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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.05.2020, RV/3100518/2018

Begriff "Einkommen" beim erhöhten Verkehrsabsetzbetrag

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100518/2018-RS1
Bei Umrechnung gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 ist für die Beurteilung, ob der erhöhte Verkehrsabsetzbetrag zusteht, die Bemessungsgrundlage für den Durchschnittsteuersatz und nicht das Einkommen vor Umrechnung maßgeblich.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch Ernst P. Hausberger Wirtschaftstreuhand-KG Steuerberatungsgesellschaft, Adolf-Pichler-Straße 2, 6330 Kufstein, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Kufstein Schwaz vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 zu Recht erkannt: 

1. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Die Beschwerdeführerin war von 1.4. - als Büroangestellte eines Zimmereibetriebes tätig und erzielte dabei Einkünfte in Höhe von 13.290,37 Euro. In den restlichen Zeiträumen des Beschwerdejahres bezog sie Arbeitslosengeld in Höhe von 3.144,67 und Krankengeld während Arbeitslosigkeit in Höhe von 1.474,36 Euro.

2. In der am elektronisch eingelangten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung beantragte die Beschwerdeführerin neben Sonderausgaben und dem Kinderfreibetrag für zwei Kinder auch Werbungskosten (anteiliges Pendlerpauschale) und wurde mit Einkommensteuerbescheid vom erklärungsgemäß veranlagt.

3. In der am eingebrachten Beschwerde wurde geltend gemacht, dass gemäß § 33 Abs. 5 Z 2 EStG 1988  bei Anspruch auf ein Pendlerpauschale gem. § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 und einem Einkommen unter 12.200,- Euro ein erhöhter Verkehrsabsetzbetrag von 690,- Euro zustehe. Im Einkommensteuerbescheid vom , in dem das Einkommen mit 11.556,99 Euro festgestellt worden sei, sei jedoch nur der (normale) Verkehrsabsetzbetrag von 400,- Euro berücksichtigt worden.

4. Die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom wurde damit begründet, dass bei einer Hochrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 die gesetzliche Bestimmung des § 33 Abs. 10 EStG 1988 zu beachten sei. Dementsprechend seien die Abzüge gemäß § 33 Abs. 4 bis 6 EStG 1988 bei der Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes zu berücksichtigen.

Konsequenterweise sei der Verkehrsabsetzbetrag vom hochgerechneten Einkommen zu bemessen. Dies entspreche auch der Logik der Hochrechnung, die eine Besteuerung bewirken solle, als wären die außerhalb der AMS-Zeiten bezogenen Einkünfte ganzjährig bezogen worden.

5. Im Vorlageantrag vom wurde von der Beschwerdeführerin vorgebracht, dass der Gesetzgeber, hätte er bei der Textierung von § 33 Abs. 5 Z 2 EStG 1988 die Interpretation des Finanzamtes im Auge gehabt, nicht den Begriff "Einkommen", sondern beispielsweise "Gesamtbetrag der Einkünfte" oder "Bemessungsgrundlage für den Durchschnittsteuersatz", verwendet hätte. Dies habe der Gesetzgeber aber nicht getan, sondern die Höhe des Einkommens als Grenzbetrag festgesetzt.

6. Mit Bericht vom wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Rechtslage

§ 3 Abs. 1 EStG 1988 in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung lautet auszugsweise:

"Von der Einkommensteuer sind befreit:

[..]

5. a) das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen

b) das Karenzurlaubsgeld, an dessen Stelle tretende Ersatzleistungen und die Karenzurlaubshilfe auf Grund der besonderen gesetzlichen Regelungen, weiters das Kinderbetreuungsgeld sowie das Pflegekarenzgeld

c) die Überbrückungshilfe für Bundesbedienstete nach den besonderen gesetzlichen Regelungen sowie gleichartige Bezüge, die auf Grund besonderer landesgesetzlicher Regelungen gewährt werden

d) Beihilfen nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz, BGBl. Nr.31/1969, Beihilfen nach dem Arbeitsmarktservicegesetz, BGBl. Nr.313/1994, Beihilfen nach dem Berufsausbildungsgesetz, BGBl. Nr.142/1969, sowie das Altersteilzeitgeld gemäß §27 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, BGBl. Nr.609/1977,

e) Leistungen nach dem Behinderteneinstellungsgesetz 1988

[…]"

§ 3 Abs. 2 EStG 1988 in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung lautet:

"Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des Abs. 1 Z 5 lit. a oder c, Z 22 lit. a (5. Hauptstück des Heeresgebührengesetzes 2001), lit. b oder Z 23 (Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 4 und 5 des Zivildienstgesetzes 1986) nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde. […]"

§ 33 des EStG 1988 in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung lautet auszugsweise:

"[…]

(5) Bei Einkünften aus einem bestehenden Dienstverhältnis stehen folgende Absetzbeträge zu:

1. Ein Verkehrsabsetzbetrag von 400 Euro jährlich.

2. Bei Anspruch auf ein Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 erhöht sich der Verkehrsabsetzbetrag auf 690 Euro, wenn das Einkommen des Steuerpflichtigen 12 200 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigt. Der erhöhte Verkehrsabsetzbetrag vermindert sich zwischen Einkommen von 12 200 Euro und 13 000 Euro gleichmäßig einschleifend auf 400 Euro.

[…]

(10) Ein im Rahmen einer Veranlagung bei der Berechnung der Steuer anzuwendender Durchschnittssteuersatz ist vorbehaltlich des Abs. 11 nach Berücksichtigung der Abzüge nach den Abs. 4 bis 6 (ausgenommen Kinderabsetzbeträge nach Abs. 3) zu ermitteln. Diese Abzüge sind nach Anwendung des Durchschnittssteuersatzes nicht nochmals abzuziehen."

