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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.05.2020, RV/7104393/2019

Familienbeihilfe - Berufsreifeprüfung und frühestmöglicher Zeitpunkt des Beginns der weiteren Ausbildung

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/16/0116. Mit Erk. v. hinsichtlich Familienbeihilfe Oktober 2016 bis August 2017 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben, Zurückweisung hinsichtlich Familienbeihilfe Jänner bis August 2018. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/7102878/2022 erledigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über die Beschwerde der Mag. Bf., Adresse, vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe für Tochter Bf. für die Zeiträume Oktober 2016 bis August 2017 und Jänner 2018 bis August 2018, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Die Familienbeihilfe wird für Tochter Bf. für die Zeiträume Oktober 2016 bis August 2017 und Jänner 2018 bis August 2018 gewährt.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf) stellte am für ihre Tochter Tochter, geb. 09/1998, mit der Begründung, dass diese die Berufsreifeprüfung abgelegt habe, einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für den Zeitraum Oktober 2016 bis August 2018.

Das Finanzamt (FA) wies den Antrag mit Bescheid vom für den Zeitraum Oktober 2016 bis August 2017 und von Jänner 2018 bis August 2018 unter Zitierung des § 2 Abs 1 lit b bis e Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) mit der Begründung ab, dass bei einer ernsthaft und zielstrebig betriebenen Ausbildung von einem erforderlichen Vorbereitungsaufwand von maximal vier Monaten pro Teilprüfung auszugehen sei.

Die Berufsreifeprüfung setze sich aus 4 Teilprüfungen zusammen. Für die Berufsreifeprüfung bestehe Anspruch für die Monate September bis Dezember 2017, da die letzte Prüfung im Fachbereich am erfolgreich abgelegt worden sei. Der nächstmöglichste Termin für die weitere Berufsausbildung wäre Sommersemester 2018 gewesen, das Studium an der FH sei jedoch erst mit Wintersemester 2018 begonnen worden, es bestehe kein Anspruch auf die Zwischenzeit.

Die Bf erhob gegen den Abweisungsbescheid mit Schreiben vom fristgerecht Beschwerde und brachte vor, dass ihre Tochter am die Abschlussprüfung an der Fachschule für Sozialberufe in Wr. Neustadt mit gutem Erfolg abgeschlossen habe. Am sei sie von der Externistenprüfungskommission der Bundeshandelsakademie Wr. Neustadt zur Ablegung der Berufsreifeprüfung zugelassen worden. Ihre Tochter habe die Teilprüfungen zügig und zielstrebig - wie im Bescheid als Voraussetzung angeführt - abgelegt. Die Prüfungstermine seien im Berufsreifeprüfungszeugnis (dieses liege dem FA vor) ersichtlich (Deutsch am , Mathematik am , Englisch am ). Danach sei sie aufgrund der gesetzlichen Vorschrift - der Antritt zur letzten Teilprüfung dürfe frühestens mit Vollendung des 19. Lebensjahres erfolgen (die entsprechende Bestätigung der Externistenprüfungskommission liege dem FA ebenfalls vor) - zu einer einjährigen Wartefrist gezwungen gewesen. Da im September kein Prüfungstermin am Berufsförderungsinstitut NÖ in Wr. Neustadt abgehalten worden sei, habe ihre Tochter die Prüfung erst am absolvieren können. Sie habe dadurch auch nicht mit ihrem Studium an der Fachhochschule wie geplant beginnen können, ein Einstieg im Sommersemester sei nicht möglich. Der Grund für diese Verzögerung und damit auch Benachteiligung sei der Umstand, dass Tochter im September 2004 in die Volksschule eingetreten sei und zu diesem Zeitpunkt noch nicht 6 Jahre alt gewesen sei. Sie habe dadurch die schulische Ausbildung auch früher beendet. Aus ihrer Sicht ergebe sich aus dem beschriebenen Sachverhalt eine Schlechterstellung für ihre Tochter und ihre zügig absolvierte Ausbildung stelle einen eindeutigen Nachteil dar. Sie beantrage daher die Gewährung der Familienbeihilfe von Oktober 2016 bis August 2018.

