Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.06.2020, RV/7102550/2018

Auswärtige Berufsausbildung eines Kindes - Kostentragung bei mehreren Unterhaltspflichtigen

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7102550/2018-RS1
Es erscheint sachgerecht, dass die Kostentragung für eine auswärtige Berufsausbildung nach der Leistungsfähigkeit und damit insbesondere mittels einer Vergleichsrechnung unter Hinzuziehung der Nettoeinkommen der Elternteile zu ermitteln ist, insbesondere dann, wenn beide in den Streitjahren nichtselbständige Einkünfte erzielt haben.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden vom bzw. gegen die Bescheide des ***FA*** vom bzw. , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 bzw. 2017 zu Recht erkannt:


  • Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Das Verfahren stellt sich wie folgt dar:

Die Beschwerdeführerin machte in ihren Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung 2016 und 2017 unter anderem den Unterhaltsabsetzbetrag und (nur 2017) außergewöhnliche Belastungen aufgrund einer auswärtigen Berufsausbildung ihrer Tochter geltend.

Das Finanzamt erließ am bzw. am Einkommensteuerbescheide für das Jahr 2016 bzw. 2017, wobei weder der Unterhaltsabsetzbetrag noch (nur 2017) die außergewöhnlichen Belastungen bei der Einkommensermittlung bzw. der Festsetzung der Einkommensteuer Berücksichtigung fanden. Begründet wurde der fehlende Abzug für 2016 mit § 34 Abs 7 Z 5 EStG 1988, wonach Unterhaltsleistungen an volljährige Kinder, für die keine Familienbeihilfe ausbezahlt wird, nicht im Wege eines Unterhaltsabsetzbetrages berücksichtigt werden können. Für 2017 wurde ausgeführt, dass laut Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung über die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem Studienförderungsgesetz 1992 ***Ort1*** zu jenen Gemeinden zählt, zu denen die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort zumutbar ist.

Dagegen richteten sich die Beschwerden vom (für 2016) bzw. (für 2017), wobei für 2016 zusätzlich außergewöhnliche Belastungen für die auswärtige Berufsausbildung der Tochter geltend gemacht wurden. Begründet wurden die Rechtsmittel damit, dass die Ausbildungsstätte ihrer Tochter (Universität Wien, Universitätsring 1, 1010 Wien) mehr als 80 km von ihrem Wohnort ***Ort1*** entfernt sei bzw. dass die Fahrzeit mit dem günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel laut Fahrplanauskunft der ÖBB 1 Stunde 35 Minuten und laut Pendlerrechner 1 Stunde 36 Minuten betrage, weshalb die tägliche Hin- und Rückfahrt nicht zumutbar sei.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom (2016) und (2017) wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen, wobei für 2016 begründend ausgeführt wurde, dass laut Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung über die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem Studienförderungsgesetz 1992 ***Ort2*** zu jenen Gemeinden zählt, zu denen die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort zumutbar ist. Für 2017 stellte das Finanzamt fest:

"Zum selben Sachverhalt ist eine Beschwerde beim Bundesfinanzgericht anhängig. Bis zum Vorliegen einer Entscheidung wird der Freibetrag nicht gewährt. Je nach Ergebnis wird der Bescheid von Amts wegen abgeändert."

In den Vorlageanträgen vom (2016) bzw. (2017) beantragte die Beschwerdeführerin die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts, verwies auf ihre Ausführungen in den Beschwerden und wies darauf hin, dass der Wohnort der Tochter nicht ***Ort2***, sondern ***Ort1*** sei.

Mit den Vorlageberichten vom (2016) bzw. (2017) wurden die Beschwerden von der belangten Behörde dem Bundesfinanzgericht mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde hinsichtlich des Unterhaltsabsetzbetrages bzw. Stattgabe betreffend die Geltendmachung von außergewöhnlichen Belastungen für auswärtige Berufsausbildung zur Entscheidung vorgelegt. Der Stattgabeantrag wurde damit begründet, dass die Entfernung von ***Ort1*** zur Ausbildungsstätte in Wien (1010 Wien, Universitätsring 1) laut Routenplaner (www.michelin.at) 83,4 km betrage.

