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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.05.2020, RV/2100234/2020

Verlustbringende Wohnungsüberlassung an Enkelsohn

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache
Bf., über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Graz-Umgebung vom , betreffend Einkommensteuer 2011 - 2017 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin, Frau A, hat im Jahr 1995 eine Wohnung in der A-Gasse, 8010 Graz geerbt.

Ab Mai 1996 wurde die Wohnung vermietet und Mieteinkünfte erklärt. Neben der Wohnung in der A-Gasse vermietete die Bf. auch eine Wohnung in der B-Gasse. Diese Vermietungstätigkeit ist im Verfahren nicht strittig.

Im Mietvertrag vom wurde ein monatlicher Bruttomietzins von 8.000 Schilling, davon 2.734 Schilling Betriebskosten, vereinbart.

Im September 2010 ist der Enkelsohn der Bf., Herr B in die Wohnung eingezogen, die er bis Oktober 2018 auch laut Melderegister als Hauptwohnsitz bewohnte.

Der Enkelsohn studierte im fraglichen Zeitraum und verfügte daher über kein eigenes Einkommen. Die Bf. verlangte für die Benutzung der Wohnung laut eigenen Angaben „im Prinzip“ nur den Ersatz der Betriebskosten. Ein (schriftlicher) Mietvertrag wurde nicht vorgelegt. Die Vermietungstätigkeit führte laufend zu Verlusten in folgenden Höhen:


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Jahr
Einnahmen
AfA
Werbungskosten
Ergebnis
2011
3.600,00
2.180,00
2.880,00
-1.460,00
2012
3.600,00
2.180,00
4.647,00
-3.227,00
2013
3.600,00
2.180,00
2.947,00
-1.527,00
2014
3.600,00
2.180,00
3.512,00
-2.092,00
2015
3.600,00
2.180,00
3.012,00
-1.592,00
2016
3.600,00
1.744,00
3.262,00
-1.406,00
2017
2.100,00
1.744,00
1.902,00
-1.546,00

Mit Schenkungsvertrag vom wurde die Wohnung an die Tochter der Bf. (Frau C) übergeben.

Mit den hier angefochtenen Bescheiden vom wurden die Einkommensteuerbescheide 2011 – 2017 nach durchgeführtem Vorhalteverfahren endgültig erklärt. In den endgültigen Bescheiden wurden die oben angeführten Verluste nicht anerkannt, weil es sich um eine Liebhabereibetätigung handle.

Die dagegen eingebrachte Beschwerde begründete die Bf. folgendermaßen:

Mit der lapidaren Bescheidbegründung "eine Einkunftsquelle setzt voraus, dass in einem absehbaren Zeitraum ein Gesamtüberschuss erzielt werden kann", wurde das Vorliegen derselben verneint.

Der Beschwerdegegenstand wurde in den Jahren 1996 bis 2009 sehr wohl fremdüblich vermietet. 2009 entstand durch Mieterwechsel und Leerstand ein Werbungskostenüberschuss, aber bereits ein Jahr später steht ein positives Ergebnis zu Buche.

Mit der Einkommensteuererklärung 2017 habe ich dem Finanzamt mitgeteilt, dass die Vermietung der Wohnung in der A-Gasse mit Juli 2017 geendet, hat. Somit gibt es keinen weiteren absehbaren Zeitraum mehr. Richtigerweise müsste der Zeitraum vor dem Entstehen der Verluste (2009), also die Jahre 1996 bis 2008 (= 1.850,- Überschuss) Berücksichtigung finden.

In meinem Falle liegen die positiven Jahre vor den negativen.

