Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.05.2020, RV/7104635/2017

Familienbeihilfe - kein Verlängerungstatbestand (vor Eintritt in die Grundschule durchgeführte Operation des Kindes)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. über die Beschwerde des Bf., Dorf, Slowakische Republik, p.A. ADr., vom , gegen den Bescheid des Finanzamts Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom , betreffend Abweisung des Antrags auf Familienbeihilfe (Differenzzahlung) für S., Geb.datum 1992, für den Zeitraum ab Juni 2016, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (Bf.), ein slowakischer Staatsbürger, stellte für seinen Sohn S., geb. Mai92, den Antrag auf Gewährung der Differenzzahlung zur Familienbeihilfe für die Monate Jänner 2016 bis Dezember 2016.

Der Antrag wurde vom Finanzamt mit Bescheid vom mit der Begründung abgewiesen, dass gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung Personen mit einem Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder haben, die sich in Berufsausbildung befinden, bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres haben. S. habe das 24. Lebensjahr am vollendet.


Gegen den Abweisungsbescheid wurde vom Bf. am Beschwerde erhoben und vorgebracht, dass sein Sohn S. an der Karls-Universität in Prag Medizin studiere. Das Studium dauere sechs Jahre. Eine Bestätigung über die vorgeschriebene Studiendauer und den Ausbildungserfolg sei dem Finanzamt übermittelt worden. S. habe auf Grund einer schweren Operation im Jahr 1994 erst ein Jahr später in die Grundschule eintreten können. Aus diesem Grund sei das Alterslimit für die Familienbeihilfe von 24 Jahren überschritten worden. Sein Sohn habe das Studium bisher in der vorgeschriebenen Zeit, also termingerecht, absolviert.


Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit folgender Begründung ab:

"Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die sich in Berufsausbildung befinden, bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres.

Eine Verlängerung des Familienbeihilfenanspruches wegen Berufsausbildung längstens bis
zur Vollendung des 25. Lebensjahres ist nur möglich, wenn

- der Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes zum 24. Geburtstag abgeleistet wird
oder bereits abgeleistet wurde,
- eine erhebliche Behinderung vorliegt (5 8 Abs. 5 FLAG 1967),
- das Kind ein eigenes Kind geboren hat oder zum 24. Geburtstag schwanger ist,
- ein Studium mit einer gesetzlichen Studiendauer von mindestens zehn Semestern
betrieben wird,
- vor Vollendung des 24. Lebensjahres einmalig eine freiwillige praktische soziale
Hilfstätigkeit bei einer von einem gemeinnützigen Träger der freien Wohlfahrtspflege
zugewiesenen Einsatzstelle im Inland in der Dauer von mindestens acht Monaten ausgeübt wurde.

Eine Verlängerung des Familienbeihilfenanspruches bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, längstens jedoch bis zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums ist nach § 2 Abs. 1 lit. j Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG 1967) nur dann möglich, wenn
- das Kind das Studium bis zu dem Kalenderjahr, in dem es das 19. Lebensjahr vollendet
hat, begonnen hat, - und die gesetzliche Studiendauer bis zum ehestmöglichen Abschluss mindestens zehn Semester beträgt,
- und die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird.
Solch ein Studium muss spätestens in dem Jahr begonnen werden, in dem das Kind das
19. Lebensjahr vollendet hat.

Ihr Sohn S. hat am sein 19. Lebensjahr vollendet, das Medizinstudium aber erst mit dem Studienjahr 2012/2013 begonnen."

Der Bf. stellte am einen Vorlageantrag und brachte begründend vor, dass sein Sohn S. das 19. Lebensjahr am vollendet und das Medizinstudium erst mit dem Studienjahr 2012/13 begonnen habe. S. habe 9. Klassen Volksschule besucht (Beginn Schuljahr 1999/2000. Die 9. Klasse habe S. im Schuljahr 2007/2008 absolviert. Das Gymnasium habe S. von 2008 bis 2012 besucht (1. Klasse 2008/09, 2. Klasse 2009/10, 3. Klasse 2010/11, 4. Klasse 2011/12). Die 1. Klasse habe S. an der Universität in Prag in den Jahren 2012 bis 2013, die 2. Klasse von 2013/14, die 3. Klasse von 2014 bis 2015, die 4. Klasse von 2015 bis 2016, die 5. Klasse von 2016 bis 2017 und die 6. Klasse von 2017 bis 2018 (12 Semester) absolviert.

