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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.04.2020, RV/7105343/2019

Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe einer Person, die sich im Maßnahmenvollzug befindet

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zahl E 2134/2020 anhängig. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. über die Beschwerde des Bf., Dorf, VNR xxxxxxxxxxx, vertreten durch V, vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom , betreffend Abweisung des Antrages vom auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages ab August 2012, zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird insoweit abgeändert, als der Antrag hinsichtlich des Zeitraumes August 2012 bis April 2013 als verspätet zurückgewiesen wird.

II. Für den Zeitraum Mai 2013 bis Dezember 2015 wird der Beschwerde stattgegeben. Der angefochtene Bescheid wird für den Zeitraum Mai 2013 bis Dezember 2015 insoweit abgeändert, als die erhöhte Familienbeihilfe für diesen Zeitraum gewährt wird.

III. Für den Zeitraum ab Jänner 2016 wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

IV. Gegen diese Entscheidung ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (Bf.), geb. Apr87, bezog auf Grund der im Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) vom getroffenen Feststellungen (dauernde Erwerbsunfähigkeit rückwirkend ab Dezember 2007) im Zeitraum Dezember 2007 bis Juli 2012 die Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag.

Der Bf. befand sich vom bis in der Justizanstalt L und befindet sich seit bis dato in der Justizanstalt X. im Maßnahmenvollzug (§ 21 Abs. 1 StGB).

Das Finanzamt stellte die Auszahlung der erhöhten Familienbeihilfe ab August 2012 ein.

Am stellte der Erwachsenenvertreter namens des Bf. einen Eigenantrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages rückwirkend ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung.

Das Finanzamt wies den Antrag des Bf. mit Bescheid vom für denZeitraum ab August 2012mit folgender Begründung ab:

"Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs. 1-3 FLAG 1967 hat. Von den nach § 6 Abs. 5 FLAG 1967 auch erforderlichen allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen nach Abs. 1 bis 3 kommt im Antragsfall nur jene des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 in Betracht. § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 räumt volljährigen Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe ein, wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor
Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen
Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden. § 6 Abs. 5 FLAG 1967 bezweckt somit - bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 bis 3 leg.cit. - die Gleichstellung von Kindern, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten, mit Vollwaisen, für die niemand unterhaltspflichtig ist und die deshalb einen eigenen Anspruch auf Familienbeihilfe haben. Der Gesetzgeber will mit dieser Bestimmung in jenen
Fällen Härten vermeiden, in denen Kinder sich weitgehend selbst erhalten müssen. Daher vermittelt die Bestimmung grundsätzlich nur solange einen Eigenanspruch des Kindes auf Familienbeihilfe, als von einer aufrechten Unterhaltspflicht der Eltern auszugehen ist.
Bei Einweisung durch das Gericht in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 des Strafgesetzbuches erfolgt die Unterbringung (nach § 164 Abs. 1 StVG) eindeutig in einer Anstalt, die für den Unterhalt des Untergebrachten zu sorgen hat. Dies hat zur Folge, dass unabhängig davon, ob ein Verschulden des Untergebrachten vorliegt oder eine Einweisung nach § 21 Abs. 1 StGB erfolgte, zivilrechtlich ein für den Eigenanspruch auf Familienbeihilfe nach § 6 Abs. 5 FLAG 1967 erforderlicher Unterhaltsanspruch gegen die Eltern nicht zusteht.

Der Anspruch auf den Bezug der Familienbeihilfe nach § 6 Abs. 5 FLAG 1967 ist einem volljährigen Kind, das weder im Haushalt der Eltern wohnt, noch von diesen Unterhalt erhält und auch nicht Vollwaise ist, nur eingeräumt, wenn dem Kind zivilrechtlich noch ein Unterhaltsanspruch zusteht. Durch die in § 31 Abs. 1 StVG festgelegte Verpflichtung der Anstalt, für den Unterhalt zu sorgen, ist eine Unterhaltspflicht der Eltern nicht gegeben... Er ist kein Vollwaise, ein Familienbeihilfenanspruch ist daher nach § 6 Abs. 5 FLAG 1967 zu beurteilen.

Da wie bereits oben zitiert während des Aufenthaltes in einer Haftanstalt bzw. Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher keine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung der Eltern vorliegt, besteht für die Dauer der Unterbringung kein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe."