Was für die Zukunft gilt, muss wohl auch für die Vergangenheit gelten. Diese sind von eminenter Bedeutung und das Finanzamt hätte die Ergebnisse in ihre Berechnung einbeziehen müssen, so wie ich in der Vorhaltebeantwortung vom , eingereicht am , bereits angeregt habe und zur Frage einer eventuellen "Liebhaberei" ausführlich Stellung genommen habe. Leider haben meine Ausführungen keine Beachtung gefunden. Wäre es aber meinem Vorschlag gefolgt, die E-Überschüsse / Verluste der Jahre 1996 bis 2005 auszuheben (Papierform oder gespeichert) auszuheben und in die Berechnung mit den Jahren 2006 - 2017 einzubeziehen, hätte im Sinne der Sparsamkeit ein weiterer Verwaltungsaufwand verhindert werden können.“

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wies das Finanzamt die Beschwerden als unbegründet ab. Begründend wurde angeführt, dass ab dem Jahr 2011 ein neuer Beobachtungszeitraum beginne und die Verluste wegen der Nutzung durch den Enkelsohn nicht abzugsfähige Aufwendungen der privaten Lebensführung gem. § 20 Abs. 1 EStG darstellen würden. Eine Liebhabereibeurteilung sei nicht mehr durchzuführen.

Im Vorlageantrag beantragte die Bf. abermals, den gesamten Vermietungszeitraum 1996 – 2017 der Liebhabereibeurteilung zugrunde zu legen:

„Wenn das EStG und anerkannte Steuerexperten zwingend einen Beobachtungszeitraum von 20 Jahren vorsehen, kann das Finanzamt nicht einfach in seiner Beschwerdevorentscheidung vom bestimmen:

"Ab dem Jahr 2011 beginnt daher ein neuer Beobachtungszeitraum".

Das sind nur 7 Jahre und lässt die vorangegangenen 15 Jahre völlig außer Ansatz.

Das entspricht nicht dem Gesetz und dem Schrifttum dazu.

Da das Finanzamt meine Argumente in keiner Weise einer genauen Würdigung unterzogen hat, wiederhole ich meine bisher schriftlich getätigte Stellungnahme und auch die ausführliche Beschwerdebegründung.“

Die Ermittlungen des BFG ergaben, dass die Bf. jedenfalls ab 1996 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt hat. Bis einschließlich 2002 sind die Einkünfte aus den beiden Liegenschaften gemeinsam erklärt worden. Ab 2003 ergeben die extra aufgeschlüsselten Ergebnisse der Vermietung der strittigen Wohnung einen Gesamtüberschuss von 80 Euro.

Das dürfte sich mit den Abgaben der Bf, denen zufolge die Jahre 1996 bis 2008 zu einem Totalüberschuss von 1.850 Euro führen, decken.

Rechtslage

Liebhabereiverordnung , BGBl II 33/1993 idF BGBl II 358/1997

§ 1 (2) Liebhaberei ist bei einer Betätigung anzunehmen, wenn Verluste entstehen (…)

3. aus der Bewirtschaftung von Eigenheimen, Eigentumswohnungen und Mietwohngrundstücken mit qualifizierten Nutzungsrechten.

§ 2 (4) Bei Betätigungen gemäß § 1 Abs. 2 liegt Liebhaberei dann nicht vor, wenn die Art der Bewirtschaftung oder der Tätigkeit in einem absehbaren Zeitraum einen Gesamtgewinn oder Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 3) erwarten lässt. Andernfalls ist das Vorliegen von Liebhaberei ab Beginn dieser Betätigung so lange anzunehmen, als die Art der Bewirtschaftung oder der Tätigkeit nicht im Sinn des vorstehenden Satzes geändert wird. Bei Betätigungen im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 3 gilt als absehbarer Zeitraum ein Zeitraum von 20 Jahren ab Beginn der entgeltlichen Überlassung, höchstens 23 Jahren ab dem erstmaligen Anfallen von Aufwendungen (Ausgaben).

Das BFG hat erwogen

Der Systematik des Einkommensteuerrechts zufolge dienen dauernde Verluste grundsätzlich keiner Einkünfteerzielung. Daher sind derartige Verluste mit anderen Einkünften nicht ausgleichsfähig (vgl. Jakom/Laudacher, EStG 2019, § 2 Rz 220).

Konkretisiert wird dieser Gedanke in der Liebhabereiverordnung. Entstehen aus der Bewirtschaftung von Eigentumswohnungen (Total)Verluste, so sind diese gem. § 1 Abs 2 Z 3 LVO einkommensteuerlich nicht ausgleichsfähig, weil angenommen wird, dass eine steuerlich unbeachtliche Liebhaberei vorliegt (Liebhabereivermutung).