Das FA wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom unter Verweis auf die Bestimmungen des § 2 Abs 1 lit b bis e FLAG 1967 mit der Begründung ab, dass sich die Berufsreifeprüfung aus vier Teilprüfungen zusammen setze und die Tochter der Bf vor Beendigung des 18. Lebensjahres 3 von 4 Teilprüfungen erfolgreich absolviert habe. Die letzte Prüfung in Betriebswirtschaft und Rechnungswesen sei am absolviert worden. Die Familienbeihilfe sei immer zurückgerechnet vom Prüfungstermin zu gewähren und zwar für längstens 4 Monate pro Prüfung, d.h. Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe für die Monate September bis Dezember 2017. Die Familienbeihilfe für die Zwischenzeit Jänner 2018 bis August 2018 stehe nicht zu, da es sich beim Studienbeginn September 2018 nicht um den frühestmöglichen Zeitpunkt der Berufsausbildung nach Abschluss der Schulausbildung handle. Ein Beginn des Studiums wäre im Sommersemester 2018 möglich gewesen. Der Beginn eines Wunschstudiums sei unbeachtlich, es habe die Möglichkeit bestanden, eine alternative Ausbildung zu beginnen.

Die Bf stellte am einen Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht und führte begründend aus, dass es ihrer Tochter Tochter auf Grund der gesetzlichen Bestimmung nicht erlaubt gewesen sei, die letzte Teilprüfung vor Vollendung des 19. Lebensjahres zu absolvieren (eine entsprechende Bestätigung der Prüfungskommission liege vor). Da sie vor dem vollendeten 6. Lebensjahr in die Volksschule eingetreten sei, habe sie auch 1 Jahr früher ihre schulische Ausbildung abgeschlossen und sofort mit der Berufsreifeprüfung begonnen. Da sie die letzte Prüfung erst im Dezember 2017 ablegen habe können, habe sich der Studienbeginn verzögert. Der Einstieg im Sommersemester sei an der Fachhochschule nicht möglich. Die Begründung, dass der Beginn eines Wunschstudiums unbeachtlich sei, könne sie nicht nachvollziehen. Bis zum ehestmöglichen Beginn ihres Studiums habe Tochter berufliche Erfahrung als Sprechstundenhilfe bei einem Arzt und im Verkauf gesammelt (Einkommen nicht über der jährlichen Zuverdienstgrenze).

Das FA legte die Beschwerde mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vor.

Das BFG forderte die Bf mit Vorhalt vom auf, innerhalb der Frist von drei Wochen ab Zustellung des Schreibens folgende Fragen zu beantworten bzw. Unterlagen vorzulegen:

"1. Nach der Aktenlage studiert Tochter an der Fachhochschule Wiener Neustadt das Bachelorstudium Wirtschaftsberatung.
Ist das richtig?
2. Wann begann das Studium - im September oder Oktober 2018?
3. Wann beginnt das Sommersemester - im Februar oder im März?
4. Um Vorlage einer Inskriptionsbestätigung für das erste Semester (Wintersemester 2018/19) wird gebeten.
5. Sie bringen in der Beschwerde vor, Tochter hätte "dadurch auch nicht mit ihrem Studium an der Fachhochschule wie geplant beginnen" können, "ein Einstieg im Sommersemester ist nicht möglich."

Sie werden ersucht, durch Vorlage geeigneter Unterlagen - Bestätigung der Fachhochschule o.ä. - nachzuweisen, dass ein Beginn des gewählten Studiums im Februar/März 2018 (Sommersemester 2018) nicht möglich war."

In der Vorhaltsbeantwortung vom führte die Bf aus, es sei richtig, dass Tochter an der FH Wr. Neustadt das Bachelorstudium Wirtschaftsberatung studiere. Das Studium habe im September 2018 begonnen. Das Sommersemester beginne im Februar.
Die Bf legte eine Inskriptionsbestätigung der FH Wr. Neustadt für das Wintersemester 2018/2019 vor.
Ferner legte sie eine Bestätigung der FH Wr. Neustadt vor. Demnach sei Tochter "seit ordentliche Studentin im 6-semestrigen FH-Bachelorstudiengang Wirtschaftsberatung. Ein Einstieg im Sommersemester ist nicht möglich."

