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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.05.2020, RV/7102120/2019

Keine Wiederaufnahme auf Antrag der Partei, wenn Umstände,auf die der Antrag gestützt wird, im im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bekannt waren

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Andreas Stanek in der Beschwerdesache der Bf. , vertreten durch Kanzlei 1080, Rechtsanwälte, Dr. Alice GAO, Lerchenfelderstraße 88-90/11, 1080 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf vom , betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2011 bis 2016 gemäß § 303 BAO zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist in den streitgegenständlichen Jahren 2011 bis 2016 als freiberufliche Dolmetscherin tätig.

Anlässlich einer im Jahr 2017 erfolgten abgabenbehördlichen Prüfung gemäß § 147 Abs. 1 BAO in Verbindung mit § 99 Abs. 2 FinStrG für die Jahre 2011 bis 2016, hielt der Prüfer in seinem Bericht fest, dass Honorarzahlungen des BMI für von der Bf. für erbrachte Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen (teilweise) nicht erklärt wurden. Neben der Festsetzung dieser Einnahmen berücksichtigte die Außenprüfung, in Anlehnung an das Betriebsausgabenpauschale, Betriebsausgaben in Höhe von 12% (BFG-Akt AS 18 ff).

Das Finanzamt folgte der Rechtsansicht der Außenprüfung und erließ nach Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 BAO hinsichtlich Einkommensteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2016 den Feststellungen entsprechend neue Sachbescheide. Die Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 BAO begründend verwies das Finanzamt auf die im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung getroffenen Feststellungen, die in der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht dargestellt wurden.

Die im Zuge der Außenprüfung ergangenen Sachbescheide hinsichtlich Einkommensteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2016 vom erwuchsen in Rechtskraft.

Mit Schreiben vom (BFG-Akt AS 49-61) beantragte die Bf. die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2011 bis 2016 gemäß § 303 Abs. 1 BAO (BFG-Akt AS 49ff) und führte begründend aus:

" … Bei der Berechnung der Einnahmen wurden zwar die Betriebsausgabenpauschale in der Höhe von 12% berücksichtigt, nicht aber die aufgewendeten Beiträge aus der von der Antragstellerin [die Bf.] zu leistenden gesetzlichen Pflichtversicherung (Kranken-, Unfall-, und Pensionsversicherung sowie die Selbstständigenvorsorge) abgezogen wurden. Daher wurden der Einkommensteuerberechnung zu hohe Einnahmen [gemeint zu hohe Einkünfte] aus selbstständiger Arbeit zugrunde gelegt. … "

Dem Schriftsatz beigefügt wurden Ablichtungen von acht Kontrollauszügen der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom für die Jahre 2010 bis 2017 aus denen die für diese Zeiträume entrichteten Sozialversicherungsbeiträge der Bf. ersichtlich sind. Demnach habe die Bf. entrichtet


Tabelle in neuem Fenster öffnen
für
2010
510,--
BFG-Akt AS 53
für
2011
3.360,--
BFG-Akt AS 54
für
2012
3.390,--
BFG-Akt AS 55
für
2013
1.850,--
BFG-Akt AS 75
für
2014
3.500,--
BFG-Akt AS 57
für
2015
1.400,--
BFG-Akt AS 58
für
2016
5.100,--
BFG-Akt AS 59
für
2017
23.500,--
BFG-Akt AS 60


Mit Bescheiden vom (BFG-Akt AS 61-68) wies das Finanzamt (ohne weitere Erhebungen) den Antrag der Bf. vom auf Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren für die Jahre 2011 bis 2016 a b und hielt fest, dass eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO eine der nachstehenden Voraussetzungen erfordere (BFG-Akt AS 61 ff):

Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei wiederaufgenommen werden, wenn

  • der Bescheid durch eine gerichtliche strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder

  • Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

  • der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist.

Zur Begründung führte das Finanzamt aus, dass " … Zum Zeitpunkt der Prüfung es Ihnen bereits bekannt [war], wie viel Sie in den jeweiligen Jahren an SV-Beiträgen bezahlt haben. Ihnen war es auch möglich und zumutbar vor Prüfungsabschluss Einwände gegen das Prüfungsergebnis einzulegen und die fehlenden Unterlagen nachzureichen. Die bezahlten SV-Beiträge wurden, während sowie beim Abschluss der Prüfung, nicht bekanntgegeben … "

Mit Schriftsatz vom erhob die Bf. Beschwerde mit im Wesentlichen folgender Begründung (BFG-Akt AS 70f):

" … Die bezahlten SV-Beiträge sind bei der Einkommensteuerberechnung sehr wohl zu berücksichtigen. … "

Dabei verwies die Bf. auf die im Finanzstrafverfahren erfolgte Berechnung des strafbestimmenden Wertbetrages durch die Finanzstrafbehörde, die die SV-Beiträge dabei in Abzug brachte.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt, wiederum ohne weitere Erhebungen, die Beschwerde als unbegründet ab (BFG-Akt AS 81f) und führte dazu aus:

" … Im Rahmen des Prüfungsverfahrens wurden dem Prüfungsorgan die Ausgabenbelege lose - also nicht aufgebucht übergeben - sodass eine Vollständigkeit der Betriebsausgaben für den Prüfungszeitraum nicht nachvollziehbar war. Daher hat man sich, wie aus dem BP-Bericht vom ersichtlich ist, auf eine Schätzung der Betriebsausgaben in Anlehnung an das Betriebsausgabenpauschale geeinigt.
Es geht somit eindeutig hervor, dass nicht wie von der [Bf.] unrichtiger Weise angenommen, das Betriebsausgabenpauschale gem. § 17 EStG gewährt wurde, sondern lediglich eine Schätzung der Betriebsausgaben in Anlehnung daran erfolgte. Das bedeutet daher auch, dass damit sämtliche Betriebsausgaben - somit auch eventuelle gesetzliche Sozialversicherungsbeiträge - in diesem Schätzungsbetrag inkludiert sind und daher keine zusätzliche Berücksichtigung von weiteren Ausgaben zu erfolgen hat. … "

Mit Schreiben vom beantragte die Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (BFG-Akt AS 84).

Mit Mängelbehebungsaufträgen vom (BFG-Akt AS 134/1) - hinsichtlich des verfahrenseinleitenden Antrages der Bf. vom - sowie vom (BFG-Akt AS 134/5) - hinsichtlich der Beschwerde der Bf. vom - forderte das Bundesfinanzgericht die Bf. auf die Bezeichnung der Umstände bzw. Gründe auf die der Antrag gemäß § 303 Abs. 2 lit. b BAO gestützt wird, darzulegen.

Mit an das Finanzamt adressierten Schriftsatz vom (BFG-Akt AS 134/12) führte die Bf. im Wesentlichen aus:

" … Diese bereits existierenden Tatsachen liegen in Form des seinerzeitigen Vorbringens bezüglich der zu hohen Festsetzung der Einkommenssteuer (wegen Nicht-Berücksichtigung der Beitragsleistungen an die Sozialversicherung), also in der unrichtigen Einkommenssteuerberecnnung vor und zwar bereits im Zeitpunkt des nun abgeschlossenen, aber wiederaufzunehmenden Verfahrens. Auch sind diese Tatsachen nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens neu hervorgekommen und zwar in Gestalt der unrichtigen Einkommenssteuerbescheide. …

… dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit [ist] gegenüber dem Prinzip der Rechtskraft der Vorzug einzuräumen. Es wird darum ersucht, auf diese neu hervorgekommenen Tatsachen - die unrichtigen Einkommenssteuerbescheide bzw. die bezahlten Sozialversicherungsbeitrage der Jahre 2011 bis 2016 - Rücksicht zu nehmen und die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit bzw. darauf basierend die Einkommenssteuer entsprechend neu zu berechnen. Bei Kenntnis dieser Tatsachen hätte der Einkommenseteuerbescheid für die Jahre 2011 bis 2016 schließlich einen anderslautenden Spruch enthalten, womit die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 Abs 1 BAO vorliegen."

Den zweiten Mängelbehebungsauftrag vom beantwortend (BFG-Akt AS 134/10) verwies die Bf. auf ihr bisheriges Vorbringen und führte als Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 303 Abs. 2 lit. b BAO nunmehr den Umstand an,

" … dass die erstinstanzliche Behörde keine Kenntnis über die bezahlten Sozialversicherungsbeiträge hatte bzw. dass eine Berücksichtigung der Beiträge nicht amtswegig - bei der Betriebsprüfung - erfolgte, ist für die Abgabenpflichtige eine neu hervorgekommene Tatsache. Jedenfalls durfte die Abgabenpflichtige aber davon ausgehen. dass die erstinstanzliche Behörde Zugang zu den Daten über die erbrachten Beitragsleistungen zur Sozialversicherung hat. Diese Tatsachen wurden allerdings mangels Kenntnis im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend macht.

Gleichzeitig existierte diese Tatsache aber eben schon im Zeitpunkt der Bescheiderlassung. [Sohin] handelt es sich um Tatsachen, die vor Abschluss des Verfahrens bereits existent waren, neu hervorgekommen, im abgeschlossenen Verfahren jedoch nicht geltend gemacht worden sind … "

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Aus den vom Finanzamt vorgelegten Akten und den ergänzenden Erhebungen des Bundesfinanzgerichtes ergeben sich für das gegenständliche Beschwerdeverfahren - Vorliegen der Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2011 bis 2016 auf Antrag der Bf. - nachstehende Feststellungen:

Die Bf. erzielte in den Jahren 2011 bis 2016 Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit und unterliegt mit ihrer Tätigkeit der gewerblichen Sozialversicherungspflicht. In den streitgegenständlichen Jahren entrichtete die Bf. an die gewerbliche Sozialversicherung Beiträge im oben dargestelltem Ausmaß.