Gegen den Abweisungsbescheid wurde am folgende Beschwerde eingebracht:

"A. Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit gem § 21 Abs 1 StGB im Maßnahmenvollzug, derzeit in der Justizanstalt X.. Er bezog seit vielen Jahren die erhöhte Familienbeihilfe, zuletzt befristet bis Juli 2012. Aufgrund der Anhaltung im Maßnahmenvollzug wurde die Auszahlung eingestellt. Nun wurde neuerlich ein Antrag auf Wiedergewährung der Familienbeihilfe gestellt, der abgewiesen wurde. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, dass der Familienbeihilfenanspruch nach § 6 Abs 5 FLAG zu beurteilen sei, weil der Beschwerdeführer keine Vollwaise sei. Der Anspruch auf den Bezug der Familienbeihilfe nach § 6 Abs 5 FLAG bei einem volljährigen Kind, das weder im Haushalt der Eltern wohnt, noch von diesen Unterhalt erhält und nicht Vollwaise ist, setze grundsätzlich eine aufrechte Unterhaltspflicht der Eltern voraus. Bei Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB erfolge die Unterbringung eindeutig in einer Anstalt, die für den Unterhalt des Untergebrachten zu sorgen habe. Dies habe zur Folge, dass unabhängig davon, ob ein Verschulden des Untergebrachten vorliege oder eine Einweisung nach § 21 Abs 1 StGB erfolge, zivilrechtlich ein für den Eigenanspruch auf Familienbeihilfe nach § 6 Abs 5 FLAG erforderlicher Unterhaltsanspruch gegen die Eltern nicht zustehe. Da während des Aufenthalts in einer Haftanstalt bzw Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher keine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung der Eltern vorliege, bestehe für die Dauer der Unterbringung kein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe, der Antrag sei daher abzuweisen gewesen.

B. Zulässigkeit der Beschwerde:

...

C. Anfechtungserklärung

Der Bescheid wird vollinhaltlich bekämpft.

D. Beschwerdebegründung

Der am xxxxxxxxx geborene Beschwerdeführer bezog seit vielen Jahren, jedenfalls seit Juli 2004 bis Juli 2012 ununterbrochen die erhöhte Familienbeihilfe. Das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen wurde daher regelmäßig von der belangten Behörde überprüft. Seit März 2012 befindet sich der Beschwerdeführer in einer justiziellen Einrichtung für psychisch kranke Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB, welche unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB) eine Straftat begangen haben.

Der Beschwerdeführer trägt monatlich mit 80 % seiner Pension, dzt € 690,43, zu den Kosten seiner Unterbringung in der JA X. bei.

Beweis: PVA, Landesstelle Niederösterreich, Verständigung über die Leistungshöhe zum

Die Behörde begründet die Abweisung damit, dass in Folge der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gem § 21 Abs 1 StGB, die für den Unterhalt des Untergebrachten zu sorgen habe, der für den Eigenanspruch auf Familienbeihilfe nach § 6 Abs 5 FLAG erforderliche Unterhaltsanspruch gegen die Eltern nicht zustehe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , 2006/13/0092, dargelegt, dass es auf das von der Behörde vorgebrachte Kriterium nicht ankommt.

Gemäß § 6 Abs 5 iVm § 6 Abs 2 lit d FLAG soll in Fällen, in denen der Unterhalt der behinderten Person durch eine Anstaltspflege oder eine Heimerziehung durch die öffentliche Hand sichergestellt ist, kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehen. Dabei ist nicht die Art der Unterbringung (Bezeichnung als Anstalt oder Heim, vgl ) ausschlaggebend, sondern ausschließlich, ob die Kostentragung durch die öffentliche Hand zur Gänze erfolgt:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Entscheidung vom , 99/15/0210, das Vorliegen der Anstaltspflege im Sinne des § 6 Abs 2 lit d FLAG mit der Begründung verneint, dass die untergebrachte Person selbst auf Grund eines sozialversicherungsrechtlichen Anspruches zu ihrem Unterhalt beiträgt. Schließlich sei auf den Erlass des Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom , GZ: 510402/0-V/1/03, verwiesen, der in Hinblick auf die Folgejudikatur des Verwaltungsgerichtshofs (ua Erkenntnis vom , 99/14/0320) erging, "die Familienbeihilfe ist" - so der Erlass - "bei Vorliegen der übrigen allgemeinen Voraussetzungen zu gewähren, wenn das Kind aus eigenen Mitteln einen Beitrag zu den Kosten der Unterbringung leistet. Sofern diese Kosten unmittelbar und zur Gänze aus öffentlichen Mitteln getragen werden, besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe".

Für den Fall der Unterbringung einer Person in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB ist das Ruhen des Pensionsanspruchs nicht vorgesehen, weil es sich um einen Maßnahmenvollzug bei Straflosigkeit der Anlasstat aufgrund eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands handelt, dieser Anhaltung also der Strafcharakter fehlt (vgl ,10 ObS 150/ 17g mit Verweis auf ObS 96/i3k, SSV-NF 27/56).