Diese Liebhabereivermutung kann gem. § 2 Abs 4 LVO widerlegt werden, wenn die Art der Bewirtschaftung oder der Tätigkeit in einem absehbaren Zeitraum einen Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten erwarten lässt. Im Fall der Vermietung einer Eigentumswohnung legt die LVO den absehbaren Zeitraum mit 20 Jahren fest.

Diese Erwartung eines Gesamtüberschusses drückt sich in einer realistischen Prognoserechnung aus (vgl. zur Prognoserechnung beispielsweise Jakom/Laudacher, EStG 2019, § 2 Rz 259ff).

Unter welchen Voraussetzungen bei der Vermietung von privat nutzbarem Wohnraum Liebhaberei anzunehmen ist, beurteilt sich der Liebhabereiverordnung zufolge danach, ob die Vermietung solchen Wohnraumes in der vom Vermieter konkret gewählten Bewirtschaftungsart geeignet ist, innerhalb eines absehbaren Zeitraumes von 20 Jahren (§ 2 Abs 4 LVO) einen Überschuss zu erwirtschaften ().

Dabei ist allerdings zu beachten, dass der Liebhabereibetrachtung nur Zeiträume gleicher Bewirtschaftungsart zugrunde zu legen sind (, ).

Im Beschwerdefall wurde die Wohnung in den hier nicht streitgegenständlichen Jahren an fremde Dritte zu einem Mietpreis vermietet, der (bis 2010) zu Gesamtüberschüssen geführt hat.
Inwieweit bei Aufnahme der Vermietungstätigkeit im Jahr 1996 eine Prognoserechnung über den absehbaren Zeitraum von 20 Jahren vorgenommen wurde (§ 2 Abs 4 LVO), ist nicht aktenkundig. Aufgrund der erklärten Ergebnisse bis 2010 steht allerdings fest, dass bereits bis dahin ein Totalüberschuss erzielt werden konnte und so von Anfang an keine Liebhaberei anzunehmen war.

Im Jahr 2010 hat sich die Bf. entschlossen, die Wohnung nicht mehr an fremde Dritte zu vermieten, sondern die Wohnung ihrem Enkelsohn zu einem nicht kostendeckenden Preis zu überlassen.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes (; ; ) führt die wesentliche Erhöhung der Mietzinse zu einer Änderung der Bewirtschaftungsart, die den Beobachtungszeitraum der vorgenommenen Liebhabereibeurteilung beendet und eine neue Beurteilung notwendig macht.

Dementsprechend ist auch im umgekehrten Fall zu überprüfen, ob die ursprünglich gewählte Bewirtschaftungsart (bzw. die Vermietungstätigkeit in der ursprünglich angestrebten Weise) beibehalten wurde.
Das war aufgrund des niedrigen "Mietzinses" nicht gegeben.

Ab September 2010 sind daher die Aktivitäten der Bf. in Zusammenhang mit der Wohnung erneut auf ihre steuerlichen Wirkungen zu prüfen. Dabei ist zu beachten, dass die Wohnung durch ihren Enkelsohn bewohnt wurde.

Verträge zwischen nahen Angehörigen müssen wegen des Fehlens des zwischen fremden Vertragspartnern üblicherweise bestehenden Interessensgegensatzes - unbeschadet ihrer zivilrechtlichen Gültigkeit  - bestimmten Anforderungen genügen, um steuerlich beachtlich zu sein.
Hintergrund für diese "wirtschaftliche" Betrachtungsweise ist die Verhinderung einer willkürlichen Herbeiführung steuerrechtlicher Wirkungen zu Lasten der gleichmäßigen Besteuerung aller und der Umstand, dass der Gefahr der Verlagerung von privat motivierten Geldflüssen in einen steuerlich relevanten Bereich entgegengewirkt werden soll (; ; ; RV/0059-F/05; ; Doralt/Toifl, EStG14, § 2 Tz 158ff).