III. Erwägungen

1. Mit dem Steuerreformgesetz 2015/2016, BGBl. I Nr. 118/2015, mit Geltung ab der Veranlagung 2016, wurden die Tarifstufen des § 33 EStG 1988 angepasst. Gleichzeitig wurde der Arbeitnehmerabsetzbetrag (bzw. der Grenzgängerabsetzbetrag) in den - auf 400,- Euro angehobenen - Verkehrsabsetzbetrag integriert.  

Nachdem der Pendlerausgleichsbetrag mit der neuen Bestimmung über die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr kompatibel war, wurde ersatzweise ein erhöhter Verkehrsabsetzbetrag von 690,- Euro eingeführt. Dieser steht Arbeitnehmern mit Anspruch auf ein Pendlerpauschale zu, deren Einkommen nicht höher als 12.200,- Euro im Jahr ist. Bei Einkommen zwischen 12.200,- und 13.000,- Euro schleift sich der erhöhte Verkehrsabsetzbetrag gleichmäßig auf den Verkehrsabsetzbetrag von 400,- Euro ein (vgl. ErlRV 684 BlgNR XXV. GP, 21 f).

Damit sollten - wie schon beim Pendlerausgleichsbetrag - gering verdienende Arbeitnehmer mit Anspruch auf ein Pendlerpauschale, bei denen eine Steuerbelastung von bis zu 290,- Euro besteht, entlastet werden.

2. Der Beschwerdefall weicht von der Zielrichtung der gesetzlichen Begünstigung dadurch ab, dass von der Beschwerdeführerin im Beschwerdejahr zwar ein Einkommen unter 12.200,- Euro erzielt, jedoch außerdem in den Zeiträumen 2.1. - 31.1. Krankengeld während Arbeitslosigkeit sowie von 1.2. - 31.3. und 24.12. - 31.12. Arbeitslosengeld in Anspruch genommen wurde.

3. Gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 sind das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen von der Einkommensteuer befreit, wobei das Krankengeld während Arbeitslosigkeit als Ersatzleistung gilt (vgl. Laudacher in Jakom, EStG13 (2020), § 3 Rz 16).

Allerdings lösen diese steuerfreien Bezüge nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10 EStG 1988) eine verpflichtende Umrechnung der zum laufenden Tarif zu versteuernden nichtselbständigen Einkünfte auf einen Jahresbetrag aus.

Hintergrund dieser gesetzlichen Regelung ist, dass eine Besserstellung von Steuerpflichtigen, die im Veranlagungsjahr zeitweise steuerfreie Transferleistungen bezogen haben, vermieden werden soll (vgl. Laudacher in Jakom, EStG13 (2020), § 3 Rz 120).

4. Die Umrechnung hatte im Beschwerdefall den Effekt, dass die Bemessungsgrundlage für den Durchschnittsteuersatz (nach Abzug von Werbungskosten, Sonderausgaben und Kinderfreibeträgen) mit 16.335,49 Euro festgestellt und die dementsprechende Steuer berechnet wurde.

5. Gemäß der o.a. gesetzlichen Bestimmung des § 33 Abs. 10 EStG 1988 waren von der ermittelten Steuer die Absetzbeträge gemäß § 33 Abs. 4 bis 6 EStG 1988, also auch der in der Beschwerde geltende gemachte erhöhte Verkehrsabsetzbetrag, abzuziehen und dürfen diese Absetzbeträge nach Anwendung des Durchschnittsteuersatzes nicht noch einmal abgezogen werden.

6. Das Zusammenwirken des § 3 Abs. 2 mit § 33 Abs. 10 EStG 1988 wurde im Erkenntnis des , bereits einer Überprüfung unterzogen und unter Verweis auf ErlRV 1237 BlgNR XVIII. GP, insbesondere 48 und 55, mit der Absicht des Gesetzgebers in Einklang stehend beurteilt.

7. Daraus ergibt sich jedoch auch denklogisch, dass für die Prüfung, ob ein erhöhter Verkehrsabsetzbetrag zusteht, nicht - wie von der Beschwerdeführerin angenommen - das vor Umrechnung ermittelte Einkommen herangezogen werden kann, sondern die nach Umrechnung ermittelte Bemessungsgrundlage maßgeblich ist.

8. Diese Vorgangsweise ist nicht nur gesetzlich vorgegeben, sondern entspricht auch dem Ziel des Gesetzgebers. Nämlich Geringverdienern, die zwar einen Anspruch auf das Pendlerpauschale hätten, sich dieses jedoch aufgrund der geringen Einkünfte nicht auswirkt, einen Ausgleich zu gewähren.

Würde man der Interpretation der Beschwerdeführerin folgen, würde diese eine - nicht nachvollziehbare - Besserstellung dadurch erfahren, dass sie für einen Teil des Jahres steuerfreie Transferleistungen bezogen hat.

9. Die Rechtsansicht wird auch dadurch gestützt, dass bei Durchführung der sogenannten Kontrollrechnung, also der Überprüfung, ob das Ergebnis bei Einbeziehung der steuerfreien Bezüge in die Bemessungsgrundlage für die Beschwerdeführerin (steuerlich) günstiger wäre, unter dem Begriff des Einkommens ebenfalls das Gesamteinkommen verstanden wird.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der der Beschwerde zu Grunde liegenden Rechtsfrage ergibt sich direkt aus dem Gesetz. Dass der Absicht des Gesetzgebers entsprochen wurde, ist dem Erkenntnis des , zu entnehmen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100518.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at