Aus § 324 Abs 4 iVm § 324 Abs 3 ASVG geht klar hervor, dass der Gesetzgeber Pensionsberechtigte, die gem § 21 Abs 1 StGB auf Kosten des Bundes in einer Anstalt oder Einrichtung untergebracht sind, mit Pensionsberechtigten, die auf Kosten eines Landes im Rahmen der Sozial- oder Behindertenhilfe in einer Einrichtung untergebracht sind, gleich stellen wollte. § 324 Abs 3 ASVG kleidet einerseits den Rückgriff des Sozial oder Behindertenhilfeträgers bzw des Bundes (§ 324 Abs 4 ASVG) auf die Pension in die Form einer Legalzession und trifft andererseits die Sicherung dafür, dass dem Pensionsberechtigten je nach seinen Unterhaltsverpflichtungen ein entsprechender Teil der Pension verbleibt (vgl. AB 613 BlgNr VII. GP, 29).

Diese Gleichstellung von Pensionsberechtigten, die im Rahmen der Sozial- oder Behindertenhilfe in einer Einrichtung untergebracht sind, mit Pensionsberechtigten, die gem § 21 Abs 1 StGB untergebracht sind, ist dem Gleichheitsgrundsatz geschuldet, wonach der Gesetzgeber unsachliche Differenzierungen unterlassen muss. Tatsächlich ist kein sachlicher Grund erkennbar, wonach ein Pensionsberechtigter, der nicht bestraft werden kann, weil er nicht schuldfähig ist, und gem § 21 Abs 1 StGB in einer Einrichtung untergebracht ist und zu den Kosten seiner Unterbringung gem § 324 Abs 4 ASVG beiträgt, schlechter gestellt werden soll, als ein Pensionsberechtigter, der im Rahmen der Sozial- oder Behindertenhilfe in einer Einrichtung untergebracht ist und gem § 324 Abs 3 ASVG einen Beitrag leistet.

Die Straftat kann keine Schlechterstellung rechtfertigen, weil der Pensionsberechtigte die Handlung in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließendem Zustand begangen hat. Aus der Tatsache, dass der Betroffene für die Tat nicht oder nur eingeschränkt verantwortlich ist, folgt sogar eine besondere Behandlungs- und Betreuungspflicht des Staates. Sie ergibt sich aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Staates für schwache und kranke Menschen und wird durch die Unterbringung in einer therapeutischen Einrichtung umgesetzt. Das Sozialversicherungsrecht hat diesem Umstand Rechnung getragen und unterscheidet nur zwischen schuldunfähigen Maßnahmenpatienten und schuldfähigen Straftätern, deren Pensionsansprühe während der Haft ruhen.

Ein Anspruchsverlust auf die erhöhte Familienbeihilfe, der sich - ohne weitere Prüfung, ob ein Beitrag zu den Unterbringungskosten geleistet wird - allein auf die Unterbringung gem § 21 Abs 1 StGB stützt, würde im Ergebnis einer nach dem österreichischen Strafrecht verpönten (Geld-)Strafe gleichkommen. Darüber hinaus wird festgehalten, dass der Beschwerdeführer regelmäßige Ausgaben für Einkäufe im Rahmen der "Ausspeise" von monatlich € 50 hat. Dabei handelt es sich um Dinge des täglichen Bedarfs, wie Zigaretten, Kaffee, Süßigkeiten, Köperpflegemittel, Lesestoff, Kleidung etc. Auch benötigt der Beschwerdeführer Geld für Ausgänge im Rahmen von "Sozialtrainings". Diese therapeutischen Ausgänge werden als Entlassungsvorbereitung durchgeführt und sind zwingend notwendig um den weiteren Schritt in Richtung "Unterbrechung der Unterbringung" und weiter in Richtung Entlassung zu gehen.

Beweis: Kontozeilen

Da der Beschwerdeführer gem § 324 Abs 4 ASVG mit 80 % seiner Pension in Höhe von dzt. € 690,43 zu den Kosten seiner Unterbringung in der Justizanstalt X. beiträgt, zusätzliche Ausgaben für die Bestreitung des Lebensunterhalts hat und auch alle anderen Voraussetzungen für die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe erfüllt, steht ihm die erhöhte Familienbeihilfe rückwirkend und laufend zu.

E. Änderungserklärung

Der Beschwerdeführer begehrt, dass ihm die erhöhte Familienbeihilfe rückwirkend ab August 2012 und laufend gewährt wird.

..."

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit folgender Begründung ab:

"Zunächst wird auf die ausführliche Begründung im angefochtenen Bescheid vom verwiesen. Die in der Beschwerde angeführte Judikatur (VwGH) und Literatur (Erlass) sind überholt und daher der Beschwerde nicht dienlich.

