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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.06.2020, RV/5101046/2018

Geltendmachung des Alleinverdiener-/Alleinerzieherabsetzbetrages bei Aufenthalt des Ehepartners im Drittstaat

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache [...], [...], über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 zu Recht:

  1. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

  2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin beantragte im Rahmen ihrer Erklärung zur Arbeitnehmer-Innenveranlagung für das Jahr 2017 unter anderem den Alleinerzieherabsetzbetrag für zwei Kinder.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Antrag auf Durchführung der ArbeitnehmerInnenveranlagung für das Jahr 2017 abgewiesen, da keine steuerpflichtigen Bezüge erzielt worden seien. Betreffend den Alleinerzieherabsetzbetrag wurde in der Bescheidbegründung ausgeführt, dass dieser nicht berücksichtigt werden könne, da die Beschwerdeführerin im Veranlagungsjahr mehr als sechs Monate in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe-)Partner gelebt habe.

Mit am bei der belangten Behörde eingelangtem Schreiben erhob die Beschwerdeführerin gegen den oa Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde mit der Begründung, dass der Alleinverdienerabsetzbetrag nicht berücksichtigt worden sei.

Mit Vorhalt vom wurde die Beschwerdeführerin von der belangten Behörde dazu aufgefordert, für ihren in der Türkei lebenden Ehegatten ein von der türkischen Steuerbehörde bestätigtes Formular E9 vorzulegen. Daraufhin übermittelte die Beschwerdeführerin einen vom türkischen "Direktorium des sozialen Sicherheitsamtes" ausgestellten Versicherungsdaten-auszug Ihres Ehegatten inklusive einer deutschen Übersetzung.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die oa Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass keine für eine Zuerkennung des Alleinverdienerabsetzbetrages erforderliche unbeschränkte Steuerpflicht des Ehegatten in Österreich vorliege.

In einem am bei der belangten Behörde eingelangtem Schreiben, das in verständiger Würdigung als Antrag auf Vorlage der oa Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zu werten war, führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass sie derzeit Alleinerzieherin sei, da sie seit März 2016 in Österreich und damit von ihrem in der Türkei lebenden Ehegatten getrennt lebe. Es sei bereits ein Antrag auf ein Visum für Familienzusammenführung eingereicht worden.

Mit Vorhalt der belangten Behörde vom wurde die Beschwerdeführerin unter anderem um Beantwortung nachfolgender Fragen ersucht: "Ist es Ihre Absicht dauernd von Ihrem Ehegatten getrennt zu leben? (…) Wurde Ihrem Ehegatten bereits eine Einreiseerlaubnis nach Österreich erteilt oder wurde der Antrag zwischenzeitig abgewiesen? (…)." Am teilte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde mit, dass sie derzeit immer noch getrennt von ihrem Ehegatten lebe, da sie betreffend die beantragte Familienzusammenführung noch keinen Bescheid bekommen hätten.

Am erfolgte durch die belangte Behörde die Vorlage der gegenständlichen Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde die Beschwerdeführerin dazu aufgefordert, binnen einer Frist von einem Monat ab Zustellung des Beschlusses Angaben zum derzeitigen Aufenthalt ihres Ehegatten und zum derzeitigen Verfahrensstand betreffend die Einreisebewilligung ihres Ehegatten zu machen. Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass die im oa Beschluss vom festgesetzte Frist gemäß § 323c Abs 1 BAO bis zum Ablauf des unterbrochen wurde und mit neu zu laufen begonnen hat. Zudem wurde die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass die Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht auf der Grundlage des derzeitigen Akteninhaltes erfolge, sofern die im Beschluss vom gestellten Fragen nicht bis beantwortet werden und auch sonst keine Ergänzungen des Beschwerdevorbringens erfolgen. Bis zum heutigen Tag ist beim Bundesfinanzgericht keine Stellungnahme der Beschwerdeführerin eingelangt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Die Beschwerdeführerin hatte im Streitjahr 2017 ihren Wohnsitz in Österreich und bezog für ihre beiden im Jahr 2015 bzw im Mai 2017 geborenen haushaltszugehörigen Kinder Familienbeihilfe.

Die Beschwerdeführerin war im Streitjahr ganzjährig bzw ist mit dem türkischen Staatsbürger ***Bf1-Ehegatte*** verheiratet. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin hatte im Streitjahr 2017 seinen Wohnsitz in der Türkei und keinen Aufenthaltstitel für Österreich. Er hatte im Streitjahr 2017 weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.

Im Streitjahr 2017 war seitens der Ehegatten der Wille erkennbar, nur vorübergehend getrennt zu leben und in Österreich einen gemeinsamen Wohnsitz zu begründen.

Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig bzw ergeben sich diese aus den glaubwürdigen nicht der Aktenlage widersprechenden und auch von der belangten Behörde nicht widersprochenen Ausführungen der Beschwerdeführerin.

Betreffend die Feststellung, im Streitjahr 2017 sei seitens der Ehegatten der Wille erkennbar gewesen, nur vorübergehend getrennt zu leben, ist insbesondere darauf zu verweisen, dass die Beschwerdeführerin der belangten Behörde gegenüber im Jahr 2018 die Äußerung getätigt habe, sie lebe "derzeit (…) noch getrennt" von ihrem Ehegatten. Zudem hat die Beschwerdeführerin im Jahr 2018 wiederholt der belangten Behörde gegenüber dargelegt, dass man noch immer auf eine Erledigung des gestellten Antrages auf einen Aufenthaltstitel ihres Ehemannes zur "Familienzusammenführung" warte.

