Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.06.2020, RV/5100370/2015

Familienbeihilfengewährung für ein Kind im Maßnahmenvollzug.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., Adr (SVNr. XXX), vertreten durch Rechtsanwälte AB, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Braunau Ried Schärding vom , betreffend die Rückforderung von erhöhter Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid hinsichtlich des Monats Dezember 2012 ersatzlos aufgehoben. Für den Zeitraum Jänner 2013 bis August 2014 bleibt der angefochtene Bescheid unverändert wodurch sich der Rückforderungsbetrag auf € 7.726,80 (FB: 6.558,80, KAB: € 1.168,80) vermindert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt bei der Beschwerdeführerin (folgend kurz Bf.) die ihr für ihren Sohn C. bereits gewährte Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe inklusive der Kinderabsetzbeträge in Höhe von 8.111,20 € (FB: € 6.884,80, KAB: € 1226,40), betreffend einen Zeitraum von Dezember 2012 bis einschließlich August 2014 zurück. Begründend führte die Abgabenbehörde in dieser Entscheidung sinngemäß aus, dass ihr vorgenannter Sohn im bezeichneten Zeitraum nicht dem Haushalt der Bf. angehört hätte und folglich die Rückforderung nach § 26 FLAG zu veranlassen gewesen wäre.

Dagegen erhob die Bf. durch ihre Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass C. sich nur vorübergehend nicht in der gemeinsamen Wohnung bei der Bf. aufgehalten habe. Vielmehr habe sich ihr Sohn in Untersuchungshaft befunden und sei im anschließenden Strafverfahren lediglich zu einer gänzlich bedingt nachgesehenen Haftstrafe verurteilt worden. Aus diesem Grund sei die Haushaltszugehörigkeit zur Bf. nicht aufgehoben gewesen. Darüber hinaus habe die Bf. auch im Rückforderungszeitraum für ihren Sohn die überwiegenden Unterhaltskosten getragen. Weiters sei die Beihilfe von der Bf. gänzlich für C. ausgegeben worden, wodurch sich die Rückforderung als unbillig erweise. Abschließend beantragte die Bf. die Einhebung des rückgeforderten Betrages bis zur Entscheidung über die Beschwerde gem. § 212a BAO auszusetzen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die vorgenannte Beschwerde als unbegründet ab. In der Begründung dieser Entscheidung bringt die Abgabenbehörde vor, dass für eine Person, welche sich im Maßnahmenvollzug in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher befinde, die Unterhaltskosten durch die Anstalt getragen würden. Für die Kindeseltern bestünde dabei keine Unterhaltspflicht. Bezüglich des Aufenthalts in einer Haftanstalt käme es darauf an, ob dieser Aufenthalt bloß vorübergehend sei. Ein hier vorliegender Aufenthalt von drei Jahren könne nicht mehr als vorübergehend qualifiziert werden. Da sich C. seit durchgehend in Haft befinde, wäre kein Beihilfenanspruch vorgelegen.

Im Vorlageantrag vom bringt die Bf. keine neuen Einwendungen vor, verweist jedoch darauf, dass der Antrag auf Aussetzung der Einhebung aufrecht erhalten werde. Das Finanzamt legte den gegenständlichen Akt zur Entscheidung mit Vorlagebericht vom dem BFG zur Entscheidung vor.

Mit Schriftsatz des wurde der Bf. der bisherige Verfahrensablauf und der, nach der bis dahin vorliegenden Aktenlage anzunehmende Sachverhalt mitgeteilt. Insbesondere wurde in diesem Schreiben darauf hingewiesen, dass sich der Sohn der Bf. im hier maßgeblichen Zeitraum bis in Untersuchungshaft und im Anschluss im Maßnahmenvollzug befunden hätte. Bezüglich der von der Bf. für ihren Sohn behaupteten Unterhaltsleistungen ergebe sich aus den bislang vorliegen Unterlagen lediglich eine Beitragsleistung in Höhe zwischen 50 € und 110 € monatlich von Jänner 2013 bis September 2013, während für den übrigen Zeitraum gänzlich keine Nachweise über Unterhaltszahlungen vorgelegt worden wären. Erst für August 2014 liege wiederum ein Nachweis über eine Leistung an C. in Höhe von neuerlich 50 € vor. Weiters wurde die Bf. in diesem Schriftsatz darauf verwiesen, dass bezüglich der Unterbringung eines Kindes im Maßnahmenvollzug im Zusammenhang mit einer Beihilfengewährung ein Revisionsverfahren beim Verwaltungsgerichtshof anhängig sei.
In ihrer Gegenäußerung vom regte die Bf. die Aussetzung des Verfahrens an und übermittelte gleichzeitig als Beilagen die vollständigen Kontoauszüge für den gegenständlichen Zeitraum.

