Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.05.2020, RV/7100625/2020

Rückforderung der Familienbeihilfe im Falle eines subsidiär Schutzberechtigten, der weder selbständig noch unselbständig erwerbstätig war

Beachte

Revision eingebracht. Beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/16/0080. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Monika Kofler in der Beschwerdesache VN1-KV weitere-VN-KV NN-KV, Straße-Nr-Tür, 1200 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 2/20/21/22 vom , betreffend Rückforderung der im Zeitraum von Februar 2019 bis Juni 2019 ausbezahlten Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Am überreichte VN1-KV NN-KV, in der Folge kurz mit Bf. (Beschwerdeführer) bezeichnet, das ausgefüllte Formular "Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe" beim Finanzamt. Ein Dienstgeber war in diesem nicht angeführt. Sowohl er als auch seine Frau und seine Kinder haben die irakische Staatsbürgerschaft. Der Bf. und seine Frau sind subsidär schutzberechtigt.

Dem Formular waren folgende Unterlagen beigelegt:

- Jahreszeugnisse der Berufsschule für FACHGEBIET vom , vom und vom .

- Eine Bezugsbestätigung des AMS über Arbeitslosengeldbezüge vom bis , vom bis , sowie vom (Schulung), vom bis und vom bis .

- Ein Lehrvertrag, abgeschlossen am zwischen der Firma-AG und dem Bf. für die Lehrzeit von vier Jahren, für die Dauer vom bis für den Beruf BERUF mit dem Spezialmodul "SPEZIAL". 445 Tage eines vorherigen Lehrverhältnisses wurden angerechnet.

- Eine Bestätigung des SCHULE vom vorgelegt, wonach Kd1 (eine Tochter des Bf.), geb. GebDat, einen vorläufigen Schulplatz für die 3,5-jährige Fachschule angeboten bekommen habe.

Laut Sozialversicherungsdatenauszug vom war der Bf. vom bis zum bei der Firma-AG als Arbeiterlehrling beschäftigt. Danach war er ab Arbeitssuchend gemeldet und hat vom bis und ab bis laufend Leistungen des AMS bezogen.

Mit Bescheid vom wurde vom Bf. die für seine Kinder Kd2, Kd1 und Kd3 für den Zeitraum von Februar 2019 bis Juni 2019 bezogene Familienbeihilfe in Höhe von 2.285,50 Euro und der Kinderabsetzbetrag in Höhe von 876,00 Euro, insgesamt 3.161,50 Euro, rückgefordert. Begründend führte das Finanzamt aus, da der Bf. keiner aktiven Erwerbstätigkeit nachgehe, sei die Familienbeihilfe für diesen Zeitraum rückzufordern.

Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. Beschwerde und führte begründend wie folgt aus:

"Das ich die 3.161.50 Euro nicht auf einmal bezahlen kann bzw. Bargeld zahlen kann, weil ich arbeitslos bin. Ich bekomme nur 26,01 Euro und meine Ehefrau bekommt Mindestversicherung, deshalb kann ich das Betrag nicht auf einmal zu zahlen, weil unsere Einkommen leider zu wenig ist. Ich hätte gerne das Betrag zu teil pro Monat 100 Euro bezahlen.
Am Ende Jänner 2019 war ich beim Finanzamt am Schalter. Die Kollege sagte ich sei berechtigt Familienbeihilfe zu bekommen, weil ich Arbeitslos bin und noch nicht im Notstand bin. Wir haben darüber diskutiert und ich hab keine schriftliche Überweisung dafür.
Ich wurde am 24. Jänner ohne Grund und ohne Verwahrung abgemeldet von der Firma.
Mit der Gericht werden wir das Problem lösen. Entweder bekomme ich Geld oder in der Firma wider zu arbeiten. Ich und der Chef Firma haben am beim Gericht ein Termin die Überweisung werde ich Ihnen geben mit der Beschwerden und mein Einkommen von AMS."

Der Bf. stellte am neuerlich einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und legte eine Bestätigung über eine Beschäftigung ab vor.

Laut Kündigung vom wurde das Dienstverhältnis zur Dienstgeber2 mit diesem Datum innerhalb der Probezeit gekündigt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab und erklärte subsidiär Schutzberechtigten werde Familienbeihilfe nur dann gewährt, wenn sie oder ein anderes Familienmitglied keinen Anspruch auf eine Leistung aus der Grundversorgung hätten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig seien. Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe auch für jene Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt worden sei. Da der Bf. laut Auskunft der Sozialversicherung "im rückgeforderten Zeitraum" weder selbständig noch unselbständig erwerbstätig gewesen sei, sei die Beschwerde abzuweisen.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag des Bf. vom auf Gewährung der Familienbeihilfe für seine Kinder Kd2, Kd1 und Kd3 für die Zeit ab Oktober 2019 mit der Begründung ab, der Bf. sei weder selbständig noch unselbständig erwerbstätig, weshalb kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe.

