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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.05.2020, RV/5101757/2019

Einschränkung einer Haftung im Rahmen des Ermessens.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache BF, vertreten durch StB, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Braunau Ried Schärding vom zu StNr, mit dem der Beschwerdeführer als Haftungspflichtiger gemäß §§ 9, 80 BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma W GmbH (FN) im Ausmaß von 6.382,61 € in Anspruch genommen wurde, zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass die Haftungsinanspruchnahme auf folgende Abgabenschuldigkeiten eingeschränkt wird:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag
Umsatzsteuer
11/2015
768,85
Umsatzsteuer
12/2015
1.423,22
Summe
 
 
2.192,07

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

1) Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin

Mit Erklärung vom errichtete der Beschwerdeführer die primärschuldnerische Firma W GmbH, die im Firmenbuch zu FN protokolliert war. Alleingesellschafter war der Beschwerdeführer, Gegenstand des Unternehmens das Gastgewerbe (Betrieb einer Diskothek).

Als Geschäftsführer fungierte zunächst A, sodann B, anschließend C und zuletzt der Beschwerdeführer, der sich mit Beschluss vom zum selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer bestellte und den zuvor mit dieser Funktion betrauten C mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer abberief.

Am endete die Gewerbeberechtigung der Gesellschaft aufgrund der Zurücklegung derselben. Auch dem Finanzamt wurde die Aufgabe des Betriebes mit mitgeteilt.

Am beantragte die Primärschuldnerin die Eröffnung des Konkursverfahrens. Sie habe an einem näher bezeichneten Standort eine Diskothek betrieben. Zunächst sei es ab Herbst 2015 zu Umsatzrückgängen gekommen, da in der Presse mehrfach erwähnt worden wäre, dass das Unternehmen geschlossen und dort ein Asylantenheim errichtet werden solle. Der Beschwerdeführer habe daher die Beendigung des Pachtvertrages gegen Jahresende samt Unternehmensschließung geplant. Im Rahmen dieser Unternehmensschließung bzw. der Einnahmen aus den letzten Veranstaltungen, insbesondere Abschlussparty, sollten die Verbindlichkeiten zur Gänze abgedeckt werden. Völlig überraschend sei der Geschäftsführer am wegen seiner Nierentransplantation kontaktiert worden. Die Folge sei ein Krankenhausaufenthalt gewesen. Die letzten Wochenendveranstaltungen wären nicht mehr ausreichend gewinnbringend gewesen, sodass insgesamt Verbindlichkeiten von rund EUR 65.000,00 verblieben wären. Das Unternehmen sei am nach der Abschlussparty zur Gänze geschlossen worden. Sämtliche Arbeitsverhältnisse wären beendet und das Pachtverhältnis aufgelöst worden. Die letzten Einnahmen seien auf das Konto der GmbH überwiesen worden und es sei dort ein Aktivstand von ca. EUR 7.700,00 gegeben. Die Antragstellerin besitze sonst keinerlei Aktiva.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Ried vom wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet. Laut Anmeldungsverzeichnis wurden Forderungen in Höhe von 56.305,04 € geltend gemacht, wobei die größte Einzelanmeldung auf die Fa. Z GmbH mit einem Betrag von 42.554,06 € entfiel.

Dieses Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss vom nach Verteilung des Massevermögens aufgehoben. Auf die Insolvenzgläubiger entfiel laut Schlussbericht des Insolvenverwalters eine Quote von 2,103415 %.

Am wurde die Firma der Gesellschaft im Firmenbuch gelöscht.