Vor allem beim sogenannten Eigenanspruch von Kindern, denen die Eltern nicht überwiegend Unterhalt leisten (§ 6 Abs. 5 FLAG), setzt der Anspruch auf Familienbeihilfe voraus, dass sich das Kind nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befindet. Hier leuchtet der Gedanke hervor, dass ein Anspruch auf Familienbeihilfe ausgeschlossen ist, wenn die öffentliche Hand überwiegend oder grundsätzlich für den Unterhalt des Kindes sorgt, auch wenn die Eltern zum Teil Unterhalt leisten (VwGH 2011/16/0173 vom ). Ebenso sind Eigenbeiträge für den Beihilfenanspruch schädlich, wenn sie nicht überwiegend geleistet werden.

Vor diesem Hintergrund wurde mit Bundesgesetz vom , BGBl. I Nr. 77/2018, die Rechtslage in Bezug auf die §§ 6 Abs. 2 lit. d und 6 Abs. 5 angepasst (gültig mit ). § 6 Abs. 6 FLAG "neu" schließt nunmehr dezidiert Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes BGBl. Nr. 144/1969 auf sie Anwendung finden, vom Eigenanspruch aus. Bei der vorliegenden Novelle handelt es sich nicht um eine Änderung der Gesetzeslage, sondern ausschließlich um eine präzisierende Korrektur der Rechtsprechung des VwGH (/ 2011/16/0173 sowie / Ra 2014/16/0014).

Der Beschwerde konnte somit - auch für die Jahre vor 2016 - kein Erfolg beschieden werden."


Der Erwachsenenvertreter stellte namens des Bf. am einen Vorlageantrag.

Darin wird zunächst ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die in der Beschwerde vom vorgebrachten Gründe inhaltlich voll aufrechterhalten werden.

Weiters wurde Folgendes ausgeführt:

"Die Behörde verweist in der Begründung auf das Bundesgesetz vom , BGBl I 2018/77, mit dem die Rechtslage in Bezug auf die §§ 6 Abs 2 lit d und 6 Abs 5 FLAG angepasst worden sei. § 6 Abs 6 FLAG "neu" schließt nunmehr Personen im Sinn des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl Nr 144/1969, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl Nr 144/1949, auf sie Anwendung finden, vom Eigenanspruch aus. Die Bestimmung sei rückwirkend mit in Kraft gesetzt worden. Unter Verweis auf die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs vom , 2011/16/0173 und vom , Ra 2014/17/0014 führt die Behörde weiters aus, dass es sich bei der vorliegenden Novelle nicht um eine Änderung der Gesetzeslage, sondern ausschließlich um eine präzisierende Korrektur der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs handle.

Abweisung des Anspruchs auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe für den Zeitraum August 2012 bis Dezember 2015

Die Behörde stützt die Abweisung allein darauf, dass sich der Beschwerdeführer in der Zeit gem § 21 Abs 1 StGB im Maßnahmenvollzug befand. Damit steht ihre Rechtsansicht im Widerspruch zur ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, wonach es nicht auf die Bezeichnung der Einrichtung als Anstalt oder Heim ankommt, sondern ausschließlich auf die gänzliche Kostentragung durch die öffentliche Hand (). Außerdem käme ein Ausschluss vom Bezug der erhöhten Familienbeihilfe im Falle einer Unterbringung nach § 21 Abs 1 StGB, unabhängig davon, ob ein Beitrag zu den Unterbringungskosten geleistet wird, einer im österreichischen Strafrecht verpönten Bestrafung von schuldunfähigen Straftätern gleich.

Der Entscheidung des , lag ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde: Der VwGH hatte sich mit der Frage zu befassen, ob während einer Strafhaft ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht.

In der Beschwerde vom wurden die tatsächlichen und rechtlichen Unterschiede zwischen einem Maßnahmenvollzug gem § 21 Abs 1 StGB und einer Strafhaft ausführlich dargestellt. Im Gegensatz zum Maßnahmenvollzug gem § 21 Abs 1 StGB ruht die Pension während der Strafhaft (vgl § 89 Abs 1Z 2 ASVG). In § 324 Abs 4 ASVG ist eine Pensionsteilung im Wege der Legalzession für den Fall vorgesehen, dass ein Pensionsberechtigter nach § 21 Abs 1 StGB auf Kosten des Bundes in einer Anstalt oder Einrichtung untergebracht ist. Der Beschwerdeführer trägt mit 80 % seiner Pension in Höhe von dzt € 708,37 monatlich zu den Kosten seiner Unterbringung in der Justizanstalt X. bei. Zusätzlich hat er nach wie vor die in der Beschwerde bereits angeführten Ausgaben in Höhe von € 250,- monatlich zu bestreiten.