Das Bundesfinanzgericht forderte mit Beschluss vom die Beschwerdeführerin auf, die Höhe der Unterhaltsverpflichtung in 2016 und 2017, eine eventuelle Veränderung der Höhe der Unterhaltszahlungen aufgrund des Studiums der Tochter sowie das Ausmaß der Kostentragung der Mehrausgaben des Studiums der Tochter im Vergleich zum Kindesvater anzugeben. Der Beschluss blieb unbeantwortet. Eine mehrmalige Kontaktaufnahme mittels E-Mail und Telefon blieb erfolglos.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom wurden der Kindesvater und die Tochter als Zeuge/Zeugin unter Hinweis auf die damit verbundenen Rechte/Pflichten gebeten, zur Höhe der Unterhaltsverpflichtung und -zahlungen in 2016 und 2017, deren eventuelle Veränderung aufgrund des Studiums der Tochter, zur Kostentragung der Mehrausgaben des Studiums sowie zu den Studienrichtungen bzw. des Studienerfolgs der Tochter schriftlich und unter Beibringung von Unterlagen Auskunft zu geben.

Mit E-Mail vom wurde seitens der Zeugen der Aufforderung entsprochen. Vorgelegt wurden Studienblätter der relevanten Studiensemester, ein Sammelzeugnis, eine Meldebestätigung der Tochter, ein Kontobeleg als Nachweis über die vom Kindesvater erhaltenen Unterhaltszahlungen sowie eine Stellungnahme beider Zeugen:

"1) a. Da sich seit Februar 2007 nichts an dem Vergleich des Bezirksgerichts ***BGOrt*** geändert hat, lag die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung für die Jahre 2016 und 2017 unverändert bei 150,00 €.

b. Wie die angefügten Kontounterlagen der Bank Austria von ***Vater*** belegen, lagen die tatsächlichen Unterhaltszahlungen für die Jahre 2016 und 2017 bei 200,00 €.

2) Die Höhe der gesetzlichen Unterhaltszahlungen hat sich zu keinem Zeitpunkt verändert.

3) Die Wohnungskosten für den Nebenwohnsitz (siehe angefügten Meldezettel) von Frau ***Tochter*** (ca. 425,00 €) wurden vom Vater ***Vater*** getragen, die 200,00 € Unterhalt der Mutter wurden als Verpflegungskosten genutzt.

4) Im Wintersemester 2015/2016 und Sommersemester 2016 hat Frau ***Tochter*** Romanistik Spanisch und Deutsche Philologie studiert. Im Wintersemester 2016/2017 und Sommersemester 2017 hat sie Romanistik Portugiesisch, Romanistik Spanisch und Deutsche Philologie studiert. Im Wintersemester 2017/2018 hat sie Romanistik Portugiesisch und Deutsche Philologie studiert. Dies belegen die angefügten Studienbestätigungen und das Sammelzeugnis."

Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:

1. Zuständigkeit

Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde die Rechtssache betreffend Einkommensteuer 2016 am der nunmehr zuständigen Geschäftsabteilung zugeteilt. Die Rechtssache betreffend Einkommensteuer 2017 wurde gemäß Geschäftsverteilung als verbundene Rechtsangelegenheit am derselben Geschäftsabteilung zugeteilt.

Da die Beschwerden zulässig sind, rechtzeitig eingebracht wurden und keine Erledigung in Beschlussform gemäß § 278 BAO zu ergehen hat, hat das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 BAO in der Sache selbst zu entscheiden.