Das BFG forderte die Bf mit Vorhalt vom auf, innerhalb der Frist von drei Wochen ab Zustellung des Schreibens folgende Fragen zu beantworten bzw. Unterlagen vorzulegen:

"Tochter wurde am 09/2017 19 Jahre alt. Die letzte Teilprüfung der Berufsreifeprüfung darf nicht vor dem vollendeten 19. Lebensjahr abgelegt werden.

Tochter legte die letzte Teilprüfung am ab.

Sie bringen diesbezüglich vor:

"Da im September kein Prüfungstermin am Berufsförderungsinstitut NÖ in Wr. Neustadt abgehalten wurde, konnte sie die Prüfung erst am absolvieren. Sie konnte dadurch auch nicht mit ihrem Studium an der Fachhochschule wie geplant beginnen, …"

Weisen Sie durch geeignete Unterlagen (zB Bestätigung des BFI) nach, dass Tochter mangels Prüfungsterminen im September (bzw. Oktober und November) die letzte Prüfung erst am absolvieren konnte.

Hätte Tochter die Prüfung bereits im September 2017 absolviert bzw. absolvieren können, hätte sie dann bereits im September 2017 mit dem Bachelorstudium Wirtschaftsberatung an der FH Wiener Neustadt beginnen können?

Wenn nein, warum nicht?

Wann war der Beginn des Studiums an der FH geplant? Wie wäre in diesem Fall der Zeitablauf gewesen?"

In der Vorhaltsbeantwortung vom führte die Bf aus, dass eine Bestätigung des BFI, wonach Tochter den ehestmöglichen Prüfungstermin in Anspruch genommen und es keine früheren Termine gegeben habe, vorgelegt werde.

Wäre ein Antritt im September möglich gewesen, hätte sie das Studium im September beginnen können und hätte dieses dann bereits in diesem Jahr abschließen können. Der Beginn des Studiums sei somit ursprünglich im September geplant gewesen.

Da sie die letzte Prüfung erst nach Vollendung des 19. Lebensjahres absolvieren habe können und der nächst mögliche Prüfungstermin im Dezember stattgefunden hätte, sei es ihr nicht möglich gewesen, ihr Studium wie geplant im September zu beginnen.

Die Bf legte die Bestätigung des BFI Niederösterreich, Wr. Neustadt, vor, wonach im September, Oktober und November 2017 keine BWL-Prüfungstermine stattgefunden haben.

Über die Beschwerde wurde erwogen

Feststehender Sachverhalt:

Die Tochter der Bf, Tochter Bf., geb.am 09/1998, legte am die Abschlussprüfung an der Fachschule für Sozialberufe in Wr. Neustadt mit gutem Erfolg ab und wurde am von der Externistenprüfungskommission der Bundeshandelsakademie Wr. Neustadt zur Ablegung der Berufsreifeprüfung zugelassen.

Sie besuchte die Kurse am Berufsförderungsinstitut (BFI) NÖ in Wr. Neustadt und absolvierte die vorgeschriebenen Prüfungen, von denen mindestens eine an der öffentlichen Schule, an der die Zulassung erfolgte, abzulegen war.

Tochter legte die vier Prüfungen für die Berufsreifeprüfung wie folgt ab:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Deutsch
öffentliche Schule Note Gut
Mathematik
BFI Note Gut
Englisch
BFI Note Sehr gut
Fachbereich (BWL)
BFI Note Sehr gut

Die letzte Prüfung darf erst nach Vollendung des 19. Lebensjahres der Schülerin (im vorliegenden Fall 09/2017) absolviert werden. Bei der letzten Prüfung handelte es sich um die Fachbereichsprüfung (BWL), welche am BFI NÖ in Wr. Neustadt absolviert wurde. Dafür gab es im September, Oktober und November 2017 keine Prüfungstermine. Tochter absolvierte die Prüfung zum erstmöglichen Termin nach Vollendung des 19. Lebensjahres, nämlich am (schriftlich) und am (mündlich).