2) Haftungsverfahren

In einem umfangreichen Vorhalt an den Beschwerdeführer vom wies das Finanzamt den Beschwerdeführer darauf hin, dass seine Heranziehung zur Haftung für folgende Abgaben der Primärschuldnerin beabsichtigt sei:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Umsatzsteuer
11/2015
1.922,13
Umsatzsteuer
12/2015
3.558,05
Umsatzsteuer
01/2016
3.547,07
Umsatzsteuer
02/2016
8.624,28
Körperschaftsteuer
01-03/2016
437,00
Kammerumlage
10-12/2015
94,27
Säumniszuschlag
2016
71,16
Summe
 
18.253,96

Diese Abgaben wären bei der Gesellschaft uneinbringlich. Der Beschwerdeführer sei seit Vertreter der Primärschuldnerin und daher für die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten verantwortlich gewesen. Der Beschwerdeführer möge darlegen, dass bei der Verfügung über die Gesellschaftsmittel das Gleichbehandlungsgebot beachtet worden sei. Werde dieser Nachweis nicht erbracht, liege es im Ermessen des Finanzamtes, die Haftung für die oben genannten Abgabenbeträge auszusprechen, bei Benachteiligung des Abgabengläubigers im Ausmaß der nachgewiesenen Benachteiligung der Abgabenschuldigkeiten gegenüber den anderen Verbindlichkeiten der Primärschuldnerin.

Eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zu diesem Vorhalt ist nicht aktenkundig; im Abgabeninformationssystem (B-Verfahren) wurde am angemerkt, dass der Vorhalt nicht beantwortet worden sei. Auf der Beschwerde wurde vom Finanzamt handschriftlich vermerkt, dass der Vorhalt „nicht behoben“ worden sei. Der Rückschein zu diesem Zustellvorgang findet sich in den vorgelegten Aktenteilen nicht. In der verfahrensgegenständlichen Beschwerde wird moniert, dass kein Vorhalteverfahren vor Erlassung des Haftungsbescheides durchgeführt worden sei.

Das Finanzamt nahm den Beschwerdeführer mit Haftungbescheid vom für folgende Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin gemäß §§ 9, 80 BAO in Anspruch:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag
Umsatzsteuer
11/2015
1.922,13
Umsatzsteuer
12/2015
3.558,05
Körperschaftsteuer
01-03/2016
737,00
Kammerumlage
10-12/2015
94,27
Säumniszuschlag
2016
71,16
Summe
 
 
6.382,61

Diese Abgaben wären im Hinblick auf das bereits beendete Konkursverfahren bei der Gesellschaft uneinbringlich. Es sei davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgaben zwar Gesellschaftsmittel vorhanden waren, diese aber nicht zur (anteiligen) Entrichtung der Abgabenschulden verwendet wurden. Ein mangelndes Verschulden an dieser Pflichtverletzung sei nicht dargelegt worden, daher sei von einem Verschulden an den angeführten Pflichtverletzungen auszugehen. Bei Einhaltung des Gleichbehandlungsgebotes wäre es nicht zum Abgabenausfall gekommen, vielmehr hätten die Abgabenschuldigkeiten zumindest teilweise getilgt werden können. Da nicht dargelegt worden sei, in welchem Ausmaß die Abgabenschuldigkeiten bei Einhaltung des Gleichbehandlungsgebotes entrichtet worden wären, bestehe die Haftung zur Gänze. Die Geltendmachung der Haftung stelle die einzige Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Weiters könne auf Grund der künftigen Erwerbsmöglichkeiten des Haftungspflichtigen nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass die Haftungsschulden auch bei ihm uneinbringlich seien. Dieser habe im Zusammenhang mit der Wahrnehmung seiner Pflichten auffallend sorglos gehandelt. Aus diesen Gründen sei die Geltendmachung der Haftung geboten.

Der Haftungsbescheid wurde laut aktenkundigem Rückschein am an den Beschwerdeführer persönlich zugestellt.

Mit Eingabe vom ersuchte die steuerliche Vertreterin um Verlängerung der Frist zu Einbringung einer Beschwerde gegen den Haftungsbescheid bis und um Aussetzung der Einhebung der Haftungsschuld gemäß § 212a BAO.

Das Finanzamt bewilligte dieses Fristverlängerungsansuchen antragsgemäß mit Bescheid vom .