Diese Feststellung ergibt sich einerseits aus dem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung, wonach dem Außenprüfer " ... sowohl alle zugeflossenen Honorare von 2011 - 2017, als auch das [offengelegte] betriebliche Konto ... " zur Verfügung standen, andererseits auch aus den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Bestätigungen der SVA über die jährlich bezahlten Beiträge der Bf. (BFG-Akt AS 53-60 und AS 75).

So sind etwa aus dem konsolidierten Bankkontoausdruck des Jahres 2016, der auch dem Außenprüfer zur Verfügung stand, neben den Honorarzahlungen auch Überweisungen der Bf. an die gewerbliche Sozialversicherung am 15. Jänner, am 19. Februar, am 14. März, am 8. April, am 9. Mai, am 14. Juni, am 7. Juli, am 27. Juli, am 5. September, am 30. September sowie am 6. Oktober ohne Weiteres ersichtlich (BFG-Akt AS 92-125).

Der Bf. war somit der Umstand der gewerblichen Versicherungspflicht und auch die Tatsache der Entrichtung ihrer Sozialversicherungsbeiträge sowie deren Höhe zum Zeitpunkt der Außenprüfung und dem folgenden Ergehen der Einkommensteuerbescheide bekannt.

Die im Zuge der Außenprüfung - nach Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren - ergangenen Sachbescheide vom hinsichtlich Einkommensteuer 2011 bis 2016 erwuchsen in Rechtskraft.

Diese Feststellungen ergeben sich in freier Beweiswürdigung aus den vorgelegten Steuerakten des Beschwerdeverfahrens, dem der Außenprüfung offengelegten und bekannten betrieblichen Bankkonto der Bf. sowie den im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht erstatteten Schriftsätzen.

Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens bildet nunmehr die Frage, ob die von der Bf. in den Jahren 2011 bis 2016 entrichteten Sozialversicherungsbeiträge als tauglicher Wiederaufnahmegrund für die Einkommensteuerverfahren 2011 bis 2016 zu beurteilen sind.

Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann gemäß § 303 Abs. 1 BAO idF FVwGG 2012 auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

  • der Bescheid durch eine gerichtliche strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder

  • Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

  • der Bescheid von Vorfragen (§ 116 BAO) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nach § 303 Abs. 2 BAO hat der Wiederaufnahmeantrag zu enthalten:

  • Die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantrag wird;

  • die Bezeichnung der Umstände, auf die der Antrag gestützt wird.

Einen Wiederaufnahmegrund bilden lediglich " neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel ". Damit wird die Möglichkeit geschaffen, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung tragen zu können (vgl Stoll, BAO Kommentar 2931).

Der Ausdruck " neu hervorkommen " bedeutet, dass der Wiederaufnahmegrund eine zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsache bzw. Beweismittel gewesen sein muss.

Nur neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel - das sind solche, die schon vor Erlassung des das wieder aufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides bestanden haben, aber erst nach diesem Zeitpunkt bekannt wurden (nova reperta) - kommen als tauglicher Wiederaufnahmsgrund iS des Neuerungstatbestandes (§ 303 Abs. 1 lit. b) in Betracht. Erst nach Erlassung des das wieder aufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides entstandene Tatsachen oder Beweismittel (nova producta) sind keine Wiederaufnahmsgründe (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO³ § 303 RZ 14).

Zweck der Wiederaufnahme wegen Neuerungen ist die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen. Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung " im abgeschlossenen Verfahren " bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl. ).

Tatsachen im Sinne des § 303 BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei entsprechender Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis, als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten.

Mit dem Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012 (FVwGG) erfolgte eine Harmonisierung der Wiederaufnahme von Amtswegen mit jener auf Antrag. Demnach hat ein Antrag auf Wiederaufnahme bei Geltendmachung neu hervorgekommener Tatsachen die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel " neu hervorkommen sind ". Aus dem klaren Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit. b iVm Abs. 2 lit. b ist somit abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist. Der Wiederaufnahme wohnt somit konzeptiv eine Antragsteller-Perspektive inne, zumal auch der Antragsteller bestimmt, welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch welchen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen werden und daher Sache des Wiederaufnahmeverfahrens sind. Nur wenn die neue Tatsache für den Antragsteller neu hervorgekommen ist und ihm somit zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht bekannt war, kann sie von ihm zum Gegenstand eines Wiederaufnahmeverfahrens gemacht werden (, Ellinger/Sutter/Urtz, BAO³ § 303 RZ 17).

Betrachtet man den gegenständlichen Sachverhalt unter dem Blickwinkel obiger Ausführungen, so ist nach Dafürhalten des Bundesfinanzgerichtes offensichtlich, dass keine die Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigenden Gründe vorliegen, weil weder Tatsachen noch Beweismittel neu hervorgekommen sind. Der Umstand der Entrichtung und Zahlungen der gewerblichen Sozialversicherungsbeiträge für die Jahre 2011 bis 2016 durch die Bf. war ihr sowohl im Zeitpunkt Außenprüfung als auch im Zeitpunkt der Erlassung der Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2016 vom durch das Finanzamt bereits bekannt und ist daher auch nicht als " neu hervorgekommene Tatsache " im Sinne des Gesetzes zu interpretieren.

