Einheitswert, Prozess um Herausgabe von Wirtschaftsgut spricht gegen Zurechnung von wirtschaftlichem Eigentum
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Judith Daniela Herdin-Winter in der Beschwerdesache ***, ***, über die Beschwerde vom gegen den Feststellungsbescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom , Gz. *** betreffend Wert- und Zurechnungsfortschreibung zu Recht:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und der Feststellungsbescheid zum (Wert- und Zurechnungsfortschreibung) aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang:
Mit Feststellungsbescheid vom wurde der Einheitswert betreffend die Beschwerdeführerin zum festgestellt und der Grundsteuermessbetrag entsprechend festgesetzt.
Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, dass die Feststellung aufgrund der Änderung in der steuerlichen Zurechnung (Änderung der Eigentumsverhältnisse) erforderlich gewesen sei.
Mit Schreiben vom brachte der rechtliche Vertreter der Beschwerdeführerin dagegen Beschwerde ein.
Mit Feststellungsbescheid vom sei für das Grundstück ***, mittels Wert- und Zurechnungsfortschreibung zum einerseits der Einheitswert neu festgestellt und andererseits die steuerliche Zurechnung des gegenständlichen Grundstücks an die Beschwerdeführerin festgestellt worden.
Festzuhalten sei, dass die gegenständliche Liegenschaft im grundbürgerlichen Eigentum des Vaters der Beschwerdeführerin, V, gestanden sei. Mit Kaufvertrag vom habe dieser die gegenständliche Liegenschaft an die Erwerberin E, nunmehr E unter Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts veräußert. Es sei ausdrücklich vereinbart worden, dass die Übergabe des Grundstücks bereits mit Vertragsunterfertigung, somit per , stattfände, die grundbücherliche Durchführung jedoch erst nach Ablauf des Wiederkaufsrechts zu erfolgen habe.
Am x.2011 sei V verstorben. Da das höchstpersönliche Wiederkaufsrecht mit seinem Tod erloschen sei, sei der Kaufvertrag grundbücherlich durchgeführt und die E am als grundbücherliche Eigentümerin eingetragen worden.
Mit Einantwortungsbeschluss vom sei die Verlassenschaft von V der Beschwerdeführerin als Alleinerbin zum gesamten Nachlass eingeantwortet worden. Die gegenständliche Liegenschaft sei, da diese bereits in das Eigentum der E übergangen gewesen sei, von der Einantwortung nicht umfasst gewesen.
In weiterer Folge sei der Kaufvertrag zwischen V und der E mit gerichtlichem Vergleich, geschlossen zwischen der (nunmehrigen) E und der Beschwerdeführerin in der Tagsatzung vom *** des Landesgerichts Wiener Neustadt, rückabgewickelt worden. Mit der am erfolgten (Rück-)Überweisung des ursprünglichen Kaufpreises durch die Beschwerdeführerin an die E sei der Vergleich rechtswirksam geworden.
Nach Rechtskraft des Vergleiches sei die Beschwerdeführerin sodann am (erstmals) als Eigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft im Grundbuch eingetragen worden.
Nach § 24 Abs 1 lit d BAO würden Wirtschaftsgüter, über die jemand die Herrschaft gleich einem Eigentümer ausübe, diesem zugerechnet. Aus der eindeutigen Bestimmung dieser Norm komme es bei der Zurechnung nicht darauf an, ob der Eigentümer bereits im Grundbuch als Eigentümer eingetragen sei, sondern darauf, ob er die Herrschaft über den Steuergegenstand gleich einem Eigentümer ausübe (RV/1318-L/07-RS1).
Im vorliegenden Fall sei der Kaufgegenstand am direkt von V an die E übergeben worden. Bis zur erfolgten Rückabwicklung im Jahre 2018 sei die Liegenschaft im Besitz der E (bzw. E) verblieben. Bis zu diesem Zeitpunkt habe die Beschwerdeführerin somit weder zivilrechtliches Eigentum gehabt noch über die herrschaftliche Ausübungsmacht im Sinne des § 24 BAO verfügt.
Nach § 21 Abs 4 BewG 1955 seien bei allen Fortschreibungen einschließlich der Fortschreibung auf Grund einer Änderung der steuerlichen Zurechnung des Bewertungsgegenstandes (Zurechnungsfortschreibung) die Verhältnisse bei Beginn des Kalenderjahres zugrundezulegen, das auf die Änderung folge (Fortschreibungszeitpunkt).
