Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.04.2020, RV/7106358/2015

Haftung, einstellendes Erkenntnis im Finanzstrafverfahren schließt schuldhafte Pflichtverletzung nicht automatisch aus

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7106358/2015-RS1
Das Vorliegen eines strafrechtlich relevanten Verhaltens oder gar einer strafgerichtlichen Verurteilung bildet keine Voraussetzung der Haftungsinanspruchnahme gemäß § 9 BAO (vgl. , m.w.N.; ).
RV/7106358/2015-RS2
Es genügt nicht auf die Einstellung eines Finanzstrafverfahrens hinzuweisen, da weder ein völliges Unterbleiben eines Strafverfahrens noch die Einstellung von Vorerhebungen oder einer Voruntersuchung noch ein freisprechendes Urteil eine Bindung der Abgabenbehörde bei der Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen nach § 9 Abs. 1 BAO bewirken könnte (vgl. ; ).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter M. als Vertreter der Richterin D. in der Beschwerdesache A., Adresse1, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 4/5/10 vom , Steuernummer 04 betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise insoweit Folge gegeben, als die Haftung um folgende Abgaben reduziert wird:

Dienstgeberbeitrag 2009 in Höhe von € 151,70
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2009 in Höhe von € 13,51
Umsatzsteuer 2007 in Höhe von € 790,00 und
Umsatzsteuer 2008 in Höhe von € 1.500,00.

Darüber hinaus wird die Beschwerde betreffend Haftung für Umsatzsteuer 2007 in Höhe von € 2.370,00 und Umsatzsteuer 2008 in Höhe von € 4.500,00 als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom wurde Herr A. (in weiterer Folge: Bf.) als Haftungspflichtiger gemäß §§ 9, 80 ff BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der B. GesmbH in Liqu., Wien, im Ausmaß von € 9.325,21 in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.

Die Haftung werde hinsichtlich folgender Abgabenschuldigkeiten geltend gemacht:

Dienstgeberbeitrag 2009 in Höhe von € 151,70
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2009 in Höhe von € 13,51,
Umsatzsteuer 2007 in Höhe von € 3.160,00
Umsatzsteuer 2008 in Höhe von € 6.000,00.

Als Begründung wurde nach §§ 9 und 80 BAO sowie § 1298 ABGB Folgendes ausgeführt:

„Aus dem Zusammenhang dieser Bestimmungen ergibt sich, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.

Sie waren von bis unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer der GmbH, also einer Juristischen Person, und daher gemäß § 18 GesmbHG zu deren Vertretung berufen. Sie waren somit auch verpflichtet, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 72 (gemeint wohl richtig: 1994) hat der Unternehmer spätestens am (ergänzt: 15.) Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs 1 und Abs. 2 und des § 16 lag. cit., selbst zu berechnen hat. Der Unternehmer hat eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Für folgende Zeiträume - siehe Haftungsbescheid - wurde die Umsatzsteuer gemeldet, festgesetzt bzw. rechtskräftig veranlagt. jedoch nicht entrichtet.

In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Sache des Geschäftsführers ist, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gem. § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf.

Das Schreiben des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom bzw. das Ergänzungsschreiben vom , womit Ihnen die Möglichkeit der Darlegung etwaiger Gründe geboten wurde, wurde bis dato nicht beantwortet.

Die erforderlichen Grundlagenbescheide wurden bereits mit dem Schreiben vom zur Kenntnis gebracht.“

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom wird der Haftungsbescheid wie folgt angefochten:

„Es wurde im Zuge einer Betriebsprüfung, ohne Beisein eines Vertreters oder Geschäftsführers, ohne Einsicht in die laufende Buchhaltung eine Schätzung bzw. Nichtanerkennung von Ausgaben nachfolgende Steuern festgesetzt:
UST 2007 € 3160,00
UST 2008 € 6000,00
DB 2009 € 151,70
DZ 2009 €13,51

Gegen diese Festsetzungen möchten wir das Rechtsmittel der Beschwerde einbringen und wie folgt begründen:

Es wurde auch in der Begründung angegeben, dass wir mehrere Schriftstücke nicht beantwortet haben ( u. ), wo wir ausdrücklich betonen möchten, dass wir diese sehr wohl zeitgerecht (siehe kursiv gedrucktes) beantwortet haben und dies auch in weiterer Folge beim Strafverfahren so wohlwollend zur Kenntnis genommen wurde. Die Betriebsprüfung selbst wurde allerdings ohne irgend einen Hinweis an den GF oder Vertreter irgend einer Art durchgeführt und die Schätzung ohne der Möglichkeit der Rechtfertigung festgesetzt.

Wir dürfen Ihnen auch die alte Begründung gegen welche die Beschwerde gegen die Festsetzungen eingebracht wurden darstellen und diesbezüglich betonen, dass dies auch die Finanz im Zuge eines Finanzstrafverfahrens ebenso erkennen konnte und uns hierbei von jedweder Schuld freigesprochen hat. Dies alleine ist schon ein Hinweis, dass es für die angeführten Abgaben keinerlei Haftungen geben kann:

In der Begründung des uns nunmehr zugesandten Prüfungsbericht wurde angegeben, dass aufgrund von umfangreichen Kontrollmaterialen der Firma C. GesmbH., die Rechnung an die B. GesmbH., der Höhe nach nicht anerkannt wurden. Dies wurde dadurch festgesetzt, da die C. GesmbH. als Scheinfirma eingestuft wurde.

Wir möchten hierbei erwidern, dass zwar die Firma C. GesmbH., im Beisein von Herrn E. als schlussendlicher Handlungsbevollmächtigter geprüft wurde und es auch hier eine massive Aussage von Herrn E. gegeben hat (wo dieser auch dafür verurteilt wurde), aber die Aussage sich lediglich im Bereich von Leiharbeitern erstreckte und nicht für etwaige Werbeaufträge oder Vermittlungen. Die Firma C. GesmbH. setzte ihre Tätigkeit im engen Zusammensein mit der Firma F. zusammen, welche in Folge die Einschaltungen im TV sowie auch die Erstellung der Werbespots durchführte. Es lag somit eine normale wirtschaftliche Leistung vor, welche auch durch die damalig noch gültige UID Nummer der C. GesmbH., seitens der Finanz festigte Herr E. würde dies auch mit Sicherheit bezeugen, da dieser auch in dieser causa bereits verurteilt wurde.

Außerdem wundert uns, dass die Festsetzungen bzw. Nichtanerkennungen nicht mit der Höhe des Kontrollmaterials übereinstimmen.

Da die Rechnungen, mit beiden gültigen UID Nummer versehen waren, nachweisliche Leistungen erkennbar sind, die Rechnungen den Formvorschriften des Umsatzsteuerrechtes ordnungsgemäß erfolgten und es fremdübliche Höhe der Schaltungen und Verrechnungen gegeben hat, können wir somit eine Nichtanerkennung der Rechnungen so nicht akzeptieren, und beantragen in Folge um Einsetzung in den erklärungsgemäßen Stand und Aufhebungen der Festsetzungen für UST und KEST 2007 und 2008.

Grundsätzlich wurden die angeführten Abgaben und Beiträge, nach unserer geschäftsführenden Tätigkeit, ohne jedwege Möglichkeit uns zu rechtfertigen festgesetzt. Da sich nunmehr dies nach der Vertretungsbefugnis gem. § 80 BAO ergeben hat, ist ein Verstoß gegen § 9 BAO Abs. 1 nicht erkennbar.

Die Begründungen, dass hier die UVA's zum richtigen Zeitpunkt abzugeben sind, geht somit ins Leere, da diese ordnungsgemäß gemeldet wurden und lediglich eine Schätzung im Zuge der Revision, ohne unseren Zusein, diese Festsetzungen herbei geführt hat. Eine Haftung ist daher ausgeschlossen und entbehrt jeglicher fachlicher Grundlage.

