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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.05.2020, RV/1100111/2020

Kommt wegen nicht erklärter ausländischer Einkünfte die verlängerte Verjährungsfrist von zehn Jahren gemäß § 207 Abs. 2 BAO zur Anwendung?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia Mauthner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Geser & Partner Wirtschaftstreuhand- und Steuerberatungs GmbH & CoKG, Hof 320 Tür 9, 6866 Andelsbuch, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2009 bis 2013, zu Recht erkannt:

Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Nach erklärungsgemäßen Veranlagungen der Streitjahre 2009 bis 2013 erlangte die Abgabenbehörde im Zuge eines Vorhalteverfahrens Kenntnis, dass die Beschwerdeführerin (in der Folge abgekürzt Bf.) in den Streitjahren eine bisher nicht erklärte Rente aus der Schweiz bezogen hat.

In der Folge wurden mit Bescheiden vom die Einkommensteuerverfahren 2009 bis 2013 wiederaufgenommen und mit gleichem Datum neue Sachbescheide für 2009 bis 2013 erlassen, in welchem nunmehr erstmals die ausländischen Rentenbezüge einer tariflichen Besteuerung unterworfen wurden. In der gesondert übermittelten Bescheidbegründung vom die Wiederaufnahmebescheide betreffend wurde begründend ausgeführt, dem Finanzamt sei erst im Zusammenhang mit den eingereichten Steuererklärungen für 2014 bis 2018 und einem im Zuge dessen mit der Bf. geführten Vorhalteverfahren bekannt geworden, dass die Bf. eine ausländische Rente aus der Schweiz beziehe. Diese bisher bei der Ermittlung der Einkünfte nicht berücksichtigte Rente wäre steuerlich zu erfassen gewesen. Dieser Sachverhalt und die dem Finanzamt übermittelte Rentenverfügung der AHV Schweiz vom würden neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel im Sinne des § 303 Abs. 1 BAO darstellen, deren Kenntnis einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Die Wiederaufnahme sei unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt worden. Im vorliegenden Fall überwiege das Interesse der Behörde an der Rechtsrichtigkeit der Entscheidung das Interesse auf Rechtsbeständigkeit und die steuerlichen Auswirkungen könnten nicht als geringfügig angesehen werden.

Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass gemäß § 207 Abs. 2 BAO die Verjährungsfrist 10 Jahre betrage, soweit eine Abgabe hinterzogen sei. Dass eine Steuerpflichtige gutgläubig der Auffassung sei, die zusätzlich zu ihrer inländischen Pension erzielten ausländischen Pensionseinkünfte aus der Schweiz seien in Österreich steuerfrei und müssten nicht einmal in den Steuererklärungen angegeben werden, sei realitätsfremd. Nach allgemeiner Lebenserfahrung sei regelmäßig anzunehmen, dass derjenige, der über ausländische Einkünfte verfüge, auch von deren Steuerpflicht in Österreich Kenntnis habe. Durch die Nichterklärung der ausländischen Pension in den Jahren 2009 bis 2013 sei es zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen worden, dass dadurch Abgaben hinterzogen worden seien. Im Hinblick auf den vorliegenden (bedingten) Vorsatz sei eine Abgabenhinterziehung als erwiesen anzunehmen und die verlängerte Verjährungsfrist von zehn Jahren anzuwenden.

In den gegen die Einkommensteuerbescheide für 2009 bis 2013 vom fristgerecht eingebrachten Beschwerden wandte sich die steuerliche Vertretung der Bf. gegen die Anwendung der verlängerten Verjährungsfrist und beantragte die ersatzlose Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Begründend wurde unter Wiedergabe des Wortlautes des § 33 Abs. 1 FinStrG vorgebracht, die Bf. beziehe eine kleine monatliche Schweizer Rente. Diese Rente sei mangels Unkenntnis, bedingt auch durch das hohe Alter der Bf., nicht erklärt und versteuert worden. Die Bf. sei von einer gemeinsamen Versteuerung der Schweizer Rente mit der inländischen Rente ausgegangen. In dieser Ansicht sei sie durch die Vorschreibung der Krankenversicherungsbeiträge für die ausländische Rente durch die Pensionsversicherungsanstalt bestärkt worden. Der Bf. könne somit keinesfalls Vorsatz unterstellt werden. Aus der in der Bescheidbegründung angeführten "allgemeinen Lebenserfahrung" könne kein Rückschluss auf die Kenntnis der Bf. über die Steuerpflicht ausländischer Einkünfte gezogen werden. Die Bf. sei nicht realitätsfremd, aber auch keine Steuerexpertin.