Wie sich aus diesen Ausführungen ergebe, sei die festgestellte Zurechnung des Steuergegenstandes an die Beschwerdeführerin jedenfalls rechtswidrig erfolgt. Eine Zurechnung habe (vorausgesetzt die Eigentumsverhältnisse würden bis dahin unverändert bleiben) frühestens zum Stichtag zu erfolgen.
Der angefochtene Feststellungsbescheid sei somit rechtswidrig.
Aus diesen Gründen stelle die Beschwerdeführerin folgende Anträge auf Aufhebung des Feststellungsbescheides vom der belangten Behörde über die Wert- und Zurechnungsfortschreibung; in eventu auf Abänderung des Bescheides dahingehend, dass Anhang A des Bescheides zu lauten habe: "E"; und in eventu auf Abänderung des Bescheides dahingehend, dass die Zurechnung zum Stichtag erfolge.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde von der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, dass diese abzuweisen gewesen sei, da, lt. Punkt 2 des Vergleichs, der am abgeschlossene Kaufvertrag mit der E ex tunc nichtig und daher rückwirkend abzuwickeln sei. Der Kaufvertrag sei also so rückabzuwickeln, wie wenn er nie existiert habe. Die Beschwerdeführerin werde durch den Vergleich so gestellt, als wäre die Liegenschaft mit Übergang des Eigentums im Erbwege in die Verlassenschaft gefallen.
Mit Schreiben vom ersuchte der rechtliche Vertreter der Beschwerdeführerin um Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. In Ergänzung zur Beschwerde wurde ausgeführt, dass die Abweisung der Beschwerde in der Beschwerdevorentscheidung damit begründet worden sei, dass laut Punkt 2. des Vergleichs der am abgeschlossene Kaufvertrag mit der E ex tunc nichtig und daher rückwirkend rückabzuwickeln gewesen sei. Der Kaufvertrag sei also so rückabzuwickeln, wie wenn er nie existiert hätte. Die Beschwerdeführerin werde durch den Vergleich so gestellt, als sei die Liegenschaft in die Verlassenschaft gefallen, was den Übergang des Eigentums im Erbwege zur Folge gehabt hätte.
Dem sei zu entgegnen, dass wem ein Wirtschaftsgut steuerlich zuzurechnen sei, § 24 Abs 1 lit d BAO regle. Demnach würden Wirtschaftsgüter, über die jemand die Herrschaft gleich einem Eigentümer ausübe, diesem zugerechnet.
In aller Regel sei der zivilrechtliche Eigentümer auch zugleich wirtschaftlicher Eigentümer, weil er die umfassende Sachherrschaft ausübe. Ein Auseinanderfallen von zivilrechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum sei jedoch dann anzunehmen, wenn ein anderer als der zivilrechtliche Eigentümer die Befugnisse, die Ausdruck des zivilrechtlichen Eigentums seien - wie Gebrauch, Verbrauch, Veränderung - auszuüben in der Lage sei (; ).
Bei der Zurechnung eines Wirtschaftsgutes gemäß § 24 Abs 1 lit d BAO komme es nämlich nicht darauf an, welcher Rechtsanspruch auf das Wirtschaftsgut erhoben werde, sondern ob jemand die Herrschaft über das Wirtschaftsgut gleich einem Eigentümer tatsächlich ausübe. Das habe aber zur Voraussetzung, dass der Betreffende dazu überhaupt in der Lage sein müsse. Dass jemand um die Herausgabe eines Wirtschaftsguts prozessieren müsse, spreche im Allgemeinen dagegen, dass er wirtschaftlicher Eigentümer dieses Wirtschaftsgutes sei (; ).
Grundsätzlich sei richtig, dass der Kaufvertrag über die Liegenschaft mit Vergleich rückabgewickelt worden sei. Wenn die Behörde daraus den Schluss ziehe, dass aufgrund des damit rückwirkend entstehenden zivilrechtlichen Eigentums die steuerliche Zurechnung an die Beschwerdeführerin zu erfolgen habe, so übersehe die Behörde jedoch, dass es - wie aus oben zitierter Rechtsprechung ersichtlich - bei der Zurechnung von Wirtschaftsgütern gerade nicht auf das zivilrechtliche Eigentum ankomme, sondern auf die tatsächliche Sachherrschaft.
