Betriebliche oder private Veranlassung eines unentgeltlichen Erwerbs?
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/15/0095. Zurückweisung mit Beschluss vom .
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Schwaiger Steuerberatung GmbH, Sparkassenplatz 2, 4690 Schwanenstadt, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO im Jahr 2008, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig .
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
1. Bei der ***Bf1*** (in der Folge kurz BF) fand im Jahr 2012 eine Außenprüfung der Jahre 2008 und 2009 statt.
In der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom wurde der Sachverhalt zur Abschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter im Wesentlichen folgendermaßen geschildert:
Anlässlich der Demontage bzw. Reparatur von Altanlagen bzw. Bauteilen seien auch gebrauchte Ersatzteile bzw. Materialien dem Unternehmen zugekommen, die für den gegenständlichen Betrieb noch Bedeutung gehabt hätten bzw. die eine weitere Verwendung im Betrieb gefunden hätten. Diese gebrauchten Ersatzteile seien dem Betrieb ohne Kosten zugekommen. Bisher seien diese Ersatzteile mit dem Teilwert bewertet und als Einlage in den Betrieb und in der Folge als Betriebsausgabe verbucht worden.
Die Ersatzteile würden unbestritten bei weiteren betrieblichen Vorgängen (Reparaturen, Montagen usw.) verwendet.
Eine Beurteilung des Erwerbes dieser Ersatzteile als zunächst privaten Vorgang mit anschließender Einlage in das Betriebsvermögen sei nicht zulässig.
Da keine Anschaffungskosten angefallen seien, könne der Betrag von 35.154,69 Euro im Jahr 2008 nicht als Betriebsausgaben angesetzt werden.
2. Am erging ein Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Feststellung von Einkünften für 2008 und ein Bescheid über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2008, in dem Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 137.374,84 Euro festgestellt wurden. In der Begründung wurde auf die Niederschrift der abgabenbehördlichen Prüfung der Jahre 2008 und 2009 verwiesen.
3. Gegen den im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Feststellungsbescheid erhob die BF durch ihren steuerlichen Vertreter mit Eingabe vom das Rechtsmittel der Berufung mit im Wesentlichen folgender Begründung:
Die BF sei im Bereich Maschinen- und Anlagenbau tätig, wobei ihr von Kunden oder anderen Unternehmen, welche in derselben Branche tätig sind, anlässlich der Demontage bzw. Reparatur von Anlagen Material kostenlos angeboten werde, für welches diese weitere Verwendung hätten. Dadurch würden sich die Kunden Entsorgungskosten sparen. Die Gesellschafter der BF würden das Material untersuchen und den Abtransport mit dem privaten Kfz durchführen. Am Betriebsgelände der BF würde das Material bis zur weiteren Verwendung eingelagert.
Im Rahmen der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung sei der Ansatz mit dem Teilwert als geringwertige Wirtschaftsgüter erfolgt. Dies sei bei der steuerlichen Außenprüfung der Jahre 1999-2001 nicht beanstandet worden.
Das gegenständliche Material würde aus dem außerbetrieblichen Bereich der Gesellschafter in das Betriebsvermögen der Gesellschaft eingebracht und sei daher gemäß § 6 Z 5 EStG 1988 mit dem Teilwert zu bewerten. Die mit dieser Einlage in Zusammenhang stehenden Aufwendungen sollen daher als Betriebsausgaben berücksichtigt werden. Für den Fall einer abschlägigen Berufungsvorentscheidung werde der Antrag auf Vorlage an den Unabhängigen Finanzsenat und auf Entscheidung durch den gesamten Senat gestellt.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.
4. In der Stellungnahme des Betriebsprüfers vom wird ergänzend vorgebracht:
Strittig sei, ob dieser unentgeltliche Erwerb von Wirtschaftsgütern betrieblich oder privat veranlasst ist. Der BF werde im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit von Kunden und anderen Unternehmen, anlässlich der Demontage bzw. Reparatur von Anlagen, Material angeboten, welches bei diesen keine weitere Verwendung mehr findet. Es sei nebensächlich, dass der Transport mit einem Privatfahrzeug der Gesellschafter durchgeführt werde. Mangels eigener betrieblicher Kraftfahrzeuge sei die BF gezwungen auf andere Fahrzeuge zur Geschäftsabwicklung zurückzugreifen.