Weiters entspreche es nicht dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit, wenn die Finanzämter Bregenz und Feldkirch für denselben Sachverhalt (Besteuerung Schweizer Renten) fünf- bzw. zehnjährige Verjährungszeiträume heranziehen würden.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurden die Beschwerden mit der Begründung abgewiesen, die Frage, ob eine hinterzogene Abgabe im Sinne des § 207 Abs. 2 2. Satz BAO vorliege, sei nach den Bestimmungen des Finanzstrafgesetzes zu beurteilen. Eine Abgabenhinterziehung erfordere nach § 33 Abs. 1 FinstrG über die (objektive) Abgabenverkürzung hinaus, dass - in nachprüfbarer Weise - auch die subjektive Tatseite in Form des Vorsatzes feststehe, wobei dieser nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einen nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang beruhe, aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen sei. Die diesbezüglichen Schlussfolgerungen seien Ausfluss der freien Beweiswürdigung (vgl. ; ), wobei es genüge, dass die Abgabenbehörde im Rahmen der ihr gemäß § 167 Abs. 2 BAO zukommenden freien Überzeugung von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen annehme, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich habe und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließe oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lasse. Die Abgabenbehörde müsse, wenn eine Partei eine für sie nachteilige Tatsache bestreite, den Bestand der Tatsache nicht "im naturwissenschaftlich-mathematisch exakten Sinn" nachweisen (vgl. ; ). Für das Vorliegen einer Abgabenhinterziehung sei daher entscheidend, dass neben einer (objektiven) Abgabenverkürzung das Entstehen einer Abgabepflicht tatsächlich erkannt oder zumindest für möglich gehalten worden sei und damit eine auf eine Abgabenverkürzung gerichtete subjektive Einstellung bejaht werden könne. Auch bedingter Vorsatz setze eine solche (die Abgabenverkürzung in Kauf nehmende) zielgerichtete subjektive Einstellung voraus (vgl. ).

Gemäß § 119 Abs. 1 BAO seien die für den Bestand und Umfang einer Abgabenpflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen. Die Offenlegung müsse vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen. Gemäß § 120 Abs. 1 BAO hätten die Abgabepflichtigen alle Umstände anzuzeigen, die hinsichtlich der Einkommensteuer oder anderer Abgaben die persönliche Abgabepflicht begründen, ändern oder beenden würden.

Die Verletzung dieser abgabenrechtlichen Offenlegungspflicht ergebe sich aus der unterlassenen Anführung der AHV-Renten in den für die jeweiligen Veranlagungszeiträume eingereichten Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung, sodass eine Verkürzung an Einkommensteuer für diese Jahre bewirkt worden und daher die objektive Tatseite der Abgabenverkürzung mit Abgabe der jeweiligen Erklärungen verwirklicht worden sei.

Im Hinblick auf das subjektive Hinterziehungsmerkmal des (zumindest bedingten) Vorsatzes würden sich folgende Überlegungen ergeben: Dass jemand, der einen inländischen Wohnsitz habe und ausländische Einkünfte beziehe, diese seinem Wohnsitzfinanzamt gegenüber offenzulegen habe, gelte als allgemein bekannte Verpflichtung. Ungeachtet der Komplexität des Steuerrechts könne die Kenntnis dieser grundlegenden Verpflichtung somit auch der Bf. unterstellt werden. Die Kenntnis über das prinzipielle Bestehen der Einkommensteuerpflicht könne bei intellektuell durchschnittlich begabten Personen vorausgesetzt werden ().