Es wird somit um Aufhebung des Haftungsbescheides für die UST 2007-2008 sowie DB/DZ 2009 in Höhe von € 9325,21 beantragt.“

Beigelegt ist eine verkürzte Ausfertigung (Anmerkung: somit ohne Begründung) des Erkenntnisses des Spruchsenates vom , mit dem das gegen den Bf. eingeleitete Finanzstrafverfahren eingestellt wurde.

Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes 4/5/10 vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen mit folgender Begründung:

„Sie waren von bis unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer der GmbH, also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GesmbHG zu deren Vertretung berufen. Sie waren somit auch verpflichtet, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

Die im Haftungsbescheid angeführten Abgaben für
Umsatzsteuer 2007 in Höhe von € 3.160,00 fällig am
Umsatzsteuer 2008 in Höhe von € 6.000,00 fällig am
Dienstgeberbeitrag 2009 in Höhe von € 151,70 fällig am
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2009 in Höhe von € 13,51 fällig am ,
waren alle im Zeitraum Ihrer Geschäftsführertätigkeit fällig.

Die Gründe für Ihr schuldhaftes Handeln wurden im Zuge der Betriebsprüfung im Bericht vom festgestellt.

Die Einstellung des Finanzstrafverfahrens, wie von Ihnen in der Beschwerde hingewiesen wurde, ist ein eigenständiges Verfahren und steht nicht im Zusammenhang mit der Prüfung der Voraussetzungen für schuldhaftes Handels gemäß § 9 BAO.

Im Haftungsverfahren nach § 9 BAO liegt bereits bei leichter Fahrlässigkeit ein schuldhaftes Handeln vor. Die Beschwerde war daher anzuweisen.

Darüber hinaus wurde - soweit sich die Beschwerde gegen die Höhe der Abgaben richtet – auf die Judikatur des VwGH verwiesen, in der klargestellt wurde, dass im Falle des Vorliegens eines Abgabenanspruches die über die Haftung entscheidende Abgabenbehörde an den Inhalt des Abgabenbescheides gebunden ist. Daraus folgt, dass Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgaben im Verfahren über die Geltendmachung der Haftung nicht mit Erfolg erhobenwerden können. Es wird jedoch auf die Bestimmungen des § 248 BAO verwiesen. Einwendungen gegen die Höhe des Abgabenanspruches sind daher nicht im Haftungsverfahren zu klären.“

Im Vorlageantrag vom (als Vorlageantrag über die Wiederaufnahme des Verfahrens bezeichnet) wird wie folgt ausgeführt:

„In Ihrer Begründung zur Ablehnung der eingebrachten Beschwerde, wurde seitens der Finanz unter Einem angegeben, dass das für uns positive Ergebnis des Strafverfahrens, im Bereich eines vollen Freispruches, nicht als Grund herangezogen werden kann. Hier sollte im Detail die Begründung des Freispruches betrachtet werden, aus der schon klar erkennbar eine nicht nur nicht erkennbare Finanzwidrigkeit ersichtlich ist, sondern dass auch in weiterer Folge eine Haftung für diese Abgaben, welche uns zur Last gelegt werden, NICHT vorhanden war.

Unter Anderem möchten wir auch darauf verweisen, dass wir nie die zeitlich richtige Möglichkeit eingeräumt bekommen haben, gegen die Haftungsbescheide sowie auch Festsetzungsbescheide eine ordnungsgemäße Berufung einzubringen. Es gab Zustellungsdifferenzen seitens der Finanz, welche die Adressaten fälschlicherweise auf alte uns unbekannte Adressen versandt haben, welche nicht aktuelle waren, obwohl im Melderegister alles ordnungsgemäß erfasst ist. Vielmehr wurde in Folge eine vollkommen unzureichende Festsetzung der Haftung herangezogen.

Eine Haftung gegen einen Geschäftsführer, ohne der Möglichkeit eine Beschwerde oder Berufung einzubringen und diese Möglichkeit einzuräumen war somit nicht gegeben. Somit ergibt sich in weiterer Folge, eine klar erkennbare Verfehlung seitens der Finanz, die allerdings nicht in einem Haftungsbescheid gegen den damaligen Geschäftsführers seinen Niedergang finden kann.