Mit Schriftsatz vom wurde gegen den Haftungsbescheid Beschwerde erhoben. Darin wurde ausgeführt, dass das Konkursverfahren über das Vermögen der Primärschuldnerin nach Verteilung einer Quote von 2,103415 % aufgehoben worden sei. Dem Beschwerdeführer sei vor Erlassung des Haftungsbescheides kein Vorhalt über die geltende Beweislastumkehr sowie das Erfordernis der konkreten Darstellung allfälliger vorhandener Mittel und deren Verwendung an das Finanzamt bzw. an die übrigen Gläubiger übermittelt worden. Die in §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter hafteten neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese betreffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben in Folge schuldhaften Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Die Heranziehung zur Haftung sei in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen sei. Dieses Ermessen umfasse auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens (). Die Haftungsinanspruchnahme setze die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten voraus, wobei insbesondere die Entrichtung der Abgaben im Vordergrund stehe. Werde hingegen eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertreter keine liquiden Mittel hat, so verletze der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht. Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen sei, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimme sich danach, wann die Abgaben unter Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären. Bei Selbstbemessungsabgaben sei maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären. Gemäß dem Gleichbehandlungsgebot dürfe der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als die übrigen Schulden. Es könne aber nicht verlangt werden, dass der Vertreter den Abgabengläubiger vor allen anderen Gläubigern befriedigt. Er habe die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen. Wie aus den beiliegenden Kontounterlagen und dem beigefügten Anmeldeverzeichnis ersichtlich sei, habe der Beschwerdeführer die Abgabenbehörde zumindest hinsichtlich der Umsatzsteuer 12/2015 mit Fälligkeit am , der Körperschaftsteuer 01-03/2016 mit Fälligkeit am , der Kammerumlage 10-12/2015 mit Fälligkeit am sowie des Säumniszuschlages 2016 (hier liege dem Beschwerdeführer leider kein Bescheid vor) „schlechter gestellt “. Des Weiteren werde darauf hingewiesen, dass bei der Aufstellung der offenen Abgaben bei der Körperschaftsteuer 01-03/2016 ein falscher Betrag ausgewiesen worden sei. Der vorgeschriebene Wert laut „Vorauszahlungsbetrag“ belaufe sich auf EUR 437,00 nicht auf EUR 737,00. Wie auch schon aus dem Insolvenzantrag ersichtlich sei, wäre es dem Geschäftsführer ab auf Grund eines Nierenversagens und eines darauffolgenden längerfristigen Krankenhausaufenthaltes „möglich“ (gemeint wohl: nicht möglich) gewesen, die Dispositionen der Zahlungen durchzuführen. Hier von einer schuldhaften und bewussten Schlechterstellung der Finanzverwaltung auszugehen, erscheine nicht nachvollziehbar. Sollten für die Beurteilung durch die Finanzverwaltung weiterführende Unterlagen und Berechnungen notwendig sein, könnten diese jederzeit sehr gerne nachgeliefert werden. Schließlich wurde neuerlich die Aussetzung der Einhebung der Haftungsschuld beantragt.

Den angeschlossenen Teilen eines Kontoauszuges der Primärschuldnerin bei der V-Bank (Seiten 22, 23 und 25) kann entnommen werden, dass am ein Barerlag auf dieses Konto in Höhe von 12.881,70 erfolgte, der zu einem (positiven) Tagessaldo von 11.480,23 € führte. Am wurden eine Reihe von Zahlungen veranlasst, unter anderem wurden zwei offene Honorarnoten der damaligen steuerlichen Vertreterin beglichen. Dadurch verringerte sich der Kontostand auf 7.537,49 €. Weitere Überweisungen erfolgten am und sodann am wieder ein Barerlag von 11.910,00 €, der zu einem Tagessaldo von 17.388,08 € führte, der für die Begleichung weiterer Verbindlichkeiten der Gesellschaft verwendet wurde. Da die Seite 24 des Kontoauszuges fehlt, ist der Stand des Bankkontos zum nicht ersichtlich. Aus Seite 25 des Kontoauszuges ist jedenfalls zu entnehmen, dass das Restguthaben per in Höhe von 7.726,02 € auf das Massekonto überwiesen wurde.