Beweis: Pensionsmitteilung 2019

Bei dem von der Behörde angeführten Erkenntnis (Ra 2014/16/0014) hatte der Verwaltungsgerichtshof über den Anspruch einer Mutter auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe für ihren volljährigen Sohn mit Behinderung zu entscheiden. Mutter und Sohn waren keine österreichischen Staatsbürger, sondern hatten den Status der subsidiär Schutzberechtigten. Der Verwaltungsgerichtshof hatte daher den Anspruch gem § 3 Abs 4 FLAG zu prüfen. Der Anspruch der Mutter auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe für ihren Sohn wurde abgewiesen, weil der VwGH den Unterhalt des Sohns im Rahmen der Grundversorgung als gedeckt erachtete. Der Fall ist mit dem des Beschwerdeführers nicht vergleichbar. Der Beschwerdeführer macht einen Eigenanspruch auf die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe geltend, ist österreichischer Staatsbürger und leistet einen Kostenbeitrag zu seiner Unterbringung in Höhe von 80 % der Pension.

Abweisung des Anspruchs auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ab und laufend

Die Behörde stützt sich auf den mit der Novelle (BGBl I 2018/11) angefügten Absatz 6 des § 6 FLAG, der rückwirkend mit in Kraft gesetzt wurde. Die Bestimmung verweist auch auf § 1 Z 4 StVG, die den Begriff "untergebrachter" mit jeder Person, an der eine mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahme vollzogen wird, definiert. Die Behörde hätte die Bestimmung so auslegen müssen, dass zurechnungsunfähige und daher strafrechtlich nicht verantwortliche Personen, die gem § 21 Abs 1 StGB in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher untergebracht sind, nicht darunter zu subsumieren sind. Andernfalls würde sie der Bestimmung einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellen. Insofern wird auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde verwiesen."

Über die Beschwerde wurde erwogen:


Unstrittiger Sachverhalt:

Dem Bf. wurde auf Grund der im Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) vom getroffenen Feststellungen (dauernde Erwerbsunfähigkeit rückwirkend ab Dezember 2007) die Familienbeihilfe und der Erhöhungsbetrag im Zeitraum Dezember 2007 bis Juli 2012 gewährt und aufgrund der Anhaltung im Maßnahmenvollzug gemäß § 21 Abs. 1 StGB die Auszahlung für den Zeitraum danach eingestellt.

Am wurde vom Erwachsenenvertreter des Bf. die Familienbeihilfe und der Erhöhungsbetrag rückwirkend auf fünf Jahre beantragt.

Der Bf. bezog laut Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt vom Jänner 2019 (Verständigung über die Leistungshöhe zum ) folgende Invaliditätspension:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Invaliditätspension
Leistung
EUR
511,05
zuzüglich
Pflegegeld Stufe 1
EUR
157,30
Ausgleichszulage
EUR
422,01
abzüglich
Ruhen
EUR
157,30
Krankenversicherungsbeitrag
EUR
47,59
Verpflegskostenanteil
EUR
708,37
Anweisungsbetrag
EUR
177,10

Der Beschwerdeführer trägt monatlich mit 80 % seiner Pension zu den Kosten seiner Unterbringung in der Justizanstalt X. bei.

Rechtsgrundlagen:

§ 6 Abs. 5 FLAG 1967 in der Fassung vom bis lautete:

"Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3)."

§ 6 Abs. 5 und 6 FLAG 1967 in der Fassung ab lauten:

"(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).

(6) § 6 Abs. 5 gilt nicht für Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden."

§ 55 Abs. 39 FLAG 1967 bestimmt:

§ 6 Abs. 1 lit. d, Abs. 5 und Abs. 6 in der Fassung des BGBl. I Nr. 77/2018 tritt mit in Kraft.

§ 31 Strafvollzugsgesetznormiert:

(1) Die Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen haben nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes für den Unterhalt der Strafgefangenen zu sorgen.

(2) Soweit die Strafgefangenen sich Sachgüter oder Leistungen gegen Entgelt verschaffen dürfen, können sie dafür außer in den in diesem Bundesgesetz bestimmten Fällen nur das Hausgeld verwenden.

§ 32 Strafvollzugsgesetz normiert:

(1) Soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, hat jeder Verurteilte für seinen Unterhalt (§ 31 Abs. 1) einen Beitrag zu den Kosten des Strafvollzuges zu leisten.

§ 165 Strafvollzugsgesetz normiert:

(1) Für den Vollzug der Unterbringung nach § 21 Abs. 1 des Strafgesetzbuches gelten folgende besondere Bestimmungen:

1. Die Untergebrachten sind unter Berücksichtigung ihres Zustandes zur Erreichung der Vollzugszwecke (§ 164) und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Anstalten so zu behandeln wie es den Grundsätzen und anerkannten Methoden der Psychiatrie, Psychologie und Pädagogik entspricht. Rechte der Untergebrachten, die den in den §§ 20 bis 129 den Strafgefangenen eingeräumten Rechten entsprechen, dürfen dabei nur insoweit beschränkt werden, als dies zur Erreichung der vorgenannten Zwecke unerläßlich ist. Die Rechte der Untergebrachten, die den in den §§ 119 bis 122 den Strafgefangenen eingeräumten Rechten entsprechen, sowie die Menschenwürde der Untergebrachten dürfen nicht beeinträchtigt werden. Beschwerden, von denen es offensichtlich ist, daß ihre Erhebung ausschließlich auf die geistige oder seelische Abartigkeit des Untergebrachten und nicht auf eine Beeinträchtigung seiner Rechte zurückzuführen ist, sind jedoch ohne förmliches Verfahren zurückzulegen.