Es wird somit die Aufhebung der Haftungsbescheide für die UST/DB/DZ 2007-2008 beantragt.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtslage:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzungen für die Geltendmachung einer Haftung gemäß § 9 BAO sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die objektive Uneinbringlichkeit der entsprechenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (), die Stellung als Vertreter, dessen schuldhafte Pflichtverletzung sowie die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit ().

Uneinbringlichkeit der Abgaben nach Insolvenzverfahren:

Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().

Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit der im Haftungsbescheid dargestellten Abgaben fest, da über das Vermögen der B. GesmbH mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien zu GZ 2 das Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet wurde. Die Gesellschaft wurde infolge rechtskräftiger Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens und Zahlungsunfähigkeit aufgelöst.

Aufgrund des Ergebnisses des Insolvenzverfahrens steht die Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgabenbeträge, die am Abgabenkonto aktuell noch unberichtigt aushaften, zweifelsfrei fest.

Liquiditätsrechnung:

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter den Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, zu erbringen. Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden. Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch Erstellung und Aufbewahrung von Ausdrucken - zu treffen. Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in den Erkenntnissen vom , Zl. 2008/15/0220 und Zl. 2008/15/0263, ausgeführt hat, ist es dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, sich - spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige Abgabenschulden unberichtigt aushaften - jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen. Diese Darlegungspflicht trifft nämlich auch solche Haftungspflichtige, die im Zeitpunkt der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft nicht mehr deren Vertreter sind (vgl. ebenfalls ).

Ein Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlichen Gläubiger – bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits – an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter () und wurde in diesem Verfahren nicht vorgelegt.

Einwendungen gegen den Abgabenanspruch:

Die Frage, ob ein Abgabenanspruch gegeben ist, ist als Vorfrage im Haftungsverfahren nach § 9 BAO nur dann zu beantworten, wenn kein eine Bindungswirkung auslösender Abgabenbescheid oder Haftungsbescheid (nach § 82 EStG 1988 hinsichtlich der Lohnsteuer oder nach § 95 EStG 1988 hinsichtlich der Kapitalertragsteuer) vorangegangen ist ().

Gehen einem Haftungsbescheid Abgabenbescheide voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diese Bescheide zu halten. Durch § 248 BAO ist dem Haftenden ein Rechtszug gegen die Abgabenbescheide eingeräumt. ().

Mit den Beschwerdeargumenten wendet sich der Bf. vor allem gegen die dem Haftungsverfahren zugrunde liegenden Abgabenbescheide, wobei dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen ist, dass die entsprechenden Abgabenbescheide (Ausnahme; DB 2009, DZ 2009) dem Bf. mit dem Haftungsbescheid zugestellt wurden, er somit über diese Bescheide hinreichend informiert war.

Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgaben können in einem Haftungsverfahren dann nicht mit Erfolg erhoben werden, wenn gegenüber der Primärschuldnerin ein entsprechender Bescheid ergangen ist, was aus dem Akteninhalt nachgewiesen ist. Diesfalls hätte gemäß § 248 BAO ohnehin die Möglichkeit bestanden, auch gegen die Bescheide über den jeweiligen Abgabenanspruch Beschwerde einzubringen.

Die Einwendungen des Bf. ("Gegen diese Festsetzungen möchten wir das Rechtsmittel der Beschwerde einbringen") gegen die Abgabenbescheide können allenfalls in einem nachfolgenden Beschwerdeverfahren gemäß § 248 BAO Berücksichtigung finden.

Unstrittig sind dem gegenständlichen Haftungsbescheid Abgabenbescheide vorangegangen, gegen welche gemäß § 248 BAO vom Bf. (bei logischer Auslegung des Inhaltes des Schreibens) Beschwerde eingebracht wurde und an die im gegenständlichen Haftungsverfahren unter Hinweis auf die oben zitierte ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Bindungswirkung besteht. Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgaben können in einem Haftungsverfahren dann nicht mit Erfolg erhoben werden, wenn gegenüber der Primärschuldnerin (hier der GmbH) entsprechende Bescheide ergangen sind (vgl. ). Ein näheres Eingehen auf die Einwendungen in Bezug auf die behauptete unrichtige Höhe der im angefochtenen Haftungsbescheid bezeichneten Abgabenschuldigkeiten ist daher obsolet.