Mit Beschluss vom setzte das BFG das gegenständliche Verfahren unter Bezugnahme auf das beim Verwaltungsgerichthof anhängig gewesene Verfahren, GZ: Ro 2017/16/0004 gemäß § 271 Abs. 1 BAO aus. Im Schriftsatz des wurde sowohl der Bf. als auch dem Finanzamt als Amtspartei eine Ausfertigung des VwGH-Erkenntnisses, welches die Grundlage für den Aussetzungsbeschluss bildete, übermittelt und gleichzeitig davon in Kenntnis gesetzt, dass nach den Auskunftserteilungen der Justizanstalten D. und E. die Unterbringungskosten für den Aufenthalt von C. im Maßnahmenvollzug gänzlich durch die öffentliche Hand getragen worden seien. Überdies sei durch die von der Bf. vorgelegten Unterlagen kein Nachweis erbracht worden, dass die Unterhaltsleistungen an ihren Sohn zumindest die Höhe der erhöhten Familienbeihilfe im hier maßgeblichen Zeitraum erreicht hätten. Sowohl das Finanzamt als auch die Bf. brachten dazu eine Gegenäußerung ein, wobei die Bf. in ihrer Stellungnahme vom sinngemäß darauf hinwies, dass für die wöchentlichen Besuche ihres Sohnes hohe Fahrtkosten entstanden seien und diese den bereits erwähnten Unterhaltsbeiträgen zuzurechnen wären.

II. Sachverhalt:

Die Bf. bezog für ihren Sohn C. (geb. 0.0.00) von Dezember 2012 bis einschließlich August 2014 die "erhöhte Familienbeihilfe". Bei C. liegt laut den vom Finanzamt bereits eingeholten Bescheinigungen des Bundessozialamtes eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vor, welche bereits vor Vollendung seines 21. Lebensjahres eingetreten ist. Das genannte Kind befand sich bezogen auf den hier relevanten Rückforderungszeitraum bis in Untersuchungshaft und war im Anschluss im Maßnahmenvollzug. Während des Maßnahmenvollzugs wurden die Unterbringungskosten im hier relevanten Zeitraum bis Ende August 2014 gänzlich durch die öffentliche Hand getragen. Die von der Kindesmutter an C. getätigten Unterhaltsleistungen erreichten nach den von ihr vorgelegten Unterlagen im Zeitraum Jänner 2013 bis einschließlich August 2014 in keinem Monat die Höhe der erhöhten Familienbeihilfe.

III. Rechtsgrundlagen:

Die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen des FLAG und des EStG lauten in der hier anzuwendenden Fassung (auszugsweise) wie folgt:

§ 2 FLAG:

(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

...

c) für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen,

...

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem E. Satz anspruchsberechtigt ist.

...

(4) Die Kosten des Unterhalts umfassen bei minderjährigen Kindern auch die Kosten der Erziehung und bei volljährigen Kindern, die für einen Beruf ausgebildet oder in ihrem Beruf fortgebildet werden, auch die Kosten der Berufsausbildung oder der Berufsfortbildung.

(5) Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn
a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,
b) …
c) sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4).

§ 26 FLAG:

(1) Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

§ 33 EStG:

...

(3) Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliestaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

...

IV. Beweiswürdigung und rechtliche Erwägungen:

Der unter II. angeführte Sachverhalt ergibt sich aus dem, vom Finanzamt dem BFG übermittelten Beihilfenakt, den von der Bf. bislang vorgelegten Unterlagen sowie insbesondere aus den getätigten Auskunftserteilungen der Justizanstalten D. und E..

Im gegenständlichen Verfahren steht somit außer Streit, dass beim Sohn der Bf. die grundsätzlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 lit c) FLAG für eine Beihilfengewährung und des Erhöhungsbetrages vorliegen. Bis zum befand sich C. in Untersuchungshaft, wodurch durch die klare Rechtsprechung des VwGH (vgl. Erkenntnisse 2003/13/0141 und 2011/16/0095) die Haushaltzugehörigkeit nicht als aufgehoben gegolten hat. Durch die monatliche Betrachtungsweise im FLAG gem. § 10 Abs. 2 war demnach der Sohn der Bf. im Monat Dezember 2012 dem Haushalt der Bf. zuzurechnen, wodurch sich die Rückforderung für den Monat Dezember 2012 als zu Unrecht erweist. Aus diesem Grund war der Beschwerde für den genannten Monat stattzugeben und wie im Spruch dieses Erkenntnisses ausgeführt, die Rückforderung entsprechend zu vermindern.