Die letzte Zahlung an das Finanzamt vor Konkurseröffnung war dagegen am erfolgt und diente der Abdeckung der am fälligen Lohnsteuer 12/2015. Weitere Zahlungen an den Abgabengläubiger erfolgten nicht mehr; die übrigen haftungsgegenständlichen Abgaben wurden nicht (auch nicht anteilig) entrichtet.

Zum Anmeldeverzeichnis wurde bereits oben unter Punkt 1 festgehalten, dass Forderungen in Höhe von 56.305,04 € geltend gemacht wurden, wobei die größte Einzelanmeldung auf die Fa. Z GmbH mit einem Betrag von 42.554,06 € entfiel.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das Finanzamt der Beschwerde teilweise statt und schränkte die Haftung auf die beiden Umsatzsteuern 11/2015 und 12/2015 in Höhe von 1.922,13 € und 3.558,05 € ein. In der Begründung verwies das Finanzamt zunächst auf den unbeantwortet gebliebenen Vorhalt, der durch Hinterlegung zugestellt, jedoch nicht behoben worden sei. Maßgebend für die Vertreterhaftung gemäß § 9 BAO sei die gesellschaftliche Stellung als Geschäftsführer der GmbH. Laut Firmenbuchauszug wäre der Beschwerdeführer im Zeitraum vom bis als Vertreter der Firma W GmbH bestellt gewesen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe. Es habe nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Aufgrund des Insolvenzverfahrens stehe die Uneinbringlichkeit der im Haftungsbescheid dargestellten Abgabenbeträge bei der Primärschuldnerin zweifelsfrei fest. Die Geltendmachung der Haftung stelle die einzige Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar.

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom . Wie schon in der Beschwerde ausgeführt, habe sich der Beschwerdeführer am einer Nierentransplantation unterziehen müssen. Die laufenden Zahlungen wären durch seine Sekretärin disponiert worden. Während seiner Genesung habe er noch versucht, Gelder über den Verkauf der Immobilie zu erlösen um den Verpflichtungen nach zu kommen. Auf Basis der Berichterstattung der lokalen Medien, dass in das Gebäude eine Flüchtlingsunterkunft kommen solle, seien dann im Jänner die Umsätze fast zur Gänze ausgefallen. Sollten für die Beurteilung durch das Bundesfinanzgericht noch weiterführende Unterlagen und Berechnungen notwendig sein, können diese jederzeit nachgereicht werden. Es werde die Entscheidung durch den Senat beantragt.

Zu diesem Vorlageantrag ersuchte das Finanzamt den Beschwerdeführer mit Ergänzungsersuchen vom um Vorlage von Bescheinigungen über seine Krankenhausaufenthalte 2015/2016.

Dazu wurden vom Beschwerdeführer eine Aufstellung seiner Krankenhausaufenthalte seit Dezember 2015 und die dazugehörigen Arztbriefe vorgelegt. Der Aufenthalt zur Transplantation der linken Niere erstreckte sich vom bis . Im Jänner und Februar 2016 waren – ebenso wie auch noch im März und April 2016 – mehrere ambulante und teilweise auch stationäre Krankenhausaufenthalte zur Nachbehandlung und Kontrolle erforderlich. Den vorgelegten Arztbriefen ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer bereits seit Jänner 2012 Dialysepatient im Krankenhaus war und auch die rechte Niere erkrankt ist (Schrumpfniere bei Nierenarterienstenose [Verengung der die Nieren versorgenden Arterie]). Ferner ist eine Bypass-OP am dokumentiert.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Der im Zuge des Vorlageantrages gestellte Antrag auf Entscheidung durch den Senat wurde nach informeller Erörterung der Sach- und Rechtslage mit beiden Parteien des Verfahrens vom steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers mit Eingabe vom  zurückgezogen.

Rechtslage und Erwägungen

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 leg. cit. haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

Die Abgabenforderungen gegen die primärschuldnerische Gesellschaft sind im vorliegenden Fall ebenso unstrittig wie die Stellung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer im haftungsrelevanten Zeitraum. Die Betrauung eines Dritten mit der Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten, insbesondere der Zahlungspflichten, bedeutet noch keine Zurücklegung der gesellschaftsrechtlichen Funktion als Geschäftsführer; eine solche Funktionszurücklegung wurde auch nicht behauptet.

Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenforderungen bei der Gesellschaft steht im Hinblick darauf, dass das Insolvenzverfahren nach Verteilung der Quote bereits beendet und die Firma der Gesellschaft im Firmenbuch gelöscht wurde, fest.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen ist, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Dabei ist zu beachten, dass sich der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung auch auf Zahlungen bezieht, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Auf diesem, nicht aber auf der Behörde, lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote. Vermag der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ( mwN).

In der Beschwerde wurde eine Benachteiligung des Abgabengläubigers bei der Verfügung über die Gesellschaftsmittel hinsichtlich der am fällig gewesenen Abgaben zugestanden. Eine solche Schlechterstellung des Finanzamtes ist aber auch bezüglich der am fällig gewesenen Umsatzsteuer 11/2015 anzunehmen. Die letzte Zahlung an den Abgabengläubiger war am erfolgt und diente der Abdeckung der am fällig gewesenen und vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommenen Lohnsteuer 12/2015. Nach dem erfolgten bis zur Konkurseröffnung am keinerlei Zahlungen an den Abgabengläubiger mehr. Dass in diesem Zeitraum noch Gesellschaftsmittel vorhanden waren und andere Gläubiger bedient wurden, ergibt sich unzweifelhaft aus den vorgelegten Bankkontoauszügen.

Zwar besteht bei Verletzung der Gleichbehandlungspflicht die Haftung gemäß § 9 nur anteilig, nämlich mit jenem Teilbetrag, der bei Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu entrichten gewesen wäre. Es obliegt aber nach der bereits oben aufgezeigten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Vertreter der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger – bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits – an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (Ritz, BAO, § 9 Tz 27 mit zahlreichen Judikaturnachweisen). Ein solcher Nachweis (Berechnung einer Differenzquote) wurde nicht erbracht, weshalb sich die Haftung grundsätzlich auf die ungekürzte Abgabenschuld erstreckt.

Zum Einwand der nachgewiesenen Erkrankung des Beschwerdeführers muss zunächst auf die Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes () verwiesen werden: Behauptet ein Geschäftsführer, er sei etwa durch Krankheit an der Erfüllung seiner Verpflichtungen gehindert worden, so schließt dies ein Verschulden an der Verletzung seiner Pflichten nicht aus, da der Geschäftsführer - wie auch in anderen Fällen, in denen er nicht in der Lage ist, die Geschäftsführerfunktion ordnungsgemäß auszuüben bzw. die Umstände, welche zu der Behinderung führen, zu beseitigen - dazu verhalten ist, diese Funktion zurückzulegen.

Im Vorlageantrag wurde eingewendet, dass sich der Beschwerdeführer am einer Nierentransplantation unterziehen musste und die laufenden Zahlungen daher durch seine Sekretärin disponiert worden wären. Bei Betrauung Dritter (z.B. Angestellter) mit den abgabenrechtlichen Pflichten besteht die Haftung vor allem bei Verletzung von Auswahl- und Überwachungspflichten. Der Geschäftsführer hat das Personal in solchen Abständen zu überwachen, die es ausschließen, dass ihm die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten, insbesondere die Verletzung abgabenrechtlicher Zahlungspflichten verborgen bleiben (Ritz, BAO, § 9 Tz 13 mit zahlreichen Judikaturnachweisen). Eine solche ausreichende Überwachung der Sekretärin wurde weder behauptet nach glaubhaft gemacht; selbst wenn eine solche erfolgt wäre, stellte sich die Frage, warum der Abgabengläubiger dann nicht zumindest anteilig bedient wurde.