Laut ständiger Rechtsprechung hat die Behörde, wenn ein zur Haftung Herangezogener sowohl gegen die Geltendmachung der Haftung als auch gemäß § 248 BAO gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Rechtsmittel einbringt, zunächst nur über das Rechtsmittel gegen die Geltendmachung der Haftung zu entscheiden, weil sich erst aus dieser Entscheidung ergibt, ob eine Legitimation zur Erhebung eines Rechtsmittels gegen den Abgabenanspruch überhaupt besteht. Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung sind in einem gemäß § 248 BAO (noch) durchzuführenden Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen (vgl. etwa ; ).

Schuldhafte Pflichtverletzung, Verschulden:

Nur schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigen zur Haftungsinanspruchnahme. Eine bestimmte Schuldform ist jedoch nicht gefordert, weshalb auch leichte Fahrlässigkeit genügt (z. B. , , 95/15/0137). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinn des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Unterbleibt der Nachweis, kann die Behörde die uneinbringlichen Abgaben dem Vertreter zur Gänze vorschreiben (). Dem Vertreter obliegt dabei kein negativer Beweis, sondern die konkrete (schlüssige) Darstellung der Gründe, die zB. der gebotenen rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden (). Dem Vertreter obliegt es, entsprechende Beweisvorsorgen – etwa durch Erstellung und Aufbewahrung von Ausdrucken – zu treffen.

Die Einstellung des Finanzstrafverfahrens bewirkt keine Bindung der Abgabenbehörde bei der Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen nach § 9 BAO. Der Beschwerdeführer behauptet, ihn treffe kein Verschulden an dem Abgabenrückstand, weil das Finanzstrafverfahren eingestellt worden sei und er im Strafverfahren "freigesprochen" worden sei.

Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass das Vorliegen eines strafrechtlich relevanten Verhaltens oder gar einer strafgerichtlichen Verurteilung nicht Voraussetzung der Haftungsinanspruchnahme bildet (vgl. , m.w.N.; ).

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers bezüglich der Einstellung eines Finanzstrafverfahrens gegen ihn genügt es, darauf hinzuweisen, dass weder ein völliges Unterbleiben eines Strafverfahrens noch die Einstellung von Vorerhebungen oder einer Voruntersuchung noch ein freisprechendes Urteil eine Bindung der Abgabenbehörde bei der Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen nach § 9 Abs. 1 BAO bewirken könnte (vgl. ; ).

Festzuhalten ist, dass hier keine Haftung gemäß § 11 BAO vorliegt, die auf eine Strafentscheidung basiert. Nicht nachvollzogen werden kann, welche Details der Begründung des Straferkenntnisses zu entnehmen sein sollten, aus der laut Bf. "schon klar erkennbar eine nicht nur nicht erkennbare Finanzwidrigkeit ersichtlich ist, sondern dass auch in weiterer Folge eine Haftung für diese Abgaben, welche uns zur Last gelegt werden, NICHT vorhanden war."

Selbst dem Bf. wird nicht entgangen sein, dass diesem Erkenntnis vom keine Begründung zu entnehmen ist. Es ist lediglich ein Spruch wie folgt zu ersehen: Das gegen A. mit Bescheid vom , Str.Nr. 2013 eingeleitete Finanzstrafverfahren wird gemäß § 136 FinStrG eingestellt.