2. Streitpunkte

Strittig ist, ob aufgrund von Unterhaltsleistungen an den Vater der Tochter der Beschwerdeführerin ein Unterhaltsabsetzbetrag oder außergewöhnliche Belastungen bzw. außergewöhnliche Belastungen aufgrund einer auswärtigen Berufsausbildung der Tochter steuerlich bei der Einkommensermittlung bzw. der Festsetzung der Einkommensteuer zu berücksichtigen sind.

3. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist Mutter von ***Tochter***, geb. ***Gebdat***, dem Familienstand nach geschieden und lebt vom Kindesvater ***Vater*** dauernd getrennt in ***Bf1-Adr***. Die Tochter ist bei der Beschwerdeführerin nicht haushaltszugehörig.

Aufgrund eines vor dem Bezirksgericht ***BGOrt*** geschlossenen Vergleichs vom besteht für die Beschwerdeführerin seit März 2007 eine Unterhaltsverpflichtung von monatlich 150,00 €. Die Beschwerdeführerin leistete in den Streitjahren Unterhaltszahlungen in Höhe von monatlich 200,00 € an den Kindesvater. Der Kindesvater bezog zuletzt bis einschließlich November 2014, somit bis zum Monat der Vollendung des 24. Lebensjahres, Familienbeihilfe für die gemeinsame Tochter.

Die Tochter der Beschwerdeführerin studierte in den Jahren 2016 und 2017 die Bachelorstudien Romanistik Spanisch, Romanistik Portugiesisch sowie das Masterstudium Deutsche Philologie an der Universität in Wien.

Durch das Sammelzeugnis sind Lehrveranstaltungen mit Abschluss in den Streitjahren von 159 ECTS nachgewiesen.

Sie war in ***AdrTochter***, sowie am Ausbildungsort in ***AdrTochterWien***, wohnhaft.

Die Kosten einer Wohnung in Wien, Mehrkosten für Verpflegung außerhalb des Familienwohnsitzes sowie für die Fahrten zum und vom Ausbildungsort sind offensichtlich Mehraufwendungen, die durch die Entfernung des Ausbildungs- vom Wohnort entstanden sind. Die Unterbringungskosten am Ausbildungsort wurden vom Kindesvater getragen.

Die tatsächliche Kostentragung der auswärtigen Berufsausbildung durch die beiden Elternteile konnte nicht festgestellt werden, da die Höhe der Verpflegungsmehrkosten bzw. der sonstigen Mehrkosten (zB Fahrtkosten) und der diesbezüglichen Kostentragung nicht erhoben werden konnte.

Die Ausbildungsstätte der Tochter in Wien ist vom Wohnort mehr als 80 Kilometer entfernt.

Im Nahebereich des Wohnortes befindet sich keine Ausbildungsstätte, die mit der vom Kind besuchten Ausbildung vergleichbar ist.

Ein Vergleich der Nettoeinkommen der Beschwerdeführerin und des Kindesvaters ergibt folgendes Bild:


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Nettoeinkommen
2016
in %
2017
in %
Beschwerdeführerin
16.016,95
30
18.606,53
33
Kindesvater
36.684,52
70
37.231,69
67
SUMME
52.701,47
100
55.838,22
100

Das Nettoeinkommen war unter Beachtung der Einkommensteuerveranlagungen durch Einbeziehung des steuerpflichtigen Einkommens, der sonstigen Bezüge und unter Abzug der Einkommensteuer und der Sozialversicherungsbeiträge für sonstige Bezüge jeweils vor Berücksichtigung von Aufwendungen für die auswärtige Berufsausbildung des Kindes zu berechnen.

Der Kindesvater hatte im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung keinen Antrag auf Gewährung des - anteiligen - Pauschbetrages gemäß § 34 Abs 8 EStG 1988 gestellt.

4. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt und dem Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung sowie den Erhebungen des Bundesfinanzgerichts.

Aufgrund der Unbeschränktheit der Beweismittel gemäß § 166 BAO kommen auch mittels E-Mail oder per Telefon erteilte Auskünfte als Beweismittel in Frage, da sie zur Feststellung des relevanten Sachverhaltes geeignet und zweckdienlich erscheinen.

