einer Berufsausbildung angesehen werden könne.
S. habe am das Studium abgebrochen und sei seit in einem Beschäftigungsverhältnis. Es seien zwar Nachweise über die Teilnahme an Übungen sowie Mitschriften vorgelegt worden, welche aber aufgrund der einschlägigen gesetzlichen Vorgaben und der dazu ergangenen Rechtsprechung nicht als Nachweis für eine ernsthafte und zielstrebige Berufsausbildung ausreichen würden.
Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Ergänzend zum Beschwerdevorbringen führte sie aus, dass die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung keinesfalls richtig seien. Ihr Sohn habe für das Studium eine Wohnung in Innsbruck angemietet, für die er Mietzahlungen von September 2019 bis inklusive Februar 2020 (frühestmögliche Auflösung des Mietverhältnisses) leisten habe müssen. Zudem habe er kostenintensive Aufwendungen, wie für einen speziellen Laptop mit besonderer Speicherfähigkeit gehabt. Sie habe ihn bei diesen Ausgaben finanziell unterstützt. Die Rechnung für den Laptop und der Mietvertrag könne bei Bedarf vorgelegt werden. Das betriebene Studium, wenn auch nur für zwei Monate, habe letztendlich einen großen finanziellen Aufwand bedeutet, der sowohl sie als auch ihren Sohn belastet habe. Er habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht und, nachdem feststand, dass das Studium nicht seinen Vorstellungen entsprach, die Konsequenzen gezogen und umgehend ein Dienstverhältnis begonnen. Ihres Erachtens könne ihm dies nicht zum Vorwurf gemacht werden, sondern zeuge diese Entscheidung vielmehr von Zielstrebigkeit und Ernsthaftigkeit.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Sohn der Beschwerdeführerin, S. P., geboren am ***1***, war im Wintersemester 2019/2020 im Bachelorstudium "Mechatronik" am Management Center Innsbruck (MCI) inskribiert. Das Studium wurde bis zum durch Besuch von Lehrveranstaltungen auch tatsächlich betrieben.
Beweiswürdigung
Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen, insbesondere aus der Inskriptionsbestätigung vom , der Beendigung des Bildungsvertrages durch das Schreiben vom und einiger Mitschriften. Feststellungen, dass der Sohn der Beschwerdeführerin bis dahin keinerlei Aktivität in Richtung eines Studiums gesetzt habe, wurden vom Finanzamt weder festgestellt, noch behauptet. Hierfür ergeben sich auch sonst keine Anhaltspunkte. Der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte finanzielle Aufwand würde das Vorliegen eines aktiv betriebenen Studiums jedoch nicht zu belegen vermögen.
Rechtliche Beurteilung
§ 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) lautet:
"§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
a) für minderjährige Kinder,
b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß,"
§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 lautet:
"§ 26. (1) Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen."
Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 auch auf zu Unrecht bezogene Kinderabsetzbeträge anzuwenden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Ro 2015/16/0033, ausgesprochen, dass die Bestimmung "Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr" auf das Erfordernis eines Studiennachweises, der für das erste Studienjahr bei einer im Familienbeihilfenrecht grundsätzlich anzustellenden ex-ante-Betrachtung nicht erbracht werden könne, und sich somit (nur) auf die Definition beziehe, wann ein Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben werde. Ein Studienfortgang setze aber voraus, dass ein Studium überhaupt betrieben werde. Der Entfall eines Kriteriums für den Studienfortgang im ersten Studienjahr ("Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung" arg. "gilt", Fiktion des Studienfortganges), lasse das Erfordernis, dass ein Studium überhaupt betrieben wird, um von einer Berufsausbildung sprechen zu können, unberührt. Wenn allerdings über die Aufnahme als ordentlicher Hörer hinaus von vornherein keinerlei Aktivität in Richtung eines Studiums gesetzt werde, liege keine Berufsausbildung vor.
Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass im Oktober und November 2019 der Sohn der Beschwerdeführerin das Studium tatsächlich betrieben hat und somit die Voraussetzungen für einen Familienbeihilfenanspruch erfüllt sind und erst mit dem Studienabbruch am nicht mehr erfüllt werden.
Die vom Finanzamt zitierte Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom , RV/0466-G/08, ist auf den Beschwerdefall nicht anwendbar, weil es sich in jenem Fall nicht um den Besuch einer Einrichtung im Sinne des § 3 Studienförderungsgesetzes gehandelt hat und außerdem im gegenständlichen Fall eben nicht lediglich ein reiner Formalakt der Zulassung zum Studium vorliegt. Das Studium wurde auch tatsächlich betrieben.
Die Rückforderung der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbeträge war im Hinblick auf § 10 Abs. 2 FLAG 1967, wonach die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt wird, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden und mit Ablauf des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt, erlischt, auf die Monate Dezember 2019 bis Jänner 2020 einzuschränken.
Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht ist von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen. Tatsachenfragen sind einer Revision im Allgemeinen ohnehin nicht zugänglich. Die (ordentliche) Revision war daher als unzulässig zu erklären
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100320.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at