Die Ausbildung (Berufsreifeprüfung) wurde zielstrebig und zügig absolviert. Der lange Zeitraum zwischen der dritten und vierten Prüfung ergibt sich ausschließlich aus der gesetzlichen Bestimmung, wonach die letzte Prüfung erst nach Vollendung des 19. Lebensjahres absolviert werden darf.

Im September 2018 begann Tochter an der Fachhochschule (FH) Wr. Neustadt mit dem Bachelorstudium Wirtschaftsberatung. Dies war für das gewählte Studium an der FH Wr. Neustadt der frühestmögliche Beginn, da ein Einstieg im Sommersemester 2018 (Beginn Februar 2018) nicht möglich ist.

2016, 2017 sowie Jänner 2018 - August 2018 sammelte Tochter auch berufliche Erfahrung als Sprechstundenhilfe bei einem Arzt und im Verkauf; sie erzielte dabei ein Einkommen, welches nicht über der für den Bezug der Familienbeihilfe schädlichen Zuverdienstgrenze lag.

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt beruht auf dem glaubhaften Vorbringen der Bf sowie auf den von ihr im Verfahren vor dem Finanzamt und dem BFG vorgelegten Unterlagen.
So legte sie das Berufsreifeprüfungszeugnis vor, aus dem Datum, Ort und Note jeder abgelegten Prüfung ersichtlich sind.
Vom BFI Niederösterreich wurde bestätigt, dass im September, Oktober und November 2017 keine Prüfungstermine in BWL stattfanden.
Ferner wurde eine Inskriptionsbestätigung der Fachhochschule Wr. Neustadt für das Wintersemester 2018/2019 vorgelegt sowie eine Bestätigung der Fachhochschule, dass das Wintersemester 2018/2019 am begann und ein Einstieg im Sommersemester (Anmerkung: Beginn Februar 2018) nicht möglich war.
Dass die letzte Prüfung der Berufsreifeprüfung erst nach Vollendung des 19. Lebensjahres abgelegt werden darf, wurde nachgewiesen (s. § 4 Abs. 3 BG über die Berufsreifeprüfung, https://www.oesterreich.gv.at/themen/bildung_und_neue_medien/lehre/Seite.333905.html)

Die Einkommensverhältnisse der Tochter der Bf sind aktenkundig.

Rechtliche Beurteilung:

§ 2 FLAG 1967 lautet:

(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,a) für minderjährige Kinder,

b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

c) ...

d) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird; ...

e) ...

Nach § 33 Abs 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro zu.

Nach § 10 Abs 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) ist die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, an Hand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe ist, wie sich dies den Regelungen des § 10 Abs 2 und 4 FLAG 1967 entnehmen lässt, der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches für ein Kind kann somit je nach Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. etwa ).

 Berufsausbildung

Was unter Berufsausbildung zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher definiert. Der VwGH hat hierzu in seiner (ständigen) Rechtsprechung folgende Kriterien entwickelt (vgl. etwa ; ; ):

- Es muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg gegeben sein.

- Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen gelingt. Die bloße Anmeldung zu Prüfungen reicht für die Annahme einer zielstrebigen Berufsausbildung aber nicht aus.

- Unter den Begriff "Berufsausbildung" sind jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung zu zählen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird.

Ob die schulische oder kursmäßige Ausbildung berufsbegleitend organisiert ist, und ob sie in Form von Blockveranstaltungen oder in laufenden Vorträgen organisiert ist, ist vor dem dargestellten rechtlichen Hintergrund nicht entscheidend. Wesentlich ist vielmehr, dass durch den lehrgangsmäßigen Kurs die tatsächliche Ausbildung für einen Beruf erfolgt.

Nach dieser Judikatur weist jede anzuerkennende Berufsausbildung ein qualitatives und ein quantitatives Element auf: Entscheidend ist sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang; die Ausbildung muss als Vorbereitung für die spätere konkrete Berufsausübung anzusehen sein (Ausnahme: allgemein bildende Schulausbildung; hier besteht zumindest nicht zwingend ein Konnex zu einem späteren konkreten Beruf) und überdies die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen.