Die Entfernung zwischen Ausbildungsstätte in Wien und Wohnort der Tochter der Beschwerdeführerin ist insbesondere der Berechnung der belangten Behörde zu entnehmen. Berechnungen mit anderen Internet-Routenplanern (HERE WeGo, Google Maps) erbrachten ähnliche, jeweils die 80-km-Grenze überschreitende Ergebnisse, sodass eine Entfernung jedenfalls von über 80 km festzustellen ist.

Hinsichtlich der Berufsausbildung des Kindes wurden die Feststellungen aufgrund der von der Tochter übermittelten Studienblätter und dem Sammelzeugnis getroffen.

Studiengänge im Bereich der Germanistik (Deutsche Philologie als spezieller Studiengang der Germanistik), Spanisch und Portugiesisch werden in Österreich an verschiedenen Orten angeboten, wobei in Bezug auf den Wohnort in ***Ort1*** Wien der am nächsten gelegene Ausbildungsort war.

Die Beschwerdeführerin hat im Hinblick auf die Unterhaltsverpflichtung von 150,00 € und der tatsächlichen Zahlungen von 200,00 € monatlich jedenfalls Mehraufwendungen getätigt.

Die Tragung der Unterbringungskosten durch den Kindesvater erschließt sich aus der Stellungnahme der Tochter und des Kindesvaters vom .

5. Rechtslage

§ 34 Abs 7 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988 ) idgF lautet auszugsweise:

"Für Unterhaltsleistungen gilt folgendes:

1. Unterhaltsleistungen für ein Kind sind durch die Familienbeihilfe sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 3 abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) Anspruch auf diese Beträge hat.

2. Leistungen des gesetzlichen Unterhalts für ein Kind sind bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 33 Abs. 4 Z 3 durch den Unterhaltsabsetzbetrag abgegolten.

3. […]

4. Darüber hinaus sind Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs. 4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen.

5. (Verfassungsbestimmung) Unterhaltsleistungen an volljährige Kinder, für die keine Familienbeihilfe ausbezahlt wird, sind außer in den Fällen und im Ausmaß der Z 4 weder im Wege eines Kinder- oder Unterhaltsabsetzbetrages noch einer außergewöhnlichen Belastung zu berücksichtigen."

§ 34 Abs 8 EStG 1988 idgF lautet:

"Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes gelten dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 110 Euro pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt."

Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes BGBl 624/1995 idF BGBl II 449/2001 (VO Berufsausbildung) lautet auszugsweise:

"§ 1. Ausbildungsstätten, die vom Wohnort mehr als 80 km entfernt sind, liegen nicht innerhalb des Einzugsbereiches Wohnortes.

§ 2. (1) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort gelten dann als nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn die Fahrzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort und vom Ausbildungsort zum Wohnort mehr als je eine Stunde unter Benützung des günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden.

(2) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort gelten als innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn von diesen Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort nach den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, zeitlich noch zumutbar sind. Abweichend davon kann nachgewiesen werden, dass von einer Gemeinde die tägliche Fahrzeit zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel mehr als je eine Stunde beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden. In diesem Fall gilt die tägliche Fahrt von dieser Gemeinde an den Studienort trotz Nennung in einer Verordnung gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, in der jeweils geltenden Fassung als nicht mehr zumutbar.

(3) […]"

§ 1 der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung über die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem Studienförderungsgesetz 1992 BGBl Nr 605/1993 idF BGBl II Nr 249/2016 (außer Kraft getreten mit Ablauf des ) lautet auszugsweise:

"Von den angeführten Gemeinden ist die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort Wien zeitlich noch zumutbar:

[…] ***Ort1***, […]"

6. Rechtliche Beurteilung (siehe I.)

6.1. Unterhaltsabsetzbetrag

Für Unterhaltsleistungen an volljährige Kinder ist grundsätzlich keine steuerliche Berücksichtigung im Wege eines Kinder- oder Unterhaltsabsetzbetrages oder einer außergewöhnlichen Belastung vorgesehen, soweit für diese keine Familienbeihilfe bezogen wird (§ 34 Abs 7 Z 5 EStG 1988).

