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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.05.2020, RV/7100514/2020

Die Grundausbildung im Exekutivdienst erfolgt im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses, sodass Berufsausübung und nicht Berufsausbildung vorliegt

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/16/0120. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/7100005/2021 erledigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Viktoria Blaser in der Beschwerdesache Bf., Adresse, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Gänserndorf Mistelbach vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe für TS, geb. tt.mm.2001, ab Sept. 2019 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Das Finanzamt ersuchte die Beschwerdeführerin (Bf.) Bf. im Zuge der Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe für das Kind TS, geb. tt.mm.2001 vom um Vorlage eines Abschlusszeugnisses, Studienblätter, Inskriptionsbestätigung, Einkommensnachweis und Tätigkeitsnachweis von TS.

Die Bf. reichte ua. im Zuge der Nachreichung der Unterlagen für die Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe den Sondervertrag gemäß § 36 VBG 1948 für die exekutivdienstliche Ausbildung bei der Landespolizeidirektion Wien ab nach. Der Dienstvertrag ist auf 24. Monate befristet.

Das Finanzamt wies den Antrag auf Familienbeihilfe ab Sept. 2019 ab und führte begründend aus, dass diese Art von Ausbildung keine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetz 1967 darstelle.

Gegen den Abweisungsbescheid brachte die Bf. fristgerecht Beschwerde ein und führte Begründend aus:

"Meine Tochter TS besucht seit die Polizeischule in Wien, wo sie die Grundausbildung für den Exekutivdienst absolviert. Diese Ausbildung dauert 24 Monate mit zwei Praxisphasen, von einer drei- und viermonatigen Dauer, welche Teil der Ausbildung ist.
Hier ist sie nicht selbständig tätig sondern unter Begleitung und Aufsicht eines eigens geschulten Betreuungsbeamten. Weiters erhält sie während der Grundausbildung einen Ausbildungsbeitrag im Sinne einer Lehrlingsentschädigung. Diese 24 monatige Grundausbildung ist somit defintiv als Berufsausbildung und nicht als Berufsausübung zu werten.
Aus den oben genannten Gründen bin ich der Meinung, Anspruch auf die Familienbeihilfe lt. dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 für die Gesamtdauer dieser Berufsausbildung zu haben. Ich beantrage dies zu berücksichtigen und einen neuen Bescheid zu erlassen."

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab un dführte begründen aus:

"Das Kind TS, SVNR ***, hat am am Bundes- Oberstufenrealgymnasium Z maturiert.

Seit absolviert Sie die Polizeigrundausbildung, zurzeit besucht das Kind die Polizeischule in Wien.
Strittig ist, ob die 24-monatige Grundausbildung als Berufsausbildung oder als Berufsausübung zu werten ist.

Dazu wird ausgeführt:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Was unter Berufsausbildung zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht definiert. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Ziel einer Berufsausbildung im Sinn des FLAG 1967, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Dazu gehört regelmäßig auch der Nachweis der Qualifikation. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung (zB , ). Unter den Begriff "Berufsausbildung" fallen alle Arten schulischer und kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (zB ). Laut Verwaltungsgerichtshof können im Zuge einer Berufsausbildung auch praktische und nicht nur theoretische Kenntnisse vermittelt werden (zB ) und es fällt auch ein "duales System" der Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf unter eine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 (zB ).
Laut Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/16/0203, stellt die Ausbildungsphase/Grundausbildung eines (Grenz-)Polizisten keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 dar.
Dieses Erkenntnis betrifft zwar den Zeitraum, in dem der Sohn des Revisionswerbers nach Absolvierung der ersten Ausbildungsphase seinen Dienst als Grenzpolizist ausgeübt hat, jedoch verneint der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis das Vorliegen einer Berufsausbildung für die gesamte Grundausbildung oder Ausbildungsphase von öffentlich Bediensteten und qualifiziert dies als Berufsausübung (vgl. Rz 16, 17). Es ist daher unerheblich, ob eine Grundausbildung, praktische Verwendung oder Ergänzungsausbildung absolviert wird (vgl. ).

Mit einer Berufsausübung sind die Tatbestandsvoraussetzungen in § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 nicht erfüllt und es spielt daher auch keine Rolle, ob das Ausbildungsentgelt einer Entschädigung aus einem anerkannten Lehrverhältnis iSd § 5 Abs. 1 lit b FLAG 1967 gleichgehalten werden könnte.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

Die Bf. stellte den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde (Vorlageantrag) durch das Bundesfinanzgericht.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Der Entscheidung wird der unstrittige Sachverhalt, wie er sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt, zu Grunde gelegt.