Im Beschwerdefall gebe es keine Hinweise, dass die Bf. intellektuell nicht in der Lage gewesen sei, die Verpflichtung zur Offenlegung der sie betreffenden abgabenrechtlich relevanten Sachverhalte zu erkennen. Die Bf. sei früher selber Grenzgängerin gewesen und habe daher grundsätzlich gewusst, dass ausländische Einkünfte in der Einkommensteuererklärung anzuführen seien. Es sei als erwiesen anzunehmen, dass sie dieses Wissen bei Eintritt in den Ruhestand gehabt habe und ihr dieses auch im fortgeschrittenen Alter (die Bf. sei im Jahr 2009 75 Jahre alt gewesen) nicht abhanden gekommen sei. Zudem habe die Bf. mit ihrer Unterschrift auf den Abgabenerklärungen ausdrücklich versichert, die Angaben nach besten Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht zu haben (auf den diesbezüglichen ausdrücklichen Hinweis in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung, dass Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ohne Lohnsteuerabzug mittels Formular L1i zu erklären seien, werde verwiesen), sodass sie jedenfalls davon habe ausgehen müssen, dass die geforderten Angaben keinen Selbstzweck darstellen würden oder sonst irrelevant wären, sondern dass sie für die Festsetzung der Einkommensteuer von Bedeutung seien. Auch der Einwand, die Bf. habe angenommen, dass die Pensionsversicherungsanstalt die Einkommensteuer für die AHV-Rente gemeinsam mit jener für die inländische Pension einbehalten und abgeführt habe, sei realitätsfremd, zumal ersichtlich gewesen sei, dass die AHV-Rente lediglich für die Berechnung der Krankenversicherungsbeiträge herangezogen werde. Das diesbezügliche Vorbringen sei daher nach Ansicht des Finanzamtes als Schutzbehauptung zu werten (vgl. hierzu die Ausführungen des BFG im Erkenntnis , RV/1100224/2013).

Im Ergebnis sei daher vom Vorliegen eines (zumindest bedingten) Vorsatzes auf Abgabenverkürzung auszugehen und die verlängerte Verjährungsfrist von 10 Jahren gemäß § 207 Abs. 2 2. Satz BAO anzuwenden.

Im Übrigen sei durch den Hinweis auf eine abweichende Verwaltungspraxis eines anderen Finanzamtes nichts zu gewinnen, zumal die einzelfallbezogene Beurteilung, ob eine Abgabenhinterziehung vorliege, durch das jeweils zuständige Finanzamt zu erfolgen habe.

Mit dem am beim Finanzamt eingebrachten Schriftsatz stellte die Bf. durch ihre steuerliche Vertretung fristgerecht den Antrag, die Beschwerden dem BFG zur Entscheidung vorzulegen. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung wurde ergänzend vorgebracht, die Bf. sei vor ca. 60 Jahren kurzzeitig 4 Jahre bis zur Geburt ihrer Kinder selbst in der Schweiz tätig gewesen. Die daraus resultierende Rente sei gering. Dazu erhalte sie eine geringe Witwenrente durch ihren vor ca. 50 Jahren tödlich verunglückten Ehemann. Bei der der Bf. gewährten Rente handle es sich um eine ordentliche einfache Altersrente. Die Besonderheiten der Besteuerung der Schweizer Bezüge (Grenzgängereinkünfte bzw. Renten) seien der Bf. somit nicht geläufig gewesen. Die Schweizer Rente sei in der Vergangenheit und werde auch gegenwärtig ausschließlich auf ein inländisches Bankkonto überwiesen (worden). Durch die Abfuhr der Krankenversicherungsbeiträge für die Schweizer Rente durch die Pensionsversicherungsanstalt sei die Bf. in der Annahme bestärkt worden, dass damit auch die Versteuerung (Lohnsteuerabzug) in Österreich ebenso wie bei der inländischen Pension erfolgt sei. Deshalb sei auch keine Angabe in der Arbeitnehmerveranlagung erfolgt. Dies sei keine Schutzbehauptung, wie in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt werde. Der Bf. könne deshalb keine Abgabenhinterziehung im Sinne des § 33 Abs. 1 FinStrG bzw. eine zielgerichtete subjektive Einstellung unterstellt werden, da sie aus ihrer Sicht die Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nicht vorsätzlich verletzt habe. Eine absichtliche Verletzung der Offenlegungspflicht sei ihr nicht bewusst gewesen. Zudem sei die unterschiedliche Nachversteuerung der Schweizer Renten (10 Jahre bzw. 5 Jahre) nicht einzelfallbezogen, sondern finanzamtsbezogen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt und Beweiswürdigung

