Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.06.2020, RV/5101169/2015

Arbeitszimmer bei einer Lehrerin (BHS) und Zusatztätigkeit (Bibliothekarin)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Christoph Kordik in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Linz vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2009 und 2010 ,Steuernummer [...] ,zu Recht erkannt:

  1. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

  2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

In den Erklärungen für die Arbeitnehmerveranlagung v. für die Jahre 2009 und 2010 beantragte die Beschwerdeführerin (im Folgenden mit Bfin. abgekürzt) Kosten für das häusliche Arbeitszimmer (Werbungskosten).

Über Ergänzungsvorhalt des Finanzamtes v. wurden diese Kosten für das Jahr 2009 wie folgt aufgliedert:


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Aufwand für Arbeitszimmer :
Darlehensrückzahlung
2412,12
Betriebskosten It. Abrechnung
1365,36
Abfallgebühr It. Abrechnung
234,00
Strom lt. Jahres-Abrechnung
812,03
Erdgas f. Heizung lt. Jahresabrechnung
1400,00
Summe
6223,51
10% anteilig
622,35


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Telefon A1 anteilig
34,48
Liwest lntemet anteilig
14,90
AFA vom Arb. Zimmer It. Verzeichnis
382,5
Summe
1054,23

(dzt. keine Afa vom PC , weil alt)-Pendlerpauschale wurde beim Lohnzettel nicht berücksichtigt- eigene Erklärung an den Landesschulrat beiliegend (L 34)"

Für das Jahr 2010 gliederten sich diese Kosten wie folgt auf:


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Aufwand für Arbeitszimmer :
Darlehensrückzahlung
2412,12
Betriebskosten It. Abrechnung
1468,88
Abfallgebühr It. Abrechnung
234,00
Strom lt. Jahres-Abrechnung
852,58
Erdgas f. Heizung lt. Jahresabrechnung
1620,25
Summe
6587,83
10% anteilig
658,78

.


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Telefon A1 anteilig
34,61
Liwest lntemet anteilig
14,90
AFA vom Arb. Zimmer It. Verzeichnis
382,5
Summe
1.090,79

dzt. keine Afa vom PC, weil alt)

Pendlerpauschale wurde beim Lohnzettel nicht berücksichtigt. eigene Erklärung beiliegend"

Das Finanzamt (Bescheide v.) ist der Auffassung, dass die gegenständlich geltend gemachten Kosten für das häusliche Arbeitszimmer nicht zustehen würden. Hinsichtlich der beantragten Pendlerpauschale wurde ausgeführt, dass die tatsächlichen Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht berücksichtigt werden konnten, da die hierfür erwachsenen Kosten durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Absatz 5 EStG 1988) abgegolten seien (Fahrstrecke unter 20 km, Massenverkehrsmittel zumutbar § 16 Absatz 1 Z 6 EstG 1988).

In der Beschwerde v. wurde von der Bfin. Folgendes zusammengefasst vorgebracht:

[...]

Im Rahmen der gesonderten Bescheidbegründung zur Beschwerde vorentscheidung v. wurde zusammengefasst Folgendes ausgeführt:

Häusliches Arbeitszimmer: Eine Lehrerin habe nach der Verkehrsauffassung und dem typischerweise anzulegenden Berufsbild eine Wissensvermittlung vor Ort durchzuführen.Der Ort der Wissensvermittlung sei demnach auch entscheidend. Die im Arbeitszimmer verwendete berufliche Zeit sei für das Berufsbild Lehrerin nicht maßgeblich. Der materielle Schwerpunkt einer Lehrerin liege zweifellos nicht im Arbeitszimmer. Wenn im Beschwerdeverfahren ausgeführt werde, dass sie mit ihren Vorbereitungsarbeiten, den Korrekturarbeiten von mehr als 50 % tatsächlich im Arbeitszimmer verbracht hätte, sei dies ebenfalls nicht entscheidend. Dies würde nur für Tätigkeiten gelten, in denen nicht eindeutig festlegbare materielle Schwerpunkte vorliegen würden. Dies sei aber bei der Lehrtätigkeit hier nicht der Fall. Typischerweise ist der materielle Schwerpunkt der Berufstätigkeit im Präsenzunterricht an der Schule selbst. Ein Zweifelsfall liege nicht vor. Dies sei auch durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes umfangreich abgeklärt worden.

Pendlerpauschale:

In der Beschwerdevorentscheidung betreffend den Beschwerdezeitraum 2009 und 2010 wurde von der Behörde auf die Fahrplanauskunft der ÖBB hingewiesen.Es wäre lediglich eine zeitliche Komponente - bei einer einfachen Wegstrecke von weniger als 20 Kilometern - von 90 Minuten vorgelegen. Aus diesen Gründen habe die Bfin. auch keinen Rechtsanspruch auf das Pendlerpauschale. Der Transport von Unterlagen zur Schule sei nicht maßgeblich,denn es käme lediglich auf die mögliche Benutzung von Verkehrsmitteln an.