2. Die Z 1 gilt dem Sinne nach auch für allgemein oder im Einzelfall getroffene Anordnungen hinsichtlich der Pflichten der Untergebrachten sowie hinsichtlich der Maßnahmen gegenüber Untergebrachten, die Handlungen begangen haben, die bei einem Strafgefangenen als Ordnungswidrigkeiten anzusehen wären; solche Maßnahmen dürfen außerdem den Untergebrachten in ihrer Gesamtauswirkung keiner ungünstigeren Behandlung unterwerfen, als dies bei einem Strafgefangenen zulässig wäre.

(2) Soweit sich aus Abs. 1 nichts anderes ergibt, gelten auch für den Vollzug der Unterbringung nach § 21 Abs. 1 des Strafgesetzbuches die Bestimmungen des § 166.

§ 167 Strafvollzugsgesetz normiert:

(1) Soweit die §§ 164 bis 166 nichts anderes bestimmen, gelten die §§ 20 bis 129, 131 bis 135, 146 bis 150 und 152 dem Sinne nach.

§ 21 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) idF ab lautet:

(1) Begeht jemand eine Tat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, und kann er nur deshalb nicht bestraft werden, weil er sie unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11) begangen hat, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, so hat ihn das Gericht in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen, wenn nach seiner Person, nach seinem Zustand und nach der Art der Tat zu befürchten ist, daß er sonst unter dem Einfluß seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde.


§ 324 Abs. 3 und 4 ASVG lautet:

(3) Wird ein Renten(Pensions)berechtigter auf Kosten eines Trägers der Sozialhilfe oder auf Kosten eines Trägers der Jugendwohlfahrt in einem Alters(Siechen)heim oder Fürsorgeerziehungsheim, einer Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke, einer Trinkerheilstätte oder einer ähnlichen Einrichtung bzw. außerhalb einer dieser Einrichtungen im Rahmen eines Familienverbandes oder auf einer von einem Träger der öffentlichen Wohlfahrtspflege oder von einer kirchlichen oder anderen karitativen Vereinigung geführten Pflegestelle verpflegt, so geht für die Zeit dieser Pflege der Anspruch auf Rente bzw. Pension (einschließlich allfälliger Zulagen und Zuschläge) bis zur Höhe der Verpflegskosten, höchstens jedoch bis zu 80 vH, wenn der Renten(Pensions)berechtigte aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung für den Unterhalt eines Angehörigen zu sorgen hat, bis zu 50 vH dieses Anspruches auf den Träger der Sozialhilfe oder auf den Träger der Jugendwohlfahrt über; das gleiche gilt in Fällen, in denen ein Renten(Pensions)berechtigter auf Kosten eines Landes im Rahmen der Behindertenhilfe in einer der genannten Einrichtungen oder auf einer der genannten Pflegestellen untergebracht wird, mit der Maßgabe, daß der vom Anspruchsübergang erfaßte Teil der Rente (Pension) auf das jeweilige Land übergeht. Der vom Anspruchsübergang erfaßte Betrag vermindert sich für jeden weiteren unterhaltsberechtigten Angehörigen um je 10 v. H. dieses Anspruches. Der vom Anspruchsübergang erfaßte Betrag vermindert sich in dem Maß, als der dem unterhaltsberechtigten Angehörigen verbleibende Teil der Pension (Rente) zuzüglich seines sonstigen Nettoeinkommens (§ 292 Abs. 3) den jeweils geltenden Richtsatz gemäß § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb nicht erreicht. Die dem Renten(Pensions)berechtigten für seine Angehörigen zu belassenden Beträge können vom Versicherungsträger unmittelbar an die Angehörigen ausgezahlt werden.

(4) Abs. 3 ist sinngemäß auch in den Fällen anzuwenden, in denen eine renten(pensions)berechtigte Person oder eine Person mit Anspruch auf Rehabilitationsgeld nach § 21 Abs. 1 des Strafgesetzbuches oder nach § 179a des Strafvollzugsgesetzes auf Kosten des Bundes in einer Anstalt oder Einrichtung untergebracht ist, und zwar so, dass der vom Anspruchsübergang erfasste Betrag dem Bund gebührt. Diesen Betrag kann der Versicherungsträger unmittelbar an jene Anstalt oder Einrichtung auszahlen, in der die renten(pensions)berechtigte Person oder eine Person mit Anspruch auf Rehabilitationsgeld untergebracht ist.