Ausgenommen davon sind gemäß § 34 Abs 7 Z 4 EStG 1988 Ausgaben, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Das würde zB bei Krankheitskosten der Fall sein. In der vorliegenden Rechtssache handelt es sich um Unterhaltsleistungen unspezifischer Art. Es ist aufgrund der fehlenden Behauptung davon auszugehen, dass allgemeine Aufwendungen des tatsächlichen Lebens wie Nahrung, Kleidung, Wohnung, Freizeit, etc. damit abgedeckt werden. Solche Ausgaben sind bei der Tochter selbst nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.

Die Tochter der Beschwerdeführerin war in den Streitjahren volljährig. Aufgrund des bereits vollendeten 24. Lebensjahres wurde in 2016 und 2017 keine Familienbeihilfe ausbezahlt.

Da selbst bei Geltendmachung durch die Tochter keine außergewöhnliche Belastung vorliegt, ist daher aufgrund der eindeutigen Verfassungsbestimmung des § 34 Abs 7 Z 5 EStG 1988 der Abzug eines Unterhaltsabsetzbetrages bei der Festsetzung der Einkommensteuer nicht vorgesehen.

Der Antrag war insofern nicht begründet.

6.2. Außergewöhnliche Belastung aufgrund der auswärtigen Berufsausbildung

Bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind gemäß § 34 Abs 1 EStG 1988 nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein (Abs 2), zwangsläufig erwachsen (Abs 3) und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs 4). Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen gemäß § 34 Abs 3 EStG 1988 zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Gesetzliche Unterhaltsleistungen kommen als außergewöhnliche Belastungen grundsätzlich in Betracht; es handelt sich um Belastungen, denen sich der Steuerpflichtige aus "rechtlichen Gründen" nicht entziehen kann.

Die Berufsausbildung eines Kindes fällt als Unterhaltsverpflichtung zwar grundsätzlich unter den Tatbestand der außergewöhnlichen Belastung, doch sind die Aufwendungen mit der Familienbeihilfe sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag bzw. dem Unterhaltsabsetzbetrag abgegolten ( § 34 Abs 7 Z 1 EStG 1988).

Unterhaltsleistungen sind grundsätzlich nur im Falle von Kosten einer auswärtigen Berufsausbildung von Kindern, Kosten der Kinderbetreuung, Mehraufwendungen für Personen, für die erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird und Leistungen zur Deckung von Aufwendungen, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden und bei Leistungen an im Ausland lebende Kinder als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.

Seitens der Beschwerdeführerin wurden Aufwendungen aufgrund der auswärtigen Berufsausbildung der Tochter geltend gemacht.

§ 34 Abs 8 EStG 1988 trifft jedoch eine Regelung für jene Mehraufwendungen im Rahmen der Unterhaltspflicht, die auf Grund der "Auswärtigkeit" der Berufsausbildung erwachsen und stellt insofern die primär anzuwendende speziellere Bestimmung zu § 34 Abs 7 Z 1 EStG 1988 dar.

Außergewöhnliche Belastungen für auswärtige Berufsausbildung eines Kindes werden gemäß § 34 Abs 8 EStG 1988 durch Abzug eines Pauschbetrages von 110,00 € pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.

Voraussetzungen zur steuerlichen Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung sind in Auslegung des § 34 Abs 8 EStG 1988 das grundsätzliche Vorliegen einer Berufsausbildung (hinsichtlich des Ziels der Ausbildung und im Hinblick auf die Ernsthaftigkeit des Betreibens), das Fehlen einer vergleichbaren Ausbildung im Einzugsbereich des Wohnortes des Kindes sowie das tatsächliche Tragen von Mehraufwendungen aufgrund des Studiums.