 Berufsreifeprüfung

Seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Berufsreifeprüfung (BGBl. I Nr. 68/1997) und der Novelle aus dem Jahre 2000 (BGBl. I Nr. 52/2000) besteht für

LehrabsolventInnen mit abgelegter Lehrabschlussprüfung,
AbsolventInnen mindestens dreijähriger berufsbildender mittlerer Schulen
AbsolventInnen von Gesundheits- und Krankenpflegeschulen,
AbsolventInnen mindestens 30 Monate dauernder Schulen für den medizinisch-technischen Fachdienst sowie für
AbsolventInnen der land- und forstwirtschaftlichen Facharbeiterprüfung die Möglichkeit, auf Basis des im Rahmen der Berufsausübung erworbenen praxisbezogenen Wissens die Berufsreifeprüfung abzulegen.

Die Berufsreifeprüfung ist der Reifeprüfung an höheren Schulen insofern gleichwertig, als sie uneingeschränkt zum Studium an österreichischen Universitäten und Fachhochschulen sowie zum Besuch von Kollegs etc berechtigt und im Bundesdienst als Erfüllung der Erfordernisse für eine Einstufung in den gehobenen Dienst gilt.

Die Berufsreifeprüfung setzt sich aus 4 Teilprüfungen zusammen: Deutsch, Mathematik, eine lebende Fremdsprache nach Wahl als Teile der Allgemeinbildung, sowie einem Fachgebiet aus der beruflichen Praxis.

Der vollständige Abschluss ist erst nach erfolgreich abgeschlossener Lehrausbildung möglich und darf gemäß § 4 Abs. 3 Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung frühestens mit dem Erreichen des 19. Lebensjahres absolviert werden.

Die Vorbereitungszeit für die Berufsreifeprüfung bzw. Gewährung der Familienbeihilfe ist im Erlass des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie vom , FB 100, GZ 51 0104/4-VI/1/98 wie folgt geregelt:

Bei Beantragung der Familienbeihilfe sind vom Finanzamt daher neben der Zulassung zur Berufsreifeprüfung jedenfalls auch die Angabe der (des) jeweiligen Prüfungstermine(s) sowie der Beleg (zB Kursbestätigung) oder die Glaubhaftmachung (bei Selbststudium) des tatsächlichen Vorbereitungsbeginns abzuverlangen. Die Familienbeihilfe ist immer zurück gerechnet vom Prüfungstermin zu gewähren, und zwar für längstens 16 Monate, wenn in diesem Zeitraum Teilprüfungen in vier Gegenständen vorgesehen sind, für längstens zwölf Monate, wenn in diesem Zeitraum Teilprüfungen in drei Gegenständen vorgesehen sind, für längstens acht Monate, wenn in diesem Zeitraum Teilprüfungen in zwei Gegenständen vorgesehen sind, und für längstens vier Monate, wenn in diesem Zeitraum eine Teilprüfung in einem Gegenstand vorgesehen ist.

Voraussetzung ist aber, dass im jeweiligen Zeitraum tatsächlich eine Prüfungsvorbereitung vorliegt, denn eine Familienbeihilfengewährung über den tatsächlichen Vorbereitungsbeginn hinaus ist nicht möglich. Kann andererseits wegen Überschreitung der zur Verfügung stehenden Zeit Familienbeihilfe nicht für den gesamten Vorbereitungszeitraum gewährt werden, sind nur solche Monate zu zählen, die überwiegend in die Vorbereitungszeit fallen.

Die Aufteilung des Bezugszeitraumes hängt vom zeitlichen Abstand der einzelnen Teilprüfungen ab, eine Verlängerung wegen erforderlicher Wiederholungsprüfungen über die vier Monate pro Prüfung ist nicht möglich."

Wie schon festgehalten, legte die Tochter der Bf am die Abschlussprüfung an der Fachschule für Sozialberufe in Wr. Neustadt mit gutem Erfolg ab und wurde sie am von der Externistenprüfungskommission der Bundeshandelsakademie Wr. Neustadt zur Ablegung der Berufsreifeprüfung zugelassen.