Rechtliche Beurteilung:

I. Gewährung der Familienbeihilfe höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung

Der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages wurde vom Erwachsenenvertreter am eingebracht.

Gemäß § 10 Abs. 3 FLAG 1967 wird Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt.

Der gegenständliche Antrag wurde somit für den Zeitraum August 2012 bis April 2013 verspätet eingebracht. Die Familienbeihilfe und der Erhöhungsbetrag stehen daher für diesen Zeitraum nicht zu.

II. Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe bei Maßnahmenvollzug gemäß § 21 Abs. 1 StGB

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist strittig, ob dem Bf. in der Zeit seiner Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB ein Anspruch auf Familienbeihilfe und Erhöhungsbetrag zusteht.

Der Verwaltungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis , noch aus, dass eine - den Beihilfenanspruch ausschließende - Anstaltspflege iSd § 6 Abs. 2 lit. d FLAG nur dann vorliege, wenn der Unterhalt der behinderten Person unmittelbar und zur Gänze durch die öffentliche Hand gewährt werde. Dies sei nicht der Fall, wenn zum Unterhalt durch die untergebrachte Person selbst beigetragen werde.

Im Erkenntnis , vertrat der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, dass die Deckung der typischen Unterhaltsansprüche durch die öffentliche Hand den Anspruch auf Familienbeihilfe ausschließe. Wenn die öffentliche Hand überwiegend oder grundsätzlich für den Unterhalt des Kindes sorgt, sei ein Anspruch auf Familienbeihilfe ausgeschlossen, auch wenn vom Anspruchsberechtigen hinsichtlich verbleibender Restbedürfnisse des Kindes Leistungen erbracht werden.

Diese Rechtsansicht wiederholte der Verwaltungsgerichtshof auch in seiner Entscheidung .

Das Finanzamt verneinte unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des , einen Anspruch auf Familienbeihilfe, weil auch im Fall einer Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB (Maßnahmenvollzug) die Bestimmung des § 31 Abs. 1 StVG anzuwenden sei, und daher der typischerweise anfallende Unterhalt des Bf. in Form von Unterkunft, Bekleidung und Verpflegung durch die öffentliche Hand gedeckt sei.

Auch das Bundesfinanzgericht (BFG) folgte der angeführten neueren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und sprach im Erkenntnis vom , RV/7100257/2016, aus, dass ab dem Zeitpunkt des Maßnahmenvollzugs kein Anspruch auf Familienbeihilfe gegeben sei.

Da allerdings das Judikat , den späteren Erkenntnissen , und , zu widersprechen schien und nicht auf den Umstand einging, dass auch bei einem Maßnahmenvollzug § 21 Abs. 1 StVG anzuwenden ist, ließ das BFG die ordentliche Revision zu.

In der Folge wurde gegen das Erkenntnis des , eine ordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof zu Zl. Ro 2017/16/0004 eingebracht.

Im Erkenntnis , führte der Gerichtshof nunmehr an, dass das BFG im angefochtenen Erkenntnis die Feststellung getroffen habe, dass 80% der Pension des Sohnes der Revisionswerberin anlässlich des Maßnahmenvollzugs nach § 21 Abs. 1 StGB aufgrund der gesetzlichen Vorgaben des § 324 Abs. 3 und 4 ASVG einbehalten worden seien.

Darin unterscheide sich die Gestaltung des vorliegenden Revisionsfalls von derjenigen, die dem Erkenntnis , zu Grunde gelegen sei. Im Revisionsfall habe das BFG die Versagung der Familienbeihilfe nicht darauf stützen dürfen, dass die öffentliche Hand die Kosten des typischen Unterhalts getragen hätte, denn dem Bund oder unmittelbar der Anstalt, in welcher der Sohn der Revisionswerberin untergebracht gewesen sei, sei ein Betrag vom Pensionsanspruch des Sohnes der Revisionswerberin ausbezahlt worden (vgl. ).

Auch im vorliegenden Beschwerdefall ist unstrittig, dass der Bf. iSd § 324 Abs. 4 ASVG mit 80 % seiner Invaliditätspension zu den Unterbringungskosten in der Justizanstalt X. beiträgt.

Vor diesem Hintergrund kommt daher der Auffassung des Finanzamtes, ein Anspruch auf Familienbeihilfe sei zu verneinen, weil bei der im Beschwerdefall vorliegenden Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB der typischerweise anfallende Unterhalt des Bf. durch die öffentliche Hand gedeckt sei, keine Berechtigung zu.

Festgehalten wird noch, dass nach § 5 Abs. 1 FLAG 1967 ein zu versteuerndes Einkommen bis zu einem Betrag von 10.000 € nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe führt und die monatlichen Pensionseinkünfte des Bf. den genannten Betrag nicht übersteigen.