Aufgrund der Angaben in den Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung der Jahre 2009 bis 2013, den Ausführungen in der gesondert übermittelten Bescheidbegründung vom betreffend die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2009 bis 2013, den Ausführungen in den mit datierten Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide für 2009 bis 2013, den Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung vom , den Ausführungen in den mit datierten Vorlageanträgen, dem Inhalt des Ergänzungsersuchens vom sowie dem mit Email vom übermittelten Antwortschreiben einschließlich der beigefügten Bestätigungen der Pensionsversicherungsanstalt betreffend der für die ausländische Rente in den Jahren 2014 bis 2018 entrichteten Krankenversicherungsbeiträge sowie der ersten Seite einer Rentenverfügung der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (AHV), dem Inhalt eines weiteren Ergänzungsersuchens vom samt Antwortschreiben vom sowie einem Aktenvermerk über ein am geführtes Telefonat zwischen der zuständigen Sachbearbeiterin des Finanzamtes und der Bf. sowie den Ausführungen im Vorlagebericht des Finanzamtes vom ist von folgendem unbestrittenen Sachverhalt auszugehen:

Das Finanzamt erlangte erstmals im Zuge einer am durchgeführten Abfrage beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger Kenntnis davon, dass die Bf. neben einer inländischen Eigen- und Witwenpension auch eine Schweizer (ordentliche einfache) Altersrente von der AHV-Ausgleichskasse bezieht. Im Zuge einer in der Folge durchgeführten amtsinternen Überprüfung wurde festgestellt, dass die Bf. in ihren Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung der Jahre 2009 bis 2013 ihre ausländischen Pensionseinkünfte nicht offengelegt hat. Aufgrund einer danach erfolgten abgabenbehördlichen Aufforderung zur Einreichung der Steuererklärung 2018 wurden am Steuererklärungen für die Jahre 2014 bis 2018 eingereicht, in welchen wiederum die ausländischen Einkünfte nicht angeführt waren. Erst im Zuge eines Vorhalteverfahrens übermittelte die Bf. dem Finanzamt die erste Seite einer Rentenverfügung der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (AHV), aus der zu ersehen ist, dass die Bf. seit Juni 1996 von der AHV eine Pension bezieht.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Zwischen den Verfahrensparteien ist ausschließlich strittig, ob die verlängerte Verjährungsfrist von zehn Jahren gemäß § 207 Abs. 2 BAO zur Anwendung kommt oder nicht.

Nach § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, der Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt nach § 207 Abs. 2 BAO - abgesehen von den dort angeführten, im Beschwerdefall nicht maßgeblichen Ausnahmen - fünf Jahre, soweit eine Abgabe hinterzogen ist, zehn Jahre.

Die Verjährung beginnt in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist (§ 208 Abs. 1 lit. a BAO).

Nach § 209 Abs. 1 BAO verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr, wenn innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen werden. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.

Gemäß § 209 Abs. 3 BAO verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches.

Außer Streit steht, dass die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2009 bis 2013 jeweils außerhalb der regulären fünfjährigen, aber innerhalb der verlängerten Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben ergangen sind.