Unstrittig ist hinsichtlich des Kindes der Beschwerdeführerin das Vorliegen einer Berufsausbildung bzw. der Wohnort des Kindes und der Ort der Ausbildungsstätte.

6.2.1. Berufsausbildung

Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnorts werden aus dem Titel der Unterhaltsverpflichtung getragen ().

Der Begriff der Berufsausbildung umfasst jede Art der Ausbildung zu einem Beruf (). Voraussetzung ist, dass die Absicht besteht, durch ernsthaftes und zielstrebiges Bemühen das Ausbildungsziel zu erreichen und die vorgeschriebenen Prüfungen abzulegen ().

Das Ziel der Erreichung einer beruflichen Qualifikation durch das in den Streitjahren betriebene Studium ist evident, die Ernsthaftigkeit des Betreibens eines Studiums ist aufgrund der absolvierten Lehrveranstaltungen nachgewiesen. Es liegt daher eine Berufsausbildung vor.

6.2.2. Einzugsbereich des Wohnortes

Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes gelten gemäß § 34 Abs 8 EStG 1988 dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Außerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes liegen Ausbildungsstätten gemäß § 1 VO Berufsausbildung dann, wenn sie vom Wohnort mehr als 80 km entfernt sind.

Laut festgestelltem Sachverhalt liegt die Ausbildungsstätte der Tochter in Wien mehr als 80 km vom Wohnort in ***Ort1*** entfernt. Die nächstgelegene vergleichbare Ausbildung wird in Wien angeboten.

Im Einkommensteuerbescheid 2017 wurde die Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen aufgrund auswärtiger Berufsausbildung abgelehnt, da ***Ort1*** zu jenen Gemeinden zählt, zu denen laut Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung über die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem Studienförderungsgesetz 1992 die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort zumutbar ist.

§ 1 der erwähnten Verordnung führt zutreffend ***Ort1*** an, ist allerdings einerseits gemäß § 2 Abs 1 VO Berufsausbildung nur subsidiär für den Fall einer Entfernung von maximal 80 km zwischen Ausbildungsstätte und Wohnort anzuwenden und andererseits mit Ablauf des außer Kraft getreten.

Aufgrund des Überschreitens der Entfernung von 80 km war die Fahrzeit gemäß § 2 VO Berufsausbildung nicht zu erheben.

Die Annahme des Wohnortes des Kindes in ***Ort2*** in der Beschwerdevorentscheidung 2016 beruht scheinbar auf einem Versehen und wurde bereits mit der Stellungnahme im Vorlagebericht seitens der belangten Behörde korrigiert.

Die nächstgelegene vergleichbare Ausbildungsstätte liegt dementsprechend gemäß § 1 VO Berufsausbildung nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes.

6.2.3. Mehraufwendungen

Der Pauschbetrag ist nicht schon allein aufgrund der auswärtigen Berufsausbildung eines Kindes zu gewähren. Es müssen durch diese auswärtige Berufsausbildung auch Aufwendungen entstehen, die wegen des vorgesehenen Pauschbetrages allerdings nicht ziffernmäßig nachgewiesen werden müssen. Dem Grunde nach müssen aber Aufwendungen zumindest nicht auszuschließen sein ().

Bei einer auswärtigen Berufsausbildung des Kindes fallen Mehraufwendungen im Vergleich zur üblichen Unterhaltleistung im familiären Haushalt zB durch Fahrtkosten, Unterbringungskosten, weil die Teilnahme an den Familienmahlzeiten zu den üblichen Essenszeiten nicht möglich ist (), etc. an.

Es ist nachgewiesen, dass die Beschwerdeführerin über die Unterhaltsverpflichtung hinausgehende Unterhaltszahlungen geleistet hat. Dass diese Mehraufwendungen mit dem durch das auswärtige Studium bedingten Mehrbedarf des Kindes zusammenhängen, ist wahrscheinlich bzw. zumindest nicht auszuschließen.