Die in der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien haben ihre Bedeutung im Rahmen der Beweiswürdigung und kommen in jenen Fällen zum Tragen, in denen berechtigte Zweifel am wahren wirtschaftlichen Gehalt einer behaupteten vertraglichen Gestaltung bestehen.

Im Beschwerdefall wurde der "Mietzins" des Enkelsohnes - anders als bei den Mietern davor - so niedrig angesetzt, dass aus der Vermietungstätigkeit ab diesem Zeitpunkt jedenfalls Verluste entstehen mussten. Damit zweifelte das Finanzamt berechtigter weise daran, dass die ursprüngliche Vermietungstätigkeit noch weitergeführt wurde.

Verträge zwischen nahen Angehörigen erfahren nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nur dann steuerliche Anerkennung, wenn sie
- nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen,
- einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt haben und
- zwischen Familienfremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wären (siehe dazu zB , , u.v.m.)

Ein „Mietvertrag“ mit dem Enkelsohn konnte nicht vorgelegt werden womit er nach außen nicht klar zum Ausdruck kommt.

Über den genauen Inhalt wurde die Bf. nicht befragt.

Evident ist jedoch, dass er zwischen Familienfremden nicht unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wäre: Die fremden Vormieter haben einen wesentlich höheren, kostendeckenden Mietzins bezahlt.

Damit ist der Vertrag mit dem Enkelsohn steuerlich nicht anzuerkennen, weil er den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen nicht genügt.

Aus dem bisher Gesagten folgt einerseits, dass die Bf. ihre (steuerlich beachtliche) Vermietungstätigkeit in der ursprünglichen Form im September 2010 mit Einzug des Enkelsohnes in die Wohnung beendet hat.

Andererseits führt die Zurverfügungstellung der Wohnung an den Enkelsohn - unabhängig von einer allfälligen Liebhabereibetrachtung - nicht zu ertragsteuerlich beachtlichen Einkünften (Verlusten) aus Vermietung und Verpachtung, weil das behauptete Mietverhältnis keine steuerliche Wirkung zu entfalten mag. 
Es liegt vielmehr eine steuerlich unbeachtliche private Nutzung vor.
Das hat zur Folge, dass die von der Bf. ermittelten Verluste nicht mit ihren übrigen Einkünften ausgeglichen werden können.

Soweit die Bf. vorbringt, das Finanzamt könne keinen anderen Vermietungszeitraum als die in der LVO vorgesehenen 20 Jahre wählen, ist dem zu entgegnen, dass es sich bei den in der Verordnung angesprochenen 20 Jahren nur um einen „Beobachtungszeitraum“ handelt:
Im Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit blickt man in die Zukunft und überprüft mittels (realistischer) Prognoserechnung, ob bei der gewählten Art der Betätigung ein Gesamtüberschuss erzielt werden kann. Dieser Prognose sind im Fall der Vermietung von Eigentumswohnungen eben 20 Jahre zugrunde zu legen.

Diese Prognose bedeutet nicht, dass die Vermietungstätigkeit jedenfalls über einen solchen Zeitraum ausgeübt werden muss. Wird die Vermietung vor Ablauf von 20 Jahren beendet, so ist der Prognoserechnung der kürzere Zeitraum zugrunde zu legen, sofern das bereits bekannt war (zu den Folgen der frühzeitigen Beendigung siehe auch Jakom/Laudacher, EStG 2019, § 2 Rz 276).

Zusammenfassung:

Der Vertrag mit dem Enkelsohn ist nach der Angehörigenjudikatur des Verwaltungsgerichtshofes steuerlich nicht anzuerkennen.
Die für die Streitjahre von der Bf. ermittelten Verluste aus der Überlassung der Wohnung an den Enkelsohn stellen daher keine (negativen) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung dar. Deshalb können sie auch nicht mit den übrigen Einkünften der Bf. ausgeglichen werden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Beschwerdefall wurde keine Rechtsfrage aufgeworfen, sondern die lange bestehende Angehörigenjudikatur auf den verwirklichten Sachverhalt angewendet.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 33/1993
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.2100234.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at