Das FA gewährte der Bf für Tochter Tochter die Familienbeihilfe wie folgt:

September 1998 bis September 2016
September 2017 bis Dezember 2017
September 2018 bis August 2019

Die Beschwerde der Bf wurde vom FA mit Beschwerdevorentscheidung mit der Begründung abgewiesen, dass sich die Berufsreifeprüfung aus 4 Teilprüfungen zusammensetze. Tochter habe vor Beendigung des 18. Lebensjahres drei von vier Teilprüfungen erfolgreich absolviert. Die letzte Prüfung in Betriebswirtschaft und Rechnungswesen sei am absolviert worden. Die Familienbeihilfe sei immer zurückgerechnet vom Prüfungstermin zu gewähren und zwar für längstens vier Monate pro Prüfung, d.h. Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe für die Monate September bis Dezember 2017.

Dieser Argumentation kann insofern nicht gefolgt werden, da einerseits unbestritten ist, dass Tochter die ersten drei Prüfungen (von der Zulassung am bis ) in ca. 10 Monaten (d.h. durchschnittlich brauchte sie weniger als 4 Monate pro Prüfung) absolvierte und somit die Ausbildung äußerst zügig und zielstrebig absolvierte. Dass die letzte Prüfung erst nach Vollendung des 19. Lebensjahres absolviert werden darf, liegt andererseits nicht im Einflussbereich der Schülerin und ergibt sich, wie von der Bf zutreffend aufgezeigt, aus der Tatsache, dass Tochter bereits vor vollendetem 6. Lebensjahr in die Volksschule eintrat und somit nach zügiger Ausbildung bereits mit Erreichen des 17. Lebensjahres mit der Berufsreifeprüfung begann. Die im zit. (für das BFG nicht bindenden) Erlass und vom FA angewendete Berechnung der 4-Monatsfrist pro Prüfung, insgesamt 16 Monate, ist daher im ggstdl. Fall unanwendbar, da stets auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen ist. Die Wartefrist für die 4. Prüfung ergibt sich ausschließlich aus den gesetzlichen Bestimmungen und ist eine mangelnde Zielstrebigkeit daraus nicht abzuleiten. Für jede vergleichbare Schülerin, die erst später in die Volksschule eingetreten wäre, wäre bei vergleichbar zielstrebiger Ausbildung zumindest bis zur Vollendung des 19. Lebensjahres die Familienbeihilfe zugestanden. Die vom FA gewählte Auslegung würde tatsächlich eine Schlechterstellung für die Bf bedeuten und wäre sachlich nicht gerechtfertigt. Die Bf hat auch nachgewiesen, dass Tochter zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Vollendung des 19. Lebensjahres die 4. Prüfung absolviert hat, weil im September, Oktober und November 2017 keine Prüfungen im zu absolvierenden Prüfungsgegenstand stattfanden.

Der Beschwerde war daher für den Zeitraum Oktober 2016 bis August 2017 Folge zu geben.

 Abschluss der Schulausbildung und Beginn einer weiteren Berufsausbildung - frühestmöglicher Zeitpunkt

Strittig ist im vorliegenden Fall auch, ob die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 vorliegen.

Zu klären ist, ob der Bf für ihre Tochter im Zeitraum zwischen Ablegung der letzten Prüfung zur Berufsreifeprüfung (die letzte Prüfung - Betriebswirtschaft und Rechnungswesen - wurde am abgelegt) und dem Beginn des FH-Bachelorstudiums die Familienbeihilfe zusteht oder nicht.

Zu prüfen ist, ob die weitere Berufsausbildung (Studium) zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wurde.

Der Gesetzgeber knüpft in lit d leg. cit. den Anspruch auf Familienbeihilfe und in weiterer Folge den Kinderabsetzbetrag grundsätzlich an das Vorliegen einer Berufsausbildung oder den frühestmöglichen Beginn einer weiteren Berufsausbildung nach Abschluss der Schulausbildung.