Begutachtung, Transport und Bewertung des Materials erfolge durch die beiden Gesellschafter der BF, den Komplementär ***Y*** und die Kommanditistin ***Z***.
5. Mit Eingabe vom gab die BF bekannt, dass sie die ***W*** GmbH, mit ihrer rechtsfreundlichen Vertretung in der gegenständlichen Steuersache beauftrage. Zur Vermeidung von Wiederholungen werde auf die Ausführungen in der Berufung verwiesen. Darüber hinaus werde verwiesen auf das Berufungsverfahren ***X_KG***, bei dem es um den beinah identen Sachverhalt gehe.
6. Am legte die belangte Behörde die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor und beantragte unter Verweis auf die Niederschrift zur Schlussbesprechung vom die Abweisung.
7. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung 6016 zugeteilt.
8. Auf Anfrage des Bundesfinanzgerichtes vom , ob das Vertretungsverhältnis noch bestehe, teilte RA Dr. ***K*** mit Schreiben vom mit, dass die ***V*** GmbH die rechtsfreundliche Vertretung übernommen habe.
9. Auf Vorhalt des Bundesfinanzgerichts vom erstattete der Vertreter mit Schriftsatz vom eine weitere Stellungnahme, in welcher die Hintergründe der Erstellung von EDV-Programmen durch einen Gesellschafter erläutert wurden.
10. Mit Fax vom nahm RA Dr. ***K*** den Antrag auf Entscheidung durch den Senat zurück.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die BF ist im Bereich Maschinen- und Anlagenbau tätig, wobei ihr von Kunden oder anderen Unternehmen, welche in derselben Branche tätig sind, anlässlich der Demontage bzw. Reparatur von Anlagen Material kostenlos angeboten wird, für welches diese keine weitere Verwendung haben. Dadurch sparen sich die Kunden die Entsorgungskosten.
Die Gesellschafter der BF untersuchten das Material und führten den Abtransport durch.
Bis zur weiteren Verwendung bei betrieblichen Vorgängen (Reparaturen, Montagen usw.) wurde das Material am Betriebsgelände der BF eingelagert.
Der Erwerb dieser Ersatzteile wurde von der BF als zunächst privater Vorgang mit anschließender Einlage in das Betriebsvermögen behandelt. Im Rahmen der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung erfolgte der Ansatz von Betriebsausgaben mit dem Teilwert.
Beweiswürdigung
Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus den von der belangten Behörde vorgelegten Veranlagungsakten, der Berufung und den Stellungnahmen des Außenprüfers und des Vertreters der BF.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
3.1.1. Rechtslage
Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am bei dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht. Die Ausfertigung von noch vor dem verkündeten Rechtsmittelentscheidungen hat jedoch noch im Namen des unabhängigen Finanzsenates als Abgabenbehörde zweiter Instanz nach den zum geltenden Verfahrensbestimmungen zu erfolgen. Nach dem wirksam werdende Erledigungen des unabhängigen Finanzsenates als Abgabenbehörde zweiter Instanz gelten als Erledigungen des Bundesfinanzgerichtes.
Die gegenständliche Berufung fällt unter leg. cit. und ist daher als Bescheidbeschwerde zu erledigen.
§ 6 Z 5 Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 in der im Beschwerdezeitraum geltenden Fassung, BGBl. I Nr. 99/2007, (EStG 1988) lautet:
"Einlagen sind mit dem Teilwert im Zeitpunkt der Zuführung anzusetzen. Beteiligungen, deren Veräußerung nach § 31 zu erfassen wäre, sind stets mit den Anschaffungskosten anzusetzen, wenn diese niedriger als der Teilwert im Einlagezeitpunkt sind."
§ 6 Z 9 lit. b EStG 1988 lautet:
"Bei einem betrieblich veranlassten unentgeltlichen Erwerb erfolgt die Bewertung des Wirtschaftsgutes gemäß § 6 Z 9 lit. b EStG 1988 mit den fiktiven Anschaffungskosten im Zeitpunkt des Erwerbes."
