WA - keine neue Tatsachen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gabriele Grossgut-Palotás in der Beschwerdesache Ing. ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des FA XYZ vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO hinsichtlich Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 und Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG ) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Angefochten sind der Wiederaufnahmebescheid betreffend Einkommensteuer 2016 und der Einkommensteuerbescheid 2016.
Der Beschwerdeführer beantragte in seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2016 - elektronisch eingebracht am - unter der Kennzahl 717 (Gewerkschaftsbeiträge) einen Betrag von 12.932,85 € als Werbungskosten; gleichzeitig übermittelte er auf postalischem Weg die Lohnauskunft des ausländischen Arbeitgebers (L17) und sämtliche Unterlagen der beantragten Werbungskosten und Sonderausgaben. Die Arbeitnehmerveranlagung erfolgte erklärungsgemäß (Bescheid vom ).
Aufgrund einer nachträglichen Prüfung der Erklärungsdaten nahm das Finanzamt das Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 BAO wieder auf und erließ einen neuen Sachbescheid, in dem es einen Teil der geltend gemachten Werbungskosten in Höhe von 4.478,61 € (Beiträge Pensionsvorsorge, Hannoversche LV - 3.943,98 €, Unfallversicherung, HUK 24 - 457,85 €, Haftpflichtversicherung, VHV - 76,78 €) nicht anerkannte (Bescheide vom ).
Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer elektronisch am Beschwerde und beantragte die Anerkennung der geltend gemachten Werbungskosten; auf die näheren Ausführungen wird verwiesen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom berücksichtigte das Finanzamt die als Werbungskosten beantragten Beträge in Höhe von 4.478,61 € als Sonderausgaben unter der Kennzahl 455 (Sonderausgabentopf), von denen allerdings - wie bereits beim wiederaufgenommen Bescheid - aufgrund der Höhe des Gesamtbetrages der Einkünfte über 36.400 € gemäß § 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 lediglich 60 € zur Anrechnung kamen.
Der Beschwerdeführer beantragte mit Schriftsatz vom die Vorlage seiner Bescheidbeschwerde an das Bundesfinanzgericht. Auf die näheren Ausführungen wird verwiesen.
Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Auf die Begründung wird verwiesen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer arbeitete im beschwerdegegenständlichen Jahr 2016 in Deutschland und war in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig.
Hinsichtlich der als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen für Kranken- Unfall-, Pflege- und Haftpflichtversicherung im Gesamtbetrag von 4.478,61 € lagen dem Finanzamt neben der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung, der Lohnbescheinigung des ausländischen Arbeitgebers auch die zu einer abgabenrechtlichen Überprüfung der Werbungskosten maßgeblichen Unterlagen vor. Diese hatte der Beschwerdeführer bereits im Zuge der elektronischen Übermittlung der ANV-Erklärung 2016 am dem Finanzamt vorgelegt. Die antragsgemäße Veranlagung erfolgte zunächst ohne Überprüfung dieser Unterlagen.
Beweiswürdigung
Der Sachverhalt hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens ist unstrittig; es handelt sich um eine reine Rechtsfrage.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I (Stattgabe)
Rechtslage
Gemäß § 303 Abs. 1 BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Rechtliche Erwägungen
Strittig ist, ob ein Wiederaufnahmegrund vorliegt.
Zu prüfen ist daher, ob nach dem im gegenständlichen Beschwerdefall zur Anwendung kommenden Tatbestand Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind.
Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände (zB ; ); also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (zB ; ; ; ). Tatsachen sind nicht nur sinnlich wahrnehmbare Umstände, sondern auch innere Vorgänge, soweit sie rational feststellbar sind (Ansichten, Absichten oder Gesinnungen wie zB die Zahlungsunwilligkeit, ) (Ritz, BAO5, § 303 Tz 21).
Maßgebend ist, ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können (zB ; ; ; ; Ritz, BAO5, § 303 Tz 24).
Die Wiederaufnahme auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel bietet die Möglichkeit, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen; sie dient aber nicht dazu, bloß die Folgen einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung eines offengelegten Sachverhaltes zu beseitigen (). Waren bestimmte Umstände im betreffenden Verfahren der Behörde bekannt, hat sie diese Umstände jedoch für unwesentlich gehalten, so sind solche Umstände keine Wiederaufnahmegründe (; Ritz, BAO6, § 303 Tz 32). Es ist nicht Sache des Abgabepflichtigen, das Nichtvorliegen eines Wiederaufnahmsgrundes nachzuweisen, sondern Aufgabe der Abgabenbehörde, die von ihr verfügte Wiederaufnahme durch unmissverständliche Hinweise darauf zu begründen, welche Tatsachen oder Beweismittel auf welche Weise neu hervorgekommen sind (; Ritz, BAO5, § 303 Tz 35).
Daher ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren bei richtiger rechtlicher Beurteilung zu der Entscheidung gelangen hätte können, die nunmehr in einem wiederaufgenommenen Verfahren erlassen werden soll (vgl. zB ; ; Ritz, BAO6, § 303 Tz 45, 46).
Der belangten Behörde lagen zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung sämtliche notwendigen Unterlagen vor, wurden jedoch nicht von ihr berücksichtigt. Es handelt sich daher um keine neu hervorgekommenen Tatsachen im Sinne des § 303 BAO , sodass eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht gerechtfertigt ist. In diesem Sinne erfolgte seitens der belangten Behörde die rechtliche Beurteilung in ihrem Vorlagebericht an das Bundesfinanzgericht vom .
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall wird über den Wiederaufnahmegrund gemäß § 303 Abs. 1 BAO abgesprochen. Es liegt eine einheitliche Rechtsprechung vor. Eine Revision ist demnach nicht zulässig. Eine Revision ist demnach nicht zulässig.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100745.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at