Der Bf. erklärte, er möchte "Beschwerden gegen den Rückmeldung vom 5/12/19 Reichforderung zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe" und führte begründend wie folgt aus:

"Das ich die 3.161.50 Euro nicht auf einmal bezahlen kann bzw. Bargeld zahlen kann, weil ich arbeitslos bin. Ich bekomme nur 24,71 Euro und meine Ehefrau bekommt Mindestversicherung, deshalb kann ich das Betrag nicht auf einmal zu zahlen, weil unsere Einkommen leider zu wenig ist. Ich hätte gerne das Betrag zu teilen pro Monat 100 Euro bezahlen.
Ich war von 10/09/19 bis 02/10/19 in der Firma Dienstgeber2 gearbeitet. Ich hab einen Lohnzettel bekommen und hab Steuer bezahlt aber hab kein Familienbeihilfe bekommen für meinen Kinder. Und Gesetzlich wenn ich arbeite bekomme ich Familienbeihilfe. Und ich will für diesen Monat Familienbeihilfe bekommen und das Schuld Betrag abziehen von diesen Monat, wo ich gearbeitet hab."

Diese Beschwerde wurde als Vorlageantrag angesehen.

Das Finanzamt legte die Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und gab dazu folgende Stellungnahme ab:
"§ 3 Abs. 4 FLAG 1967 sieht vor, dass subsidiär Schutzberechtigte Anspruch auf Familienbeihilfe haben, sofern Sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbstständig oder selbstständig erwerbstätig sind.
Wanke führt diesbezüglich in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 3 RZ 275ff wie folgt aus:
Es muss eine tatsächliche Erwerbstätigkeit vorliegen ( ; , RV/3100495/2013). Dass etwa durch Zuwendungen außerhalb der Grundversorgung anderweitig die Existenz gesichert wird, reicht nicht aus ( ). Der Bezug von Arbeitslosengeld (auch Notstandshilfe) und Krankengeld erfüllt hingegen ebenso wie der Erhalt von Beihilfen zur Deckung des Lebensunterhaltes und Beihilfen zu Kursnebenkosten durch das AMS nicht die Voraussetzung einer Erwerbstätigkeit iSd Abs 4, eine Ausbildung im Rahmen des AMS ist keine Erwerbstätigkeit (-I/10; , RV/0136-L/09; , RV/2883-W/10; , RV/0790-G/10; , RV/1591-W/12; , RV/0400-S/12 [Arbeitslosengeld, Beschwerde von , abgelehnt]; , RV/0927-L/12; ; , RV/7104906/2014; , RV/1100455/2013; , RV/7101965/2015; , RV/7104906/2014; , RV/5100148/2013; , RV/5101225/2011).
Der Bf. war ab Februar 2019 nicht mehr erwerbstätig und bezog lediglich Arbeitslosengeld. Ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestand im gegenständlichen Zeitraum somit nachweislich nicht. Der angefochtene Bescheid erging somit rechtmäßig.
Es wird beantragt die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass bei der ho. Behörde zudem noch ein Beschwerdeverfahren gegen einen Abweisungsbescheid ab Oktober 2019 anhängig ist. Da diesbezüglich aber noch keine BVE ergangen ist, konnte nur die Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid vorgelegt werden."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

§ 26 Abs. 1 FLAG normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Diese Verpflichtung zur Rückerstattung ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. ).

Zu prüfen ist daher, ob der Bf. im Rückforderungszeitraum Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe hatte.

Gemäß § 3 Familienlastengesetz FLAG gelten folgende Bestimmungen:

"(1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, oder nach § 54 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 NAG oder nach § 54 AsylG 2005 rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(3) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen nach dem Asylgesetz 2005 Asyl gewährt wurde.

(4) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde."

Der Bf. hat nicht bestritten, dass er in dem Zeitraum, für den die Familienbeihilfe ausbezahlt wurde, subsidiär Schutzberechtigter war und dass er weder unselbständig noch selbständig erwerbstätig war. Damit liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe in diesem Zeitraum nicht vor und die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag waren rückzufordern.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Hinweis:

Das Gericht kann über Zahlungserleichterungen im Beschwerdeverfahren betreffend die Rückforderung nicht entscheiden. Anträge auf Zahlungsleichterungen sind beim Finanzamt zu stellen, welches auch Auskunft darüber erteilt, welche Zahlungserleichterungen im gegenständlichen Fall beantragt werden können und wie dies zu erfolgen hätte. Sind Zahlungen aufgrund eines zu geringen Einkommens überhaupt nicht möglich, kann ein Zahlungsrückstand vorläufig ohnehin nicht vollstreckt werden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall war keine Rechtsfrage zu lösen, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es war vielmehr das insoweit eindeutige Gesetz anzuwenden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Schlagworte
subsidiär Schutzberechtigter
selbständig erwerbstätig
unselbständig erwerbstätig
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100625.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at