Eine Erkrankung allein könnte nur dann zur vollständigen Haftungsbefreiung führen, wenn sie eine gänzliche Dispositionsunfähigkeit des Geschäftsführers im haftungsrelevanten Zeitraum zur Folge hätte (vgl. ; ). Davon kann im gegenständlichen Fall aber nach den vorliegenden Arztbriefen nicht ausgegangen werden; auch wurde im Vorlageantrag vorgebracht, dass der Beschwerdeführer noch während seiner Genesung versucht habe, Gelder über den Verkauf einer Immobilie zu erlösen, um den Verpflichtungen nach zu kommen (er also durchaus dispositionsfähig war).

Insgesamt gesehen ging daher unter Berücksichtigung all dieser Umstände das Finanzamt zutreffend vom Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung im Sinne des § 9 BAO hinsichtlich der beiden Umsatzsteuern 11/2015 und 12/2015 aus. Auf diese beiden Abgaben wurde die Haftung auch bereits in der Beschwerdevorentscheidung richtigerweise eingeschränkt. Der haftungsgegenständliche Säumniszuschlag war am und damit erst nach Konkurseröffnung fällig; eine Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung für diese Abgabe schied daher schon aus diesem Grund aus. Eine Heranziehung zur Haftung für die Vorauszahlung an Körperschaftsteuer für das erste Quartal 2016 hätte vorausgesetzt, dass dem Haftungsbescheid eine Ausfertigung (Ablichtung) des Bescheides über die Festsetzung der Körperschaftsteuervorauszahlungen angeschlossen wird, damit dem Beschwerdeführer ausreichend Kenntnis über den Abgabenanspruch verschafft wird. Das Unterbleiben einer solchen Bekanntmachung macht den Haftungsbescheid rechtswidrig () bzw. liegt ein Mangel des Verfahrens vor, der im Verfahren über die Berufung (nunmehr Beschwerde) gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar ist (). Die Kammerumlage 10-12/2015 konnte aufgrund der geringen Höhe außer Ansatz bleiben.

Im Falle des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der ständigen Rechtsprechung eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung (Ritz, BAO4, § 9 Tz 24 mit Judikaturnachweisen). Es wurden keinerlei Gründe vorgebracht, die Anhaltspunkte für einen Ausschluss des Kausal- bzw. des Rechtswidrigkeitszusammenhanges bieten würden; solche sind auch nicht aktenkundig.

Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff „Billigkeit“ ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff „Zweckmäßigkeit“ die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen. Das Ermessen umfasst das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens (, ). Das Ausmaß des Vertreterverschuldens ist zwar bei der Prüfung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Haftungsinanspruchnahme nicht zu quantifizieren, da eine bestimmte Schuldform nicht gefordert wird, und auch leichte Fahrlässigkeit genügt (Ritz, BAO, § 9 Tz 18 mit Judikaturnachweisen). Im Rahmen der Ermessensübung kann das Ausmaß des Verschuldens bei der Bestimmung des Haftungsumfanges jedoch Berücksichtigung finden (Stoll, BAO, 127; ; ). Im Hinblick auf Art, Schwere und Dauer der Erkrankung des Beschwerdeführers stellt eine mangelhafte Überwachung der Sekretärin sowie das Unterlassen einer zeitgerechten Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion nur einen minderen Grad des Verschuldens dar. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Haftungszeitraum nur zwei Fälligkeitstermine ( und ) umfasst, also der Zeitraum, in dem die abgabenrechtlichen Zahlungspflichten nicht mehr erfüllt wurden, kurz war. Die Verletzung von Erklärungspflichten wurde nicht festgestellt. Unter Berücksichtigung dieser ermessensrelevanten Umstände ist eine Einschränkung der Haftung auf 40 % der beiden Umsatzsteuern 11/2015 und 12/2015 sachgerecht. Die Haftung reduziert sich dadurch auf insgesamt 2.192,07 € (Umsatzsteuer 11/2015 in Höhe von 768,85 € und Umsatzsteuer 12/2015 in Höhe von 1.423,22 €). Dieser Betrag wurde durch die Umbuchung von Guthaben vom persönlichen Abgabenkonto des Beschwerdeführers bereits abgedeckt, sodass unter diesem Gesichtspunkt die Geltendmachung der Haftung jedenfalls auch zweckmäßig war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Linz, am

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