Die Bf. stützt ihren Wiederaufnahmeantrag vom darauf, dass von der Außenprüfung wie vom Finanzamt eine nicht dem Gesetz entsprechende Rechtsansicht bei der steuerrechtlichen Beurteilung der Betriebsausgabenpauschale vertreten wurde und aufgrund der bereits bezahlten Sozialversicherungsbeiträge die Einkommensteuer für die Jahre 2011 bis 2016 neu zu berechnen wäre. Auch aus den im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht erstatteten Schriftsätzen der Bf. sind keine Wiederaufnahmegründe ersichtlich. Die Bf. beanstandet vielmehr die materielle Unrichtigkeit der im Zuge der Außenprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheide wegen Nichtberücksichtigung der Sozialversicherungsbeiträge als betrieblichen Aufwand.

Diesem Vorbringen ist die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu erwidern. Dieser Judikatur folgend sind neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, einerlei, ob die späteren Erkenntnisse nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden, keine Wiederaufnahmegründe bzw. Tatsachen. Das Wiederaufnahmeverfahren hat nämlich nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse einer Partei im Verwaltungsverfahren zu sanieren, sondern soll die Möglichkeit bieten, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO³ § 303 RZ 19; ; , 96/15/0148; ).

Aufgrund der Nichterfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Sie folgt vielmehr der dargestellten Rechtsprechung (vgl. ).

Wien, am

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist in den streitgegenständlichen Jahren 2011 bis 2016 als freiberufliche Dolmetscherin tätig.

Anlässlich einer im Jahr 2017 erfolgten abgabenbehördlichen Prüfung gemäß § 147 Abs. 1 BAO in Verbindung mit § 99 Abs. 2 FinStrG für die Jahre 2011 bis 2016, hielt der Prüfer in seinem Bericht fest, dass Honorarzahlungen des BMI für von der Bf. für erbrachte Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen (teilweise) nicht erklärt wurden. Neben der Festsetzung dieser Einnahmen berücksichtigte die Außenprüfung, in Anlehnung an das Betriebsausgabenpauschale, Betriebsausgaben in Höhe von 12% (BFG-Akt AS 18 ff).

Das Finanzamt folgte der Rechtsansicht der Außenprüfung und erließ nach Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 BAO hinsichtlich Einkommensteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2016 den Feststellungen entsprechend neue Sachbescheide. Die Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 BAO begründend verwies das Finanzamt auf die im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung getroffenen Feststellungen, die in der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht dargestellt wurden.

Die im Zuge der Außenprüfung ergangenen Sachbescheide hinsichtlich Einkommensteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2016 vom erwuchsen in Rechtskraft.

Mit Schreiben vom (BFG-Akt AS 49-61) beantragte die Bf. die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2011 bis 2016 gemäß § 303 Abs. 1 BAO (BFG-Akt AS 49ff) und führte begründend aus:

" … Bei der Berechnung der Einnahmen wurden zwar die Betriebsausgabenpauschale in der Höhe von 12% berücksichtigt, nicht aber die aufgewendeten Beiträge aus der von der Antragstellerin [die Bf.] zu leistenden gesetzlichen Pflichtversicherung (Kranken-, Unfall-, und Pensionsversicherung sowie die Selbstständigenvorsorge) abgezogen wurden. Daher wurden der Einkommensteuerberechnung zu hohe Einnahmen [gemeint zu hohe Einkünfte] aus selbstständiger Arbeit zugrunde gelegt. … "

Dem Schriftsatz beigefügt wurden Ablichtungen von acht Kontrollauszügen der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom für die Jahre 2010 bis 2017 aus denen die für diese Zeiträume entrichteten Sozialversicherungsbeiträge der Bf. ersichtlich sind. Demnach habe die Bf. entrichtet


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für
2010
510,--
BFG-Akt AS 53
für
2011
3.360,--
BFG-Akt AS 54
für
2012
3.390,--
BFG-Akt AS 55
für
2013
1.850,--
BFG-Akt AS 75
für
2014
3.500,--
BFG-Akt AS 57
für
2015
1.400,--
BFG-Akt AS 58
für
2016
5.100,--
BFG-Akt AS 59
für
2017
23.500,--
BFG-Akt AS 60


Mit Bescheiden vom (BFG-Akt AS 61-68) wies das Finanzamt (ohne weitere Erhebungen) den Antrag der Bf. vom auf Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren für die Jahre 2011 bis 2016 a b und hielt fest, dass eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO eine der nachstehenden Voraussetzungen erfordere (BFG-Akt AS 61 ff):

Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei wiederaufgenommen werden, wenn

  • der Bescheid durch eine gerichtliche strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder

  • Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

  • der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist.