Aus diesem verkürzten Erkenntnis ist nicht einmal zu erkennen, ob es sich auf die selben Abgaben bezieht. Nur aufgrund des beigeschafften Strafaktes konnte ein Bezug hergestellt werden. Demnach wurde Folgendes vorgeworfen:

"Im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgestellt, dass im inkriminierten Zeitraum unter dem Titel „Werbeaufwand“ Betriebsausgaben geltend gemacht wurden. Es handelt sich dabei um Eingangsrechnungen der Firma C. GmbH, einer Firma, die im Einflussbereich von G. E. stand. Erhebungen ergaben, dass sich G. E. einiger Betrugsfirmen bediente, wobei er auf die von ihm beschäftigte Sekretärin H. zugriff. Diese führte genaue Aufzeichnungen über die angemeldeten Dienstnehmer ebenso wie die über von E. in Auftrag gegeben Schein/Deckungsrechnungen der dubiosen Firmen. Diese Aufzeichnungen speicherte sie auf USB-Sticks, die bei einer Hausdurchsuchung vorgefunden wurden.

Seitens der Betriebsprüfung wurde den o.a. Rechnungen der C. GmbH die Betriebsausgabeneigenschaft aberkannt und die nicht anerkannten Ausgaben als verdeckte Gewinnausschüttung der Kapitalertragsbesteuerung unterworfen. In freier Beweiswürdigung ergibt sich für die Finanzstrafbehörde, dass die „Werbeaufwendungen“ aus Scheinrechnungen stammen und daher die in Abzug gebrachten Betriebsausgaben zum Zweck der Gewinnreduzierung in die Buchhaltung genommen wurden."

Soweit der Bf. in der Beschwerde ausführt, dass die Firma C. GesmbH. im Beisein von Herrn E. als schlussendlicher Handlungsbevollmächtigter geprüft wurde und es auch hier eine massive Aussage von Herrn E. gegeben hat (wo dieser auch dafür verurteilt wurde), aber die Aussage sich lediglich im Bereich von Leiharbeitern erstreckte und nicht für etwaige Werbeaufträge oder Vermittlungen, ist auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen vom 2011 zu verweisen, mit dem Herr G. E. auch wegen Entziehen von weiteren Einnahmen (für den „Verkauf von Scheinrechnungen“) wegen Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB und wegen Entnahme von sogenannten „Provisionen“ (die Kunden für die Erstellung von Scheinrechnungen an die I. GmbH zahlten, in bar ohne sie für die I. GmbH zu verwenden) verurteilt wurde.

Gerade die Tatsache, dass die von Herrn E. erstellten Schein-/Deckungsrechnungen extern auf einem eigenen USB-Stick gespeichert wurden und nicht in der "normalen" Buchhaltung der C. GmbH zu finden waren, lässt nur den Schluss zu, dass damit keine "legalen" Rechnungen ausgestellt wurden. Die von der Betriebsprüfung entdeckten Rechnungen der Primärschuldnerin sind ohne Briefkopf gespeichert und konnten so versendet von wem auch immer, darunter der Primärschuldnerin, als Schein-/Deckungsrechnung ausgedruckt in die jeweilige Buchhaltung als (nicht zustehender) Aufwand gebucht aufgenommen werden.

Das Nichtvorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung ist im Haftungsverfahren vom Haftungspflichtigen zu beweisen bzw. zumindest glaubhaft zu machen, während es im Strafverfahren eine andere Beweislast gibt.

Hinsichtlich der vom Gesetz für die Inanspruchnahme der Haftung geforderten Schuldform hat der VwGH in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, dass dadurch, dass § 9 Abs 1 BAO ohne Einschränkung auf die Schuldhaftigkeit abstellt, diese Gesetzesstelle jede Form des Verschuldens und damit auch die leichte Fahrlässigkeit erfasst (; ).