Für den Zeitraum Mai 2013 bis Dezember 2015 stehen die Familienbeihilfe und der Erhöhungsbetrag auf Grund der vorstehenden Ausführungen zu.

III. Abweisung des Antrages auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ab

Am beschloss der Nationalrat eine Reparatur der Bestimmungen für erhöhte Familienbeihilfe. Diese war aufgrund von Erkenntnissen des VwGH ( und ), notwendig, um eine Schlechterstellung von erheblich behinderten Kindern zu vermeiden.

In diesen Erkenntnissen sprach der Verwaltungsgerichtshof - aufbauend auf seine bisherige Rechtsprechung zu Fällen der Leistung des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes (, und ) für ein die Strafhaft verbüßendes Kind aus, dass in Konstellationen, bei denen typischer Unterhalt der Kinder durch die öffentliche Hand gedeckt ist, kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht.

Den Materialien zur Gesetzesänderung (AB 292 BlgNR, XXVI. GP, 2) ist zu entnehmen:

"Es soll nun sichergestellt werden, dass ein Eigenanspruch des Kindes auf Familienbeihilfe auch dann gegeben ist, wenn das Kind selbst aufgrund eines sozialversicherungsrechtlichen Anspruches (z.B. Pflegegeld) oder aufgrund einer eigenen Erwerbstätigkeit regelmäßig zur Deckung der Unterhaltskosten beiträgt. Gleiches soll gelten, sofern die Eltern zwar nicht überwiegend jedoch zumindest teilweise regelmäßig zum Unterhalt ihres Kindes beitragen.

Sofern der Unterhalt des Kindes zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe (bei Aufenthalt in einer sozialpädagogischen Einrichtung) oder zur Gänze aus Mitteln der öffentlichen Hand (zB durch eine Bedarfsorientierten Mindestsicherung oder die Grundversorgung) getragen wird, ohne dass ein oben angesprochener Beitrag geleistet wird, soll kein Anspruch auf die Familienbeihilfe bestehen, da in diesen Fällen der Mindestunterhalt des Kindes bereits vollständig durch Mittel der öffentlichen Hand sichergestellt ist."

Durch Änderung des § 6 Abs. 5 FLAG 1967 haben Kinder nun einen Eigenanspruch auf Familienbeihilfe, sofern ihr Unterhalt nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes getragen wird. Wenn also zB eine Invaliditätspension bezogen wird, durch den dem Kind eigene, zusätzliche Einkommensmittel zur Verfügung gestellt werden, bleibt der Eigenanspruch des Kindes bestehen, da in diesem Fall die Unterhaltskostentragung nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln erfolgt.

Gemäß dem Vorbringen des Vertreters des Bf. würde auf Basis dieses nun geänderten Absatzes ein Familienbeihilfeanspruch bestehen.

Gleichzeitig wurde mit BGBl. I Nr. 77/2018 jedoch dem § 6 FLAG der Abs. 6 angefügt, wonach der Eigenanspruch auf Familienbeihilfe für Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes ausgeschlossen wurde.

Dem Ausschussbericht zum Gesetzesantrag (AB 292, BlgNR XXVI. GP, 2) ist zu entnehmen:

"Im Falle von Maßnahmen, die nach dem Strafvollzugsgesetz angeordnet werden, bei welchen es sich insbesondere um den Vollzug einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme handelt, soll ein Eigenanspruch der betroffenen Personen ausgeschlossen werden.

Gemäß den Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes besteht eine Verpflichtung der öffentlichen Hand für den Unterhalt dieser betroffenen Personen umfassend zu sorgen. Jene Unterhaltsbedürfnisse, die im Zuge des Vollzuges einer Freiheitsstrafe bzw. des Vollzuges einer vorbeugenden Maßnahme, die mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist, typischerweise anfallen, werden von der öffentlichen Hand ausreichend gedeckt."

Bei diesem Ausschluss des Eigenanspruchs spielt es auch keine Rolle, ob das betreffende Kind durch eine Invaliditätspension zur Unterhaltskostentragung beiträgt. Damit geht das Vorbringen des Vertreters des Bf. ins Leere.

Da eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 31 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz für den Unterhalt des Untergebrachten zu sorgen hat, besteht für die Dauer des Maßnahmenvollzugs des Bf. kein Eigenanspruch des Bf. auf Familienbeihilfe.

Diese Rechtsfolge ergibt sich seit direkt aus § 6 Abs. 6 FLAG 1967.

Für den Zeitraum ab stehen die Familienbeihilfe und der Erhöhungsbetrag somit nicht zu (vgl. auch ).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () folgt bzw. sich die Lösung der Rechtsfrage direkt aus dem Gesetz (§ 6 Abs. 6 FLAG 1967, § 10 Abs. 3 FLAG 1967) ergibt.

Wien, am

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