Ab befand sich der Sohn der Bf. im Maßnahmenvollzug, wobei die Kosten für die Unterbringung gänzlich durch die öffentliche Hand getragen wurden. Dies ergibt sich nachweislich durch die auf Ersuchen des BFG erfolgte Auskunftserteilung der beiden Justizanstalten D. und E., in denen der Sohn der Bf. im Maßnahmenvollzug untergebracht war. Der Verwaltungsgerichtshof führt in seinem Erkenntnis vom , 2011/16/0173 zusammengefasst aus, dass für Kinder deren typischer Unterhalt durch die öffentliche Hand getragen werde, kein Beihilfenanspruch bestehe. Somit ergibt sich im gegenständlichen Fall kein Unterschied zu der vom Höchstgericht durch das vorgenannte Erkenntnis entschiedene Verfahren. Ein vergleichbarer Sachverhalt zu jenem Verfahren vor dem Höchstgericht unter Ro 2017/16/0014, welches der hiesigen Aussetzung zugrunde gelegt wurde, liegt folglich im gegenständlich anhängigen Beschwerdeverfahren nicht vor, da weder vom Sohn der Bf. noch von ihr selbst anteilsmäßig eine Beitragsleistung an den Bund für die entstehenden Unterbringungskosten erfolgte. Im Übrigen ergibt sich aus der Aktenlage, dass die Bf. im hier verbleibenden Zeitraum Jänner 2013 bis August 2014 auch nicht zumindest in der Höhe der Familienbeihilfe zuzüglich des Erhöhungsbetrages zu den Unterhaltskosten ihres Sohnes beigetragen hätte. Zu den Unterhaltskosten gehören zwar nicht nur die Kosten für die Unterbringung z.B. in einem Pflegezentrum, sondern auch die sonstigen Kosten, die für die Pflege und Erziehung eines Kindes aufgewendet werden, wie die Kosten für Bekleidung, ärztliche Betreuung, zusätzliche Verpflegung und Geschenke (vgl. auch Reinalter im Kommentar zum FLAG Lenneis/Wanke, § 2 Abs. 5 lit c FLAG, Rz 148), jedoch stellen Aufwendungen für Fahrtkosten, die für den Besuch des sich in einer Anstaltspflege befindlichen Kindes anfallen, keine Unterhaltsleistung dar (vgl. auch und RV/7105538/2018 vom ). Dass die von der Bf. durch ihre Kontoauszüge nachgewiesenen Beiträge an ihren Sohn nicht das Ausmaß der erhöhten Familienbeihilfe erreicht hat, wurde der Bf. nochmals im Schriftsatz des mitgeteilt und blieb von ihr unwidersprochen. Dadurch lag gegenständlich gem. § 2 Abs. 5 lit c) FLAG eine weitere Voraussetzung für einen Beihilfenanspruch nicht vor. Bezüglich des Vorbringens der Bf., dass sich nach ihrer Ansicht die Rückforderung als unbillig erweise, weil sie die bezogene Beihilfe gänzlich für ihren Sohn ausgegeben hätte, ist vom BFG darauf zu verweisen, dass bei Vollziehung des § 26 Abs. 1 FLAG für die Abgabenbehörde kein Vollzugsspielraum besteht. Nach der genannten Gesetzesstelle hat vielmehr derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Die diesbezüglich von der Bf. vorgebrachte Ausführung kann demnach nicht dazu führen, von der Rückforderung Abstand zu nehmen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung dargetan hat, normiert § 26 Abs. 1 FLAG eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Diese Verpflichtung zur Rückerstattung ist auch von subjektiven Momenten (wie z.B. Verschulden, Gutgläubigkeit etc.) unabhängig. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (z.B. , , u.a.). Die Rückforderung für den Zeitraum Jänner 2013 bis August 2014 erweist sich demnach vom Finanzamt als zu Recht erfolgt.

Lediglich der Vollständigkeit halber ist abschließend darauf zu verweisen, dass das Verfahren betreffend einer Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist. Auf Grund der obenstehenden Ausführungen war daher - wie im Spruch dieses Erkenntnisses dargelegt - zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die hier aufgeworfene Rechtsfrage bezüglich eines Kindes, deren Unterhaltskosten gänzlich von der öffentlichen Hand getragen werden, ist durch die Rechtsprechung des VwGH 2011/16/0173, ausreichend geklärt. Die Frage, ob die Bf. zumindest in Höhe der bezogenen Beihilfe für den Unterhalt ihres Sohnes beigetragen hat, war im Rahmen der freien Beweiswürdigung auf Grund der von ihr vorgelegten Nachweise zu treffen. Folglich liegen gegenständlich keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vor, wodurch die Zulässigkeit einer ordentlichen Revision zu verneinen war.

Linz, am

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