Da aus der gekürzten Ausfertigung des Straferkenntnisses keine Schlüsse auf die Begründung gezogen werden können, ist bei logischer Würdigung des Sachverhaltes laut Strafakt, wonach bei der die Rechnung ausstellenden Firma C. GmbH im Zuge einer Hausdurchsuchung USB-Sticks gefunden wurden, auf der sich Scheinrechnungen mit Pauschalen oder "runden Beträgen" befanden, die als Werbeaufwand nicht anerkannt werden konnten, Herr E. für die Nichterklärung der darauf basierenden Provisionen verurteilt wurde, nur der Schluss zu ziehen, dass die festgestellten Scheinrechnungen für die Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung sprechen und zumindest eine fahrlässige Handlungsweise beim Bf. vorliegt, da die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße, nach den subjektiven Verhältnissen dem Bf. zumutbare Sorgfalt bei diesen Scheinrechnungen nicht eingehalten wurde. Dass die Aufnahme von Scheinrechnungen in die eigene Buchhaltung auch ein Indiz auf ein vorsätzliches Verhalten sein kann, sei nur nebenbei erwähnt.

Auch wenn die Amtsbeauftragte der Finanzstrafbehörde gegen das einstellende Erkenntnis des Spruchsenates aus Arbeitsüberlastung und den relativ geringen Folgen der Taten von unter € 10.000,00 kein Rechtsmittel eingebracht wurde, kann nur bestätigt werden, dass ein Rechtsmittel gegen die Einstellung bei dieser Sach- und Beweislage mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Bestrafung zumindest wegen fahrlässiger Abgabenverkürzung gemäß § 34 Abs. 1 FinStrG geführt hätte. Daher ist bei eigenständiger Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts von einem schuldhaften Fehlverhalten des Bf. (zumindest fahrlässige Verkürzung der gegenständlichen Abgaben) auszugehen. Diese schuldhafte Pflichtverletzung ist auch kausal für die Uneinbringlichkeit der Abgaben.

Ermessen:

Die Geltendmachung der Haftung im Sinne des § 9 BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () ist dem Element der Zumutbarkeit der Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit im Rahmen der behördlichen Ermessensübung besondere Bedeutung beizumessen ().

Liegen keine besonderen Umstände vor, die eine so späte Inanspruchnahme des Bf. als damaligen Geschäftsführer zur Haftung rechtfertigen könnten (das Finanzamt hat erst rund drei Jahren nach Abschluss des Insolvenzverfahrens das Vorverfahren zum Haftungsbescheid eingeleitet und den angefochtenen Bescheid erst rund fünf Jahre danach erlassen), ist die Unbilligkeit der Geltendmachung der Haftung angesichts lange verstrichener Zeit gegenüber der vom Finanzamt ins Treffen geführten Zweckmäßigkeitserwägung jedenfalls zu berücksichtigen. 

Das Insolvenzverfahren wurde am mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet. Damit hat das Finanzamt erst rund viereinhalb Jahre später den angefochtenen Bescheid erlassen. 

Nach der Aktenlage wurden der Dienstgeberbeitrag 2009 und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2009 in Jahresbeträgen bekannt gegeben. Damit wurde der Beschwerdeführer aber von der Abgabenbehörde nicht in die Lage versetzt, die geforderte, nach Monaten gegliederte Liquiditätsaufstellung vorzulegen und die auf die Abgabengläubigerin entfallende monatliche Quote zu berechnen. Auch wenn es der Abgabenbehörde nicht mehr möglich sein sollte, eine entsprechende Aufgliederung zu erstellen, so dürfte dieser Umstand dem Beschwerdeführer nicht zum Nachteil gereichen. Vielmehr hätte die belangte Behörde dies bei ihrer Ermessensübung berücksichtigen müssen (; ; ; ).

Diese aufgezeigte Unbilligkeit der Geltendmachung der Haftung angesichts der bereits lange verstrichenen Zeit von rund viereinhalb Jahre zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und Erlassung des Haftungsbescheides war im Rahmen des Ermessens insoweit zu würdigen, dass bei Gesamtbetrachtung des Falles eine Reduzierung der Haftungsbeträge um 25% bzw. - im Sinne der VwGH-Judikatur - Dienstgeberbeitrag 2009 in Höhe von € 151,70 und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2009 in Höhe von € 13,51 zur Gänze gerechtfertigt erscheint und der Beschwerde insoweit teilweise stattzugeben war.

Darüber hinaus wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf die zitierte Judikatur wird verwiesen.

Wien, am

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