Demnach hat die Tochter TS, geb. tt.mm.2001, ab September 2019 auf Grund eines von ihr mit der Landespolizeidirektion Wien abgeschlossenen Sondervertrag gemäß § 36 VBG 1948 die exekutivdienstliche Ausbildung begonnen.

Strittig ist, ob der Bf. für die Zeit, in der sich die Tochter in dieser Grundausbildung befindet, Familienbeihilfe zusteht.

Rechtlich ist folgendes auszuführen:

Anspruch auf Familienbeihilfe haben gemäß § 2 Abs. 1 lit. b erster Satz FLAG 1967 Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den Begriff der "Berufsausbildung" alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (, , 2016/15/0076, , 2007/15/0050). Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung (). Dass im Zuge einer Berufsausbildung praktische und nicht nur theoretische Kenntnisse vermittelt werden können und etwa im Praktikum zu vermittelnde praktische Grundkenntnisse unter die Berufsausbildung fallen, hat der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom , 2009/16/0315, ausgesprochen. Wie sich auch aus § 5 Abs. 1 lit. b FLAG ergibt, fällt unter eine Berufsausbildung auch ein "duales System" der Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf (; zur Berufsausbildung im Rahmen einer Lehre ).

Ihren Abschluss findet eine Berufsausbildung mit dem Beginn der Ausübung eines bestimmten Berufes, auch wenn für den konkreten Arbeitsplatz noch eine spezifische Einschulung erforderlich sein mag (vgl ). Aus diesem Grund hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Absolvierung eines Unterrichtspraktikums auch ausgesprochen, dass dieses als typischer Fall einer Einschulung am Arbeitsplatz keine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 darstellt ().

Im gegenständlichen Fall stand die Tochter der Bf. jedoch beginnend mit in einem Dienstverhältnis zum Bund, in dessen Rahmen sie eine arbeitsplatzspezifische Ausbildungsphase zu durchlaufen hatte. Es kann also keine Rede davon sein, dass sie eine Ausbildung ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz absolviert hat, sondern waren Bildungsschritte zu unternehmen, in deren Rahmen die inhaltliche und methodische Vermittlung jener Kompetenzen erfolgte, die erforderlich sind, um (bezogen auf den konkreten Arbeitsplatz) den Anforderungen des jeweiligen Aufgabenbereichs professionell und verantwortungsvoll nachzukommen (vgl § 2 der Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Grundausbildung für den Exekutivdienst im Bundesministerium für Inneres, BGBl II 153/2017 idgF).

In konsequenter Fortsetzung seiner Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof nunmehr (vgl ) auch ausgesprochen, dass die erfolgreiche Absolvierung einer Grundausbildung oder Ausbildungsphase durch öffentlich Bedienstete keine Überstellung in ein anderes (öffentliches oder öffentlich-rechtliches) Dienstverhältnis zur Folge hat und dem öffentlich Bediensteten (lediglich) die für seine erfolgreiche Verwendung notwendige Ausbildung in seinem Dienstverhältnis vermittelt werden soll (vgl. die zit. ErläutRV zu § 66 VBG), worin bereits die Ausübung eines Berufs liegt. Der Umstand, dass der öffentlich Bedienstete in der ersten Zeit seines Dienstverhältnisses im Rahmen einer Grundausbildung oder Ausbildungsphase die für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erlangen soll, nimmt dem Dienstverhältnis auch nicht zum Teil die Qualität eines Berufs.

Damit ist aber zweifelsfrei geklärt, dass auch die Tochter der Bf. durch die Absolvierung der exekutivdienstlichen Grundausbildung in der Zeit ab nicht in Berufsausbildung iSd FLAG 1967 gestanden ist, sondern bereits einen Beruf ausgeübt hat.

Daran ändert es auch nichts, dass das letztgenannte Erkenntnis zu einer "fremden- und grenzpolizeilichen Ausbildung" ergangen ist. Nicht zutreffend ist jedenfalls, dass sich der Verwaltungsgerichtshof "lediglich" auf eine Unterbrechung dieser Ausbildung bezogen hätte. Vielmehr ergibt sich aus den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes klar, dass diese sich auf die Zeit der Grundausbildung und sonstige Ausbildungsphasen beziehen. Es kann auch keine Rede davon sein, dass der Verwaltungsgerichtshof für die Zeit der Grund- und der Ergänzungsausbildung Familienbeihilfe gewährt hätte. Vielmehr waren diese Zeiten überhaupt nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
(vgl. BFG RV/7100641/2020, BFG RV/7100644/2020)

Mangels Vorliegens eines Anspruchsgrundes hatte die Bf. somit ab September 2019 keinen Anspruch auf Familienbeihilfe, weshalb wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden war.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht hat im vorliegenden Fall in Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entschieden, weshalb durch das Bundesfinanzgericht keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at