Vor diesem Hintergrund können die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Alleinverdiener- bzw Alleinerzieherabsetzbetrag

§ 33 EStG 1988 idF BGBl I 2015/118 lautet - soweit für den Beschwerdefall relevant - wie folgt:

(2) Von dem sich nach Abs. 1 ergebenden Betrag sind die Absetzbeträge nach den Abs. 4 bis 6 abzuziehen.

(3) (…)

(4) Darüber hinaus stehen folgende Absetzbeträge zu:

1. Alleinverdienenden steht ein Alleinverdienerabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich

  1. bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) 494 Euro,

  2. bei zwei Kindern (§ 106 Abs. 1) 669 Euro.

Dieser Betrag erhöht sich für das dritte und jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um jeweils 220 Euro jährlich.

Alleinverdienende sind Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1), die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragene Partner sind und von ihren unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten oder eingetragenen Partnern nicht dauernd getrennt leben oder die mehr als sechs Monate mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer Lebensgemeinschaft leben. Für Steuerpflichtige im Sinne des § 1 Abs. 4 ist die unbeschränkte Steuerpflicht des Ehegatten oder eingetragenen Partners nicht erforderlich. Voraussetzung ist, dass der (Ehe-)Partner (§ 106 Abs. 3) Einkünfte von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt. Die nach § 3 Abs. 1 Z 4 lit. a, weiters nach § 3 Abs. 1 Z 10, 11 und 32 und auf Grund zwischenstaatlicher oder anderer völkerrechtlicher Vereinbarungen steuerfreien Einkünfte sind in diese Grenzen mit einzubeziehen. Andere steuerfreie Einkünfte sind nicht zu berücksichtigen. Der Alleinverdienerabsetzbetrag steht nur einem der (Ehe-)Partner zu. Erfüllen beide (Ehe-)Partner die Voraussetzungen im Sinne der vorstehenden Sätze, hat jener (Ehe-)Partner Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag, der die höheren Einkünfte im Sinne der Z 1 erzielt. Haben beide (Ehe-)Partner keine oder gleich hohe Einkünfte im Sinne der Z 1, steht der Absetzbetrag dem haushaltsführenden (Ehe-)Partner zu.

2. Alleinerziehenden steht ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich

  1. bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) 494 Euro,

  2. bei zwei Kindern (§ 106 Abs. 1) 669 Euro.

Dieser Betrag erhöht sich für das dritte und jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um jeweils 220 Euro jährlich. Alleinerziehende sind Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner leben."

Der gem § 33 Abs 4 Z 2 EStG 1988 für die Inanspruchnahme des Alleinerzieherabsetzbetrages zu erfüllenden Voraussetzung, "nicht in einer Gemeinschaft" zu leben, entspricht nach der Rsp des VwGH - als Gegensatz - für den Alleinverdienerabsetzbetrag bei aufrechter Ehe die Voraussetzung, vom Ehegatten "nicht dauernd getrennt" zu leben (vgl ).

Eine aufrechte Ehe spricht grundsätzlich gegen eine "dauernd getrennte" Lebensführung. Diese Vermutung ist allerdings widerlegbar (vgl , mwN). Im Regelfall ist in diesem Zusammenhang der Rsp des VwGH zufolge auf die Absicht der Ehegatten, dauernd oder nur vorübergehend getrennt zu leben, abzustellen (vgl ). Im Beschwerdefall ist der subjektive Wille der Ehegatten den unter Punkt 2 getroffenen Feststellungen zufolge nicht auf eine dauerhafte Trennung gerichtet. Daran ändert nach der Rsp des VwGH auch der Umstand nichts, dass die Ehegatten über keine gemeinsame Wohnung verfügen. Besteht die Absicht der Ehegatten, eine Wohngemeinschaft aufzunehmen, ist bei einer "intakten" Ehe nämlich auch dann nicht vom Merkmal des "Dauerndgetrennt-Lebens" auszugehen, wenn die Ehegatten noch über keine geeignete gemeinsame Wohnung verfügen, sondern eine solche erst (gemeinsam) schaffen müssen (vgl ).

Vor diesem Hintergrund mangelt es im Beschwerdefall an einer wesentlichen Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Alleinerzieherabsetzbetrages, da die Ehegatten im Streitjahr im Sinne der oa Rsp des VwGH ihrem subjektivem Willen zufolge nur vorübergehend getrennt und somit ungeachtet der räumlichen Trennung "in einer Gemeinschaft" gelebt haben.

Im Hinblick auf den von der Beschwerdeführerin ebenfalls ins Treffen geführten Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag ist im Beschwerdefall zwar somit e contrario die in § 33 Abs 4 Z 1 EStG 1988 genannte Voraussetzung, vom Ehegatten "nicht dauernd getrennt" zu leben, erfüllt. Allerdings verlangt § 33 Abs 4 Z 1 EStG 1988 darüber hinaus auch das Vorliegen einer - im Beschwerdefall in Ermangelung eines inländischen Wohnsitzes bzw eines gewöhnlichen Aufenthalts im Inland (§ 1 Abs 2 EStG 1988) zu verneinenden - unbeschränkten Steuerpflicht des Ehegatten. Es besteht im Beschwerdefall somit weder ein Anspruch der Beschwerdeführerin auf den Alleinerzieher- noch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag (vgl zu einem ähnlichen Fällen zB auch ).

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungs-gerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Soweit im Beschwerdefall Rechtsfragen zu lösen waren, folgt das Bundesfinanzgericht der im Rahmen der rechtlichen Beurteilung angeführten Rechtsprechung des Verwaltungs-gerichtshofes, weshalb gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist.

Linz, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at