Zur Begründung führte das Finanzamt aus, dass " … Zum Zeitpunkt der Prüfung es Ihnen bereits bekannt [war], wie viel Sie in den jeweiligen Jahren an SV-Beiträgen bezahlt haben. Ihnen war es auch möglich und zumutbar vor Prüfungsabschluss Einwände gegen das Prüfungsergebnis einzulegen und die fehlenden Unterlagen nachzureichen. Die bezahlten SV-Beiträge wurden, während sowie beim Abschluss der Prüfung, nicht bekanntgegeben … "

Mit Schriftsatz vom erhob die Bf. Beschwerde mit im Wesentlichen folgender Begründung (BFG-Akt AS 70f):

" … Die bezahlten SV-Beiträge sind bei der Einkommensteuerberechnung sehr wohl zu berücksichtigen. … "

Dabei verwies die Bf. auf die im Finanzstrafverfahren erfolgte Berechnung des strafbestimmenden Wertbetrages durch die Finanzstrafbehörde, die die SV-Beiträge dabei in Abzug brachte.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt, wiederum ohne weitere Erhebungen, die Beschwerde als unbegründet ab (BFG-Akt AS 81f) und führte dazu aus:

" … Im Rahmen des Prüfungsverfahrens wurden dem Prüfungsorgan die Ausgabenbelege lose - also nicht aufgebucht übergeben - sodass eine Vollständigkeit der Betriebsausgaben für den Prüfungszeitraum nicht nachvollziehbar war. Daher hat man sich, wie aus dem BP-Bericht vom ersichtlich ist, auf eine Schätzung der Betriebsausgaben in Anlehnung an das Betriebsausgabenpauschale geeinigt.
Es geht somit eindeutig hervor, dass nicht wie von der [Bf.] unrichtiger Weise angenommen, das Betriebsausgabenpauschale gem. § 17 EStG gewährt wurde, sondern lediglich eine Schätzung der Betriebsausgaben in Anlehnung daran erfolgte. Das bedeutet daher auch, dass damit sämtliche Betriebsausgaben - somit auch eventuelle gesetzliche Sozialversicherungsbeiträge - in diesem Schätzungsbetrag inkludiert sind und daher keine zusätzliche Berücksichtigung von weiteren Ausgaben zu erfolgen hat. … "

Mit Schreiben vom beantragte die Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (BFG-Akt AS 84).

Mit Mängelbehebungsaufträgen vom (BFG-Akt AS 134/1) - hinsichtlich des verfahrenseinleitenden Antrages der Bf. vom - sowie vom (BFG-Akt AS 134/5) - hinsichtlich der Beschwerde der Bf. vom - forderte das Bundesfinanzgericht die Bf. auf die Bezeichnung der Umstände bzw. Gründe auf die der Antrag gemäß § 303 Abs. 2 lit. b BAO gestützt wird, darzulegen.

Mit an das Finanzamt adressierten Schriftsatz vom (BFG-Akt AS 134/12) führte die Bf. im Wesentlichen aus:

" … Diese bereits existierenden Tatsachen liegen in Form des seinerzeitigen Vorbringens bezüglich der zu hohen Festsetzung der Einkommenssteuer (wegen Nicht-Berücksichtigung der Beitragsleistungen an die Sozialversicherung), also in der unrichtigen Einkommenssteuerberecnnung vor und zwar bereits im Zeitpunkt des nun abgeschlossenen, aber wiederaufzunehmenden Verfahrens. Auch sind diese Tatsachen nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens neu hervorgekommen und zwar in Gestalt der unrichtigen Einkommenssteuerbescheide. …

… dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit [ist] gegenüber dem Prinzip der Rechtskraft der Vorzug einzuräumen. Es wird darum ersucht, auf diese neu hervorgekommenen Tatsachen - die unrichtigen Einkommenssteuerbescheide bzw. die bezahlten Sozialversicherungsbeitrage der Jahre 2011 bis 2016 - Rücksicht zu nehmen und die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit bzw. darauf basierend die Einkommenssteuer entsprechend neu zu berechnen. Bei Kenntnis dieser Tatsachen hätte der Einkommenseteuerbescheid für die Jahre 2011 bis 2016 schließlich einen anderslautenden Spruch enthalten, womit die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 Abs 1 BAO vorliegen."

Den zweiten Mängelbehebungsauftrag vom beantwortend (BFG-Akt AS 134/10) verwies die Bf. auf ihr bisheriges Vorbringen und führte als Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 303 Abs. 2 lit. b BAO nunmehr den Umstand an,

" … dass die erstinstanzliche Behörde keine Kenntnis über die bezahlten Sozialversicherungsbeiträge hatte bzw. dass eine Berücksichtigung der Beiträge nicht amtswegig - bei der Betriebsprüfung - erfolgte, ist für die Abgabenpflichtige eine neu hervorgekommene Tatsache. Jedenfalls durfte die Abgabenpflichtige aber davon ausgehen. dass die erstinstanzliche Behörde Zugang zu den Daten über die erbrachten Beitragsleistungen zur Sozialversicherung hat. Diese Tatsachen wurden allerdings mangels Kenntnis im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend macht.