Im rechtzeitig gestellten Vorlageantrag v wurde von der Bfin. Folgendes ausgeführt:

Der erhöhte Zeitaufwand sei von der Behörde nicht entsprechend berücksichtigt worden. Im Hinblick auf die hohe Anzahl von Migrantinnen unter ihren SchülerInnen aus den diversen Kriegsgebieten sei eine besondere Situation gegeben. Im Übrigen hätte sie sich im Selbststudium die Fremdsprachenkenntnisse selbst beigebracht. Viele zusätzliche Vorbereitungsstunden seien durch die entsprechenden Fördertests in Deutsch für die Migrantinnen notwendig geworden. Aus all diesen Ausführungen zeige sich, dass eine ausschließliche berufliche Nutzung des Arbeitszimmers vorliegen würde, weswegen eine Anerkennung der geltend gemachten Kosten als Werbungskosten in Betracht käme. Sie habe auch kein weiteres Zimmer extern angemietet, sondern eben in ihrem privaten Wohnbereich einen Raum als Büroraumeingerichtet. Auf die AfA, auf die noch im Rahmen der Beschwerde-ausführungen verzichtet wurde , werde jetzt nicht mehr verzichtet. Sie hätte einen eigenen Büroraum zu Hause mit eigener Bibliothek. Für die außerordentlichen Tätigkeiten(Zusatztätigkeit Bibliothekarin) werde ihr ein 50 %-iger Zuschlag zum normalen Gehalt gesondert abgegolten.

Auf den Vorlagebericht v. zu FA 46/2015/002495 wird verwiesen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt/Beweiswürdigung

Die Bfin. unterrichtet an der BHS in OÖ. ,T., in den oberen Schulstufen Deutsch und Englisch und beantragte Aufwendungen (Darlehensrückzahlung, Betriebskosten und Absetzung für Abnutzung) für das Arbeitszimmer in der privaten Eigentumswohnung. Zusätzlich zu ihrer Lehrtätigkeit hatte sie als Bibliothekarin an der Schule auch noch die schuleigene Bibliothek zu betreuen.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus der elektronischen Aktenlage, dem Parteienvorbringen sowie insbesondere den Fotos vom Schularbeitsplatz und vom privaten Arbeitszimmer.

Nach Ansicht der Bfin. bestünde ein erhöhter Zeitaufwand wegen der umfangreichen Vorbereitung des zu lehrenden Unterrichtsstoffes für die Migranten-Kinder aus unterschiedlichen Ländern . Mag auch die Verbesserung der Schularbeiten und Tests wegen der sprachlichen Barrieren sehr zeitraubend und der kleine Arbeitsplatz in der Schule für diese umfangreichen Tätigkeiten nicht gerade förderlich sein, wird das Arbeitszimmer dadurch noch nicht zum Mittelpunkt der Tätigkeit. Dies trifft auch dann nicht zu, wenn das Arbeitszimmer an ca. 50 Wochenstunden incl. Wochenenden -wie behauptet- tatsächlich benutzt worden wäre.

Mehrere Tätigkeiten im Rahmen der Einkunftsquelle nichtselbständige Einkünfte:

Zusätzlich zu ihrer Lehrtätigkeit hatte sie als Bibliothekarin an der Schule auch noch die schuleigene Bibliothek zu betreuen. Diese Tätigkeit würde die Anerkennung der Kosten für das Arbeitszimmer bedingen. Auch dieses Argument greift nicht. Die Tätigkeit als Bibliothekarsverantwortliche mag zwar im Zusammenhang mit ihrer Haupttätigkeit als Lehrerin stehen. Auch für eine Lehrerin mit beispielsweise anderem zusätzlichen Aufgabengebiet wie zB einer Tätigkeit für den Landesschulrat im Anstellungsverhältnis sind die Kosten für ein Arbeitszimmer steuerlich nicht absetzbar. Die Nebentätigkeit (Bibliothekarstätigkeit) teilt somit steuerlich das Schicksal der Haupttätigkeit (vgl . UFS v. , RV/0277-F/11- Nichtabzugsfähigkeit der Kosten für das Arbeitszimmer).

In freier Beweiswürdigung (§ 167 BAO) kommt das Bundesfinanzgericht daher zu dem Schluss, dass bei der vorliegenden Sachverhaltskonstellation (Lehrerin mit Zusatztätigkeit Bibliothekarin) die Kosten für das Arbeitszimmer - unabhängig von der tatsächlichen Nutzung des Arbeitszimmers für die Zusatz-, aber auch für die Kerntätigkeit als Lehrerin - steuerlich nicht abzugsfähig sind.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

  1. Häusliches Arbeitszimmer:

Im Beschwerdefall ist die Rechtslage für die Jahre 2009 und 2010 zugrunde zu legen. Diese Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 dürfen Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände der Wohnung bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden.

Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung abzugsfähig.

Dass das in Rede stehende Arbeitszimmer im Wohnungsverband gelegen ist, ist unstrittig. Das Vorbringen, die Bfin. sei auf das in Rede stehende Arbeitszimmer zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit angewiesen, weil ihr an der Schule, an der sie unterrichtet, kein adäquater Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt wird, führt nicht automatisch zur Anerkennung der darauf entfallenden Aufwendungen. Der Umstand, dass sie über keinen anderen adäquaten Arbeitsbereich für ihre Vorbereitungen verfügt, weist das im Wohnungsverband gelegene Arbeitszimmer nicht zwangsläufig als Mittelpunkt ihrer gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit aus (vgl. , , 2003/13/0166).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 98/13/0132, ist der Mittelpunkt einer Lehrtätigkeit nach der Verkehrsauffassung zweifellos jener Ort, an dem die Vermittlung von Wissen und technischem Können selbst erfolgt. Eine solche Lehrtätigkeit kann naturgemäß nicht in einem im häuslichen Wohnungsverband befindlichen Arbeitszimmer des an öffentlichen Einrichtungen unterrichtenden Lehrers vorgenommen werden. Auch wenn für die Lehrtätigkeit eine Vorbereitungszeit sowie eine Zeit für die Beurteilung vorzulegender schriftlicher Arbeiten der Schüler erforderlich ist, so stellt die Ausübung dieser Tätigkeit - wie immer sie auch vorgenommen wird - nicht den Mittelpunkt der Lehrtätigkeit, also die unmittelbare Vermittlung von Wissen und Können an den Schüler, dar (vgl. ).

Das typische Berufsbild der Lehrerin wird durch die Wissensvermittlung vor Ort geprägt (Präsenz - Unterricht). Es mag zutreffen, dass sehr viele Vorbereitungsstunden bzw. Korrekturen-Stunden gerade in den Hauptfächern Deutsch - unabhängig von der Herkunft der Schülerinnen und Schülern - zu Hause absolviert werden müssen. Es geht hier der Beschwerdeführerin nicht anders als anderen Lehrerinnen und Lehrern mit vergleichbaren Unterrichtsfächern. Auch diese müssen Schularbeiten korrigieren. Auch LehrerInnen an sogenannten "Brennpunktschulen" mit fast ausschließlichem Migrantenanteil können keine Arbeitszimmerkosten steuerlich verwerten. Die Verkehrsauffassung bildet nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die entscheidende Rolle. Selbst wenn ein überwiegender Anteil in zeitlicher Hinsicht von Zuhause aus gearbeitet wird, bedeutet dies nicht, das typische Berufsbild der Lehrerin "verlassen" wird. Die Kerntätigkeit stellt die Unterrichtserteilung (Wissensvermittlung vor Ort an der Schule) dar. Die Nebentätigkeit (Bibliothekarstätigkeit) teilt somit das Schicksal der Haupttätigkeit.

Da somit auch im vorliegenden Fall anhand der vom Gericht derzeit zu beurteilenden Rechtslage nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit der Steuerpflichtigen bildete, waren die Voraussetzungen der angeführten Gesetzesstelle für die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für das Arbeitszimmer nicht erfüllt.

Ausblick:

Das häusliche Arbeitszimmer hat zuletzt- gerade in der Corona - Zeit - eine große Diskussion entfacht. Die Herausforderungen für die LehrerInnen und SchülerInnen waren enorm. Durch den befristeten Entfall des Präsenzunterrichtes wurde der Arbeitsort der LehrerInnen in das Homeoffice verlagert. Die Möglichkeit der Wissensvermittlung in Form von E-Mail- Aufträgen an die SchülerInnen oder die Verwendung von im Internet zugänglichen Lern-Plattformen waren an der "schulischen Tagesordnung". Eine Anerkennung in Form einer Pauschalierung derartiger Aufwendungen wäre aus der Sicht des Gerichtes denkbar. Die Gesetzeswerdung bleibt abzuwarten. Das Gericht hatte aber noch die für den Beschwerdezeitraum 2009 und 2010 geltende Rechtslage zu beurteilen.

B) Pendlerpauschale :

Diesbezüglich wird darauf verwiesen, dass zur Rechtslage 2009 und 2010 - wie das Finanzamt richtig ausführt- die Pendlerverordnung (Pendlerrechner/Pendlereuro) erst 2014 zur Anwendung kommt .Das Pendlerpauschale konnte aus den in der Beschwerdevorenscheidung v. genannten Gründen nicht gewährt werden. Der Verkehrsabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 5 EStG 1988 wurde gewährt. Auch die Bfin. machte die Frage des Pendlerpauschales in ihrem Vorlageantrag v. nicht mehr zum Beschwerdethema.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, da es sich nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelte.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Lehrerin (BHS)
Arbeitszimmer
Zusatztätigkeit (Bibliothekarin)
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5101169.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at