Wie das Finanzamt ersehen könne, gäbe es im Verlauf des Studiums keine Pause. Anfang der Volksschule sei 1999 gewesen. Damals sei sein Sohn 7 Jahre alt gewesen. Im Oktober 1995 habe S. eine schwere, sehr komplizierte Operation im AKH Wien gehabt. Aus diesem Grund habe S. die Volksschule erst ein Jahr später besucht. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes liege bei.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Feststellungen:

Der Bf. bezog im Jahr 2016 in Österreich Einkünfte aus Gewerbebetrieb von rd. € 8.870,00.

Laut Bestätigung der 2. Medizinischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag vom studierte sein Sohn S. im Studienjahr des akademischen Jahres 2016/17 im 5. Studienjahr ( bis ) an der Karlsuniversität in Prag.

Im Wintersemester 2012/13 war S. als Student an der Karlsuniversität immatrikuliert. Das Medizinstudium dauert 6 Jahre.

Der Sohn des Bf. vollendete am sein 19. Lebensjahr und begann mit dem Medizinstudium im Studienjahr 2012/13, und somit nach Vollendung des 19. Lebensjahres.


Gesetzliche Grundlagen:

§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 normiert:

Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. j FLAG 1967, haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, bis längstens zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums, wenn sie

aa) bis zu dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, dieses Studium begonnen haben, und

bb) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt, und

cc) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird.


Rechtliche Beurteilung:

Der Bf. sieht den Verlängerungstatbestand für die Gewährung der Familienbeihilfe darin, dass sein Sohn wegen einer schweren Operation mit der Grundschule erst ein Jahr später begonnen und demgemäß das Medizinstudium an der Karlsuniversität in Prag erst ein Jahr später aufgenommen hat.

Mit BGBl 111/2010 setzte der Gesetzgeber mit Inkrafttreten die allgemeine Altersgrenze für die Gewährung der Familienbeihilfe vom 26. auf das vollendete 24. Lebensjahr herab und fügte u.a. in § 2 Abs. 1 unter lit j) einen Verlängerungstatbestand bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres ein. Als genereller Hintergrund dieser Abänderungen findet sich in den parlamentarischen Erläuterungen, dass auch im Bereich des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen Konsolidierungsmaßnahmen zu setzen seien (vgl. ).

Grundsätzlich kann nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die sich in Berufsausbildung befinden, Familienbeihilfe bezogen werden.

In den Bestimmungen des § 2 Abs. 1 lit. g bis k FLAG 1967 sind die folgenden Ausnahmen normiert, die einen Bezug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres ermöglichen.

Im vorliegenden Fall ist der Verlängerungstatbestand nach § 2 Abs. 1 lit. j FLAG 1967 maßgeblich.

Der Verlängerungstatbestand des § 2 Abs. 1 lit. j FLAG 1967 für die Gewährung der Familienbeihilfe liegt dann vor, wenn die unter sublit. aa) bis cc) genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen:

Es muss sich um ein Studium mit einer gesetzlichen Studiendauer von mindestens zehn Semester handeln (sublit. bb),

das Studium muss bis zu dem Kalenderjahr begonnen werden, in dem das Kind das 19. Lebensjahr vollendet hat (sublit. aa) und

die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums darf nicht überschritten werden (sublit. cc) (vgl. zB UFSG , RV/0923-G/11 ).

Eine Erkrankung, die vor Beginn des Eintrittes in die Grundschule eingetreten ist und zu einem späteren Eintritt in die Grundschule geführt hat, ist im Gesetz als Verlängerungstatbestand nicht genannt.

Eine Erkrankung würde nach § 2 Abs 1 lit. b FLAG 1967 nur dann einen Verlängerungstatbestand darstellen, wenn diese während des Studiums eingetreten ist und zu einer Studienbehinderung von mindestens drei Monaten geführt hätte. Diesfalls würde die Studienbehinderung (zB Erkrankung) eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester bewirken.

Da im vorliegenden Fall die unter sublit. aa) genannte Voraussetzung - Beginn des Studiums vor dem 19. Lebensjahr - nicht erfüllt ist und eine Erkrankung (Operation) vor Eintritt in die Grundschule keinen Verlängerungstatbestand für die Gewährung der Familienbeihilfe darstellt, musste die Beschwerde abgewiesen werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Das Erkenntnis steht im Einklang mit der Judikatur des VwGH.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7104635.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at