Nach Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG Kommentar, 2. Aufl. 2020, § 2, Rz. 132, ist als frühester Zeitpunkt jener zu werten, zu dem ein die Aufnahmevoraussetzungen Erfüllender mit der Berufsausbildung beginnen hätte können. Als frühestmöglicher Termin der Ausbildung wird etwa ein Studienbeginn in einem Semester gelten, in dem auch erstmals Prüfungen abgelegt werden können.

Nicht von Relevanz ist, ob zB zur Studienvorbereitung Vorbereitungskurse zu absolvieren oder Aufnahmeprüfungen zu bestehen sind. Persönliche, oder andere nicht unmittelbar mit der Berufsausbildung im Zusammenhang stehende Gründe, die verhindern, dass mit der Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt begonnen oder diese fortgesetzt wird, sind unbeachtlich und gewähren keinen Anspruch auf Familienbeihilfe (Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG Kommentar, 2. Aufl. 2020, § 2, Rz. 132; ).

Es kommt auch nicht darauf an, ob zunächst die Absicht bestanden hat, die Berufsausbildung zu beginnen oder fortzusetzen, sondern auf den tatsächlichen Beginn/die tatsächliche Fortsetzung der Berufsausbildung. Es muss also eine bestimmte Berufsausbildung (Studium) tatsächlich zum frühestmöglichen Zeitpunkt begonnen werden. Das alleinige Bestreben, eine bestimmte Berufsausbildung (Studium) beginnen zu wollen, ohne diese Absicht - aus welchen Gründen auch immer - in die Tat umzusetzen, erfüllt das besagte Tatbestandsmerkmal nicht. (; ).

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 2 Abs. 1 lit e FLAG 1967 judiziert (), dass dieser Bestimmung dann entsprochen werde, wenn die Bewerbung um eine solche Ausbildung unmittelbar nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder des Zivildienstes erfolgt und in weiterer Folge die bis zum tatsächlichen Ausbildungsbeginn erforderlichen Schritte (wie Antreten zu Bewerbungsgesprächen, Aufnahmeprüfungen udgl.) ohne dem Bewerber anzulastende Verzögerung auch durchgeführt werden.

Sinngemäß ist diese Auslegung des § 2 Abs 1 lit e FLAG 1967 auch auf § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 anzuwenden (vgl. etwa ).

Abzustellen ist auf die konkrete, gewählte Studienrichtung (vgl. , Abstellen auf das konkret gewählte Studium der Wirtschaftspädagogik an der JKU Linz). Maßgeblich ist daher der frühestmögliche Beginn der gewählten konkreten Studienrichtung (, Abstellen auf die gewählte tatsächliche Ausbildung, nämlich Inskription an der WU; , Abstellen auf das konkret gewählte Studium Mathematik an der TU; , Abstellen auf das konkret gewählte Bachelorstudium Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der WU Wien).

Insofern wird die Ansicht des FA, der Beginn eines Wunschstudiums sei unbeachtlich, es hätte die Möglichkeit bestanden, eine alternative Ausbildung im Sommersemester 2018 zu beginnen, nicht geteilt. Es kommt nicht darauf an, wann irgendeine Ausbildung hätte begonnen werden können, sondern wann die gewählte, konkrete Ausbildung tatsächlich hätte begonnen werden können.

Tochter wählte das Bachelorstudium Wirtschaftsberatung an der Fachhochschule Wr. Neustadt. Die Bf hat nachgewiesen, dass der Beginn dieses Studiums im September 2018 (nach Absolvierung der Berufsreifeprüfung im Dezember 2017) der frühestmögliche Beginn war, da ein Einstieg im Sommersemester 2018 (mit Beginn Februar 2018) in der gewählten Studienrichtung nicht möglich war.

Der Bf steht daher auch für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn der weiteren Ausbildung (Studium) und somit für den Streitzeitraum Jänner 2018 bis August 2018 die Familienbeihilfe für Tochter zu.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Vorliegendes Erkenntnis folgt in der rechtlichen Beurteilung der Judikatur des VwGH, sodass keine Rechtsfrage grs. Bedeutung vorliegt.

Wien, am

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