Die Frage, ob der Tatbestand der hinterzogenen Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO erfüllt ist, ist nach den Bestimmungen des Finanzstrafgesetzes zu beurteilen.

Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

Eine Abgabenverkürzung ist nach § 33 Abs. 3 lit. a FinStrG mit Bekanntgabe des Bescheides, mit dem bescheidmäßig festzusetzende Abgaben zu niedrig festgesetzt wurden oder wenn diese infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von der Entstehung des Abgabenanspruches mit dem Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist (Anmeldefrist, Anzeigefrist) nicht festgesetzt werden konnten, bewirkt.

Vorsätzlich handelt nach § 8 Abs. 1 FinStrG, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.

Gemäß § 9 FinStrG wird dem Täter weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet, wenn ihm bei einer Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlief, der ihn das Vergehen oder das darin liegende Unrecht nicht erkennen ließ; ist der Irrtum unentschuldbar, so ist dem Täter grobe Fahrlässigkeit zuzurechnen. Dem Täter wird Fahrlässigkeit auch dann nicht zugerechnet, wenn ihm bei der Tat eine entschuldbare Fehlleistung unterlief.

Liegt eine finanzstrafrechtliche Verurteilung nicht vor, hat die Abgabenbehörde über die Hinterziehung als Vorfrage zu entscheiden (vgl. , mwN).

Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus; die maßgebenden Hinterziehungskriterien der Straftatbestände sind von der Abgabenbehörde nachzuweisen (vgl. ; ; , mwN; ).

Eine Abgabenhinterziehung erfordert nach § 33 Abs. 1 FinStrG vorsätzliches Handeln und liegt daher nicht schon bei einer (objektiven) Abgabenverkürzung vor, sondern kann erst dann als erwiesen gelten, wenn - in nachprüfbarer Weise - auch der Vorsatz feststeht. Vorsätzliches Handeln wiederum beruht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl. , mwN; ; , mwN; , mwN).

Im Rahmen der der Behörde nach § 167 Abs. 2 BAO zukommenden "freien Überzeugung" genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt; die Abgabenbehörde muss, wenn eine Partei eine für sie nachteilige Tatsache bestreitet, den Bestand der Tatsache nicht "im naturwissenschaftlichen-mathematisch exakten Sinn" nachweisen (vgl. , sowie , mwN).

Für das Vorliegen des Tatbestandes der Abgabenhinterziehung ist daher entscheidend, ob neben einer (objektiven) Abgabenverkürzung ausreichend festgestellte Sachverhaltselemente den Schluss darauf zulassen, dass das Entstehen der Abgabepflicht tatsächlich erkannt oder zumindest ernstlich für möglich gehalten worden war und damit eine auf eine Abgabenverkürzung gerichtete subjektive Einstellung bejaht werden kann. Auch bedingter Vorsatz (dolus eventualis) setzt eine solche (die Abgabenverkürzung in Kauf nehmende) zielgerichtete subjektive Einstellung voraus (vgl. ).

Gemäß § 119 Abs. 1 BAO sind die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen. Die Offenlegung muss vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen. Nach § 119 Abs. 2 BAO dienen der Offenlegung insbesondere auch die Abgabenerklärungen.

Die Verletzung dieser abgabenrechtlichen Offenlegungspflicht und die dadurch eingetretene (objektive) Abgabenverkürzung ist im Beschwerdefall unstrittig. Zu prüfen verbleibt daher, ob auch das Vorliegen der subjektiven Tatseite zu bejahen ist.

Wie das BFG (siehe dazu z.B. ; ; ; ) bereits mehrfach unter Bezugnahme auf Lehre und höchstgerichtliche Judikatur ausgeführt hat, kann bei intellektuell durchschnittlich begabten Personen die Kenntnis über das grundsätzliche Bestehen einer inländischen Einkommensteuerpflicht eines im Inland unbeschränkt Steuerpflichtigen hinsichtlich aller in- und ausländischen Einkünfte und damit auch jener von ausländischen Renteneinkünften jedenfalls vorausgesetzt werden (siehe dazu auch Kotschnigg in Tannert/Kotschnigg, FinStrG, § 33 Rz 219, sowie , und ).