Gleichzeitig existierte diese Tatsache aber eben schon im Zeitpunkt der Bescheiderlassung. [Sohin] handelt es sich um Tatsachen, die vor Abschluss des Verfahrens bereits existent waren, neu hervorgekommen, im abgeschlossenen Verfahren jedoch nicht geltend gemacht worden sind … "

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Aus den vom Finanzamt vorgelegten Akten und den ergänzenden Erhebungen des Bundesfinanzgerichtes ergeben sich für das gegenständliche Beschwerdeverfahren - Vorliegen der Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2011 bis 2016 auf Antrag der Bf. - nachstehende Feststellungen:

Die Bf. erzielte in den Jahren 2011 bis 2016 Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit und unterliegt mit ihrer Tätigkeit der gewerblichen Sozialversicherungspflicht. In den streitgegenständlichen Jahren entrichtete die Bf. an die gewerbliche Sozialversicherung Beiträge im oben dargestelltem Ausmaß.

Diese Feststellung ergibt sich einerseits aus dem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung, wonach dem Außenprüfer " ... sowohl alle zugeflossenen Honorare von 2011 - 2017, als auch das [offengelegte] betriebliche Konto ... " zur Verfügung standen, andererseits auch aus den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Bestätigungen der SVA über die jährlich bezahlten Beiträge der Bf. (BFG-Akt AS 53-60 und AS 75).

So sind etwa aus dem konsolidierten Bankkontoausdruck des Jahres 2016, der auch dem Außenprüfer zur Verfügung stand, neben den Honorarzahlungen auch Überweisungen der Bf. an die gewerbliche Sozialversicherung am 15. Jänner, am 19. Februar, am 14. März, am 8. April, am 9. Mai, am 14. Juni, am 7. Juli, am 27. Juli, am 5. September, am 30. September sowie am 6. Oktober ohne Weiteres ersichtlich (BFG-Akt AS 92-125).

Der Bf. war somit der Umstand der gewerblichen Versicherungspflicht und auch die Tatsache der Entrichtung ihrer Sozialversicherungsbeiträge sowie deren Höhe zum Zeitpunkt der Außenprüfung und dem folgenden Ergehen der Einkommensteuerbescheide bekannt.

Die im Zuge der Außenprüfung - nach Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren - ergangenen Sachbescheide vom hinsichtlich Einkommensteuer 2011 bis 2016 erwuchsen in Rechtskraft.

Diese Feststellungen ergeben sich in freier Beweiswürdigung aus den vorgelegten Steuerakten des Beschwerdeverfahrens, dem der Außenprüfung offengelegten und bekannten betrieblichen Bankkonto der Bf. sowie den im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht erstatteten Schriftsätzen.

Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens bildet nunmehr die Frage, ob die von der Bf. in den Jahren 2011 bis 2016 entrichteten Sozialversicherungsbeiträge als tauglicher Wiederaufnahmegrund für die Einkommensteuerverfahren 2011 bis 2016 zu beurteilen sind.

Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann gemäß § 303 Abs. 1 BAO idF FVwGG 2012 auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

  • der Bescheid durch eine gerichtliche strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder

  • Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

  • der Bescheid von Vorfragen (§ 116 BAO) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nach § 303 Abs. 2 BAO hat der Wiederaufnahmeantrag zu enthalten:

  • Die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantrag wird;

  • die Bezeichnung der Umstände, auf die der Antrag gestützt wird.

Einen Wiederaufnahmegrund bilden lediglich " neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel ". Damit wird die Möglichkeit geschaffen, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung tragen zu können (vgl Stoll, BAO Kommentar 2931).

Der Ausdruck " neu hervorkommen " bedeutet, dass der Wiederaufnahmegrund eine zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsache bzw. Beweismittel gewesen sein muss.

Nur neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel - das sind solche, die schon vor Erlassung des das wieder aufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides bestanden haben, aber erst nach diesem Zeitpunkt bekannt wurden (nova reperta) - kommen als tauglicher Wiederaufnahmsgrund iS des Neuerungstatbestandes (§ 303 Abs. 1 lit. b) in Betracht. Erst nach Erlassung des das wieder aufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides entstandene Tatsachen oder Beweismittel (nova producta) sind keine Wiederaufnahmsgründe (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO³ § 303 RZ 14).

Zweck der Wiederaufnahme wegen Neuerungen ist die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen. Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung " im abgeschlossenen Verfahren " bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl. ).

Tatsachen im Sinne des § 303 BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei entsprechender Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis, als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten.