Wie aus den vorgelegten Urkunden klar ersichtlich sei, habe die Beschwerdeführerin die nach der Rechtsprechung geforderte Herrschaft gleich eines Eigentümers zu keinem Zeitpunkt bis 2018 inne gehabt. Da die E (bzw. E) als damalige Eigentümerin und Besitzerin der Liegenschaft von 2011 bis 2018 sämtliche mit dem Eigentum verbundenen Befugnisse auszuüben berechtigt gewesen sei und auch tatsächlich ausgeübt habe, sei sie auch nach Rückabwicklung des Kaufvertrages für den relevanten Zeitraum als wirtschaftliche Eigentümerin anzusehen.
Die tatsächliche Sachherrschaft könne auch selbstverständlich nicht ex tunc und somit rückwirkend hergestellt werden, stelle diese ja kein rechtliches Konstrukt (wie jenes des zivilrechtlichen Eigentums) dar, sondern fuße diese auf tatsächlichen Gegebenheiten.
Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass ein Wirtschaftsgut jener Person steuerlich zuzurechnen sei, die über das Wirtschaftsgut die Herrschaft gleich einem Eigentümer ausübe. Für den relevanten Zeitraum sei die E zivilrechtliche Eigentümerin und Besitzerin, die sämtliche daraus resultierende Rechte auch tatsächlich ausgeübt habe, gewesen. Selbst wenn mit ex-tunc-Rückabwicklung des Kaufvertrages durch gerichtlichen Vergleich das zivilrechtliche Eigentum der E rückwirkend beseitigt worden sei, gelte dies nicht für die tatsächliche Sachherrschaft. Diese auszuüben sei die Beschwerdeführerin im relevanten Zeitraum nicht imstande gewesen. Aus diesem Grund dürfe die steuerliche Zurechnung an die Beschwerdeführerin gemäß § 21 Abs 4 BewG 1955 erst mit erfolgen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Mit Vergleich vom wurde der Kaufvertrag betreffend die Liegenschaft, ***, der am zwischen dem (am verstorbenen) Vater der Beschwerdeführerin und der E (nunmehr E) abgeschlossen worden war, ex tunc rückabgewickelt.
2. Beweiswürdigung
Die Sachverhaltsfeststellungen entsprechen dem von der Behörde festgestellten Sachverhalt und sind insoweit unbestritten.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Gemäß § 24 Abs. 1 lit. d BAO werden Wirtschaftsgüter, über die jemand die Herrschaft gleich einem Eigentümer ausübt, diesem zugerechnet.
Mit Erkenntnis vom , 88/15/0114, stellte der Verwaltungsgerichtshof fest, dass es bei der Zurechnung eines Wirtschaftsgutes gemäß § 24 Abs 1 lit d BAO nicht darauf ankommt, welcher Rechtsanspruch auf das Wirtschaftsgut erhoben wird, sondern ob jemand die Herrschaft über das Wirtschaftsgut gleich einem Eigentümer tatsächlich ausübt. Das hat aber zur Voraussetzung, dass der Betreffende dazu überhaupt in der Lage ist. Dass jemand um die Herausgabe eines Wirtschaftsgutes prozessieren muss, spricht im allgemeinen dagegen, dass er wirtschaftlicher Eigentümer dieses Wirtschaftsgutes ist.
Gemäß den Feststellungen wurde mit Vergleich vom der Kaufvertrag zwischen dem (verstorbenen) Vater der Beschwerdeführerin und der E ex tunc aufgelöst. Die Beschwerdeführerin wurde somit rückwirkend zivilrechtliche Eigentümerin des betreffenden Grundstücks. Es ist jedoch festzuhalten, dass diese rückwirkende Vertragsauflösung keinen Einfluss darauf hat, dass die Beschwerdeführerin für den Zeitraum bis zum Abschluss des Vergleichs, mit dem sie die Verfügungsmacht über das Grundstück erlangte, aufgrund faktischer Unmöglichkeit nicht als wirtschaftliche Eigentümerin des Grundstücks angesehen werden kann.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Mit Erkenntnis vom , 88/15/0114, hat der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsfrage, wer als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen ist, dahingehend beantwortet, dass wenn jemand um die Herausgabe eines Wirtschaftsgutes prozessieren muss, dies im allgemeinen dagegen spricht, dass er wirtschaftlicher Eigentümer dieses Wirtschaftsgutes ist. Darüber hinaus lagen keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 21 BewG 1955, Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955 § 24 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100471.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at