Das steuerliche Wissen über die prinzipielle Offenlegungspflicht von Einkünften gegenüber dem inländischen Finanzamt ist somit bei jedermann vorauszusetzen und wird auch der Bf. vom Bundesfinanzgericht bedenkenlos unterstellt. Ein besonderes steuerrechtliches Spezialwissen ist hierfür nicht erforderlich. Dass ganz allgemein jede Art von ausländischen Einkünften in Österreich steuerpflichtig bzw. der Abgabenbehörde anzuzeigen sind, gehört zum Standardwissen jeder erwachsenen Person.

Dass die Bf. keine Kenntnis über eine im Inland bestehende Steuerpflicht bezüglich der ausländischen Renteneinkünfte in den Streitjahren gehabt hätte, wird von ihrer steuerlichen Vertretung auch nicht explizit behauptet. Vorgebracht wurde vielmehr, dass die Bf. insofern einem den Vorsatz ausschließenden Rechtsirrtum unterlegen sei, als sie von einer gemeinsamen Versteuerung der Schweizer Rente mit den inländischen Pensionen in Form eines Lohnsteuerabzugs ausgegangen sei. In ihrem Rechtsirrtum bestärkt worden sei sie zum einen aufgrund des Umstands, dass die Schweizer Rente auf ein inländisches Konto überwiesen worden sei und dass die (österreichische) Pensionsversicherungsanstalt für diese Rente Krankenversicherungsbeiträge einbehalten habe.

Für das Finanzgericht ist das behauptete Vorliegen eines Rechtsirrtums bei der Bf. aus mehreren Gründen nicht glaubhaft. Zum einen lässt der Inhalt der seitens der (österreichische) Pensionsversicherungsanstalt jährlich ausgestellten Bestätigungen über die Höhe der "für (eine) ausländische Leistung(en)" entrichteten Beiträge an Krankenversicherung nicht den Schluss zu, die Schweizer Rente sei in Form eines Lohnsteuerabzugs besteuert worden. So wird in der gegenständlichen Bestätigung expressis verbis Folgendes ausgeführt: "Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten bei jener Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Der Krankenversicherungsbeitrag für die ausländische Rente reduziert daher im Lohnzettel die Lohnsteuerbemessungsgrundlage der inländischen Pension nicht. Eine Geltendmachung kann ausschließlich im Rahmen der Veranlagung erfolgen. Diese Bestätigung dient zur Vorlage beim zuständigen Finanzamt." Nach Auffassung des BFG ist bei intellektuell durchschnittlich begabten Personen davon auszugehen, dass sie sich mit dem Inhalt solcher Bestätigungen auseinandersetzen und ihm nicht einen gänzlich anderen Wortsinn unterstellen. Nachdem in den betreffenden Bestätigungen ausdrücklich angeführt wird, dass diese zur Vorlage beim zuständigen Finanzamt dienen und mittels ihnen die bisher nicht berücksichtigten entrichtenden Krankenversicherungsbeitrage für die ausländische Rente geltend gemacht werden können, ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass diese Bestätigungen beim Finanzamt schon zwecks Steuerminimierung eingereicht werden. Demgegenüber hat die Bf. zwar Erklärungen beim Finanzamt für die Streitjahre eingereicht und Sonderausgaben sowie außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht, nicht jedoch die bisher nicht berücksichtigten entrichtenden Krankenversicherungsbeitrage für die ausländische Rente. Das spricht aus der Sicht des BMF nicht nur gegen das Vorliegen des erklärten Rechtsirrtums, sondern sogar für ein bewusstes Verschweigen der immerhin seit dem Jahr 1996 bezogenen Schweizer Rente.