Mit dem Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012 (FVwGG) erfolgte eine Harmonisierung der Wiederaufnahme von Amtswegen mit jener auf Antrag. Demnach hat ein Antrag auf Wiederaufnahme bei Geltendmachung neu hervorgekommener Tatsachen die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel " neu hervorkommen sind ". Aus dem klaren Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit. b iVm Abs. 2 lit. b ist somit abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist. Der Wiederaufnahme wohnt somit konzeptiv eine Antragsteller-Perspektive inne, zumal auch der Antragsteller bestimmt, welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch welchen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen werden und daher Sache des Wiederaufnahmeverfahrens sind. Nur wenn die neue Tatsache für den Antragsteller neu hervorgekommen ist und ihm somit zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht bekannt war, kann sie von ihm zum Gegenstand eines Wiederaufnahmeverfahrens gemacht werden (, Ellinger/Sutter/Urtz, BAO³ § 303 RZ 17).

Betrachtet man den gegenständlichen Sachverhalt unter dem Blickwinkel obiger Ausführungen, so ist nach Dafürhalten des Bundesfinanzgerichtes offensichtlich, dass keine die Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigenden Gründe vorliegen, weil weder Tatsachen noch Beweismittel neu hervorgekommen sind. Der Umstand der Entrichtung und Zahlungen der gewerblichen Sozialversicherungsbeiträge für die Jahre 2011 bis 2016 durch die Bf. war ihr sowohl im Zeitpunkt Außenprüfung als auch im Zeitpunkt der Erlassung der Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2016 vom durch das Finanzamt bereits bekannt und ist daher auch nicht als " neu hervorgekommene Tatsache " im Sinne des Gesetzes zu interpretieren.

Die Bf. stützt ihren Wiederaufnahmeantrag vom darauf, dass von der Außenprüfung wie vom Finanzamt eine nicht dem Gesetz entsprechende Rechtsansicht bei der steuerrechtlichen Beurteilung der Betriebsausgabenpauschale vertreten wurde und aufgrund der bereits bezahlten Sozialversicherungsbeiträge die Einkommensteuer für die Jahre 2011 bis 2016 neu zu berechnen wäre. Auch aus den im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht erstatteten Schriftsätzen der Bf. sind keine Wiederaufnahmegründe ersichtlich. Die Bf. beanstandet vielmehr die materielle Unrichtigkeit der im Zuge der Außenprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheide wegen Nichtberücksichtigung der Sozialversicherungsbeiträge als betrieblichen Aufwand.

Diesem Vorbringen ist die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu erwidern. Dieser Judikatur folgend sind neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, einerlei, ob die späteren Erkenntnisse nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden, keine Wiederaufnahmegründe bzw. Tatsachen. Das Wiederaufnahmeverfahren hat nämlich nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse einer Partei im Verwaltungsverfahren zu sanieren, sondern soll die Möglichkeit bieten, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO³ § 303 RZ 19; ; , 96/15/0148; ).

Aufgrund der Nichterfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Sie folgt vielmehr der dargestellten Rechtsprechung (vgl. ).

Wien, am

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Aus den vom Finanzamt vorgelegten Akten und den ergänzenden Erhebungen des Bundesfinanzgerichtes ergeben sich für das gegenständliche Beschwerdeverfahren - Vorliegen der Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2011 bis 2016 auf Antrag der Bf. - nachstehende Feststellungen:

Die Bf. erzielte in den Jahren 2011 bis 2016 Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit und unterliegt mit ihrer Tätigkeit der gewerblichen Sozialversicherungspflicht. In den streitgegenständlichen Jahren entrichtete die Bf. an die gewerbliche Sozialversicherung Beiträge im oben dargestelltem Ausmaß.

Diese Feststellung ergibt sich einerseits aus dem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung, wonach dem Außenprüfer " ... sowohl alle zugeflossenen Honorare von 2011 - 2017, als auch das [offengelegte] betriebliche Konto ... " zur Verfügung standen, andererseits auch aus den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Bestätigungen der SVA über die jährlich bezahlten Beiträge der Bf. (BFG-Akt AS 53-60 und AS 75).

So sind etwa aus dem konsolidierten Bankkontoausdruck des Jahres 2016, der auch dem Außenprüfer zur Verfügung stand, neben den Honorarzahlungen auch Überweisungen der Bf. an die gewerbliche Sozialversicherung am 15. Jänner, am 19. Februar, am 14. März, am 8. April, am 9. Mai, am 14. Juni, am 7. Juli, am 27. Juli, am 5. September, am 30. September sowie am 6. Oktober ohne Weiteres ersichtlich (BFG-Akt AS 92-125).

Der Bf. war somit der Umstand der gewerblichen Versicherungspflicht und auch die Tatsache der Entrichtung ihrer Sozialversicherungsbeiträge sowie deren Höhe zum Zeitpunkt der Außenprüfung und dem folgenden Ergehen der Einkommensteuerbescheide bekannt.

Die im Zuge der Außenprüfung - nach Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren - ergangenen Sachbescheide vom hinsichtlich Einkommensteuer 2011 bis 2016 erwuchsen in Rechtskraft.

Diese Feststellungen ergeben sich in freier Beweiswürdigung aus den vorgelegten Steuerakten des Beschwerdeverfahrens, dem der Außenprüfung offengelegten und bekannten betrieblichen Bankkonto der Bf. sowie den im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht erstatteten Schriftsätzen.

Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens bildet nunmehr die Frage, ob die von der Bf. in den Jahren 2011 bis 2016 entrichteten Sozialversicherungsbeiträge als tauglicher Wiederaufnahmegrund für die Einkommensteuerverfahren 2011 bis 2016 zu beurteilen sind.

Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann gemäß § 303 Abs. 1 BAO idF FVwGG 2012 auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

  • der Bescheid durch eine gerichtliche strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder

  • Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

  • der Bescheid von Vorfragen (§ 116 BAO) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nach § 303 Abs. 2 BAO hat der Wiederaufnahmeantrag zu enthalten:

  • Die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantrag wird;

  • die Bezeichnung der Umstände, auf die der Antrag gestützt wird.

Einen Wiederaufnahmegrund bilden lediglich " neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel ". Damit wird die Möglichkeit geschaffen, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung tragen zu können (vgl Stoll, BAO Kommentar 2931).

Der Ausdruck " neu hervorkommen " bedeutet, dass der Wiederaufnahmegrund eine zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsache bzw. Beweismittel gewesen sein muss.

Nur neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel - das sind solche, die schon vor Erlassung des das wieder aufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides bestanden haben, aber erst nach diesem Zeitpunkt bekannt wurden (nova reperta) - kommen als tauglicher Wiederaufnahmsgrund iS des Neuerungstatbestandes (§ 303 Abs. 1 lit. b) in Betracht. Erst nach Erlassung des das wieder aufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides entstandene Tatsachen oder Beweismittel (nova producta) sind keine Wiederaufnahmsgründe (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO³ § 303 RZ 14).

Zweck der Wiederaufnahme wegen Neuerungen ist die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen. Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung " im abgeschlossenen Verfahren " bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl. ).

Tatsachen im Sinne des § 303 BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei entsprechender Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis, als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten.

Mit dem Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012 (FVwGG) erfolgte eine Harmonisierung der Wiederaufnahme von Amtswegen mit jener auf Antrag. Demnach hat ein Antrag auf Wiederaufnahme bei Geltendmachung neu hervorgekommener Tatsachen die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel " neu hervorkommen sind ". Aus dem klaren Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit. b iVm Abs. 2 lit. b ist somit abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist. Der Wiederaufnahme wohnt somit konzeptiv eine Antragsteller-Perspektive inne, zumal auch der Antragsteller bestimmt, welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch welchen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen werden und daher Sache des Wiederaufnahmeverfahrens sind. Nur wenn die neue Tatsache für den Antragsteller neu hervorgekommen ist und ihm somit zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht bekannt war, kann sie von ihm zum Gegenstand eines Wiederaufnahmeverfahrens gemacht werden (, Ellinger/Sutter/Urtz, BAO³ § 303 RZ 17).

Betrachtet man den gegenständlichen Sachverhalt unter dem Blickwinkel obiger Ausführungen, so ist nach Dafürhalten des Bundesfinanzgerichtes offensichtlich, dass keine die Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigenden Gründe vorliegen, weil weder Tatsachen noch Beweismittel neu hervorgekommen sind. Der Umstand der Entrichtung und Zahlungen der gewerblichen Sozialversicherungsbeiträge für die Jahre 2011 bis 2016 durch die Bf. war ihr sowohl im Zeitpunkt Außenprüfung als auch im Zeitpunkt der Erlassung der Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2016 vom durch das Finanzamt bereits bekannt und ist daher auch nicht als " neu hervorgekommene Tatsache " im Sinne des Gesetzes zu interpretieren.

Die Bf. stützt ihren Wiederaufnahmeantrag vom darauf, dass von der Außenprüfung wie vom Finanzamt eine nicht dem Gesetz entsprechende Rechtsansicht bei der steuerrechtlichen Beurteilung der Betriebsausgabenpauschale vertreten wurde und aufgrund der bereits bezahlten Sozialversicherungsbeiträge die Einkommensteuer für die Jahre 2011 bis 2016 neu zu berechnen wäre. Auch aus den im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht erstatteten Schriftsätzen der Bf. sind keine Wiederaufnahmegründe ersichtlich. Die Bf. beanstandet vielmehr die materielle Unrichtigkeit der im Zuge der Außenprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheide wegen Nichtberücksichtigung der Sozialversicherungsbeiträge als betrieblichen Aufwand.

Diesem Vorbringen ist die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu erwidern. Dieser Judikatur folgend sind neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, einerlei, ob die späteren Erkenntnisse nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden, keine Wiederaufnahmegründe bzw. Tatsachen. Das Wiederaufnahmeverfahren hat nämlich nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse einer Partei im Verwaltungsverfahren zu sanieren, sondern soll die Möglichkeit bieten, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO³ § 303 RZ 19; ; , 96/15/0148; ).

Aufgrund der Nichterfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Sie folgt vielmehr der dargestellten Rechtsprechung (vgl. ).

Wien, am

Wien, am

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
VwGH, Ra 2014/15/0058
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102120.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at