6.2.4. Kostentragung bei mehreren Unterhaltspflichtigen

Bei mehreren Unterhaltsverpflichteten ist der Pauschbetrag im Verhältnis der tatsächlichen Kostentragung aufzuteilen ().

Gemäß § 231 Abs 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Beide Elternteile sind insbesondere in der Zeit der Berufsausbildung bis zum Erreichen der Selbsterhaltungsfähigkeit ohne Einfluss des Alters des Kindes zur Leistung des Unterhalts durch Geld oder Sach- und Dienstleistungen verpflichtet.

Bei einer auswärtigen Berufsausbildung wird der Unterhalt im Wesentlichen durch Geldleistungen der Unterhaltsverpflichteten erbracht. Diese Pflichten treffen beide Elternteile gleichermaßen nach ihren Kräften.

Wie hoch die Mehraufwendungen aufgrund der auswärtigen Berufsausbildung und die Kostentragung beider Elternteile tatsächlich waren, konnte nicht festgestellt werden.

Die amtswegige Ermittlungspflicht besteht nur innerhalb des vom Verfahrenszweck her gebotenen und zumutbaren Aufwandes (). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes tritt die Verpflichtung der Behörde, den Sachverhalt nach allen Richtungen zu prüfen, aber in dem Ausmaß zurück, in dem die Partei zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung ungeachtet ihrer Verpflichtung hiezu nicht bereit ist oder eine solche unterlässt (). Es wurde daher auch aufgrund der fehlenden Mitwirkung der Beschwerdeführerin, des nicht konkretisierten Vorbringens und der fehlenden Beweisanträge von weiteren Ermittlungsschritten Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem Erkenntnis () festgestellt, dass die Internatskosten eines Kindes bei einem Elternteil nur zur Hälfte als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen seien, wenn beide Elternteile ungefähr gleich viel verdienen.

Es erscheint sachgerecht, dass die Kostentragung für eine auswärtige Berufsausbildung nach der Leistungsfähigkeit und damit insbesondere mittels einer Vergleichsrechnung unter Hinzuziehung der Nettoeinkommen der Elternteile zu ermitteln ist, insbesondere dann, wenn beide in den Streitjahren nichtselbständige Einkünfte erzielt haben.

Dieser Rechnung folgend wurde die Kostentragung für die Beschwerdeführerin mit 30% für 2016 und 33% für 2017 festgestellt. In Bezug auf den monatlichen Pauschbetrag von 110,00 € gemäß § 34 Abs 8 EStG 1988 sind daher 396,00 € in 2016 und 435,60 € in 2017 pauschal als außergewöhnliche Belastungen bei der Einkommensermittlung abzuziehen.

Gemäß § 279 Abs 1 BAO ist das Bundesfinanzgericht berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen. Insbesondere werden der Änderungsbefugnis auch keine Grenzen durch die Beschwerdepunkte bzw. dadurch gesetzt, dass Standpunkte zwischen den Parteien unstrittig sind ().

Insofern war die Beschwerde zum Teil begründet und war daher der Beschwerde teilweise Folge zu geben.

7. Unzulässigkeit der Revision (siehe II.)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Rahmen dieses Erkenntnisses wurden im Wesentlichen Sachverhaltsfragen (zB Entfernung zwischen Ausbildungsstätte und Wohnort, Berechnung des Anteils der Kostentragung) gelöst.

Bezüglich der Geltendmachung des Unterhaltsabsetzbetrages wurde die Rechtsfrage dem eindeutigen Gesetzestext folgend gelöst.

Hinsichtlich der Aufteilung des Pauschbetrages gemäß § 34 Abs 8 EStG 1988 bei mehreren Unterhaltsverpflichteten wurde in Entsprechung der verwaltungsgerichtlichen Judikatur () entschieden.

Es liegt daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at