Hinzu kommt, dass in den Einkommensteuerbescheiden nicht nur der Streitjahre, sondern bereits der Jahre davor (laut Abgabeninformationssystem hat die Bf. zumindest seit 1996 und damit jenem Jahr, in dem erstmals eine Schweizer Rente ausbezahlt wurde, Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung eingereicht, die Einkommensteuerveranlagungen zur Folge hatten), unter den zu versteuernden Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zwar die inländische Eigen- und Witwenpension, nicht aber die Schweizer Rente angeführt wurden. Dass der Bf. dieser Umstand verborgen geblieben ist, ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung auszuschließen. Auch deshalb ist nach Ansicht des BFG nicht glaubhaft, dass die Bf. von einer Besteuerung der Schweizer Rente in Form eines Lohnsteuerabzugs ausgegangen ist.

Inwieweit das Alter der Bf. (die Bf. ist Jahrgang ***1***) der Annahme eines Vorsatzes entgegenstehen sollte, ist für das BFG nicht erkennbar, wird damit doch weder eine Unkenntnis bezüglich der Steuerpflicht der ausländischen Rente noch ein Rechtsirrtum aufgezeigt noch begründet, weshalb diese in den Steuererklärungen der Jahre 2009 bis 2013 nicht angeführt wurde.

Das BFG kommt daher im Rahmen der Beweiswürdigung zum Ergebnis, dass der Bf. die im Inland bestehende Steuerpflicht bezüglich der Schweizer Rente bekannt war und sie auch keinem Rechtsirrtum über eine erfolgte Besteuerung der Schweizer Rente in Form eines Lohnsteuerabzuges unterlegen ist. Selbst wenn der Bf. die betreffende Steuerpflicht tatsächlich nicht bewusst gewesen sein sollte - wovon aber nach Ansicht des Finanzgerichtes nicht auszugehen ist - ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Bf. eine solche Steuerpflicht zumindest für ernstlich möglich gehalten und eine potenzielle Abgabenverkürzung billigend in Kauf genommen hat. Es ist somit zumindest ein bedingter Vorsatz hinsichtlich des äußeren Tatbildes des § 33 Abs. 1 FinStrG zu bejahen. Damit ist aber der Tatbestand der Abgabenhinterziehung erfüllt.

Den Beschwerden zum Erfolg verhelfen kann auch nicht der Hinweis der steuerlichen Vertretung, wonach die Nachversteuerung der Schweizer Renten (10 Jahre bzw. 5 Jahre) von den Finanzämtern unterschiedlich gehandhabt werde. Abgesehen davon, dass es dem Finanzgericht mangels entsprechender Unterlagen nicht möglich ist, den Wahrheitsgehalt dieser Aussage zu überprüfen, handelt es sich bei der Beurteilung des Vorliegens vorsätzlichen Verhaltens eines Abgabepflichtigen um eine im Rahmen der Beweiswürdigung getroffene Tatsachenfeststellung, der über den Einzelfall hinaus keine Bedeutsamkeit zukommt. Überdies kann ein Abgabenpflichtiger selbst aus einer allenfalls rechtswidrigen Vorgangsweise gegenüber anderen Abgabepflichtigen für sich keine Rechte ableiten (siehe dazu z.B. ).

Gesamthaft gesehen hat das Finanzamt somit zu Recht die verlängerte Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben herangezogen. Denn es entspricht dem Sinn der Verjährungsbestimmungen, dass für die Durchsetzung von Abgabenansprüchen ein längerer Zeitraum zur Verfügung steht, wenn der Abgabengläubiger, so wie im Beschwerdefall, keine Möglichkeit hatte, das Bestehen seines Abgabenanspruches zu erkennen ().

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Vorliegen des im Beschwerdefall strittigen vorsätzlichen Verhaltens wurde auf Grundlage der im Erkenntnis angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in freier Beweiswürdigung beurteilt; derartige nicht über den Einzelfall bedeutsamen Sachverhaltsfeststellungen sind einer (ordentlichen) Revision grundsätzlich nicht zugänglich.

Gesamthaft war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 119 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 33 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 33 Abs. 3 lit. a FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 8 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 9 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.1100111.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at