3.1.2. Rechtliche Würdigung
Strittig ist, ob der unentgeltliche Erwerb der Materialien/Ersatzteile privat oder betrieblich veranlasst war, weil sich daraus unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben:
Bei einem betrieblich veranlassten unentgeltlichen Erwerb erfolgt die Bewertung des Wirtschaftsgutes gemäß § 6 Z 9 lit. b EStG 1988 mit den fiktiven Anschaffungskosten im Zeitpunkt des Erwerbes.
Daraus ergibt sich beim Erwerber eine entsprechende Erhöhung seines Gewinnes.
Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 sind in dieser Höhe Betriebseinnahmen anzusetzen.
Die fiktiven Anschaffungskosten bilden beim Anlagevermögen gleichzeitig die AfA-Bemessungsgrundlage. Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 sind beim Umlaufvermögen die fiktiven Anschaffungskosten gleichzeitig als Betriebsausgabe anzusetzen.
Wird hingegen aus privaten Gründen ein Wirtschaftsgut unentgeltlich übertragen und sofort dem Betrieb zugeführt, so erfolgt die Bewertung gemäß § 6 Z 5 EStG 1988 in diesem Fall mit dem Teilwert.
Im Fall von Umlaufvermögen ist bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 in Höhe der Einlage eine Betriebsausgabe anzusetzen.
Den Gewinn erhöht die durch eine Einlage bewirkte Betriebsvermögensmehrung nicht (siehe die Gewinndefinition in § 4 Abs. 1 EStG 1988).
Zur Abgrenzung, ob ein unentgeltlicher Erwerb von Wirtschaftsgütern privat oder betrieblich veranlasst ist, wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass bei unentgeltlichen Übertragungen unter einander nicht nahestehenden Personen (Geschäftspartnern) eine betriebliche Veranlassung zu vermuten sein wird.
Für eine private Veranlassung spricht es hingegen, wenn der Steuerpflichtige von Angehörigen Wirtschaftsgüter für den Betrieb geschenkt erhält. § 6 Z 9 lit b EStG 1988 verlangt die betriebliche Veranlassung ausschließlich auf Seiten des Empfängers. Die Bestimmung erfasst daher zB auch den dem behandelnden Arzt von der privaten Patientin zugewendeten Edelstein (Zorn/Petritz in Hofstätter/Reichel, EStG- Kommentar, 47. Lfg 2010, zu § 6 Z 9 EStG, Rz 8).
Der Verwaltungsgerichtshof führt Folgendes zu dieser Abgrenzungsfrage aus ():
"Erwirbt ein Kaufmann Wirtschaftsgüter, die ihrer Art nach Gegenstand seiner gewerblichen Weiterveräußerung sind, so ist der Erwerb grundsätzlich auch dann als betrieblich veranlasst anzusehen, wenn er unentgeltlich erfolgt, sodass § 6 Z 9 anzuwenden ist. Eine rechtliche Beurteilung als in der Privatsphäre gelegener Erwerb mit nachfolgender Einlage und gewerblicher Veräußerung kommt nur dann in Betracht, wenn konkrete Umstände darauf schließen lassen, dass zunächst an keine betriebliche Verwendung der unentgeltlich erworbenen Wirtschaftsgüter gedacht war."
Derartige Umstände sind im gegenständlichen Beschwerdefall nicht erkennbar und wurden von der BF auch nicht vorgebracht. Die Wirtschaftsgüter wurden nicht im Rahmen der privaten Lebensführung erworben, sie sollten nie privaten Bedürfnissen der Gesellschafter dienen und können daher nicht der Privatsphäre zugerechnet werden.
Der Erwerb erfolgte unstrittig aus Anlass der betrieblichen Tätigkeit und die betriebliche Verwendung der Ersatzteile stand von vornherein fest.
Da der Erwerb betrieblich veranlasst ist, sind Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben in Höhe der fiktiven Anschaffungskosten anzusetzen.
Dies entspricht im Ergebnis dem Vorgehen der belangten Behörde, welche die mit dem Teilwert angesetzten Betriebsausgaben nicht anerkannte.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Für die Lösung der Frage der betrieblichen oder privaten Veranlassung eines unentgeltlichen Erwerbes wurden die von der höchstgerichtlichen Judikatur () aufgestellten Abgrenzungskriterien beachtet. Daher liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 6 Z 9 lit. b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 6 Z 5 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100556.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at